Pester Lloyd - Abendblatt, Mai 1865 (Jahrgang 12, nr. 99-124)
1865-05-16 / nr. 112
in Konsequenz dieses prinzipiellen Standpunktes bereit erklärt, den Termin des 1.Juli,zu welchem der neue Tarif in Wirksamkeit treten solle,hinauszuschieben,jedoch nur um einen Monat,d.·i.bi431·.August,sind sie hat ausdrücklich erklärt, daß sie einer weiteren Hinausschiebung nicht beistimmen könnte, so daß einer Verschleppung ins Angemessene vorgebeugt it. Für diese Zwischenzeit müßte ein Provisorium eintreten, derart, daß die jebigen Außenzölle so weit herabgejebt werden, daß sie mit den dem Zollvereine gewährten Zöllen addirt, zu dessen Außenzöllen eine gleiche Größe bilden ; dieses Provisorium erfordert neue Berechnungen derjenigen Hohlfäße,, bezuglich, welcher eine solche Herablegung eintreten muß. Diese Berechnungen werden eben fest vom Handelsministerium vorgenommen und dasselbe wird bereits in den nächsten Tagen dem Abgeordnetenhause eine Vorlage über den provisorischen Tarif machen, welcher gleichzeitig mit dem Handelsvertrage inaeben treten, aber, wie gesagt, eine engumgrenzte Dauer haben soll. Bezüglich der Stabilität des neuen Zolltarifes wollten ich die Schulzöllnerischen Ausschußmitglieder, Szene und Genossen, eine wenigsteng moralische Garantie dur eine Erklärung der Negierung geben lassen, daß sie den neuen Rolltarif nicht so bald wieder ändern werde. Die Regierung hat sich vernünftiger Weise hiezu nicht herbeigelassen. Sie hat vielmehr ansprüchlich erklärt, daß sie es von der Gestalt, welche der Bolltarif in der Behandlung des Abgeordnetenhauses annehmen wird, abhängig mache, ob sie denselben für längere Zeit von Bedürfnissen des Neides für angemessen werde erachten künnen. Die Regierung konnte ich zu keinen anderen Erklärungen herbeilassen, wa sie ja ernstlich gesonnen it, wenn es sich irgendwie als möglich erweist, einen Handelsvertrag mit England abzuschließen, wer natürlich Zollmodifikationen bedingen wird. in Wien, 15. Mai. Mit welchem Gruite England die internationale Enquete betreibt und welches Gewicht sieben Verhandlungen der gemischten Kommission beizegt, erhellt daraus , dab er nunmehr noch ein Mitglied des board of trade — des englischen Handelsamtes — und zwar ein sehr hervorragendes hierher gefcicht hat, um sich an den Verhandlungen zu betheiligen. Dieses Mitglied it Mr. Mal Let, verselbe, welcher den englischfranzösischen Handelsvertrag abgeschlossen und unterzeichnet , die Verhandlungen mit dem Sollvereine und beziehungsweise Preußen geführt hat, ein außerordentlicher Kenner der englischen und auswärtigen Zoll- und Handelsverhältnisse ist und als die markanteste Repräsentanz der englischen Handels- und Zollpolitik angesehen werden kann. Mahrscheinli wird ein anderes in handelspolitischer Hinsicht minder hervorragendes englisches Mitglied der Kommission austreten, um seinen Planz. Mallet einzuräumen. 63 scheint, daß manche widrige Erfahrungen die Mitglieder der Konferenz unangenehm berühren ; so jüngsthin verschiedene Versionen , welche über die Erklärungen des Reiter des Handelsministeriums im Zollausschhsse in Umlauf gerecht worden sind. Derselbe hatte sich zwar Namens der Niegierung prinzipiell gegen das System der Differentialzölle erklärt, aber doch die Möglichkeit der Aufreihthaltung desselben gemäß eventuellen Wünschen der Reichsvertretung offen gehalten. € Ist begreiflich, daß das Brechen mit dem Differentialzollsystem eine prinzipielle Nothwendigkeit und die einzige Garantie für ein konsequentes Cinlenzen in die Bahn des freien Handelsverkehres ist , so hab die Aufrechthaltung des Differentialzollsystems auf die Engländer entschieden absttoßend wirken müßte. Auch hat die in den Zeitungen verbreitete Nachricht, Freiherr v. Kalhberg habe sich für Aufrechthaltung der Stabilität des Holltarifes „für einige Jahre ausgesprochen — was nur der Fall ist — die englischen Kommissionsmitglieder beunruhigt, da ja der Kommission, die Möglichkeit der Tarifmodifikation zu untersuchen , als Aufgabe zugewiesen ist und jene Stabilität des Zolltarifes auf einige Jahre einem englisch-österreichischen Handelsvertrage von vorneherein präjudiziren mwürde. In Blaue wollen ja die Engländer dos nicht diskutiren. Diese Symptome englischen Umbehagens sind für Alle zu beachten, welchen die Anknüpfung näherer Handelsbeziehungen zu England am Herzen dient. “ = „Berst Hiradó" bespricht heute vas bekannte Programm der ungarischenkiberalen und äußert sie folgendermaßen :» In der Entwicklung der politischen Jdeen bezeichnet die unwidersprechlich logische Ableitung der gemeinschaftlichen Angelegenheiten aus der pragmatischen Sanktion , welche der hervorragendste Theil jenes rooms ist, ohne Zweifel einen großen Fortschritt. Dieser Theil bietet nicht blos eine Basis für den Ausgleich, sondern ein ganzes Gerippe, welches schon eine vollkommene Gestalt ist und nur no ausgefüllt zu werden braucht. Das Gerippe steht da, er bedarf nur noch des Fleisches und des mächtigen Wortes: „Fiat!“ Was sich auf ‚die Staats- und Landesverwaltung der auswärtigen, Kriegs-,Handel3 wie Finanzangelegenheiten bezieht, ist wenigstens in seinen Hauptprinzipien nach allen Seiten annehmbar, und kann in seinen einzelnen Details leicht modifizirt werden, — denn diese sind nicht wesentlich. Nur it darin die Ordnung der Dinge verkehrt. Was vom Programme als Vorfrage bezeichnet wird, ist bios nachträglich zu ordnen ; es kann dies der Schluß oder eine Episode des Ausgleichswertes sein, nicht aber vomselben vorangehen. Wenn heute ungarische Minister ernannt würden, wäre wohl diese Ernennung nach der Legalitätstheorie der Opposition gefeß: ih? Würden die leitenden Männer der Opposition die Minister portefeuilles annehmen,bevor der Reichstag die staatsrechtliche Frage und den Modus der Konstitutionellen Theilnahme an den Reichsangelegenheiten ins Reine gebracht hätte, bevor auf Grund dieser Uebereinkommen des Inauguraldiplom zu Stande gebracht und Se. Majestät gekrönt wäre? Der Parlamentarismus ist nicht die einzige Form einer Konstitutionellen Negierung. Wir wissen auch nicht, ob die Führer der 48er Partei so ehrgeizig sind, daß sie Luft hätten noch eher und namentlich jetbt , in diesem Uebergangszustande, Ministerien anzunehmen, in welchen ihre Million blos einen Uebergangscharakter hätte, in welchem vielleicht sie den Ruhm und das Verdienst des Ausgleiches erringen würden, in welchem sie jedoch Faum auf ihren Lorberen ausruhen künnten , wenn die geordnete Weriore und der regelmäßige Gang der Geschäfte eintritt. Im Programm stehen daher die Dinge in versehrter Dronung. Es will, daß zuerst ein Ministerium ernannt, folglich einer der ersten Streitpunkte de facto entschieden werde; dann sollen die Krone und der Neichstag durch Reskripte und Aoresfen miteinander verhandeln; aus dem Materiale dieser Verhandlungen soll das Krönungsdiplom entworfen werden, worauf die Krönung Sr. Majestät erfolgen soll, und oft dann könne der Monarch die neuen Gewebe sanktioniren. Wir hingegen glauben, daßs die Unterhandlungen zwischen der Krone und dem Reichstage das erste Stadium des Neifens bilden werden, aus welchem sich dann entwickeln muß, welche Abänderung an der bisherigen konstitutionellen Behandlung der Reichsangelegenheiten, ferner mit Rücksicht auf die Einheit der Monarchie an der ungarischen Konstitution, namentlich an den Gefekartikeln von 1790—91 und an den Gefegartikeln I. und III. , 1848, festzustellen sei, ist diese gemeinschaftliche Basis gewonnen , so folgt die Feststellung des Inauguraldiploms und die Krönung, und hiemit unmittelbar zugleich die faktische Aktivirung der Verfassung und die Ernennung der Minister, welche die geleglich organisirte Regierung und Administration übernehmen. Dies wäre, unserer Ansicht nach, der natürliche Verlauf der Sache. „Beesi Hiradó' it hier sehr im Irrtum. 63 ist eine müßige Frage, ob auch die Führer der liberalen Partei in diesem Weitergangsstadium die ihnen angebotenen Ministerposten annehmen würden? „Hirads” weiß es so gut als wir, hab es sich hier nicht um die Beendigung irgend einer Ministerkrise, um die Beseitigung eines zwischen einem Parlamente und einem Ministerium ausgebrochenen Konflikts handelt. Cs sol ganz einfach eine der Grundbestimmungen der ungarischen Verfassung zur Geltung gelangen. € 3 sol überhaupt im Sinne der sanftionirten Gefege ein Ministerium ernannt werden, und es ist vorberhand eine ganz untergeoronete Frage, welche Persönlichkeiten auf die neufreirten Ministerposten gestellt werden sollen.