Neue Zeitung, 1982 (26. évfolyam, 1-52. szám)

1982-01-02 / 1. szám

WOCHENBLATT DES DEMOKRATISCHEN VERBANDES DER DNDARNDEDTSCHEN 26. Jahrgang Ir. 1 Preis: 1,40 Ft Budapest 2. Jannar 1982 ZUM NEUEN JAHR hat man immer eine Fülle von Ge­danken, die wahrscheinlich nicht erst zum Jahreswechsel auf kommen, son­dern das ganze Jahr hindurch irgend­wo schlummern, doch wach genug, um wie auf einen Zauberschlag hervor­zubrechen, sobald man die letzten Blätter vom Wandkalender reißt. Ob das damit zusammenhängt, daß man im Laufe des Jahres so manche Ge­danken unterdrückt, vielleicht in der trügerischen Hoffnung, sie auf diese Weise loszuwerden? Oder liegt es ein­fach in der Natur des Menschen, in gewissen Zeitabständen, zum Beispiel jeweils nach Verlauf von rund 365 Tagen, allem Angehäuften oder Un­terdrückten freien Lauf zu gewähren, um sich sagen zu können: Ich bin doch Manns genug, um mich diesen Gedanken zu stellen? Wer weiß Ant­wort ? Ich bin einer der etwa zweihundert­tausend Ungarndeutschen, das heißt — um mich ganz genau auszudrük­­ken —: Ich bin ungarischer Staats­bürger deutscher Muttersprache und deutscher Nationalität. Ich habe Freunde (Kollegen, Bekannte, Nach­barn, Mitbürger, Mitmenschen), die der sogenannten Mehrheitsnation be­ziehungsweise anderen ungarländi­schen Minderheiten angehören. Wir verstehen (tolerieren, vertragen) uns gut, weil wir schließlich Leid und Freud’ teilen, weil wir in allem auf­einander angewiesen sind, weil uns zum Jahreswechsel dieselben Gedan­ken überfluten. Erfreuliche und weni­ger erfreuliche Gedanken. Vor kurzem wohnte ich einer der bislang erfolgreichsten Veranstaltun­gen der Südslawen in Ungarn bei. Als ich einem meiner südslawischen Freunde (wir erblickten im selben Dorf die Welt) zum Gelingen der Veranstaltung gratulierte, erwiderte er, dieser Abend ließe sich wohl mit dem Erfolg der ungarndeutschen Bläser -treffen messen. Wir freuten uns beide, weil wir uns gut verstanden; wir verstanden uns gut, weil wir uns aufrichtig freuten über den Erfolg des anderen. In den letzten Tagen des Jahres fand eine nationalitätenpolitische Be­ratung statt, zu der Teilnehmer aus allen Ecken und Enden unseres Lan­des kamen. Ein alter Bekannter von mir, ein Slowake aus dem Komitat Komárom, fragte mich besorgt, ob auch wir Ungarndeutsche ähnliche Probleme im Muttersprachunterricht hätten, wie er sie in seiner Diskus­sionsansprache im Zusammenhang mit seiner Heimatgemeinde schil­derte? Auf meine Antwort, daß diese Sorgen bei uns noch drückender seien, zeigte er sich keinesfalls erleichtert, sondern er zuckte nur mit den Augen­brauen. Wir verstanden uns, weil uns dieselben Sorgen plagen. Im Komitat Vas leben mit den Un­garn etwa zehntausend Nichtungarn zusammen: Deutsche, Kroaten und Slowenen. Der Vorsitzende des Na­tionalitätenausschusses des Komita­­tes ist weder ein Südslawe noch ein Deutscher — er ist ein Ungar. Nach der Motivation seines Engagements befragt, meinte er, es sei für die Un­garn keine Pflicht, sondern eine Selbstverständlichkeit, mit dafür zu sorgen, daß die Deutschen, Südsla­wen, Slowaken und Rumänen in Ungarn sich nicht als Angehörige ei­ner Minderheit, sondern als Gleiche unter Gleichen in diesem Lande füh­len. Wen wundert's, daß wir uns sehr gut verstehen? Gedanken zum Jahreswechsel, beim Abtrennen der letzten Blätter vom Wandkalender. Auf dem letzten Blatt steht in meiner schwäbischen Mut­tersprache geschrieben: ,,Ich winsch Eich ein klickseliges neies Joar!“ Anton Reger Masshaltend und zuversichtlich Dem gerade angebrochenen neuen Jahr schaut jedermann erwartungs­voll entgegen: Wird es die ge­wünschte Ruhe, Sicherheit, Ent­spannung und den Frieden bringen, die für die Verwirklichung unserer Zielsetzungen unerläßlich sind? Wird es die notwendigen Bedingungen schaffen, um die beiden auch im Staatshaushalt 1982 unveränderten wirtschaftspolitischen Zielsetzun­gen des sechsten Fünf jahrplanes, die Verbesserung des außenwirt­schaftlichen Gleichgewichts und die Bewahrung des Lebensstandards be­folgen zu können? Maß haltend, offen, auf realen Grundlagen basierend und zuver­sichtlich — sind die stichhaltigen Charakterzüge des Staatshaushalts­planes, der nach offener Diskussion im Parlament im Dezember ver­abschiedet und am 1. Januar in Kraft getreten ist. Die Kennziffern des Haushaltsplanes basieren darauf, daß der Anstieg des Nationalein­kommens gemäß der Planziffer für 1982 zu Vergleichspreisen 1 bis 1,5 Prozent erreicht. Die Verbesserung des Gleichgewichts im Außenhandel gebietet, daß der Inlandsverbrauch in geringem Maße vermindert wird. Die Proportionen dessen werden selbstverständlich durch das Stre­ben nach der Wahrung des Lebens­standards bestimmt. Die primäre Aufgabe der Verwirklichung unserer wirtschaftspolitischen Ziele sind die Initiative und die Verantwortung für eine gesteigerte Wettbewerbsfähig­keit, eine bessere Befriedigung der Ansprüche. Bei der Planung des Haushalts wurde damit gerechnet, daß das volkswirtschaftliche Einkommen 1982 zu laufenden Preisen um etwa 4,5 Prozent steigt. Für Investitio­nen kann 1982 weniger ausgegeben werden als 1981. Die Geldeinnah­men der Bevölkerung werden vor­aussichtlich um 6, das Verbraucher­preisniveau um etwa 5 Prozent steigen. Überdurchschnittlich, um 7 Prozent, steigen die geldlichen Sozialzuwendungen. Bereits in die­sem Monat wird die untere Grenze der minimalen Rentenerhöhung von 100 Forint gültig. Angehoben wird auch das Stipendium der Studenten, und die Sozialversicherung für Hand­werker und Kleingewerbler wird ausgedehnt. Bei der Verbesserung der Lebens­umstände werden auch 1982 dem Gesundheits- und dem Schulwesen erstrangige Bedeutung beigemessen. Außenminister Frigyes Púja wies in seinem Bericht über die außen­politische Tätigkeit vor dem Par­lament auf die außerordentliche Bedeutung der Vertiefung der Freundschaftsbeziehungen sowie der Erweiterung der vielseitigen Zu­sammenarbeit der sozialistischen Länder dies betreffend hin. In seinen Ausführungen ging er auch auf die Rolle der Nationalitäten ein. Er sagte: „Die Geschichte wollte es so, daß in den benachbarten Ländern auch Menschen ungarischer Nationalität leben, so wie in Ungarn auch andere Nationalitäten wohnen. Wir wün­schen, daß die Nationalitäten treue Staatsbürger ihrer Heimat werden, zugleich aber aufgrund ihrer Exi­stenz, ihrer spezifischen Lage die Verbindungsrolle bei der freund­schaftlichen Zusammenarbeit un­serer Völker, unserer Länder über­nehmen.“ Die Gedanken von Außenminister Frigyes Púja wurden von mehreren Diskussionsrednern bekräftigt. So legte z. B. Gyula Kállai, Vorsitzen­der des Landesrates der Patrio­tischen Volksfront, im Zusammen­hang mit den Nationalitäten in Un­garn dar, daß diese Frage aufgrund der völligen Gleichberechtigung ge­löst wurde. Er meinte des weiteren, daß sich dieser Weg als richtig er­wies und demnach auch fortgesetzt werde. Er sichert jene moralisch-po­litische Grundlage dazu, daß die Nationalitäten in den Beziehungen zu den benachbarten Völkern tat­sächlich die Brückenrolle bekleiden können. Diskussionen im Landesrat Muttersprachunterricht — ein Kernproblem Die jüngste Sitzung des Landesrates am 11. Dezember unterschied sich in doppel­ter Hinsicht von den gewohnten: Einmal war es nicht lediglich der Bericht für 1981, sondern eine Halbzeitbilanz zwischen zwei Verbandskongressen: zum anderen stand die Problematik des Muttersprachunterrichts im Mittelpunkt fast aller Beiträge. Im Präsidium hatten als Gäste Péter Fodor, Mitarbeiter des ZK der USAP, István Rakovszki, Mitglied des Landesrates der Patriotischen Volksfront, Ferenc Stark, Leiter der Nationalitätenabteilung im Bildungsministerium, Platz genommen. Auf der Tagesordnung standen: Diskussion über den Bericht, über die Tätigkeit des Verbandes für das Jahr 1981 sowie über den Arbeitsplan für 1982. Zu Beginn der Sitzung gedachten die Teilnehmer in einer Schweigeminute des verstorbenen Stefan Vinkler aus der Schomodei, eines der aktivsten Mitglieder des Landesrates. Von der extensiven zur intensiven Entwicklung Wie Generalsektretär Anton Re­ger in bezug auf den Bericht hinzu­fügte, handelt es sich nicht einfach um konkrete Teilergebnisse, sondern eher um ein Aufzeigen von Tenden­zen, die für die genannte Zeitspanne charakterisch waren. In allen Be­reichen ist eine grundlegend positive Entwicklung festzustellen, wobei es allerdings auf dem Gebiet des Mut­tersprachunterrichts noch einige Schwierigkeiten zu überwinden gibt. Immer wieder wird der Mutter­sprachunterricht — wie auch auf der Landesratssitzung —- mit viel Kritik bedacht, wobei leicht die bisher erreichten Erfolge übersehen werden. Besondere Anerkennung verdient die quantitative Entwick­lung der letzten drei Jahre, wie auch aus den Stellungnahmen von Anton Reger und Ferenc Stark hervorging. So hat sich die Anzahl der Kinder, Gruppen und Institutionen soweit erhöht, daß eine Steigerung kaum noch möglich ist. Beispielsweise ver­doppelte sich fast die Zahl der Kindergärten in der besagten Zeit­spanne. Den gleichen Gedanken be­kräftigend, führte Paul Hetlinger aus, daß die Schulgruppen im Komi-tat Fejér binnen eines Jahres von 103 auf 111 Zunahmen. Da die Muttersprache die Grund­lage des Fortbestehens der Nationa­litäten ist, ist im Muttersprachun­terricht nun von der extensiven zur intensiven Entwicklung überzu­gehen. Es sind also weitere Maß­nahmen notwendig, die in Zukunft eine qualitative Zunahme — wie das auch alle Diskussionsredner for­derten —- gewährleisten. Unverkenn­bare Tendenzen zeigen sich bereits in den Kindergärten, denn immer mehr gehen von den deutschen Beschäftigungsstunden auf Natio­nalitätentage über, um den Voraus­setzungen für die Grundschulen mehr gerecht zu werden. Als Erfolg gewertet werden muß auch jene Tatsache, daß der Muttersprach­unterricht (Grundschule) in An­schlußstunden von 40—45 Prozent der Gruppen (1975) auf 20—25 Pro­zent (1981) zurückging. Schule allein genügt nicht Wenig Wochenstunden in den Grundschulen, mangelhafte Ausbil­dung und Kenntnisse der Deutsch­pädagogen, muttersprachliches Mi­lieu, zweisprachige Erziehung — sol­che und ähnliche kritische Be­merkungen äußerten zum Beispiel die Landesratsmitglieder Stefan Flock (Frankenstadt/Baja), Georg Wittmann (Promontor/Budafok), Géza Hambuch (Budapest), Martin Thomann (Budapest) und Engel­bert Rittinger (Újpetre). Gegen das Hauptproblem der zu geringen Stun­denzahl argumentierte Ferenc Stark folgendermaßen: „Sie meinen die vier Wochenstunden seien zu wenig. Sie haben in dem Falle recht, wenn es Aufgabe der Grundschule wäre, die Muttersprache von Grund an zu lehren. Beachten Sie aber, daß außer Mathematik für die Mutter­sprache die höchste Stundenzahl zur Verfügung steht. Diese noch weiter zu erhöhen, ohne schädliche Folgen für die Kinder, ist nicht möglich. Die Stundenzahl ist dem­zufolge nicht weiter zu erhöhen, allerdings sind eine größere Effek­tivität und Wirksamkeit derselben notwendig.“ Doch er und auch andere Redner unterstrichen die unerläßliche Rolle der Familie. Aufgrund einer Er­mittlung des Landesinstitutes für Pädagogik (OPI) 1978/79 stellte sich heraus, daß von 5200 in den Kindergarten aufgenommenen Drei­jährigen nur 446 einen Wortschatz von 8—82 deutschen Ausdrücken aufweisen, also für 75 Prozent die­ser Kinder besaßen die Worte der Muttersprache keinerlei Informa­tionswert. Damit wird also — wie Ferenc Stark hervorhob — die oft­mals vertretene Auffassung, die Kin­der würden im Kindergarten ma­­gyarisiert, widerlegt. Selbst viele Großeltern, die untereinander ihre Muttersprache gebrauchen, spre­chen mit den Enkeln ungarisch. Auf die Rolle der Familie wies auch Peter Fodor, Mitarbeiter der Abtei­lung für Kultur, Wissenschaft und Volksbildung im ZK, nachdrücklich hin und stellte fest, daß dieselbe nicht nur auf Nationalitätengebiet außer­ordentlich bestimmend sei, sondern auf dem Gebiet der Erziehung im allgemeinen. Denn es gibt Aufgaben der Familie, die weder die Gesell­schaft noch Institutionen über­nehmen können. In diesem Zusammenhang mel­deten sich Stefan Flock und Martin Thomann zu Wort und verlangten reine deutsche Schülerheime (wie auch bei den anderen Nationalitäten in Ungarn), um das muttersprach­liche Milieu auch außerhalb der (Fortsetzung auf Seite 3) Frau Elisabeth Glöckner: In Maratz wurde 1981 ein Heimatmuseum eröffnet Allen unseren Lesern wünschen wir ein glückliches Neues Jahr!

Next