Oedenburger Zeitung, 1884. September (Jahrgang 17, nr. 202-225)

1884-09-12 / nr. 210

* . ER ge _ Ar. 210. Freitag, 12. September 1884. XV. Jahrgang. Oedenburger Zeitung, (vormals „Bedenburger Marchrichten“.) Organ für Politik, Handel, Industrie und Landwirtschaft, dann für soziale Interessen überhaupt. Motto: „Dem Fortschritt zur Ehe? — Bebrühten zur Wehr’ — Der Wahrheit eine Gaffe.“ _— m u WI Einzelne Nummern Rotten , Kreuger, N ° Betitzeile evclusive der Stempelgebühr von 30 h­, Bei mehrmaliger Cinshaltung bedeutender Rabatt­er Administration, Herlag und Inseraienaufnahme, Buchdrnkerei­­­, Nomm­alter & Sohn, Grabenrunde 121. Das Blatt erscheint täglich, mit Ausnahme ded auf einen­­ Inserate vermitteln: In Wien: Hafenstein , Bogler, Walls­onn= oder Feiertag folgenden Tages: Aiagette 10, A. Oppelis, ı., Stubenbastei 2, Heinrich Schalek, 1., Wollzeile 12, R. Moffe, Seilerstätte 2, M. Dufes, 1., Ries­pränumerations:Preise: * Loco: Ganzjährig 9 fl., Halbjährig 5 fl, Bierteljährig =. ws­te., Monatlich 1 fl. · NrAuswärtig Ganzjährig 12 Mi, Halbiäßrig 7 fl., Biertel­­jährig 3 . 1 Alle für das Blatt bestimmte Sendungen,mit Ausnahme von Inseraten, Pränumerations- und Infertionsgebühren, sind an die Redaktion portofrei einzusenden. mergaffe 12, Bud 8 I . Fe In Budapeft: Iaulus Gy Desteaete 32; ang, Gisellaplag 3, A. B. Goldberger, Servitenplaß 3, Infersions-Gebührern, 5 fr. für die eins, 10 fr. für die zweis, 15 Tr. für die dreis, 20 Tr. für die vierspaltige und 25 Tr, für die durchlaufende­­­­ nen Der Straßenkrieg in Brüssel und Ant­­werpen. Dedenburg, 11. September 1884. € 8 verstößt zwar gegen unsere Gepflogenheit leitende Artikel über politische Zustände, die ss außerhalb unseres theueren Vaterlandes er­­geben, zu schreiben, e8 wäre denn sie vollzögen sich in der anderen Reichshälfte und wären dabei von so schwerwiegender Bedeutung, daß sie gewisser­­massen eine Rückwirkung auf Ungarn ausüben ; denn wir halten dafür: ein Provinzblatt über­­freite seine Grenzen, wenn es sich auch in das Bereich auswärtiger Politik wagt, die, richtig zu beurtheilen, faum den größten hauptstädtischen S Jour­­nalen die erforderlichen Behelfe zur Hand sind; — nichtdestoweniger fordern die leiten blutigen Er­­eignisse in Belgien — melche wir kürzlich in einem Telegramm signalisirt haben — auf uns zur Besprechung heraus, denn: unsere geehrten Leser werden doch zu erfahren wünschen, weßhalb in Brüssel und Antwerpen Straßen-Emeuten stattfanden, so daß die Gensdarmen mit gefälltem Bajonette,­­ die sonst so friedsamen und ordnungs­­liebenden belgifgen Bürger auseinander treiben mußten. Der Grund zu diesen betrübenden Vorgängen ist der... . Ultramontanismus. Die Ergebnisse der legten Kammer­wahlen in Belgien waren dem katholischen Klerus im Lande so günstig, daß der­­selbe im Handumdrehen die Herrschaft an fich rig, was natürlich die heftigste Opposition der Liberalen herausforderte. Diese Legiere daran girt das Volk, indem ‚sie ihm einredet­e‘ nicht zu dulden, daß der Unterricht und die Erziehung der belgischen Augen­ dem katholischen Episcopate ausgeliefert werde ; und da an der sonst als so mustergiftig loyal angesehene Staat genug Bürger beherbergt, die sich gegen alle nach Reaktion ziehenden Negierungs Maßnahmen ganz entschieden auf die Hinterbeine stellen, so gab es blutige Auftritte als die siegreiche Partei ostentativ ihren Triumph feiern wollte. Die Anhänger der neuen Regierung wurden, als sie­ sich zu Deputationen vereinigten, auseinander gesprengt, mit Steinen beworfen und die Depu­­tirten infultirt. Nur mit großer Anstrengung und nur ohne ernsten Zusammenprall gelang es dem Militär, die Unruhestifter zu überwältigen und die Ordnung in den Straßen wieder herzustellen. Am hergsten ging 8 am legten Sonntage zu: die Liberalen („Blauen“) ballten sie zur förmligen Schlaptordnung wider die Klerikalen („Rothen“) und machten Skandale, die weder den liberalen Führern zur Ehre, noch der liberalen Sache zum Nagen gereichen. Anstatt in ruhiger Haltung, wenn auch Hin und wieder mit sarfartiigem Hohne die, wie es heißt, zum Theil gegen Bezahlung von ihren geistlichen Hirten nach Brüsfel angeworbene Pilgershaar ungehindert durch die Straßen ziehen zu lassen, wie sie selber acht Tage vorher (als Demonstration gegen das Resultat der Kammer­ wahlen), durchgezogen waren, hat man die An­­kommenden bereits in den Bahnhöfen mit Pfeifen und Hohngeschrei empfangen, in der Bildung des Zuges in jeder Weise gehindert, und als derselbe kaum sich in Bewegung geiegt hatte, an gemeissen vorher schon bezeichneten strategischen Punkten durch­­brochen. Es fanden wüste Schlägereien statt ; die Polizei und die Bürgergarde boten alle Kräfte auf, um die Ordnung und den Frieden wieder herzu­­stellen; es kamen zahlreiche Verwundungen und nur wenige Verhaftungen vor; allein der Zweck der Angreifer wurde beinahe völlig erreicht. Nur die Seite des Zuges gelangte unter der Redelung reitender Gensdarmen bis zum königlic­hen Palast, um dort, wie acht Tage vorher die Liberalen, um Nietbestätigung, so jegt um Bestäs­tigung des Schulgefeges nachzusuchen. Der Heft des Zuges wurde auseinandergesprengt und dessen Theil­­nehmer suchten) so gut es anging, wieder nach den Bahnhöfen zu gelangen. Bis jegt liegt uns die Siilderung dieser Kette von Straßenskandalen nur in liberalen Brüffeler Blättern vor, allein der ge­­hobene siegesbewußte Ton, in welchem die Helden­­thaten der Brüsseler „Blauen“ verkündigt werden, die saffisante Behandlung des Thema, wie sie na­­mentlich in der „Andependance Belge“ hervortritt, machen, ohne daß man die Darstellung aus geg­­nerischer Feder abzuwarten hat, auf jeden unbe­­fangenen Leser, an wenn er no so entschieden Partei für die liberale Sache nimmt, den Eindrud daß die belgischen Liberalen ,diesen prügelreichen Sonntag nit­al einen Ehrentag in ihre­n Annas­sen eintragen dürfen. Die Nachwirfung wird leider nit ausbleiben und im eigenen Lande wie aus­wärtse wird man bald wahrnehmen, daß der Straßenkrieg vom 7. Sept. den „Blauen“ mehr geschadet hat als die Kammerniederlage vom 30. August. E.M. : Die Protektionswirtschaft bei den kön. ung. Staatshaßnen. Oedenburg, 11. September 1884. Neufland wird von uns grimmig gehaßt und da sind wir ihm so nahe verwandt! Wer die ———] Seuilfelon. Der literarische Nadlak WHorsz Kolben­­heyer’s. (Schluß ) Außer der Korrespondenz ist eine Maffe theils ethischer, profaner, theils gedichte­ Manuskripte, und zwar in vier Sprachen (deutsch, ungaris, lateinisch und französisch) auf uns geblieben. Der größte Theil ist vom Verstorbenen mit peinlicher Sorgfalt in­ zweiundzwanzig Doktanhefte reinge­­trieben, und enthalten diese Hefte gar. schöne Dinge, die für­ Ungarn, doch auch für das sinnige Ausland, doppeltes, ja bdreifadges Interesse bean­­spragen können. Ungarn ist in erster Linie dur die vielen Petöfisliederregungen interessirt, die nur theilweise in den Aigner­ischen Sammlungen­­ („Buch des Lebens“ und „Liebesperlen“) enthalten sind. B Petöfi wird­ außerdem noch dur ein Gedicht( „Petöfis Schlachtenlied“) gefeiert, dessen freier dytmus dem der besten Schöpfungen des „magya­­rischen Z­yrtaeus“ nichts nachgibt. Das deutsche Publikum findet im Nachtag einige epische und eine große Anzahl sinniger Gelegenheitsgediete. Der Stoff der epischen Gedichte ist durch­­gehends den Zeiten entlehnt, wo ei Ungarn und Desterreich fon unter einem Szepter freundschaft­­lich die Hände reichten. Den ersten Blog beansprucht, sowohl der Chronologie, als auch dem Umfange nach, eine episce Erzählung („Mitgefangen, mitge­­bangen“ Käsmark 1832), dann folgt eine historische Erzählung: („Vom Kaiser Sigismund und dem Oedenburger Rath“) und fehlieglich eine höchst inte­­­­ressante „Sage vom Neusiedler See“. Am zahl­­reichsten sind die Gelegenheitsgedichte vertreten. Es gibt deren mehrere an Laube, Grillparzer und Anastasius Grün, sowie an viele Andere. Er erübrigt noch jene eigenthümlichen „DVier­­zeilen" zu erwähnen, deren Werth in der meister­­haften Verknüpfung epigrammatischer Pointe mit igeliger Innigkeit liegt. Hier zwei unecirte: Schon erglängt der Morgen, Sternlein nun erbleiche, Fort schleicht sich die Naht son ab, so die Schmerzenreiche. Und des Herrn Sonne naht uns Erdenkindern, Neues Licht zu Schaffen, alten Schmerz zu lindern, Gold und Silber möge dieser Trost verehren, Meine Seele wird si stetS dagegen wehren, Solang mir im Herzen waltet fü­r dein Leben, Süße Poesie! du mir als Trost gegeben ! Und so geht es nach Hunderten wie wirbelnde Schneefloden, wie Berlen, die Schöne Odalisten mit träumerischen Sinn von der Schnur gelöst... . Bevor wir­d und aber von dem freundlichen Hinterstübchen verabschieden, betrachten wir noch zwei Reliquien, die mit der Entwicklung Kolben­­heyers zu innig vermwoben sind, als daß man sie ohne weiteres übergehen konnte. Das eine Andenken ist ein silberner Beer, womit die Frauen Deden­­burgs im Blutjahre 1849 den aus der Gefangen­­schaft heimfehrenden Seelenhirten empfingen. Es gibt un­s so bald, irgend ein Gescheik, welches so erhaben wäre, wie diesed. Zarte Frauenhände spendeten es dem Wanne Gottes, der für die all­­gemeine Freiheit, die Freiheit des Gewissens und der Ueberzeugung Leben und persönliche Freiheit in die Schanze schlug. Die Aufschrift des Bechers ist für die Frauenwelt Dedenburgs schmeichelhafter als Alles was von den Lippen Liebender Männer, oder den Saiten schmeichelnder Dichter kommen kann: es ist der Sinn für wahren Manneswerth, der aus diesen Silberbuchstaben, hervorleuchtet. Die andere Reliquie befindet die Ausdauer des Sänglings Kolbenheyer. Beim Durchstöbern der Korrespondenz fiel mir auch ein Länglichs Etui in die Hand. Lächelnd sah ich zum Sohne des­ Verstorbenen empor, denn das Etui glicd — einem­ Szepter!. Und wie ganz anders sollte der Inhalt fein ! entnehmen, daß er si in seiner V­aterstadt Bielig volle vier­ Jahre Hinduch mit Zucfärberei bes­chäftigt, sodann die übliche Freisprechung über»­standen und nun befugt sei al­s ehrsamer Geselle der Zuchfärberfrift* ‚aufzutreten. Wie kommt die? seine geliebten Kolbenheyer mußte die Säule, Bücher verlassen, um das momentan der fachver­­ständigen Leitung beraubte väterliche Geschäft zu leiten ; da mußte er si dazu erst praftisch vor­­bereiten und den Markstein dieser Vorbereitung bildet dieses Zeugniß des „gestrengen Jakob Sääf Zunftmeister der Tuchfärber." Später änderten. si die Verhältnisse. Kolbenheger konnte zur wissen­­schaftligen­ Laufbahn zurückkehren, die ihn­ dann von der Tuchfärberei ziemlich weit entführte. — Vier Jahre eine I­dee geopfert! dachte ich aus dem Stüben heraustretend. — Ausdauer ist der Sesam des Erfolges! sagte Jemand Hinter mir. Beinahe erschrochen wandte ich mich um. Ich sah Niemand, Wer mag es wohl gesagt haben ? Vielleicht die — Muse selbst ! Prof. Michael v. Satkóczy. Es ist ein Zeugung Kolbenheyers, dem wir. eur rar rege Warn­ten }

Next