Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1929. november (76. évfolyam, 249-273. szám)
1929-11-01 / 249. szám
Freitag, 1. November und Ungarn erkennt. Der ersten Reise des Königspaars durch Ungarn widmet Tscbuppik die folgenden Sätze: Der Patriotismus der Ungarn. ... Als das Herrscherpaar am 4. Mai 1857 mit den beiden kleinen Töchtern in Budapest eintrifft, wird es begrüßt und bcwillkommt. Zugleich aber läßt man den Monarchen fühlen, daß auch Ungarn bei seinen Prinzipien beharrt. Man ist verstimmt wegen Äußerlichkei ten. Franz Josef trägt die österreichische Marschallsuniform, nicht die des ungarischen Kavalleriegenerals. Man will ihm mit der ungarischen Trikolore zuwinken, nicht mit den verhaßten schwarzgelben Fähnchen, die allein gestattet sind. Bei der Illumination der Stadt streikt der Adel. Er hat, recht demonstrativ, armselige Talglichtchen in die Fenster des Adelskasinos gestellt. Kur ein reicher Kaufmann, der griechische Baron Sina, zeigt leuchtenden Patriotismus; er läßt auf der Kettenbrücke von dem berühmten Pyrotechniker Stuwer ein sehr kostspieliges Feuerwerk abbrennen. Das im Deutschen Theater gegebene Ballfest ist einigermaßen trist; Beamte und Geschäftsleute, füllen den Raum. Auf ihrem Boden allerdings, im Nationaltheater, bei der Aufführung der Festoper „Erzsébet“, glänzen die Magnaten In der vollen Pracht ihrer Kostüme, die Damen der Aristokratie im Brillantfeucr ihres unermeßlichen Familienschinucks. Elisabeth erlebt in Ungarn zum zweiten Male einen politischen Anschauungsunterricht. Sie hat in Venedig und in Mailand mit ihrer Gabe, der Intuition wohl begriffen, daß Liebenswürdigkeit und Gnaden des Herrschers nicht Widerstände zu besiegen vermögen, die tiefer verankert sind als sich die Weisheit der Regierenden träumen läßt; hier sieht sie ein Volk, das in der Treue zu seiner Eigenart, zu seiner Sprache verletzt worden ist. Sie kann cs nicht fassen, warum dieselben Geschlechter, die Maria Theresia zugejubelt haben, jetzt in Mißmut und Haß ■nach Wien blicken. Ihr gefällt das Charaktervolle an dem Verhalten eines Adels, der zwischen Courtoisie und Politik zu unterscheiden weiß, der ritterlich ist, ihr und dem König alle Ehren erweist, ohne seine Gesinnung persönlichen Vorteilen und Eitelkeiten zu opfern. Es ist .das erstemal, daß Elisabeth im Reiche Franz Josefs jauf Charakter stößt und jenen adligen Freimut kennenjlernt, der es verschmäht, die Gesinnung hinter höfischen j Redensarten zu verbergen. Sie versteht plötzlich die : Sprache, deren sich der Wiener Hof bedient, so oft von .Ungarn die Rede ist; ihr enthüllen sich die Wurzeln ■dieser Abneigung, die aus Hochmut und Angst besteht. Sie spürt, wie aus ihrer innersten Natur eine tiefe Symipathie aufsteigt zu den stolzen, selbstbewußten Menschen dieses Landes. Sie denkt mit Widerwillen an ihre Wiener Umgebung, wo der Adelsstolz sich in Formen erschöpft, der Charakter aber die niedrige Wandlungsfähigkeit des Lakaien annimmt. Oh, könnte sie, wie sie wollte!... Diese Schilderung des Patriotismus der obersten Schichten der ungarischen Gesellschaft trifft jm großen und ganzen zu, nur hätte der Autor betonen müssen, daß es sich um den Patriotismus eines ganzen Volkes handelte und daß eben die (Unterstützung der Massen den Magnaten und überhaupt den weithin sichtbaren Exponenten der ungarischen Nation erst die Kraft zum Widerstand gegen die österreichische Autokratie verlieh. Elisabeth ahnte die Gefahren und sie ward nach Sadowa Sie tritt ein paar Schritte zurück, aber er eilt ihr entgegen, benommen und wirr, ohne daran zu jdenken, wie er seine Werbung Vorbringen soll, mit ieinem ganzen Strom von Liebesworten auf den 'Lippen. Aber wie er so auf sie zueilt, stößt er mit dem Fuß an einen harten Gegenstand, der aus dem Boden aufragt, strauchelt und ist nahe daran, zu fallen. Er sieht auf den struppigen Rasen hinab, der den Boden bedeckt. Da leuchtet etwas Blankes hervor. „Das ist wohl ein Stein, der durch das Tauwetter herausgekommen ist,“ vermutet das Mädchen. Er macht einen runden Gegenstand los, streift die Erde ab, die daran klebt, und beginnt ihn zu untersuchen. „Das ist kein Stein,“ sagt er. „Das ist eine Messingdose.“ Er wischt sie noch einmal ab, aber es ist eine längliche, platte Messingdose mit einem Deckel und Scharnier. Er will sie öffnen, aber sie leistet Widerstand. Hastig greift Inga nach seinem Handgelenk. „Laß’ das liegen,“ sagt sie ganz erschrocken. „Das ist vielleicht ein Spuk!“ Das kommt ihnen beiden sehr wahrscheinlich vor. Jemand, der sich nächtlicherweile auf den Friedhof geschlichen und Graberde gestohlen hat, um sich dadurch einen dienstbaren Geist zu schaffen, hat es dann wieder gereut, und er hat das, was er sich aneignete, wieder zurückgetragen. Und nicht nur die Erde hat er zurück gegeben, sondern auch die Dose, in der er sie bewahrte. Er glaubt nicht an solche alte Ammenmärchen, aber er merkt, dirß das Mädchen ernsthaft erschrocken ist, und findet es sehr ergötzlich, sie zu necken. „Ich glaubte, das sei nur eine gewöhnliche Dose, aber jetzt merke ich, daß ich etwas gefunden habe, was meiner ganzen Zukunft aushelfen kann. Dafauf muß ich gut aufpassen.“ „Du sollst cs nicht anrühren,“ sagte sie sehr ernst. „So etwas bringt nie etwas Gutes. Wirf es weg!“ i die. Retterin in der Not. Über ihr Wollen und Wirken schreibt Tschuppik: Der „einzige Diplomat“ Franz Josefs. Wo kann sie wirklich nützlich sein?' Franz Josefs angstvoller Blick nach Ungarn weist ihr den Weg. Nichts kann ihr erwünschter sein, ais diese Aufgabe Sie verhehlt sich nicht die Schwierigkeit der Mission, weiß sie doch, daß der ungarische Adel und die Gentry, als die Herren des Landes, bei aller Ritterlichkeit in den Lebensformen, doch die Treue zum politischen Prinzip wahren werden, — “sie ist aber entschlossen, das Vertrauen der führenden Männer zu gewinnen und eine Verbindung zwischen ihnen und dem Kaiser herzustellen. Es ist Franz Josefs glücklicher Gedanke gewesen, Elisabeth mit dieser Vermittlerrolle zu betrauen. Sie wächst, von ihrer Sgmpnthie für Ungarn getragen, an dieser Aufgabe empor, sie wird Franz Josefs bester, sein einziger Diplomat. Nicht einer der Räte des Monarchen hat das Talent der achtundzwanzigjährigen Elisabeth, den enttäuschten und getäuschten, verbitterten und trotzigen Ungarn den Glauben an die Aufrichtigkeit des Wiener Hofes wiederzugeben. Von ihnen gilt das Wort, das Julius Andrässy einmal seiner Frau schreibt: „Nicht nmsonst habe, ich es immer wiederholt: Der größte Fehler der Minister des Kaisers ist es, daß sie Esel sind . . J‘ Elisabeths Genialität des Herzens siegt, wo das dumpfe Unvermögen der kleinen Geister versagt hätte. Es ist schade, daß der Hof die Briefe Elisabeths verloren oder verborgen hat; sie wären das schönste Denkmal dieser Frau. Sie verschweigt nichts, sie berichtet von der wahren Stimmung des Landes. Als sie am 9. Juli mit den Kindern in Ungarn ankommt, wird sie von Franz Deák, von dem Grafen Julius Andrässy und einigen Freunden der beiden empfangen. „Ich würde es,“ sagt Deák später, „als eine Feigheit empfunden haben, der Königin im Unglück den Rücken zu kehren, nachdem wir ihr gehuldigt hatten, als es der Dynastie noch gut ging.“ Es ist die ritterliche Gesinnung, die Elisabeth gefällt, Franz Deák ist der Mann, auf den es ankommt. Und Andrässy, ihm zur Seite? Ein Rebell von 1848, Major der Revolutionsarmee, Gesandter der Kossuthregierung von 1848, von Franz Josef zum Tode am Galgen verurteilt, vom Hofe tief gehaßt, von der Mutter des Kaisers verflucht, -rr- der schlanke Aristokrat mit dem zigeunerhaften Künstlerkopf, steht als der Mann der Tat vor Elisabeth. Sie handelt rasch. Ehe ihr Deák den Rat gibt, Andrässy als Vertrauensmann und Unterhändler zu empfehlen, hat Elisabeth Franz Josef bereits dringend gebeten, Andrässy zu empfangen. Am 16. Juli schreibt sie dem Grafen: „Soeben habe ich die Nachricht erhalten, daß der Kaiser Sie in Wien erwartet. Alles übrige mündlich, heute nachmittag, wieder bei der Gräfin Königsegg.“ Das Schwerste ist getan, es war ein Wunder, den Herrscher zu dieser Zusage zu bewegen. Wie vieles mußte Franz Josef vergessen, um Andrässy die Hand reichen zu können! Aber der Kaiser ist von der Noblesse der Ungarn überrascht; sie nützten die Schwäche der Dynastie nicht aus, ihre Forderungen sind dieselben wie vor dem Kriege. Dennoch beginnt jetzt erst der eigentliche Kampf. Die historische Bedeutung Deäks und Andrássys wird an zahlreichen Stellen des Buches beleuchtet, aber beide Staatsmänner hätten erfolglos für die Rechte ihres Vaterlandes gekämpft, wäre ihnen Elisabeth nicht mit Rat und Tat beigestanden. Mit Posa vergleicht der Autor den Grafen Andrässy, was nicht ganz richtig ist, aber immerhin I Sie ist so eifrig, daß sie sogar den Versuch macht, ihm die Dose zu entreißen. Er weicht zur Seite aus und macht noch eine Bemühung, den Deckel zu öffnen, und es gelingt ihm endlich. „Sehr besondere Sachen sind nicht darin,“ sagt er. „Ich glaube, nicht einmal etwas so feines wie Schnupftabak.“ Er läßt sie einen Blick in die Dose werfen. Sie enthält nichts anderes, als ein paar vertrocknete. Staubkörner. Aber gerade das erschreckt sie. „Siehst du nicht, daß es ein Spuk ist! Wirf es doch weg!“ „Man wird doch sein Glück nicht so leichtsinnig von sich werfen,“ lacht er. „Weißt du nicht, daß, wer so etwas hat, alles bekommen kann, was er sich wünscht?“ Er sieht mit vergnügter Miene in die Dose. Doch ganz plötzlich steckt sie die Hand unter seinen Arm, um die Dose anzustoßen und die Staubkörner zu verschütten. Aber er ist auf seiner Hut. Er rettet die Dose vor ihr und beeilt sich, den Deckel zu schließen. „So darfst du dich nicht anstellen, wenn dir das Glück die Hand reichen will,“ sagt er ganz pfiffig. „Du sollst es hinlegen, wo du es hernahmst,“ ruft sie mit Tränen in der Stimme. Sie ist vor Angst ganz außer sich. Es sieht aus, als wollte sie den Spuk mit Gewalt an sich reißen. Da hören sie hastige Schritte hinter sich. „Aber liebe Leute, was treibt ihr denn hier! Ihr lacht und schreit! Alle Menschen sehen euch an.“ Sie wendeten sich um. Die Kirchenbesucher waren gekommen, ohne daß sie es gemerkt hatten, und dort auf dem Kirchenhügel steht die ganze Gemeinde und sieht sie an. Sie, die sie gewarnt hat, ist eine schöne, stattliche Bäuerin. Axel errötet, als er ihrem Blick begegnet, und Inga begreift, daß dies seine Herrin ist, die reiche Witwe auf Hainarby. „Ich konnte euch doch nicht so hier stehen lassen,“ sagt die Bäuerin, „und mitansehen, wie sie euch alle auslachen. Es sah rein aus, als wolltet ihr euch in die Haare fahren.“ Sie gehen alle drei auf die Kirche zu. Die Bäuerin voran, die beiden andern hinterdrein. Sie sehen sich nicht an. Sie sind so müde, so ermattet und überdrüssig, wie wenn man furchtbare Anstrengungen gemacht hat, die zu nichts führten. Als die Bäuerin auf der Kirchenschwelle steht, wendet sie sich zu Axel um. „Der erste, den ich traf, als ich zur Kirche kam, war dein Vater, Axel. Und da habe ich ihn gleich gefragt, ob du nächstes Jahr bei mir bleiben kannst, und er hat ja geantwortet. Also jetzt steht ja nichts im Wege, daß du bei mir bleibst, Axel?“ Er zieht die Luft schwer ein, es klingt fast wie ein Schluchzen. Er hat die Gelegenheit versäumt. Er kann nicht antworten, daß er mit Inga versprochen ist und sie im nächsten Herbst heiraten wilL Er hat nichts entschieden. Er kann nichts zur Verteidigung gegen die Bäuerin und sich selbst aufstellen. „Nein, nichts,“ antwortet er mit dumpfer Stimme. Der einzige Trost ist, daß es nicht seine Schuld war. Er hat Inga treu sein wollen. Aber warum wurde er gerade mitten in der Entscheidung aufgehalten? Warum konnte er nicht aussprechen? Wer stellte ihm doch ein Bein, daß er nicht zur rechten Zeit ans Ziel kam? Als er sich diese Fragen gestellt hat, auf die er keine Antwort erwartet, geht er neben der Bäuerin in die Kirche hinein. Das junge Mädchen steht still und sieht sie nebeneinander den Gang hinuntergehen. Es kommt ihr vor, daß seine Schritte leichter werden und seine Haltung besser, je weiter er sich von ihr entfernt. Selbst schleicht sie sich in eine Bank ganz rückwärts in der Kirche und sitzt da mit wehem Herzen und fragt sich, warum es so schlimm gegangen ist. Der Frühling hätte doch an ihrei Seite stehen sollen. Und die Kraft des Frühlings war doch größer als die der Toten. Sie hört an diesem Sonntag nicht viel von der Predigt. Sie grübelt und grübelt nur. Sie denkt daran, wie der Frühling drüben auf dem Friedhof arbeitet. Er zwingt die Samen, die in • 3 • BESTER LLOYD Ja nicht herzkrank werden wollen Sie. Statistiken zeigen aber eine erschreckende Zunahme der Herzkranken. Beugen Sie vor! Meiden Sie auch das Coffein im Kaffee. Es gibt coffeinfreien Kaffee Hag, der irritiert und schädigt das Herz niemals. Trotzdem gewährt er die gesuchte, harmlose Anregung und ungeschmälerten Genuss, denn er ist echter, edelster Bohnenkaffee feinster Qualität. Erhältlich in den guten Lebensmittelgeschäften. Verlangen Sie Kaffee Hag auch im Hotel und Kaffeehaus. Kaffee Hag schont Herz und Nerven! Hag Kávé R.-T. Budapest, IX., Ranolder-u. 21 Schicken Sie mir gegen diesen Ausschnitt nnd 70 Fillér in Briefmarken eine Kaffee Hag-Probe. l Wohnort.................................——— «613 einen Teil (nicht den wichtigsten) der Wirksamkeit des genialen ungarischen Staatsmannes andeutet. Wir zitieren einige Stellen: Deák und Andrässy. Posa-Andrässys Bemühen ist vergebens. Zweimal reißt der Faden ab, zweimal wird er von Elisabeth wieder geknüpft. Es sind die Geburtsstunden des neuen Österreich. AUes scheint verloren. Da gelingt es Elisabeth, den Monarchen dafür zu gewinnen, daß er Andrässy ein drittes Mal empfängt. Der ausdauernde, in seiner Überredung nicht erlahmende Mann steigert seine Fähigkeiten aufs höchste: „...Ich wage es zu sagen, der Stern Ew. Majestät wird von dem Tage steigen, da dieser Schritt erfolgt! Gedenken Majestät dieses Satzes!..Es ist vergebens. Aus hundert heiseren Kehlen kreischen dem Kaiser Warnungsrufe entgegen. Die Geschlagenen wollen sich nicht ergeben. Aber Elisabeth beharrt bei ihrem Glauben an die gute Sache. Sie verständigt sich mit Deák und Andrässy. Sie ist allein stärker, als wenn ihr die Routine der Diplomaten assistierte. Sie überschreitet nieht ihr Mandat, wenn sie der Anwalt Ungarns wird. Wie verständlich, daß sie es wird! Auf der einen Seite ein klares Wollen und die faszinierende Persönlichkeit Andrässys; auf der anderen Seite unsicheres Schwanken und eine