Oedenburger Zeitung, 1886. Juni (Jahrgang 19, nr. 125-146)

1886-06-03 / nr. 127

Younerstag,3.3uni1886. XIX, Zahırgang. edenburger Zeifung. Ar. 127. — (V­ormals „Oedenburger Nachrichten“) Organ für Politik, Handel, Industrie und Landwirthschaft, dann für soziale Interessen überhaupt. Motto: „Dem Forttritt zur Ehr? — Betrachten zur Wehr! — Der Wahrheit eine Gaffe,“­­­ar­en 368 Blatt erscheint täglich, mit Ausnahme des auf einen Sonn- oder Feiertag folgenden Tages. P­ränumerations:Preise: Kür Loves: Ganzjährig 9 fl., Halbjährig 5 fl., Vierteljährig 2 fl. 50 fl., Monatlich 1 fl. Bär Undwärts: Ganzjährig 12 fl., Halbjährig 7 fl., Viertel­­jährig 3. fl 50 fr. Alle für das Blatt bestimmte Sendungen, mit Ausnahme von Inseraten, Pränumerations- und Infertionsgebühren, sind um die Redakltion portofrei einzusenden. Administration, Dering und Inferatenaufnahme; Suhdrnderen­ &, Nomiwalter & Sohn, Grabenrunde 121, BIT Einzelne Rummern Bosten 5 Kreuzer. Inserate vermitteln: In Wien: Hafenstein & Vogler, Walk Ringaffe 10, A. 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Tipa scheint selbst eingesehen zu haben, haben, daß sein Reiborgan, der „P.L.“ namentlich was die Schmä­­hung einer der illustrerten Mitglieder unseres durch­­lauchtigsten Herrigerhauses anbetrifft, viel zu weit gegangen ist und bestrebt sich der M­inisterpräsident Jet abzuwiegeln, aber­ das geschriebene und vollends gedruckte Wort verflütigt sich no so leicht und „mach man Schwarz auf Weiß befigt, kann man getrost nach Hause tragen“ — Sekt, wo der Pfeil einmal schon abgeschoffen ist und wahrscheinlich tief dleffirt hat, bemüht man sie vergebens seine Spite abzustumpfen, man kann nichts anderes thun al­ durch sorgfältige Behandlungen der verlegten Stel­­len eine allmählige Heilung a­nzustreben, diese wird aber nicht der bloße, wenn auch mod so konciliante Worte gelingen, sondern dadurch, daß man die Angehörigen der Armeen fortab ald aa­­dere Söhne des Baterlandes, die sie d­och gewiß auch sind, also als Bürger des Reiches betrachte und ahle und das Herz nicht nicht mit einem gewißen Mittrauen als ein frem­­der, Halb und halb feindseliges Element im Staat­, mit zurückhaltender Kälte, ja bis­weilen sogar mit offenfundiger Animosität behandle. In der Armee gibt es, sehr wenige Aus­­nahmen abgerechnet, die sich aber eben darum all­­mählig von selbst abstoffen, lauter Männer vegsten Ehrgefühle, Männer durchdrungen von den uner­­schütterlichem Bewußtsein ihrer Pflicht, begeistert für ihren Wlonarden und in ihrer Loyalität unar­­tastbar. In dieser Hinsicht haben sie ein eisen­­festes Nückrat, das sich nicht von dKaupinislischen Hegern beugen läßt und in dieser Hinsicht wäre es nur zu wünschen, daß die ungarischen Bürger aus dem Zivilstande ebenso unnahbar, verolgt und charasterfest wären. Wahrlich wehte Männertribun uns noth. Man sehe ich nur um, wohin Ungarn gekommen ist, seit den seine als „Täblabirö’8“ be­­­ädelten und verspotteten charastervolen Patrioten bis auf einige seltene Exemplare ausgestorben sind, seitdem man auch ihre nicht mehr so stahlharten, doch immerhin nicht völlig unmürdigen Epigonen aus dem ö­ffentlichen Leben verdrängt hat und dieses nun von geschmeidigen Strebern beherrsgt ist, die zu Allem Ja und Amen’sagen, zu Allem sich hergeben und selbst zu Allem verleiten und ver­­führen. Ungarn soeint heute nicht mehr die ver­­trauen erwegende, ihoffnungsreiche „junge“ reis­heitsstaat, nein, er ähnelt einem abgelebten, schwe­­ren Krisen zueilenden Staatswesen. Zwei Jahr­­zehnte eines wenig entschiedenen, sich von vornherein der Korruption nicht verschliegenden Zreidens has­ben e8 almäßig in allgemeine Charakterlosigkeit und Fäulung versinken lassen. Der bald tausend­­jährige Staat, welcher die furchbarsten Schläge und Kraftproben überstanden, weil es ihm niemals an wahren Männern fehlte, der so einen mör­­derischen Freiheitskampf zu überstehen mußte und im Jahre 1867 nach unerschütterlichhem Zuwarten doch echte Täablabi­o’8 zu seinem guten Hechte gelangte, — er ist in kurzen zwanzig Jahren durch Charakterschwäche an die Grenze des Marasmus geführt worden. Heute steht Ungarn finanziell weit mehr de» routirt und herabgebracht da, als vor zehn Jahren, als zur Zeit, da ein Tählebirö mit seiner uner­­gütterligen Grundjägligkeit uns hätte gründlich helfen künnen. Allerdings, im Kurse der Staats­­papiere kommt das nicht zum Ausdruck, und Schönfärber, seien sie gleich Ministerpräsidenten, können sich und der Welt nicht zu schwer glauben machen, Ungarn befinde ss heute in günstigerer Situation. Doch das ist äußerlicher Schein, in Wahrheit stehen wir fraft- und haltloser da, meits aus weniger widerstandefähig, als vor zehn SYjahren. Wodurch also sind wir in diese Situation gelangt. Etwa durch den Mangel an Charakteren, an Deännern, die Grundlage und eisernen Willen haben? Gemwiß! Hätte man die Leute mit diesen unentbehrlichen Zugenden gefragt, nicht belächelt, gefördert, nicht ohne Unterfragung gelassen, wäre man ihnen im Widerstande gegen die Syndtfluth ver Charakterfnähe und Grundjagtlosigkeit beige­­sprungen — es hätte vielleicht bewegtere, stür­­mischere Diomente im unserem ganzen öffentlichen Leben der legten zehn Jahre gegeben, allein das Land wäre trogdem int der Satastrophe nahe gebracht worden. Stil zwar, da fider sind wir der Betrumpfung und Fäulung überantwortet worden, nur deshalb, weil uns Allen die wahre Nitterlichkeit des Wesens, die rücksichtslose Hin­­gebung für die einmal angelobte Pflicht, wie wir diese Eigenschaften bei den Soldaten sehen, im Bipilitande viel seltener begegnen. Wollen wir haben, daß uns bessere Allessichten erblühen, wollen wir haben, daß uns die Tage der Abrechnung — die heute der Optimismus fauen mehr in weite Verne gerüct erscheinen lassen Faun — nicht zu­grunde richten, so müssen wir sicherlich wieder Charakter in Allem­ bekunden und alle Charaktere eher fördern, all anfeinden, eher werth­­[hägen, als belächeln. Kein Schmeicheln, Baden und Biegen mehr! Manneswort und Mannesthat tolbun ung noth. . deuilleton. Die Frankenburg. Original-Roman von M. Romany. (Fortlegung.) Arngstliches Staunen bemächtigte sich der Bärte, denn als und jeder Vorschrift des Anstan­­des zuwider, trat ihnen die Gräfin in einem weißen Drorgenkleide entgegen ; das Haar wallte in losen Loden über die Schultern herab. — Das sonst so strahlende Antlig der schönen Frau war farblos und falt, die Haltung gefuncht; mit warnenden Schritten näherte sie sich der Baronin und bot ihr zitternd die Nechte. „Seien Sie mir willkommen.“ sprah sie freundlich, doch ihre Stimme liebte; „seit lange schon Hatte ich das Vergnügen ihrer Bekanntschaft ersehnt. — Der Ruf Ihrer Liebens­­‚wür­digkeit ist ja so allgemein in der Hauptstadt, daß ed mir e­ine Ehre machen muß, Sie zuerst in unserem Zirkel zu sehen." „Der Tag, an welchen ich Ihre Räume, schöne Gräfin, betrete, ist der beglückendste meines Leben," entgegnete Leonia mit Artigkeit, „i­ fenne Fein höheres Verlangen als den Wunsch, diese herrliche Stunde noch öfters erneuert zu sehen.“ „Sie haben einen unglücklichen Tag zu un­­serer Bekanntschaft erwählt, meine Damen, „er widerte Klothilde lächelnd, „ich fürchte, zu dem heutigen Balle nit fähig zu sein.“ — „Das dachte ic,“ vergaß sich die Baronesse. „Ein entsegliches Kopfleiden," sprach Klothilde S weiter, „hielt mi Bis zu diesem Augenblick bei der Toilette zurück. — Wenn ich in sold unpaf­­fender Weise der Gesellsschaft gegenübertrat, so ges­chah es, — sie stottere — um die Rolle der Gastgeberin in gute Hände zu legen. Für diesen Dienst würde ich Ihnen, Grau Baronin, zum größten Danke verpflichtet sein.“ — Leonka machte ihr Kompliment. ‚Mein Unwohlsein wird mich entruldigen,“ meinte die Gräfin, „übrigens zweifle ich nicht, daß nach Verlauf etlicher Stunden die ganze dumme Gef­ichte vorüber sein wird.” Ein Zug berber Bitterkeit verzog bei diesen Worten ihr schönes Gesicht. Sie richtete eine kurze Begrüßung an den Fürsten und wandte so dann zum Baron : „Die Anordnung der Tänze, lieber Freund .“ „Sit alles in Ordnung, gnädige rau, sagte‘ Herr von Liptau. Klothildens Brust hob ih Thwadh: „So wollen die Herrschaften mir jegt Ruhe gestatten ; seien Sie überzeugt, daß nur schmerzhaftes Leiden mich zu diesem Schritte veranlassen kann.“ Ein Wort der Theilnahme von allen Seiten, eine Verneigung und die Gräfin war fort. — Bevor sie in ihr Boudoir eintrat, wirfte sie einen in der Nähe stehenden Salat heran. „Besorge diese Briefe,“ befahl sie, Rapiere aus der Tasche ziehend, „aber h­urtig; in einer halben Stunde müssen sie beide am Plage sein.“ Der Mann gehorchte und die Gräfin ver­­schwand. Sie trat in das Zimmer, in welchem ihr Sohn unter der Aufsicht des Dr. Meinhardt weilte, zog den Knaben an sich und bedeckte, ohne einen Laut zu verlieren, sein Antlig mit Küffen; dann begab sie sich st­sschweigend in ihr Schlafgemach. Unterdessen rollte Wagen auf Wagru die Straße herunter und die Salons der Gräfin von Sternen­­berg füllten sich an mit Glanz und Pracht. Zwar b­at sich anfänglich ein Gefühl der Beklommenheit unter den Gästen fund, doch diese shwache Stim­­mung des Meißvergnügens Schwand unter der DBe= vedsamkeit der Baronin von Hagern, die Klothil­­des Ab­wesenheit als eine Vorsichtsmaßregel gegen eine vielleicht heftiger auftretende Krankheit pried. Also gewöhnte­ man sich bald, das Fehlen der Gast­­geberin als ein tomisches utermezzo anzusehen ; man wurde heiter, wurde luftig, und als erst das Orgester seine munteren Weisen entsandte, da gab man sich allerseits der vergnügtesten Glücseligkeit hin. Plögli$ ward diesem Wonneraufh­in Ent» wegen erregender Weise Einhalt gethan. Ein heller, lang aushaltender Schrei, welcher aus der Grä­­fin Schlafgemach kam, durchdrang die weiten Räume und erfüllte die Herzen aller Anwesenden mit Grauen ; die Mufti verstummte, die Tanzenden toben auseinander, in wirrem Durcheinander drängte alles nach dir Nichtung, woher dieser so Unheil verfündende Ton gekommen war. Die Thü­­ren zu der Gräfin Schlafgemach waren sämmtlich perihloffen ; man klopfte und pochte umsonst, weder eine Antwort wo font ein Laut; der Schregen, die Bestürzung wurfen mit jeder WDeinute, auch der Professor und der Knabe kamen herzu ; alles lärmte, ziehte, berieth hin und wieder, die endlich Dr. Meinhardt dem wirren Treiben Ein­­ ­ halt gebot. (Fortfegung folgt.) SR

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