Kaschauer Zeitung, April-Juni 1874 (Jahrgang 36, nr. 26-51)
1874-04-22 / nr. 32
„XXXVI“ Jahrgang 1874. Erscheint jeden Mittwoch und Samstag. Pränumeration für Kaschau vierteljährig 1 fl. 25 Sendung tr., mit Postvert fl. 59 fr. Pränumeration wird jeden Tag angenommen bei der Administration der Kassauer Zeitung, Hauptgasse Wr. 60, bei allen Postanstalten u. Buche handlungen, finden Szerdán és Szombaton, unfransirte Briefe an die Redaktion werden nicht angenommen. ‘ Inserate, 5 kr. für eine fünfmal gespaltene entsprechender Nachlaß. In Wien übernehmen Inserate für ung die Herren A. Oppelik, Wollzeile Nr. 22, Haussenstein , Vogler, Neuer Markt Nr. 11 und Rudolf Messe Annoncen - Expedition. Inserate Übernimmt für uns die Internationale Annoncen - Expedition von Lang. & Schwarz Pest, Badgaffe und Wien, Wollzeile 6. — In Berlin Megjelen Kascha Anonyme Briefe werden nicht berüfsichtigt und Manuskripte nicht zurückkgegeben, aber Zeitun Pokalblatt für Volks-, Haus- und Landwirthschaft, Industrie und geselliges Leben. (KASSA-EPERJESI ERTESITÖ). 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Die genaue Feststellung der Qualification, um die Abnormität verschiedenartiger Auslegungen desselben zu beseitigen ; die Einführung ständiger Wählerlisten, um der zeitraubenden und aufregungsvollen, bei jeder Wahl-Campagne sich wieholenden Zusammenschreibung der Wähler ein Ende zu machen ; die Ueberweisung streitiger Fragen, bezüglich der Qualification an die Gerichte, um ihnen Austragungen zu sichern ; die Verbesserung eine unparteiische soll wohl heißen Abkürzung des Wahlverfahrens, um die ganz eigenthümliche Prozedur abzustellen, welche nur darauf angelegt erscheint, die Leidenschaften von Grad zu Grad bis zum unvermeidlichen Ausbruch von Katastrophen in die Höhe zu treiben ; die Feststellung zweckmäßiger Normen gegen Wahlausschreitungen und Mißbräuche — alle diese in Aussicht gestellten Neuerungen wurden wiederholt und nicht von der deäkistischen Presse allein urgirt und es steht wohl anzunehmen, auch die Opposition werde sich nicht länger ablehnend gegen dieselben verhalten, vorausgeseßt, daß sie von der Nothmendigkeit einer Wahlreform überhaupt durchdrungen ist. Auf ein eingehenderes Urtheil über die angekündigte Novelle müssen wir selbstverständlich verzichten, so lange sie uns nicht vorliegt und wir moch nicht wissen können, in welcher Fassung die proklamirten Principien ihren Ausdruck finden werden; wir wollen nur hoffen, daß die leitenden Grundsäße plastisch, korrekt und zweimäßig in dem Geietentwurfe ausgeprägt sein werden. — Der zweite wichtigste Gegenstand in dem Arbeitsplane der Regierung ist, wie gesagt, die Revision der Hausordnung. — Nach den Auseinandersezungen des Herrn von Bitte wäre lediglich die Beseitigung der sehr bestehenden Sectionen und Ersetzung derselben durch Fachcommissionen beabsichtigt, und es läßt sich nicht leugnen, daß diese Reform der Hausordnung eine sehr zweckentsprechende wäre. Auch dürfte sie kaum auf ernsten Widerstand stoßen. Der schwerfällige Apparat der Sektionen, Centralausschüsse und ständiger Ausschüsse hat wesentlich den schleppenden Gang der Reichstagsarbeiten mitverschuldet ; die ganze Maschinerie bewegte sich mühselig und kreischend, wie um verrostete Angeln, und bei dieser langsamen Procedur wurde nicht einmal für die Qualität der Gesetzentwürfe etwas gewonnen. Man kann daher den Vorschlag des Ministerpräsidenten nur billigen, ebenso die Forderung, daß die Competenz des Unterhaus- Präsidenten hinsichtlich der Interpretirung der Hausordnung genau festgestellt werde. Ueber Mangel an Materiale kann sich nach alldem der Reichstag nimmer beklagen, zumal der Ministerpräsident nachdrücklich betonte, die Sommersaison solle von möglichst kurzer Dauer sein. Er wird alle Kraft aufbieten müssen, um auch nur die bedeutenderen Vorlagen in dieser Session aufzuarbeiten, und wir können nur den Wunsc wiederholen, daß unser Parlament sich aus der Stagnation der letzteren Zeit zu fruchtbarer Arbeit aufraffen möge. — Am 13. d., Nachmittag kurz nach 1 Uhr, trat der deutsche Neidtag in die mit Spannung erwartete zweite Berathung der Militärvorlage ein. Die gefüllten Reihen der Abgeordnetenfige und die noch gefüllteren Räume der Zuhörer lieferten ein inposantes Zeugniß für die überaus warme Antheilnahme aller gebildeten Classen an dieser brennenden Frage. Auf den Gesichtern der meisten Abgeordneten spiegelte sich ein Gefühl der Befriedigung und stolzer Zuversicht ab, hervorgerufen durch die erlangte Gewißheit eines günstigen Ausgleichs in einer der schwierigsten Fragen.“ Moltke erklärte : Die Stärke Deutschlands in Mitte Europas sei die beste Friedensbürgschaft. Gegenüber dem Revanchegeschrei sei die Hand am Schwerte nothwendig. Abrüstung bedeute Krieg, der hoffentlich durch die Meisheit der französischen Regierung vermieden werde. Deutschland habe seine Macht im Kriege nicht mißbraucht, konnte die französische Regierung zur Bewilligung aller Forderungen zwingen und forderte nur das Land zurück, das der unruhige Nachbar früher dem schwachen Nachbar entriß. Man müsse auch ferner zur Armee volles Vertrauen haben und Deutschland bedürfe der geforderten, auch im Bennigsen'schen Antrage anerkannten Präsenzstärke. Er glaube, die Präsenzziffer sei definitiv, nicht provisorisch festzustellen. Gesetze werden nicht für ewig gemalt. Er stimme für das Provisorium, weil er glaube, daß der patriotische Reichstag nach Ablauf der sieben Jahre bewilligen wird, was im Interesse des Vaterlandes unerläßlich ist. Minister Delbrüd wies den Vorwurf zurück, als fordere die Regierung ein so hohes Armee-Budget, um Capitalien für Deutschland anzusammeln, die französischen Kriegskosten seien für Entschädigungen und Kriegs8zwe>e verwendet worden. Nach Beendigung der Debatte wurde über 8: 1 mit dem von Bennigsen gestellten Antrag geschritten. Derselbe fordert für die nächstfolgenden sieben Jahre einen Präsenzfriedensstand von 401.000 Mann, welche Standeserhöhung für den Staat ein Mehrerforderniß von 200 Millionen Thaler bedingt. Der Antrag Bennigsen wurde mit großer Majorität, 224 gegen 145 Stimmen, angenommen. — In der letzten Sitzung der Stadtverordnetenversammlung in Berlin führte der Oberbürgermeister Hobrecht den neugewählten Stadtschulrath. Dr. Bertram mittelst einer längeren Ansprache ein, in welcher er den Aufschwung des lezten 20 Jahren beleuchtete. Vor zwei Decennien nen wurde der Elementarunterricht in Berlin nur zu einem geringen Theil durch Gemeindelehrer ertheilt, während die überwiegende Mehrzahl der Elementarschüler ihren Unterricht in Privatschulanstalten fand. Die rein städtischen Elementarschulen hatten im wesentlichen den Charakter von Armenschulen. Heute dagegen hat sich die Gemeinde des Volksschulwesens fast vollständig bemächtigt, so daß die Gemeindeschulen ihrer Zahl und Ausdehnung nach nahe daran sind, dem gesammten Bedürfniß der städtischen Bevölkerung zu genügen. Während damals in 15 Communalschulen kaum 9500 Kinder unterrichtet wurden, werden heute 77 Gemeindeschulen von nahezu 50.000 Kindern besuct, und während damals 43 Privatschulen den Elementarunterricht an mehr als 13.000 Kinder ertheilten, bestanden am Schlusse des letzten Jahres nur noc 14 Privatschulen mit 8000 Kindern. Seitdem sind jedoch wieder mehrere dieser Schulen in Gemeindeanstalten umgewandelt worden, und wenn die gegenwärtig im Bau begriffenen Gemeindeschulhäuser eröffnet werden, dürfte vielleicht für einen Augenblic das hohe Ziel erreicht sein, daß alle schulpflichtigen Kinder der Stadt in Communalsäulen untergebracht werden können. Weiterhin bemerkte der Oberbürgermeister wörtlich: „Unsere Gesetgebung in Bezug auf das Unterrichtswesen hat seit einem Jahrhundert wenige Fortschritte gemacht; ihre Grundlagen waren so gesund, so kräftig und weit bemessen, daß es möglich blieb im Wege der Verwaltung die dem veränderten und steigenden Bedürfniß entsprechenden Einrichtungen zu treffen. Aber die aus dem Bildungsstand und Bildungsbedürfniß unserer hiesigen städtischen Bevölkerung allmählig hervorgegangene Gemeindeschule ist eine Anstalt, welche durchaus nicht mehr in den Rahmen paßt, den die aus dem Geset hergeleiteten Verordnungen über ihre Verwaltung und Leitung geben. Die in der Regel einklassige Elementarschule, welche der Gesetgeber vor Augen hatte, konnte und mußte vielleicht unter die Leitung eines außer ihr stehenden Revisors gestellt werden ; unsere Gemeindeschulanstalten müssen hinter dem, was sie für die Erziehung des Volkes leisten könnten, weit zurückbleiben, wenn sie ihre unmittelbare Führung und Direction nicht in sich selbst erhalten. Die unmittelbare Direction dieser zwölf- und mehrklassigen Anstalten muß, ähnlich wie es bei den hohen Lehranstalten der Fall ist, in der Schule, selbst zu finden sein... So stehen wir auch hier wie in fast allen Theilen der ‚Gesmeindeverwaltung vor der Nothwendigkeit einer wirksamen Decentralisation und Gliederung. Wir sind ja nicht berrufen an einer Aenderung der Gesetzgebung unmittelbar mitzuwirken, aber wir können glücklicherweise sicher sein, daß die oberste Leitung des Unterrichtswesens im Staat uns gegenwärtig nicht hindern, sondern fördern wird, die nothwendigen Umgestaltungen, so weit es innerhalb der bestehenden Gesetze zulässig ist, durchzuführen, und die praktischen Erfahrungen, welche das größte Gemeindewesen des Staats in dem Bestreben „das geschriebene Geset mit dem lebendigen Bedürfniß in Einklang zu bringen, macht, werden für die Fortentwickklung der Geseßgebung gewiß nicht ohne Frucht sein“. Daran knüpfte der Stadtverordnetenvorsteher Kochhann eine Ansprache in der es heißt: „Es ist viel die Rede von confessions- und religionslosen Säulen. Wenigen ist es klar, was sie darunter verstehen und wie sie ihre Seen zur Ausführung bringen wollen. Mit Ausschluß der Religion würde dem Unterricht und der Erziehung das Fundament genommen werden. Wegschaffen aus der Seule wollen wir die Unterscheidungen des religiösen Glaubens, um der Jugend das unbefangene Gemüth zu bewahren, und nicht sehen von Kindheit an kirclichen Unfrieden, und statt Liebe und Duldung = Haß und Verachtung. zu säen“. — Am 13. d. feierte der Feldmarschall Graf Wrangel seinen 90. Geburtstag. Einen von der jeunesse dorée für Abends in Passage veranstalteten Ball beehrte der Kaiser mit seinem Besuche. — Graf Ledo<owsky, ehemaliger Erzbischof von Gnesen und Posen, ist am 15. April von dem Berliner Kirchengericht zu Amtsentfegung verurtheilt worden. Die Anklage bafkte auf sechs gefegwidrige Handlungen des Kirchenfürsten, welche theils vor, theils nach Erlaß der Mairgefege begangen wurden, an Durch die Amtsentsetung des Erzbischofs Ledochowski, wird ein zweiter Bischofssit vacant. Die Verhältnisse in der Diözese Posen-Gnesen müssen freilich in der Schwebe bleiben bis die Regierung die gesetzliche Handhabe zur Regelung derselben erhalten hat, welche der dem preußischen Landtag vorgelegte Gesetzentwurf über die Verwaltung erveledigter katholischer Bisthümer ihr bieten soll. Auf die Dichese Fulda wird dieses Gesetz allerdings vorläufig noch keine Anwendung finden können, da dasselbe nach den Regierungsvorschlägen die Bestallung eines Regierungscommissärs zur Verwaltung der Diöcese, in den Fällen wo die Vacanz durch den Tod des Bischofs herbeigeführt wird, erst nach Ablauf eines Jahres zuläßt. Was Herrn v. Ledochowski selbst betrifft, so wird er natürlich erst nach Beendigung seiner Gefängnishaft Gelegenheit erhalten“ zu zeigen, ob er thatsächlich das Urtheil des Gerichtshofes anerkennt oder nicht. — Aus Rom wird unterm 12. April L J. berichtet: Der Erzbischof von Thessalonich in partibus Monsignor L. Jacobini ist eilig nach Wien abgereist, um den Papst noch in der letzten Stunde wider die Folgen der confessionellen Gesetze zu vertreten.“ Als eine Beleidigung der geistlichen Oberhoheit angesehen, sollen dieselben contrebalancirt werden. Der Brief des Papstes an den Kaiser Franz Joseph war eine Drohung, das Circular an den österreichischen Episkopat war eine Herausforderung; man sah hier einen Kampf wider die Kirche organisirt, und deßhalb schien es die höchste Zeit den Nuntius dort zu haben, die Tagsereignisse wenigstens von fezt an zu controllren. Graf Andrássy's Bescheid sagte es mit andern Worten, daß die Mittel der Curie wider die confessionellen Gesete verbrauchte Waffen seien. Man würde aber, irren zu glauben, daß der Vatican die mißliche Lage der festgehaltenen Supremiatie , der Kirche in Oesterreich eben jehr verkannte, aber er meint, seiner Würde etwas zu vergeben, wenn er den Nuntius hier noch länger zurüchselte. Es wäre immerhin besser gewesen, vorher genau zu ermessen, ob man den bevorstehenden Streit mit Erfolg durchführen könne, und das eben bezweifelt hier mancher. Zuzuwarten wäre Klugheit gewesen, aber nach den nun einmal gethanen Schritten auf halbem Wege still zu stehen wäre Flucht. Nun muß der Nuntius plößlich abreisen, und zwar mit den äußersten Instructionen : er soll versuchen zu retten, was noch zu retten ist. Die confessionellen Gesetze sind votirt, und Monsignor .Jacobini wird, das ist die Ueberzeugung aller besonnenen „städtischen Elementarschulwesens in den | . REN x 2 ; 7 : ; : a TVt . 7 -.