Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1930. június (77. évfolyam, 123-145. szám)
1930-06-01 / 123. szám
PESTER LLOYD • 4 • Einweichen mit w v * Henko Waschen mit der sich mit der Zeit vielleicht auch eine Art wirtschaftlicher Gemeinschaft — über die noch zu sprechen sein wird — entwickeln würde. Vorläufig sollen jedoch nur die politischen Fragen geklärt werden, die mit der Staatenverbindung Zusammenhängen, und es soll lediglich eine politische Staatenorganisation geschaffen werden. Der ganze dritte Abschnitt des Fragebogens, in dem von den volkswirtschaftlichen Fragen die Rede ist, soll — nach Briand — nicht schon jetzt beantwortet, sondern erst in der für den September geplanten neuen euro-päischen Konferenz besprochen werden; vorläufig werden also die Antworten der Regierungen, die Briand auf seine Denkschrift bis zum 15. Juli erwartet, das wirtschaftliche Problem gar nicht berühren. Was im vorigen September als das Wichtigste und Dringendste schien, und was gewiß viele Staaten veranlaßt hat, sich den Ideen Briands wenigstens im allgemeinen anzuschließen, nämlich das wirtschaftliche Moment, bleibt vorläufig ganz im Hintergrund. Den Vorteilen zuliebe, die eine engere wirtschaftliche Verbindung der europäischen Staaten mit sich bringen könnte, hat damals, im September 1929, mancher Staat die Bedenken zurückgestellt, die er etwa gegen eine politische Konstruktion des europäischen Staatenbundes in der gegenwärtigen internationalen Lage hegen mochte; nun aber zeigt es sich, daß die Vorspiegelung der wirtschaftlichen Vorteile des europäischen Staatenbundes anscheinend eher bloß eine Lockspeise war, um den Widerstand gegen die politische Organisation Europas zu überwinden, eine Lockspeise, die gleich bei der endgültigen Formulierung der Staatenbundsidee sorgsam wieder entfernt wird. Die wirtschaftlichen Fragen sollen, wir gesagt, lediglich bei der im nächsten September stattfindende neuen Zusammenkunft der europäischen Staatsmänner verhandelt werden. Diese Verhandlung wird aber nicht einmal ein entsprechendes Substrat haben, denn da sie auf der Basis eines neuen, die Antworten der Regierungen auf die Fragepunkte Briands verarbeitenden Memorandums erfolgen soll, die Regierungen aber sich derzeit über die wirtschaftlichen Fragen überhaupt nicht auszusprechen haben und somit auch im Briandschen Memorandum davon wahrscheinlich keine Rede sein wird, ist es undenkbar, daß man im Rahmen der SeptemJ>erbesprechung in den wirtschaftlichen Fragen zu irgendeinem greifbaren Ergebnis gelangen würde, überdies ist im dritten Teile des Questionnaires die Rangordnung der einzelnen Fragen ausdrücklich in einer Weise festgestellt, daß die wirtschaftlichen Dinge den politischen unbedingt untergeordnet werden, daß vor allem die politischen Organisationsfragen zu lösen sind und an letzter Stelle erst die Frage der wirtschaftlichen Organisation Europas in Frage kommen soll. Nach dem Inhalt des Memorandums ist es aber auch vollkommen unklar, in welcher Weise die wirtschaftliche Organisation Europas erfolgen soll. Man kann sich keine erfolgreiche, allen Teilen nutzbringende wirtschaftliche Verbindung zwischen den europäischen Staaten denken, bei der es nicht zu einer gewissen Kooperation der europäischen Staaten gegen die überseeischen Staaten kommen würde, in der Weise, daß die europäischen Staaten durch ein entsprechendes Zollsystem die Möglichkeit schaffen, alle Erzeugnisse die sie voneinander beziehen können, auch wirklich in erster Reihe voneinander zu beziehen, und nur jene Bedürfnisse, die in Europa nicht gedeckt werden können, von Übersee einzuführen. Das ist nicht nur ein Interesse der landwirtschaftlichen Länder, die sich gegen die Konkurrenz des überseeischen Getreides nicht wehren können, sondern ebenso auch ein Interesse der europäischen Industriestaaten, die unter der amerikanischen Konkurrenz ebenso stark in Mitleidenschaft gezogen sind. Nun schließt aber das Briandsche Memorandum die Möglichkeit der Schaffung eines solchen europäischen Zollsystems von vornherein aus, indem es jede Konzeption, bei der die verbündeten Staaten die sie voneinander trennenden Zollinien abbauen und dagegen nach außen hin entsprechend hohe Zollmauern behalten, als eine Maßregel bezeichnet, die dem vom Völkerbund vertretenen Geiste der Universalität widerspricht. Briand ist hier päpstlicher als der Papst, denn nicht nur der Völkerbund hat wiederholt Anstrengungen gemacht — zum letzten Male in der Konferenz über den Zollwaffenstillstand —, um eine speziell europäische wirtschaftliche Verständigung zustande zu bringen, sondern sogar in Amerika haben sich gewichtige Stimmen erhoben, die offen zugaben, daß eine Art wirtschaftlichen Zusammenschlusses zwischen den europäischen Staaten ihnen als ein berechtigtes Bestreben erscheint, dem sie im Wege der unbedingten Inanspruche des Rechtes auf Meistbegünstigung keine Schwierigkeiten in den Weg legen wollen. Man muß sich fragen, wie sich Briand ein wirtschaftliches Zusammenwirken der europäischen Staaten überhaupt vorstcllt. Im dritten Teil des Briandschen Memorandums finden sich dafür gewisse Anhaltspunkte. Das Gesagte ist aber so dunkel und verschwommen und so sehr in Phrasen gehüllt, daß cs schwer ist, seinen wirklichen Sinn herauszuschälen. Was soll man sich beispielsweise darunter denken, wenn Briand davon spricht, es sei ein gemeinsamer Markt zu errichten, „damit auf der Gesamtheit des Gebietes der europäischen Gemeinschaft das menschliche Wohl auf die höchste Stufe erhoben werden könne?“ Was soll man sich unter dieser Phrase vorstcllen, besonders wenn man bedenkt, daß die Zollpolitik bei den Mitteln zur Schaffung eines europäischen Marktes keine Rolle spielen soll? Wenn Briand von einer Rationalisierung der europäischen Produktion und des europäischen Warenaustausches spricht, so kann man sich darunter vielleicht eine Fortsetzung jenes Bestrebens zur Bildung von internationalen Kartellen denken, wie sie zwischen Frankreich und Deutschland unter Hinzuziehung verschiedener außenstehender Länder für einzelne Artikel bereits zustande gekommen sind. Es soll gewiß nicht geleugnet werden, daß diese internationalen Kartelle die Produktions- und Konkurrenzverhältnisse auf den von ihnen erfaßten Gebieten günstiger gestaltet haben, und daß es vielleicht noch möglich sein wird, ähnliche Kartelle für andere Produkte ins Leben zu rufen. Es scheint jedoch unwahrscheinlich, daß die Übel, die sich im europäischen Wirtschaftsleben heute zeigen, sich in allen Zweigen der Produktion auf diesem Wege beseitigen lassen, und daher ist dieses Programm einigermaßen mager, überhaupt wird meines Erachtens jede wirtschaftliche Kooperation unzulänglich sein, die davon ausgeht — was Briand zum Ausgangspunkt genommen hat —, daß die zollpolitischen Methoden bei der Zusammenfassung Europas ausgeschaltet bleiben müssen. Nach dem Vorausgeschickten ist also die wirtschaftliche Seite des Gedankehs eines Zusammenschlusses der europäischen Staaten in den Vorschlägen Briands fast ganz unter den Tisch gefallen. Es ist sogar zu befürchten, daß diese Vorschläge eine ungünstige Rückwirkung auf die anderwärts eingeleiteten wirtschaftlichen Koopcrationsbestrebungen ausüben werden, denn ihr Grundgedanke — der Gedanke einer zollpolitischen Einigung — wird von Briand a priori zurückgewiesen, und diese seine Stellungnahme wird vielfach entmutigend wirken. Es wäre besser gewesen, auch diese Möglichkeit eines wirtschaftlichen Zusammenschlusses wenigstens offen zu halten: die Gründe, die sich für und gegen diese Idee anführen lassen, hätten in der für September in Aussicht genommenen mündlichen Besprechung der europäischen Staatsmänner reiflich erwogen und erörtert werden können. Nun ist cs allerdings denkbar, daß man mit vorläufiger Außerachtlassung der wirtschaftlichen Fragen zunächst tatsächlich die Form für einen politischen europäischen Völkerbund suche, wie Briand das ■wünscht. Was Briand diesbezüglich vorschwebt, ist eine paneuropäische Union nach Muster jener panamerikanischen, die schon vor dem Weltkrieg bestanden hat, und die — man kann es nicht leugnen — in manchen Konflikt zwischen den kleineren amerikanischen Staaten nützlich eingegriflen hat. Gerade die Entwicklungen innerhalb der panamerikanischen Union und die Erfahrungen, die mit ihr gemacht worden sind, zeigen jedoch, daß in einer solchen Union die starken Staaten — in diesem Falle sind es die Vereinigten Staaten — einen präponderierenden Einfluß ausüben, und man muß sich fragen, ob die einfache Übertragung ähnlicher Verhältnisse nach Europa unter den speziellen, weitaus verwickelteren europäischen Verhältnissen empfehlenswert wäre. Sie muß jenen Staaten, die heute nicht über den präponderierenden Einfluß verfügen, jedenfalls zu denken geben. Auch hat sich Briand die Sache sehr leicht gemacht, indem er einfach empfiehlt, den von ihm vorgeschlagenen europäischen Staatenbund zu einem Anhängsel und zu einer verkleinerten Kopie des Genfer Völkerbundes zu machen. Das kann höchstens für Staaten verlokkend sein, die mit der Tätigkeit des Völkerbundes zufrieden sind und auch allen Grund zu solcher Zufriedenheit haben, weil in dieser Organisation der Einfluß der präponderierenden Mächte nur zu wirksam gesichert ist. Der europäische Staatenbund in der Form, wie ihn Briand vorschlägt, wäre ein Abbild des Völkerbundes; auch in dieser kleineren Organisation würde der Einfluß der Großmächte und ihrer Satelliten, der Kleinen Entente, den Drang nach einem System aufrichtiger internationaler Gerechtigkeit ersticken; auch er würde seine eigentliche, wenn auch uneingestandene Aufgabe darin eiblicken, die bestehenden Zustände möglichst unverändert zu lassen und für alle Zeiten festzulegen. Es ist für diejenigen, die gleich mir überzeugte Anhänger des Gedankens der Notwendigkeit eines engeren Zusammenschlusses der europäischen Staaten und des Ausbaues einer höheren internationalen Organisation sind, nicht leicht, der Initiative Briands gegenüber einen ablehnenden Standpunkt einzunehmen. Ist doch immerhin Briand der erste verantwortliche europäische Staatsmann, der es gewagt hat, diesem Gedanken in konkreter und positiver Form Ausdruck zu verleihen. Es wird aber immer ein schwer zu überbrückender Gegensatz bestehen zwischen den Auffassungen derjenigen, die von der geplanten internationalen Organisation ein System erhoffen, innerhalb dessen politische Konflikte im Geiste einer höheren internationalen Gerechtigkeit ausgetragen werden können, und andererseits derer, die die Schaffung einer solchen internationalen Organisation mit dem Hintergedanken betreiben, daß sich dadurch jede Abänderung des bestehenden internationalen Rechtszuslandes, der unserer Ansicht nach kein richtiger Rechtszustand ist, verhindern lassen wird. Der Gedanke einer internationalen Zusammenarbeit der europäischen Staaten darf trotzdem nicht in Bausch und Bogen verworfen werden. Aber nach meinem Dafürhalten ist der Briandsche Plan nur mit erheblichen Änderungen geeignet, die Grundlage für eine solche Zusammenarbeit zu bilden. Er kann ernstlich für uns nur in Betracht kommen, wenn in seinem Rahmen Institutionen geschaffen werden, die es ermöglichen, politische Konflikte zwischen den Staaten im Geiste der internationalen Gerechtigkeit wirksam auszutragen, auch wenn dazu eine Änderung des bestehenden Rechtszustandes erforderlich wäre. Solange sich keine Neigung zeigt, den internationalen Bedürfnissen auf diesem Gebiete entgegenzukommen, ist jedes Mißtrauen gegen die Kooperationspläne gerechtfertigt, denn gerade das Sträuben gegen einen solchen Ausbau der Völkerbeziehungen beweist, daß es den Urhebern dieser Pläne nicht so sehr darum zu tun ist, eine höhere internationale Gerechtigkeit zu verwirklichen, als darum, ihren gegenwärtigen Besitzstand zu verteidigen. Sanatorium MARIA-GRON bei Graz, Tel. 38 Kuranstalt für physikalisch - diätetische Heilweise und Psychotherapie. Ganzjährig geöffnet. Sonntag, 1. Juni 1930 Nansen oder: die neue Erziehung. Von HUGO IGNOTUS. Die großen Männer, von deren Leben ich in der Schule etwas erfuhr, waren durchweg Dichter: ungarische und deutsche. Dabei war das Gymnasium, das ich besuchte, das erste des Landes, und nicht nur relativ auf solcher Höhe: cs war das alte lutherische in Budapest, mit Professoren, wie sein Direktor Karl Böhm, der später als Ordinarius der Philosophie nach Klausenburg kam, und heute, viele Jahre nach seinem Tode, mit Plato und mit Nietzsche unter den Vorläufern der Psychoanalyse genannt wird. Und noch einigen, die desgleichen die Stufen zum Hochschulkatheder hinaufgestiegen sind, — Männern des Geistes, die aber, in der Geschichte, in der Physik, in der Chemie nicht ohne Sinn für die Bedeutung der Tat und des Handelns waren und gern bei Wenden der Zeit oder der betreffenden Wissenschaft auf die Männer hinwiesen, ohne die es kaum dazu oder wohl ganz anders gekommen wäre. Doch niemals fiel es ihnen ein, auch die Lebensläufte und die Persönlichkeit dieser Bestimmenden als etwas, das des Studiums nicht minder und auch an sich wert ist, vor die Augen der Jungen zu führen, wiewohl sie sich sonst vom amtlichen Lehrplan wenig gebunden fühlten und mit den aufgeweckteren Schülern Flüge in Höhen und Abstiege in Tiefen unternahmen, wie man sie damals nur auf den Universitätsseminarien zu tun pflegte. Übrigens war auch dieser Lehrplan nicht hinter der Zeit zurückgeblieben, — im Gegenteil: er war neu, von neuem Geist beseelt, vom Herbatianer Moritz Kármán als selbständig-nationaler Abfall von der aus den verfassungslosen Jahren auch nach dem Ausgleich zurückgebliebenen Leo Thunschen Schule ersonnen und ausgebaut. Kármán hatte den kühnen Gedanken, die Bildung des ungarischen Jünglings nicht oder nicht mehr ausschließlich auf Homer und Virgil, sondern auf den Sang eines Heimischen und damals noch Lebenden, den Toldi Johann Aranys, zu gründen, auf dieses Meisterwerk der edlen Einfalt, wie es nur dem bewußtesten Künstler gelingt, wenn er aus dem Geheimen seines Wesens das dort schlummernde Volkhafte hervor-