Oedenburger Zeitung, 1884. Mai (Jahrgang 17, nr. 101-126)
1884-05-04 / nr. 104
Sonntag,4.gälai 1884. .—.— XTIL Jahrgang. Orenburger Zeitung (vormals „Oedenburger Nachrichten“) Organ für Politik, Handel, Industrie und Landwirtschaft, dann für soziale Interessen überhaupt. Motto: „Dem Fortigritt zur Ehr! — Beprücten zur Wehr? — Der Wahrheit eine Gaffe.“N r . Az. 104 un: — Das Blatt erjeint täglich, mit Ausnahme des auf einen onn= oder Feiertag folgenden Bon Inferaten, Pränumerations- und Infertionsgebühren, sind an die Redaktion portofrei einzusenden. mar Tage ®. Administration, Verlag und Inferatenaufnahme: Buchdrucerei, Nomtvalter & Sohn, Grabenrunde 121. EE> Einzelne Nummern Rotten 5 Stenger. u . Des Sonntage wegen erscheint die nächste Nummer unseres Blattes Dienstag, den 6. April 1334 an Pränumerations-Preise:ür Loco: Ganzjährig 9 fl., Halbjährig 5 fl., Vierteljährig 3 g H » tr., Rena ih 1. , Für Auswärts: Ganzjährig 12 Air Hatdagris 7 fl., Bierteläbri . 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E86 ist leider nur zu wahr: Reaktionäre Strömungen machen sie in unserem, der eine gründlich verfehlte Regierungspolitik moralisch und materiell in absteigender Nichtung fi bewegenden Baterlande, sowohl im öffentlighen als im gesellschaftlichen Leben fühlbar, das Werk der freiheitlichen Wiedergeburt Ungarns im Jahre 1848 glorreich begonnen, dann Ichnöde zu Boden getreten und im Jahre 1867 mühsam wieder aufgerichtet, sol jett wieder langsam untergraben werden. Der wirtliche Liberalismus ist seitens der regierungsfreundlichen Elemente im Lande zur Ghimäre geworden. Zwar nennen si befamntlich die „Tigajaner“ in grausamer Selbstironie „liberal“, allein diese Firma gleicht derjenigen [hwindulöser Kaufleute, welche ihr Leihaft konsequent als ‚reell” und „billig” annonziren, dabei aber in der gewissenlosesten Weise ihre Kundschaften über Ohr hauen ; denn bei den gegenwärtigen Leufern unseres Staatöfarrens ist das freie Terrain, das der Liberalismus bietet, wie durch ein stillschweigendes, aber unverbrüchliches Uebereinkommen in Ast erklärt ; sie halten sämmtlich vor der autokratischerten Kabinetspolitik und fahren nur von dieser aus, dem Abgrunde mit offenen Augen zu. Feudale und militärisch -despotische Ideen verbrüdern sich in den Köpfen, protektionistische werden populär, Beftehlheit florirt, die Presse wird gemiethet und die Nation unter allerlei Titeln ausgeplündert, um einigen Bevorzugten hohe Würden, einträgliche Hemmer und Bergmehrung ihrer Kapitalien zuzumenden. Die konfuierte Nationalökonomie, wie etwa die des eisernsten Despoten aller Zeiten und Staaten, nämlich Bismarcs, findet bei uns ein Eco; die Verkehrspolitik wird derart eingerichtet, daß die jüdischen Aktionäre nur ja ihre Taschen füllen können, ohne daß dem Konteresse des reifenden Publikums und dem Handel auch nur im annähernden Maße Nehnung getragen würde, und die Endiklika endli donnert gegen alle Grundlagen auf welgen eine gesunde moderne Gesellschaft ruhen solte. Die Theorie des Konservatismus ist an si (wie die Verhältnisse heute siegen) verwerflich und ein Unglück für das Vaterland, denn sie besteht im starren Sigwiderfegen gegen die Wünsche der Nation, man hält jede Konzession für überflüssig, die das Bolt fordert, denn ein Bewilligen derselben Hiege ja: „Schwäche verrathen” , aber die heutigen Negierungskünftler (!) gehen noch weiter, sie wollen nicht einmal sonterpatin bleiben, sondern machen aus der Andahrung per Reakation gar feiner. — — v Das mit 1.Mai in der Landeshauptstadt zur erstmaligen Ausgabe gelangte»Budapester Tagblatt«erklärt daher mit hocherfreulicher Gesinnungstüchtigkeit,daß es der Korruption welche die maßgebenden Faktoren unseres Staatlebens angefressen hat,mit allen Mitteln schärfster Publizität zu Leibe gehen wolle.Dieses eine sehr bei deutungsvolle und schwerwiegende Sprache führende Organ der Opposition erklärt,es werde das gegensärtige Ministerium standhaft und in einer von keinem Gegner einzuschüchternden,nicht von ihrer Basis zu verrückenden Weise bekämpfen. Das«Budapester Tegblatt«sagt nämlich in seinem Programme: Wir werden das Tipa’ige Kabinett bekämpfen, weil ihm die Sälshung unserer staatsretlichen Basis, die thatsächliche Lahmlegung der Delegationen, die Bergiftung unserer Beziehungen zußratien zur Last fällt. Wir werden es bekämpfen, weil es, wohl mit tönenden Worten die Reorganisation unserer Finanzen in Aussicht gestellt, seine Thaten aber, nie seinen Worten entsprochen haben. Wir werden es bekämpfen, weil es schlecht regiert, aber noch schlechter administrirt hat, weil unter ihm die Verwaltung des Landes sich in absteigender Richtung bewegt, die wichtigsten moralischen und phthysischen Öhter der Nation gefährdet worden sind, weil unter ihm die Anarchie aus den Gemüthern sozusagen in’& wirkliche Leben Hinausgetreten ist, weil ein Zustand der Wirrnis geschaffen wurde, der an die düstersten Perioden unserer Geschichte erinnert. Wir werden das Ministerium bekämpfen, weil 8 die Nehröfigerheit untergraben, die staatlige Orderung gerädigt, die Unfittligfet bis in deren Rechteinsten ® Kreise getragen hat, [haffenheit und QTugend überall in@Europa spricm wörtlich war. Wir werden es bekämpfen, weil es wenig wählerisch in feinen Mitteln ist, im unsere innere Politik einen Zug der Gewaltsamkeit hinein gebracht hat, die Tendenz mit Mitteln der Macht ein unbequemes Recht zu beseitigen, die derdee des Rechtsstaates direkt zum Widerläuft. Wenn heute immer stärker und stärker und in immer weiteren Kreisen der Aufnah Befeitigung dieser Männer und dieses Systems durch das Land geht, so ist das nichts anderes als die Reaktion des fittligen Gefühles und des Nechtsbewußtseins, das fig s Theorien eLse Jeuilleton. Spielen ist ein Safer, Beispielen eine Dummheit. Aus den Erinnerungen eines ehemaligen Offiziers. In dem Hauptorte eines Generalats kommandirte einer junger, liebenswürdiger, nur etwas zu lebenslustiger Prinz eine Brigade. Das wäre nun sein Umstand, um hier einer bomerischen Berherrlichung Sr. Hoheit Raum zu gönnen ; denn Brigaden werden mit mehr oder minderem Erfolge auch andere Herren Prinzen Tommandirt haben, ohne in die Odyssee und gar in die Ylias zu passen. Aber — und hierin Liegt des Pudels Kern — die Brigade unserer in Mede stehenden Hoheit bestand aus so gut gebrilften und Herrlich ausgebildeten Mannschaften, das ihrem Kommandanten, dem Prinzen, so viel wie nichts zur weiteren Fortbildung erübrigte ; dagegen blieb Sr. Hoheit eine ungewöhnliche Anzahl von Minuten per Tag F zur Verfügung, ja, unlautere Menschen, die Hinter seinem Naden das höchste Tagebuch durchblätterten, behaupteten viermal 24 Stunden angetroffen zu haben, mit denen der Prinz-Brigadier rein nichts anzufangen mußte. Müffiggang ist aller Laster Anfang und auf diesem gar mit ungewöhnlichen Wege führte der brigadierlsihe Müffiggang den Brinzen zum „Macao.“ In der österreichischen Armee spielte zu jener glüclichen Zeit Alles. Es war zwar streng verboten, aber : „Gerade als man die Liebe am eifrigsten verfolgte, wurden ihr die meisten Opfer gebrahl, und genau so geht es mit dem Spiele, und ein Nictspieler, wie unser Eins, war ale Kibig nur geduldet, wenn man Etwas zum Aushelfen in der Zafche Hatte. Man hätte jedem Offizier, der von diesem Laster einmal erst gehörig influenzirt war, die Kasfation auf die Brust fegen können, er veraltete Eure neufreirote Bannbulle und flog seinen „Neuner“ oder war „Zroppo“. Es hilft Eu nichts; der Spieler wird höchstens in Erinnerung an den Befehl des 11. Gebots leise hersagen: „Du sollst Dich nicht erwirhen lassen !“ Der Mensch ist sein Trosh, er muß Leidenschaften Haben. Menschen können diese nicht zügeln, Sefee au nicht . Fromme Augenverdreher fügen noch die Heucelei hinzu: Was allein die Leidenschaften zügeln kann, das sind die Verhältnise des Menschen ! Dog zurück zu unserem Prinzen, der so viele 24 Stunden nichts zu thun hat und vielleicht zu jung und zu tugendhaft oder zu ängstlich, irgend einer DObdaliste zu Huldigen, sich in Verzweiflung befindet, mit was er 1440 Minuten des Tages todtschlagen soll ? Zu seinem Glüc befindet sich in derselben Stadt ein Divisiond-General von alter gräflicer Familie, der mit dem Air eines alten Klaudegene von Hußaren alle guten Aeußerlikeiten eines Kas valier der besseren Zeit in fi vereinigt und in den höheren Zirkeln gleich dem „Bater Blücher“ als die unverbesserhafte „Spielratte”, wie schlechtes Geld gekannt ist. Unser Prinz fühlt sich, er weiß selbst nicht warum, zu dem ritterlien Divisions-General hin- Siem das „Alufrirfe Sonntagschlaff* IHRS gezogen, sie werden Freunde, — soweit Jugend und Alter, Kavalier und Hoheit überhaupt Freunde — werden können. Sie theilen gemeinsam alle Leiden und Freuden des Sports, sie theilen die Genosse des Augendlichs, d. i. Klau$ und Medifance, Oper, Ballett. — endlich —spielen sie mit» einander. Der Prinz ist eines Abends besonders gut gelaunt und sieht eine große Anzahl Kavaliere bei ihm natürlich an „feinen“ General gegen den er aber übrigens Heute ein abscheuliches „Pech“ entwickelt. Man hat, Mitternacht ist fon längst vor« über, seinen namhaften Baarbefig an den gläclen Bointeur verloren, man ist gezwungen, die Bank an denselden abzugeben. Ohne Baargeld, wie gejagt, spielt der Prinz 3 Hand zuteihen, also Noten. Selbstverständlich betrachtet mit Bon’s, die viel leiter aus der und achtet Jeder, dem die Ehre des Mitspielens zu Theil geworden, diese Bon’s, wenn nicht höher, singende Münze, auf welche die Herren Nothihild zc. sehr doch mindestend ebenso boch, als die gerne güldene Wechselchen abgeben. Aber Se. Hoheit verlieren 7 Taufende und noch Taufende, dem Bannhalter, der so sonst als einer der anerkannt tapfersten Offiziere des ganzen kaiserlichen Heeres galt, wird er angst und bange um seinen prinzlichen Gegner und mit gespreßter Stimme wagt er es endlich, als der Bere luft des Hohen Heren neuerlich die Summe von 10,000 ff. in „Bon’s bei Licht“ erreicht hat, die unpor — greifliche Bemerkung,idaß Se. Hoheit bei dem heute Fortlegung De8augensteinlichen Malheur die Spiele gnädigst zu verlegen geruben wolle. (ScHluß folgt)