Pester Lloyd, Januar 1912 (Jahrgang 59, nr. 13-26)
1912-01-16 / nr. 13
—.«--Adpy-«ppssdt- Für Budapest . Ganzjährig 44 K., halbjährig ..... .. g3 K., vierteljährig 11 K., monatlich 4 K. Für das Inland: . Ganzjährig 48 K., halb 9 j jährig 24.K., vierteljährig 12 K., monatlich . N.W»h..s(Mt-Widk.ypstvoksensavs des Abendblattes vierteljährig 2 K. mehr. Y Für Wien auch durch Herm, Goldschmidt. Für das Ausland mit direkter Kreuzbandsendung vierteljährig : Für Deutschland 18 &., für alle übrigen Staaten #1 K. Abonnements werden auch bei sämtlichen ausländischen Postämtern entgegengenommen. Für Amerika, England, Frankreich, Spanien und Portugal besteht die Vermittlung der Postämter nicht und das Abonnement muss direkt in unserer Administration erfolgen. Vertretung für Deutschland, Frankreich, England und Italien bei der Zeitungsfirma Saarbach, News Exchange in Mainz. 59, Jahrgang. e "MORGENBLATT- Ludapest, Dienstag, 16. Januar CETELTELTER Inseratenaufnahm es . ««»......«.....»., m + An Bu >-in "der Adıi 5 ‚Son den b 5 „Pester Lloyd“ V., Mária a. Valdıkera Nr. 12 und in den Annoncen Bursans : 4. Brockner, B." Eckstein, &göi. , r és Ilauius & Co., Sigm. Lenker, Jul. Leopold, Mezei, ud ass. Jut. Tenzer, rag Ba. In Wien: bei Book,Herzfeld, Ed. Rud. Mosse, }. Rafael, H. Schalek. uelande: Berlin: Rudolf Mosse; Einzeln : Norgenblatt in Budapest 12 Heller,in der Provinz 14 Heller, Abendblatt in Budapest © Heller, in der Provinz 8 Helfer, Redaktion und Administration: V., Mária Valerin-uteza 12. — Manuskripte werden in der Falle zurück, lt. — Unfrankierte Briefe werden nicht‘ angenommen. nen Ar. 18. 1912. 1 ÖZET ÉREK] . Budapest, 15. Januar. Die Männer, die das Miniterium Moiicare bilden, gehören zur den Besten Frankreichs. Der neue Kabinettschef war sichtlich bestrebt, ein sogenanntes großes Ministerium zustande zu bringen. Das Reinliche Sonderinteressse und Die politische Intrige sind im Laufe der besten Site allzu deutlich an die Oberfläche gerückt. Da galt es, das Unklebsame und Beklemmende duch eine erfrischende amd ermunternde Neugestaltung in den Schatten zu fehlen, allerlei Sinfendes und Wanfendes zu erheben und au befeitigen, dem mitunter unlauteren Alltagsgetriebe der Schwachen ein ‚von vornehmen Geiste getragenes‘ Edelgebilde der Starken entgegenzustellen. Geist, Talent und Arbeit sind im Kabinett Proincare durchaus würdig vertreten. Die Großen aller republikanischen Parteinuancen von rechts nach äußerstlinie, von Ministerpräsidenten bis zu Briand und Millerand, sind gehörig berücksichtigt worden und haben in ihn Plab gefunden. Neben dem psychologischen ward auch Dem. Nüblichkeitsmomente ge- Mit Ausnahme Clemenceaus, der 2 zwei seiner besten und ergebensten Freunde walten sieht. Briand hat während seiner Ministerschaft troß der Tide des Geshhcs, die ihn als verantwortlichen Leiter und Renter der Staatsgeschäfte der Republik mit den ungeduldigen, gereizten Arbeiterwaffen wiederholt in bedauerlichen M Widerstreit geraten ließ, zahlreiche Beweise seines tödlichen Bestrebens geliefert, Frankreichs weltenbeherrschendes Kapital neben "tunlichster Besserung der Verhältnisse der industriellen und landwirtschaftlichen Arbeiterschaft seine bedeutende nationale Mission zu Ende erfüllen zu lassen. Aristide Briand verficht schon seit Jahren die Auffassung, dasi sich Kapital und Arbeit nicht mir nicht bekämpfen dürfen, sondern einander unter die Achte greifen müssen. Ihm widerstreben die sozialradikalen Schlagworte, er sucht das Interesse des industriellen Arbeiters an, jenes des Kapitals zu heften: "Ohne Kapital und selbst ohne Lurus gibt es nach ihm feine Großindustrie, aber auf ein Sortkommen der ungezählten Millionen Französischer und sonstiger Fabrikarbeiter. Den ersten Schritt zu einer ernsten, dauernden Annäherung und Berständigung ziischen den Arbeitgebern und ihren am Gewinn beteiligten Arbeitern haben zwar die englischen Gewerkschaften getan; Briand hat den Borjálag indes noch zur Zeit seiner Justizministerschaft im Jahre 1906 der Verwirklichung bedeutend näher gebracht. Schon damals hat ihn das parlamentarische Ränkespiel der Miüfigen mit ernsten Wideriillen erfüllt: „Wie viel verbrecherische Zeitvergeudung! — rief er aus — das Werk des Kortschrittes, das ich Verwirkhen möchte und verwirklichen werde, wird von kleinlichen Intriganten behindert.“ Noch schärfer und auf das Nängstvergangene wie zugeschnitten lügt sich Millerand in seinen Agitations- und Parlamentsreden vernehmen. In Munde des neuen Kriegsministers Frankreichs klingt wohl auch der Sab denswürdig, den er in Carmaur anläßlich einer Wiederwahl Jaures’ gesprochen hat: „Pflicht und Ehre der Republik oder — wenn ich sagen Darf — unserer Partei in der Republik ist es, Mittel und Wege ausfindig zu machen, damit alle Völkerkonflikte statt durch den verabsheitungswürdigen, brutalen erieg friedlich und im gegenseitigen Einvernehmen ausgetragen werden kürnen, denn alt sus hart, ihrer internationalen Gerecbung. zu. etet Zei uigpaltig it, dar Die Beziehungen der Völfer unter einanz Dnagen BersS ‚ der. so zahlreich und [07 ette und intellektuelle und wirtschaftliche Interessengemeinschaft herbeigeführt Haben, deren jüden weit über ‚Die Grenzen eines noch so großen Landestreiben.“ Das Ministerium Boiicare bedeutet "Demnach, eine Regierung des Friedens und der Arbeit. Es wird auf dem vulkanischen Boden der inneren Molitit Frankreichs hinreichend zu schaffen und vor allem anderen die empfndlichen Schäden der seit einer Reihe von Jahren eingebürgerten parlamentarischen Skotementwirtschaft wettzumachen und aus dem Wege zu räumen versuchen. Der Fall Caillant war in Diesers Beziehung nur eine Episode, wie sie sich seit geraumer Zeit fast beim Sturze jeder Regierung in Frankreich zu wiederholen pflegt. Grit neulich hat Graf Hauffonville im „Sigaro“ darauf hingerwiesen, daß Briand jenem Jahre wird mit dem Durchaus und innig befreundeten Spanien unter Sagalta das erste Marokko ablonmen vereinbart, in welchem Frankreich ganz Nordmarokfo samt des und. Tanger, also in den s panischen Interessenbereich und in die Spanische Einflußsphäre gehörig anerkennt und, a... «" Freuilleton. Dieswahl nacht. Von Julius Bach. Berlin, 13. Januar. Man kan nicht behaupten, da in dem äußeren Gesicht Berlins von dem ,tobenden" Wahlkampf sehr viel zu merten gewesen wäre. Mag sein, daß, die besonderen Verhältnisse der Berliner Wahltreffe seine besondere Spannung zuließet; “mag sein, maß den Berlinern ihr angeborenes Temperament sein allzu großes Pathos in politischen Dingen gestattet, Daß sie auch Hier ordentlich, fleißig und fulturlos nur gerade das Notwendige tun und sig im großen ganzen den‚Lurus von Temperamentsausbrüchen verjagen — jedenfalls es ging Herzlich nüchtern und ziemlich geräuschlos, in dieser Wahlkampagne zu. Aber numr war die Entscheidung gefallen. In wenigen Stunden sollte jet geerntet werden, was in Wochen und Monaten gesät war, — ob, da nicht auch der zäheren Weidenschaft der Berliner eine heltere Slamme entbrechen mußte? Es galt zuzuschauen ..... Abends, eine Stunde etwa nach Schluß des Wahlaktes, bei zehn Grad Kälte und frostbarem Himmel, stieg ich in die Stadtbahn, die mich den inneren Bezirken der Stadt zutragen sollte. Die Wagen waren ziemlich leer, die Stationen zeigten, soviel man Durch die gefrorenen „Scheiben sehen “konnte, ihr alltägliches Antlib. Auf einer westlichen Vorortstation stieg eine Dame mit zwei Töchtern ein. Mama und Die beiden Badfische waren in leidenschaftlichen Gespräch. Sch wußte jeder bald, da es nicht der Sprengung des schwarz-blauen Blods galt. Sie kamen vom Tee bei Frau Meier, und nachdem sie sich über die Geschmachlosigkeit der Toilette bon De Geheimrat Cihulze geeinigt hatten, entbrannte ein heftiger Streit zwischen ihnen über die Haartour von Gija LXmnide, deren Boden Mama für echt hielt, was die beiden Mädchen mit all ihrem "jugendlichen Stebtizismus in Frage” stellten. Schließlich erkundigte man sich auch; nach der Zeit, und Manta bemeufte, daß man nicht zu spät nach Hause kommen dürfe. „Ach ja, sagte die jüngste Tochter, Heute sind ja diese Wahlen, nicht wahr, Mama?‘ — Ich konstatierte, daß die Frauenbewegung das weibliche Geschlecht 003 offenbar noch nicht so gänzlich politisiert habe. Und während sich die Daten bereits wieder in die Chancen eines schon fest für übernächste Woche bei Levins angekündigten, und deshalb gewiß ganz hervorragenden Tees vertieften, stieg ich aus. ··« «"· Basle1hof Friedrichstraße.Und ida beginnt es schtu: Auf dem Bahnsteig stehen eine Menge kleiner Gruppe 11, weiße Zettel in den Händen—die ersten Extrasblätterl Mit der selbst verständliciiett Kollegialitäts dieje die gemeinsame Erregungsriftcitre«te«ich zix sohiger Gruppe und sehe mithinein.Es sind die Berliner Wahlresultate.»N(1, wenns weiter nichts ist.-Der Besiitzer des Blattes knüllt es zustimmen.Es hat sich reichts geändert:fünf sozialistische Sitze und eine sozialistile iberale Stichwahl.Ein kleiner Kommis vom Typus des Berliner Schusterjungen bemerkt nebenmirt»Und sowsas nennt sischnun Allerfreust es!«... Aber das Nachrichtenfieber, die Neuigkeitsgier liegt doch in der Luft. Man stürzt, man eilt, man drängt die Treppen herab. Da liegt die Friedrichstraße brausend, bligend und vielleicht noch etwasz menschen ihm wärzer, als gewöhnlich. Und zwischen den Menschen birgen weiße kleine Sufeln auf. Drüben gibt es Extrablätter. Ich stürze über den Dan, ertaffe ein Extrablatt, will zurück, ein Automobil attackiert mich, nit einem großen Sprung bringe ich meine fostbare Stichwahlstimme (was gilt das , eben!) in Sicherheit. Auf dem Blatt steht noch nicht viel Neues, die Berliner Zahlen etwas ausführlicher. Aber nun Hat man sein erstes Extrablatt in der Kauft, das i inte ein Bazillus. Bald blüht man im Wahlfieber. Auf die Straße tropfen sie von beginnendem Flodenfall weite Fleden — das Papier der erledigten Extrablätter — Wahlschnee. 7 Die großen Zeitungen überbieten sich heute in der Gratisausgabe von Extrablättern. Jene Scheinwerferanzeigen, vor denen sich vor fünf Jahren das Leben der M Wahlnacht‘ konzentrierte, bat ihnen ‘die allzu väterliche Sorgfalt des Herrn Polizeipräsidenten Diesntal‘ verboten. Nun haben ‘sie Hundert andere Wege eingeschlagen. An einen großen Restaurant mündet ein Anschlag, Daß hier sofort: die neuesten Ertrablätter des , Tageblattes" zur Ausgabe gelangen werden. Ich trete hinein. CS ist über, und über voll, das ist es um diese Zeit wohl inmmer, aber, wenn man scharf Hinsieht, ist das Bild doc ein wenig geändert. Salt auf allen Tagen liegen weiße, Blätter und viele Gülte Halten jo ein Blatt in der Fanft und demonstrieren "ihrem Nachbar. Man windet sig zeichen. den. "Zühlen Durch und hört: „Stimmen’. . . ‚so fest, daß sie sich nicht rühren können. . Ginar ‚eine alte Botenfrau’ bekommt das" One... „Ungeheure Majorität . . . „Aussichten“ ...... „Neue Depeiche‘ . . . Der Wirt eilt zwischen den Then hindurch und verteilt neu eingetroffene Blätter. Das Gespräc . [hilft stärker an. Hinter mir erfundigt sich gerade. .eine ‚Dame, „ob es demm mit Duchgegangen it, daß die einflußreicheren Leute mehrere Stimmen abgeben“. "Sie verwechselt den preußischen Landtag mit dem deutschen Reichstag und auch font einiges — aber man sieht, daß’ das politische Fieber nun fon auf die Fraffelten Außenseiter überspringt. · si 9 trete wieder auf die Straße. Immer neue Ertiablätter, aber es steht immer noch nichts Neues drin. Den fünf oder jede verschiedene Zeitungen zugleich geben, Die neuesten Nachrichten aus. Aber natürlich nicht ganz gleichzeitig. So rafft man immer wieder neues Papier an. Ig, schaut gierig hinein, sieht Altbekanntes, wirft es weg, fürmt weiter. Aber da!mit der berühmter Ehe der Linden und der Friedrichstraße, im Herzen Berlins, da st eg wirklich Schwarz, vor Menschen. Mit brüllendem Getöse umdrängt man ein Autonobe, auf dem die Sahne der „Berliner Morgenpost“ flattert, und dem sich eben die Träger wirklich neuer Ertrablätter entwunden, haben. Aber sie kommen, nicht, dazıt, sie auszuteilen.. Die Masse selbst hindert sie in ihrer Ungeduld. Jeder, will zuerst . haben. Alle drängen und feilen die unglücklichen "Boten der Kleiner Messengerboy . steht ratlos mit gesenkten Armen .da,. Sehen, „Hierher sau | | ! “ 29 Si a m