Pester Lloyd, Februar 1913 (Jahrgang 60, nr. 41-49)
1913-02-16 / nr. 41
EEE TE NT EE DR SE EN rin AAO ER ET rc BAR 5 192 EN £ = ’ er va a · ogtv Für das Ausland mit direkter Kreuzbandsendung vierteljährig : Für Deutschland 18 K., für alle übrigen Staaten 21 K. Abonnements "werden auch bei sämtlichen ausländischen Postämtern entgegengenommen. Für Amerika, England, Spanien und Portugal besteht die Vermittlung der Postämter nicht und das Abonnement muss direkt in unserer Administration erfolgen.Vertretung für Deutschland, Frankreich, England und Italien bei der Zeitungfirma Saarbach, News Exchange in Mainz, 60, Inh gang. ‚MORGENBLATT " " Inseratenaufnahme: In Budapest, in der Administration deg rens : 4. Blookner, B. Eokstein, Győei & ureaus : J. Blookner, B. ny « sm.1-asus«cs.’sisu.-I.uku, Eis· Leopold, Ant. Mezei, Rud. Mosse, jul. Tenzer, Jos. Schwarz. Generalvertretung des „Pester Lloyd“ für Oesterreich und das gesamte Ausland: il, Dukes Nachfolger A.-G. Wien, Wöllzeiler. — Auch alle anderen renommierten Inseratenbureaus in Oesterreich wid im ‚Auslande übernehmen Ankündigungen für den „Pestor Uoyd“, Einzeln : Morgenblatt in Buda 12 Halsler, in der Provinz 14 Heller. Abendblatt in Budapest 6 Heller, in der Provinz 8 Heller, Redaktion und Administration : V., Maria Valerianteza 1%. — Manuskripte werden in keinem Falle zurückgestellt, — Unfrankierte Briefe werden nicht angenommen, Budapest, Sonntag, 16. Februar 1913 Ar. 41 ; 1 | | Budapest 15. Februar. Die Munizipalvertretung der Haupt- und Residenzstadt Budapest hat heute den von der Krone an erster Stelle kandidierten Dr. Franz Heltat zum "Oberbürgermeister" gewählt und, ihn, in, herkömmlicher Weise, sofort in Amt und Würde eingelegt. Der neueberbürgermeister gefällt uns; seinem ganzen Zuschnitte nach darf an seine Berufung die Erwartung geknüpft werden, daß Diesmal — ein leider nicht sehr häufiger Fall unter unseren absonderlichen Verhältnissen — Der richtige Ottani an Die richtige Stelle gelangt ist. Die Eigenschaften, die er auf seinen neuen Bolten mitbringt, sind bekannt. Seit mehr als zwei Jahrzehnten betätigt er sich auf dem Gebiet der autonomen Munizipalverwaltung Budapests mit einer Arbeitsfreudigkeit, in der sich minutiöse Gewissenhaftigkeit mit überraschender Breite des geistigen Horizonts, sittlicher Ernst mit Versatilität, liebevolles Verständnis für die Bezdingungen des Gedeihens dieser Metropole mit klarem Bild für die soziale und nationale Entwicklung des ganzen Staates verbindet. Parallel zu seiner Tätigkeit im Stadthause verlief sein Wirken auf parlamentarischen Boden. Er kämpfte gleichham an zwei Fronten: innerhalb der munizipalen Autonomie der Hauptstadt für Die großen staatlichen und sozialen Gesichtspunkte, die das Wesen der progressiven Polizik ausmachen, und in der Geießgebung, für den Aufschwung dieser Hauptstadt, die als mächtigster autor der nationalen Kultur berufen ist, den in ihr aufgespeicherten Vorrat an, belebender Wärme und schimmerndem Licht, weithin bis in die’ fernsten Winkel des ungarischen Baterlandes auszustrahlen. Dabei ging’ seine Tatkraft niemals auf blendende äußere Erfolge aus. Mehr als aller Beifall‘ galt ihm das Bewußtsein, in frü ler, unverdrosfener Arbeit Gutes gewirkt, ‚fruchtbare Ergebnisse gezeitigt zu haben. so errang er sich mit der ‚Zeit eine ganz eigengeartete Position, die durchaus seinem Doppelmesen entsprach. Handelte es sich Darum, wichtige Interessen der Hauptstädtischen Lokalverwaltung bei der Regierung wirksam zu vertreten, so wurden von den munizipalen Faktoren in erster Reihe feine Mittlerdienste in Ansprn genommen, ebenso wie die Regierung, wenn die Hauptstedt für ein wichtiges staatliches und nationales Interesse zu gewinnen zogt, sich mit Vorliebe der klugen, tartvollen und zielbewußten Intervention Franz Heltais bediente. Den Mann war der geborene Oberbürgermeister, lange bevor ihn der König kandidiert und Die Generalversjammlung gewählt hatte. In seiner Antrittsrede wies der neue Oberbürgermeister auf die merkwürdige Rechtsnatur‘ seiner nunmehrigen Amtsstellung hin: der D Oberbürgermeister von Budapest i war der Vertreter der evelativen ‚ Gewalt, allein er muß auch das Vertrauen des Munizipalausschusses besigen. Wer sich dies vor Augen hält, dem t wird ein Besständnis dafür aufdämmern, das es bisher immer leiter war, diesen Wolten zu begeben, als ihn auch voständig auszufüllen. Der erste Inhaber dieser Stelle war aus dem Justizdienste geholt und hatte weder im Boden des hauptstädtischen Murmizipallebens, no in den gouvernementalen Sphären Wurzeln; er beschränzte lediglich auf den Beruf, eine stattliche Repräsentationsfigur abzugeben, den Beratungen des Munizipiums mit Würde und Anstand zu präsidieren. Seine Nachfolger aber waren durchweg der munizipalen Bureaufragie der Hauptstadt enttrachten. Was diesem Gemeinwesen frommte, war ihnen nicht unbekannt, nur gebrach er ihnen an den Eigenschaften, die zur erfolgreichen Vertretung dieser Interessen nach oben Hin nun einmal unerläßlich sind: an:politischer Bersiertheit, an jener Sicherheit des Auftretens, die ein Nebenprodukt berrührter und umbestrittener politischer Autorität ist, an einen spezifischen Gewicht, das, um Ministern zu imponieren, unch vieljährige parlamentarische Betätigung " erworben sein mil. Der Funktionär, der bei der enjerung Widerstände, die sich. gegen kommunale Interessen der Hauptstadt richten, besiegen will, muß in der eigenen Vergangenheit den Rechtstitel finden, um von fich. Das verkünden zu dürfen, was Franz Heltai in seiner Antrittsrede heute gesagt hat: „SA werde den Rechten und Interessen der Hauptstadt ein Fürsprecher sein, nicht allein als Oberbürgermeister, sondern auch als Bürger, Der niemals, unter seinen Unständen, von relcher " Ueberzeugung abzubringen it.“ "Das und Worte eines Bürgerstoifes, wie er nur aus dem ee erprobter Gesinnungsstäffe und bewährter politischer Fertigkeit hervorerproffen sein kann. Einer, der aus der Bureaufratle endt, wird den höchsten Machthabern des Staates nicht gleic beim ersten ‚Schritt mit der Betonung seiner eigenen Webterzeugung, von der ihn nichts auf Erden abdrängen läßt,zusommen wagen. Dazu gehört ein Gefühl der Selbstsicherheit, ein Vertrauen in die Unerschüttterlichkeit der ‚eigenen Gesinnung, ein uns weigerliches Festhalten, an der’ Autonomie des eigenen Willens, Qualitäten, die nur einer ür parlamentarischen angeben, ein machtloser Komparse zu sein, den bloß dies der Lage entgegenbringt. Bisher war das Band zwischen der hauptstädtischen Selbstverwaltung und dem Ministerium ein rein äußerliches. Die Kommune schrieb sich den Weg vor, den sie zu gehen bedachte, und Die Regierung nahm zu den einzelnen Stagen zumeist in gemächlich, läsliger Weise Stellung. Maßregeln, die für die Entwicnung der Hauptstadt wichtig und dringend waren, lagen oft monatelang unerledigt auf den Schreibtischen, subalterner Ministerialorgane, und ließ sie ihre Erledigung nicht weiter verzögern, so wurde die Sache zumeist Thematisch abgetan. Der Vertrauensmann fehlte, eben, der das tonplizierte Räderiwerk der staatlichen Administration Tennt, mit allen Belättelungen des bureaufrauichen Betriebes vertraut it und dient, die Kompetenz und die Mutorität zustehen, um den an den Zentralstellen mangelnden Gin für die Spezifischen Bedürfnisse einer Großstadt duch maßgebende Informationen zu erlösen und die Dinge von dem toten Punkt, auf dem Unverstand oder Indolenz sie liegen läßt, Aug in Dem Betrieb der munizipalen Berialtung kann es wichtigen staatlichen Interessen bisweilen so ergehen. Ein untergeordnetes Organ, das seinen geübten Eid für die staatspolitischen Momente Hat, Tnab» bert an einer Cache von höchsster Dringlichkeit oft wochen“ duch, energissches Eingreifen wegzurüden, lang herum und gibt dann' Bezirksakten, in’ denen es sich um Lappalien handelt, den B Vortritt ‘vor Angelegenheiten, ‚deren Verzögerung dem Staate empfind» sichen Schaden zufügt. Den Gang der Lotalverwaltung aus dem Gesichtspunkte des Staatsinteresses zu beaufsichtigen und ‚die staatlichen Zentralbehörden : bei der Erxledi» ‘gung der Angelegenheiten des Hauptstädtischen Muniszipiums mit fundigem Mat. zu unterstügen, das it das Betätigungsgebiet, auf dem der neue DOberbürgermeister fi zu bewähren ‚haben wird. Er wird dem Stantart, zwischen Hauptstadt und Staatsregierung inniger‘gestalten, wird ,zwischen ihnen’ ein ständiges Ineinandergreifen besticken und D daduch beide zum Wohle der Gesamtheit zu intensiverer Arbeitsleistung befähigen. Buddapest: it mehr, als ein bloßes Sinbild der ungarischen Staatlichkeit. Es ist das Herz, aus dem Die Lebensjahre in die Adern des nzen Landes hinausströmen, er il auch die Wertstätte, in der Die geistigen Güter der Nation erzeugt werden. Viel hat Budapest en irmande empfangen, um doch sein mächtiges Emporblühen fs zu der gegenwärtigen Höhe, emporschwingen zu künnen. Aber mit Zinsen und Zinseszinsen hat dem ungarischen Staate seine Metropole alles, was er für sie getan, wieder erstattet. Dennoch war die Regierungsmacht in diesem Lande der Hauptstadt bisher eher ein strenger,bisweilen sogar griesgrämiger Vormund, als ein Vater, der dem verheihungsvollen Entmdlungsgange f eirnes Kindes in liebender Sorgfalt und mit zuversichtsvollem Stolz alle«nottwendigen Opfer bringt« Der neue Oberbürgermeister ist der Mann,darin Wandel zu schaffen.Wer seinte Tatkraft und seinen edlethxgeiz kennt,kann keine Zuweifel hegen,daß er auch in seinem neuen Berufe Tüchtiges leisten wird. Soll auch nach darüber ein Wort gesprochen werden, hat der neue Oberbürgermeister von Budapest zufällig Iudeit? Das ist ein Moment, das bei der Einfchäsung Feuilleton, Das Ewig-Weibliche, Bon Mag Nordan. Die drei alten Herren hatten seit Jahren die Gewohnheit, die rauhesten Winterwochen an der Azurküsteu verbringen. Die Abendstunden vor dem Diner fanden, fast täglich im Kleinen N Rauchjaton , des Cercle de la Mediterrande in Nizza beisammen, Zigaretten " einäschernd, in ein altmodisches Scartenspiel vertieft der einfach plaudernd. Die übrigen Clubmitglieder beobachteten sie achtungsvoll aus der Nerne und nur die vesehensten und vornehmsten nahmen sich mitunter Die Freiheit, in ihren Kreis zu treten und am ihrer Unter-haltung teilzunehmen. Denn es waren hochberühmte Männer, deren Namen man sich in scheuer Verwunderung mit gedämpfter Stimme zuraunte: ein vornehmer Spanier, Don Juan Tenorio, ein deutscher Gelehrter, Brofessor Heinrich Faust, und ein italienischer Edelmann, den freilich manche für einen Abenteurer hielten, Herr Jacopo Caanova de Geingalt. Der Brofessor war eine ersehnliche Erscheinung, groß, breit, mit goldener Brille, ehrbrürdigem Weil,hart und fiemermütigen, wachentlichen Gesicht, "Don Yuan, tepß feiner Jahre, merfiwürdig gut» erhalten, elegant in seinene Smoking, "Das Schwarze Auge blibend hinter dem ungefaßten Mondole, der furze Spisbart kaum angegraut, Cignor Casanova eine Mumne, Die Jugendlichkeit heuchelte, mit einer Dineln Perüde, gefärbtem C Schnurrbart, einer hellen Karwatte und einer großen Berle als Bufennadel. Ihr Gespräch drehte sich an diesem Abend um neue Bartjer Stüde und Bücher, für die alle drei sich lebhaft interessierten. Signor Cafarlova spottete mild, fast mitleidig, über. „Bagatelle* von Herviett, 100. ein Liebhaber in jämmerliches Schluchzen ausbrigt, weil sein Freund ihn dabei ertappt, wie er seiner Fra den Hof macht, und two der Gatte selbst wie ein Schuljunge zusammenklappt, weil die Frau ihn bei einem Stelldichein mit ihrer besten Freundin überrascht. „Aus solchen Lagen lügen Männer von G&etjt fi Dreilt heraus.“ „Nicht mal nötig,“, murmelte Here Tenorio. „Kopf hoch, Augen gerade, Hand am PDegengriff. Das genügt.“ Dann übte Sienor Casanova "seinen Wiß an der „sleinftegenden Seau“ von Brieur, wo ein unternehmender Berlezer, als ein junges Mädchen, das bei ihn eine Stelle führt und dem er deutliche Anträge macht, ihn mit einer plabregenartigen Strafpredigt schroff abweist, windelweich und die Hand Der empörten Einen anhält. „Sy twiide verstehen, dass er die Ehe verspricht, nie die Eprode fhrre zu machen. Aber der Kopf meint es emst.“ . _ Here Tenorio flimmte zu: „Mit falscken Borspiegelringen ein Weib zu betrügen, it gemein, und es zu heiraten, um es zu gewinnen, it abgeschmacht und lädderfh. Wer Die Weiber wirflic‘ Hebt, Darf nicht heiraten. Er ‚beleidigt alle, wenn er ich an eine bindet. Der Beruf eines Briesters, der Frauenschönheit erheicht Die Ehelosigkeit wie der des Dieners am Altar.“ „Sie waren verheiratet, "Donna?“ bemerkte" Der Reofesinr nimmt ungehindert seine Ausflüge ins Leben. Ihre An. Das tt Tein Widersprich, mein lieber Don Butique,* erieiderte Herr Teitorio ohne Verlegenheit: „Der Erbe eines geschichtlichen Namens und Titels und eines alten befestigten Grundbesibes muß für die Erhaltung beider sorgen und Dazu it eine rechtmäßige Gattin unentbehrlich. Die Chilfung einer Standespflicht hat mit seinem Gefühlsleben nichts zu tun. Die Gräfin, die Mutter Des Majoratserben, ist gewissermaßen selbst ein Teil seines Majorats und seiner Grandeza. Er läßt sie, von Achtung, Dienerfast und Zerenmonial umgeben, zu Hause und unterwesenheit ist Frauengemach des Palastes unüblich. Die beugt Ansprüchen und Selbsttäuschungen bei den Schönen vor, die man etwa auszeichnet, und bewahrt uun vor der Demütigung, daß an unseren Erfolgen eine Sperulation, auf unsere Neunzadentrone einen Anteil hat.“ — . Peofeffor Zauft räuperte sich unbehaglich, sagte jedoch nichte, « A ESignor Cajansda Fam‘ dann auf den Roman „L’Ordination“ von Julien Benda zu sprechen, der bei» nahe den Preis der Goncourt-Akademie erhalten hätte, und äußerte sic, geringfräsig über den Helden, dem Die Beziehung zu einer anfangs innig geliebten Frau nach einem Jahre dridend wird, der süh losmachen will, jedoch dazu den Mut nicht findet und jchon unter jenem bloßen Borjazgeaufan leidet, weil er sich das Elend der Berlaffenen ausmalt. „Das it nicht neu,“ äußerte der Professor, „es it das Thema des Adolphe von Benjamin Constant, der in seiner Vorrede ausdrücklich und unnötig vorträgt:. 39 habe den Schmerz malen wollen, den selbst trodene Herzen durch Die Leiden, die sie verursachen, erfahren. Allerdings ein erwiges Thema.“ Er versank in Nachdenken und schloß, die Augen. Der innere Biick fehlen,bei traurig finmenden, Erinnerungsbildern zu verweilen. Gari Tenorio beobachtete ihn eine kleine Meile mit seidig und ein wenig geringsäßig, dann unterbrach er sein behübles Einen. „Das Schema it ewig, weil Die Albernheit und Feinheit der Altagameniden "es it. Wer es nicht erträgt, sich von einem Weib zu "befreien, Des hat sein Recht, er zu begehren und zu gewinnen: "Die Natur hat ihn Dazu bestimmt, der Sklave des Weibes, nicht sein Herr zu sein.“ ES ist." warf Signor Casanova Dazwischen, „wie mit der Sphine von Theben. Errät der Mann ihre Rätsel, so ist es ihr Tod; er tütet es nicht, so ist es einer.” Don Yuan nichte: „So meinte ich es, nur mit weniger Literatur. : Ein natürlic . . fühlender Mensch erlebt das Natürliche mit: Gleichmut. Weinen wir etwa der 9. t _ « SPERREN NET