Oedenburger Zeitung, 1888. September (Jahrgang 21, nr. 201-225)

1888-09-01 / nr. 201

Hedenburger Munizipal- Sigung vom 30. August. Bei sehr geringer Betheiligung — es waren nur einige zwanzig Stimmberechtigte zugegen — eröffnete am seßten Donnerstag Herr Bürgermeister Find, als Vorsigender, die Generalversammlung zuvörderst mit der Beantwortung der in voriger Situng von derrn Repräsentanten G. Dörfler gestellten Interpellationen, in nachstehender Weise: In Bezug auf den Branntweinverschleiß des Greißlers Bernhard Ungar in der Wienergasse, welcher angeblich seine Steuer für den Ausschanf von Schnaps bezahlt, lag eine erschöpfende Reulie­­rung des Herrn Stadthauptmanns, welchem die An­­gelegenheit zum Referate abgetreten worden war, vor und nahm die Versammlung die betreffenden Erläuterungen zur genehmigenden Kenntnis. Drei der Anfrage Dörflers, betreffs jener Wirthschaftsbürger, die von der Kommune Heu oder Rohr laufen, ob auch sie Hiefür Mauth­­gebühr entrichten müssen ? ’erwiderte der Herr Bür­­­germeister, daß dies eine Prinzipienfrage sei, welche der Generalversammlung der Stadtrepräsentant erst in näch­ster Sichung zur Entscheidung vorgelegt werden kann, weil der Gegenstand auf das Pro­­gramm gejegt werden muß. In Bezug auf die dritte Interpellation, die zu Grunde gegangenen 5000 Bäume anbelangend, welche wegen Errichtung des neuen Truppenspitals hinter dem Neuhofpark­ ausgegraben worden sind, beruft sie der Herr Bürgermeister auf einen Be­­schluß der Stadtrepräsentanz vom 14. April 1887, wornach angeordnet wurde, daß die fraglichen Bäume aus der Baumschule nächst dem Neuhofparke, in die am „Warifch“ gelegene Baumschule verlegt werden sollen. Damals herrschte eben ganz abnorm rauhe Temperatur und diese war die einzige Ur­­sace, daß die jungen Stämmchen wirklich eingegan­­­gen sind. Uebrigens repräsentirten sie nach über­­einstimmender Aussage des städtischen Forstamtes und des Herrn städtischen Obergärtners Blatcher seineswegs den Werth von 1000 fl., sondern Höch­­stens einen solchen von 200 fl., da es feine Schöß­­linge edler Obstbäume, sondern von NRoßsastanien und Linden waren. Die Versammlung nahm die­­sen Aufschluß zur Kenntniß, allein der Interpel­­lant erklärte sie damit nicht zufrieden gestellt. Auf das Programm übergehend, unterbreitete zunächst der Magistrat die Trauerbotschaft über das Ableben Seiner Exzellenz des fün. ung. Kultus­­und Unterrichtsministers August von Trefort, welche die Versammlung mit tiefer Betreibniß zur Kenntnis nahm. Es wurde sodann beschlossen, der Familie des Verewigten ein Kondolenzschreiben Seiten? der Stadt zugehen zu lassen und wird außerdem Seine Hochwürden der Herr Abt und Stadtpfarrer Andreas von Böda am 6. Septem­­ber in hiesiger Stadtpfarrkirche ein feierliches­­ R­e­­quiem für den entschlafenen Minister zelebriren, an welchem theilzunehmen Seiten­ der Stadt sämmtliche hiesige Behörden und insbesondere die Schuldirektionen höflichst geladen werden. Punkt 2. Erlas des h. f. ung. Ministeriums des Innern ddto. 2. August I. 3., 8. 523,058/IV., in Angelegenheit der Zusammenstellung der Biri­­fiten-Liste pro 1889 und der eventuellen Erlab­­wahlen. Diente zur Kenntniß­­ und geht der Gegen­­stand an den mittlerweile durch seine Durchlaucht den Herrn Obergespan infolge Hochdessen Erwäh­­lung von Mitgliedern vervollständigten Verifikations- Ausschuß. B­unft 3. Antwortschreiben der ungar. Hypo­­thesenbanf auf die Anfrage in Betreff der Gewäh­­rung eines Darlehens per 120.000 fl. zum Baue des Truppenspitales. Die Hypothesenbanf erklärt mit ihrem Zuge­ständnisse bis zum Monate März des nächsten Jahres im Worte stehen zu wollen, nämlich das Darlehen auch bis dahin gegen 5"­, Perzent Amor­­tisationszinsen (auf 50 Jahre) der Stadt-Kommune, in Obligationen der­ Hypothesenbank mit einem Zu­­zählungssurje von 97 °, fl. zu gewähren. Punkt, 4. Bericht des Magistrates, daß sich um das städt. Stipendium für Frequentanten der Forstwartschule Niemand beworben hat. Diente zur Kenntnis. Punkt 5. Rechtsgutachten des Stadtfis­­fal3, in Betreff Betheilung des hiesigen Ursulinen- Berne mit Brennholz aus dem städtischen Holz­­epot. Der Herr Stadtfistal schloß sich in seiner Rechtsauffassung dem s chon früher vom Herrn Magistratsrath Dr. Bring abgegebenen juridischen Gutachten an, wornach den ehrw. Schwestern Ursu­­sinerinnen 126 Kubis-Meter Holz pro Jahr zuzu­­erkennen seien. Ia, der Herr Stadtsfisial ging noch ".­·«.—·-. -«« versammlung bewilligte demnach nicht«nur’dieses Holz,sondern auch den Rückersatz des durch zwei Jahre vom Kloster erlittenen Entganges desselben. Punkte.Der Bürgermeister unterbreitet das fachmännische Gutachten in Betreff der Blitzab­­leiter am städt,Theatergebäude und dem Archive, mit dem Ansuchen des Sachverständigen,um Ge­­stattung der Veröffentlichung dieses Gutachtens. Die Veröffentlichung wird gestattet und auch in der»Oedenburger Zeitung«erfolgen. A Punkt 7. Gutachten der Finanz- und­ Kon­­trolls-Sektion, in Betreff der Verwendung der für zwei gezogene Grundentlastungs-Obligationen der Stadt zu behebenden Beträge per 1000 Fl. und 500 fl. Wird im Sinne des Gutachtens vorgegangen­ werden. · "Punkt 8.Der Magistrat unterbreitet die städt. Schlußrechnung pro 1887 sammt Juvenstar mit dem Gutachten der städt.Finanz-und Kontrolls- Sektion Wurde als richtig anerkannt Montag Nachmittags um 7 Uhr wird das Sitzungsprotokoll im Rathhaussaale von den Authen­­tisatoren beglaubigt werden. E. M. Stenographie und Stenoradiographie. (Fortlegung.) Die Neu-Stolzeaner müssen alle mehrsilbigen Wörter in ganz sprachwidriger und unnatürlicher­­Weise auseinanderreißen, sie «schreiben z. B. Man­­usfr­ipt statt Masnusffript, Stensogr­aph-Ste­no­­graph, Testram­ent-Te­sta­ment u. |. w., dazu kommt no, daß das Stolze'sche System nicht wie unsere gewöhnliche Schrift auf einer, sondern auf drei Schriftlinien geschrieben wird, so bedeutet dasselbe Wortbild auf der Linie stehend „leben“ unter derselben „loben“ über derselben „Lieben“. Wie bei allen Erfindungen der Trieb nach Verbesserung sich geltend macht, so trat dieser selbst­­redend auch auf dem Gebiete der Stenographie auf, und haben wir wirklich eine stattliche Anzahl von Systemerfindern auftauchen und wieder verschwinden gesehen und war es nur wenigen vergönet sich längere Zeit auf der Oberfläche zu erhalten. Leopold Arends (1860) wollte nach dem Muster des Franzosen Foyet die Vokale buchstäblich schreiben, ebenso Roller, welcher das obgenannte System umarbeitete und vereinfachte, hält an der buchstäblichen Lokalisation fest. Die Folge von dieser sonst nicht üblen Idee aber war, daß beide Systeme für die stenographische Praxis unbrauchbar wurden und somit auf den weiteren Entwicklungs­­gang der Stenographie seinen Einfluß übten. In einem Noller’schen Flugblatte findet sich wörtlich folgende Stelle: „Es soll damit nicht be­­hauptet sein, daß man bei Roller im Stande wäre jeder auch der schnellsten Rede wörtlich zu folgen“ und haben die zwischen Vertretern des NRoller’schen Systems­ ver­­anstalteten öffentlichen Wettschreiben, mit ihren Mißerfolgen zur Genüge den schlagenden Beweis geliefert, daß das System Roller über einen höchst unzulänglichen Grad praktischer Kürze verfügt. Aus diesem Grunde sind alle späteren Ver­­suche die Stenographie zu vervollkommmen, auf dem von Gabelsberger und Stolze aufgestellten P­rinzipe der syymbolischen P­okalisation aufgebaut. Durch diese zahlreichen Systeme und Umarbeitungen sind im einzelnen manche gute Gedanken zu Tage gefördert worden, aber einen dauernden Erfolg konnten auch diese Systeme nicht erringen, da sie alle ganz ein­­seitig nur eine bestimmte Forderung in den V­order­­grund stellen, so die Zeilenmäßigkeit, im Gegensage zur Stolz’schen Dreizeilichkeit, (Velten, Adler, Merker) die leichte Erlernbarkeit und Zuverlässigkeit der Schrift im Gegen­­zuge zu Gabelsberger (Faulmann, Born, Fischer.) Von allen diesen Systemen hat nur das von­­ Velten in der Rheingegend, das von Professor Faulmann Wien in Oesterreich und das von Adler in der Schweiz einige Verbreitung gefunden. Erst dem Jahre 1875 war es vorbehalten der Deffentlichkeit ein Lebensfähiges System zu über­­geben und zwar ist dies die sogenannte Stenotachygraphie. (Eng-Schnellschrift.) Ehe ich zu der Vergleichung dieses neuen Systemes, mit den älteren Systemen von Gabels­­berger und Stolze schreite, s­chiefe ich voraus, daß ich nicht und nie die Absicht habe, durch diese Zeilen vielleicht die bestehenden älteren Systeme anzugreifen, oder das System der Stenotachygraphie als allein brauchbares System Hinzustellen oder irgend­eine Polemis heraufzubeschwören, nein, meine Reilen mögen nur lediglich den Bwed haben, den Leser mit den Neuerungen und insbesondere mit den vertraut zu machen.. RL­ER­E3 liegt ja übrigens in der Natur der Sache, daß Gabelsberger und Stolze, die Begründer der modernen Stenographie nicht gleich das Vork­om­­mensie leisten konnten und daß auch hier, wie ich schon sagte, sich der Trieb nach Verbesserung und Vereinffachung geltend machte. Sowohl bei Gabelsberger und Stolze als auch bei der Stenotachygraphie, sind die Buchstabenzeichen den Theilzügen der gewöhnlichen Schrift entnommen, aber Schon in diesem­­­unkte zeigt ich ein funda­­mentaler Unterschied zwischen den älteren Systemen und der Stenotachygraphie. Die älteren Systeme benügen nämlich die verschiedenen Größen desselben Elementarzeichens zur Bezeichnung ganz verschie­­dener Konsonanten; so wird bei Stolze aus einem m in doppelter Größe ein­ fp, aus c ein th, bei Gabelsberger aus d ei­ Eh, aus $ ein d u. . w. Diesen bedenklichen Unterschied hat die Stenotachy­­graphie vermieden, alle Konsonanten sind gleich hoch und bedeuten dasselbe, mögen sie num einz-, zwei oder dreistufig geschrieben werden. Grunde Tag: m bleibt m. Die Borale werden in der Stenotachygraphie symbolisch, d. h. durch bestimmte, an dem Kon­­sonanten angebrachten Merkmale ausgedrüct, mit welchem sie­ durch die Sprache zu einer Silbe ver­­schmolzen werden. Die symbolische Bezeichnung, welche in dem Gutachten des preußischen Unterrichts­­ministeriums, al unbedenklich, ja empfehlenswerth bezeichnet wurde, findet ss auch in den älteren Systemen ; aber während bei Gabelsberger die Vo­­kale ganz" regellos durch den vorhergehenden oder nachfolgenden Konsonanten bezeichnet, oder ganz ausgelassen werden, hat das Stolze’sche System zwei ganz verschiedene Votalisationstheorien für Die Haupt- und Nebensilben. — Die Stenotachygraphie dagegen hat eine ganz neue Botalisationstheorie aufgestellt, welche konsequent durchgeführt ist und sich streng an das Prinzip der Silbenbildung unserer Mutterprache anschließt, so schreibt man z. B. Basna­ma, Melodie, Me­dina, d. h. man bezeichnet den Bofal überall durch den vorhergehen­­den Konsonanten, wenn nun vor dem Bofale sein Konsonant steht, sondern ein anderer Boral 3. B. in Me­disan, Dasnitel, so wird das a­ber­ e kon­­sequenter Weise durch den nachfolgenden Konsonanten­ wiedergegeben, weil es mit demselben eine Silbe bildet und wenn nun endlich im rechten Falle auf den Konsonanten no ein Vokal folgt 3. B. in Da=ni=esla, dann wird das e buchstäblich geschrieben, weil es mit seinem Konsonanten eine Silbe bildet, also auch nicht durch einen solchen symbolisch be­­zeichnet werden kann oder darf. Der Leser wird nun meinen, eine solche Regelung der Silbenbildung nach Sprech- und Sprac­hsilben wäre eigentlich ganz selbstverständlich, doch das ist nicht der Fall, denn von Stolzer ist die einfache Regel aufgestellt, daß jede Silbe mit einem Bofale anfangen muß, daher kommt man dann zu den, einen guten Deutschen nahezu schmerzhaft ‚berührenden Resultaten, denn man ist sonach gezwungen zu schreiben z. B. PBanz­anıza, Sten=ogr=aph­ie, gratsulsirzen u. s. w. (Schluß folgt.) Its-Weh - Ach-Os- RN is i BEE er Lokalnotizen. er) wird die Staat3-Steuerschraube "Die große Steuerschande. Mit heutigem Tage (1. Septem am Leibe der Bewohner beider M Reischhälften noch kräftiger als bisher angezogen werden. Sämmtliche Spirituosen, wie: Branntwein, Cognac, Rum, Ligqueure und alkoholhaltige Cfjenzen für den Genuß werden nämlich einer Steuererhöhung von 24 fr. per Liter 100 perzentigen Alkohol­ unterzogen. Daß der V­erschweiger besonders im Detailverlaufe diese Erhöhung noch außerdem zu seinem Nuten ausbeutet, da haben wir bei unseren Wirthen, welche das Bier in ihren Schanfloralen verkaufen Schmerzlichst shon längst erfahren. Bom Biere, welches im Laufe dieses Jahres per Heftoliter um 50 fr. erhöht wurde, wird bei unseren Wirthen schon der Liter um 2 fr. theurer ausgeschärft, wodurch der Wirth also 2 fl. für die 50 fr., die er zu bezahlen hat, erhält Ein Glas mit angeblich­ 3 Deci-liter Eoftet 9 fr., somit zieft er per Heftoliter einen Mehrerlös von 8 fl. ein. Weil früher der Liter 22 fr. foftete. Ein ähnliches V­erhältnis wird sich auch bei dem Detail-V­erlauf unserer Spirituosen ergeben. Auf diese Weise wird das Publikum, das vom Metar bedrüht wird, von den Handelsleuten noch doppelt und dreifach besteuert. * Schumachricht. Die Einschreibungen an der hiesigen evang. Bolfsschule finden vom 1. bis 5. September statt. Laut geießlicher Ber­­fügung ist bei dieser Gelegenheit der Impfschein des einzuschreibenden Schulfindes vorzu­weisen. * Buvorkommenheit der Südbahn-Direk­­tion. Der morgen Sonntag in der Richtung 7 _ |

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