Pester Lloyd - esti kiadás, 1938. december (85. évfolyam, 272-296. szám)
1938-12-01 / 272. szám
2 sich in die letzten Bankreihen der Mitte zurück und scheint die Rolle des „Berges“ spielen zu wollen. Es fiel allgemein auf, daß diese neue, rassenschützlerische Gruppe schon heute die alten persönlichen Beziehungen zu ihren in der Regierungspartei verbliebenen Parteigenossen angeknüpft hat. Wie uns von einem führenden Mitglied dieser Gruppe versichert wurde, ist die Fraktion bereit, alle sozialen Reformen -der Regierung zu unterstützen, zumal da die Mitglieder zu dieser Gruppe nur nach sehr genauer Auslese zugelassen wurden und jeder abgelehnt wurde, gegen den auch nur ein einziges Mitglied Einwendungen erhoben hatte. Die Mitglieder der Regierungspartei erörterten in langen Unterredungen untereinander und auch mit den Mitgliedern der Opposition die politische Lage, die Vorbereitung des Judengesetzes und auch die Bodenreform• Eine besonders starke Gruppe sammelte sich um den Abgeordneten Dr. Makkai, den Berichterstatter des Ausschusses der Regierungspartei für die Vorbereitung des neuen Judengesetzes, das selbst im engsten Kreise der Regierungspartei von sehr verschiedenen Gesichtspunkten aus beurteilt wird. Die einzelnen oppositionellen Gruppen hielten nach der Sitzung Beratungen ab, in denen, soweit wir unterrichtet sind, fast einstimmig beschlossen wurde, die Sonderstellung zu wahren, aber mit den nahestehenden parlamentarischen Gruppen eine enge Zusammenarbeit zu pflegen. Alle oppositionellen Parteien betonen, daß sie bereit sind, die konstruktive Aufbauarbeit der Regierung trotz der bevorstehenden Gegensätze mit allen Kräften zu unterstützen. Über die Konferenz der Dissidenten wurde ein offizielles Kommunique ausgegeben, in dem es u. a. heißt, Dr. v. Sztranyavszky und seine politischen Freunde hätten in einer heute vormittag abgehaltenen Konferenz beschlossen, ihre außerhalb der Parteien stehende parlamentarische Stellung auch weiterhin aufrecht zu erhalten und auf der Grundlage des von weiland Julius Gömbüs ausgearbeiteten Programms zu verharren. Die Gruppe werde die Reformpolitik im Geiste des christlichen, völkischen und nationalen Gedankens fortsetzen und mit den auf der \ gleichen Grundlage stehenden parlamentarischen F'aktoren die Berührung aufrecht erhalten. Die Mitglieder der Regierung traten in der Mittagsstunde zu einem Ministerrat zusammen. Abend findet eine Konferenz der Regierungspartei statt. Die Aufforderung» die der Ministerpräsident in der jüngsten Sitzung der Partei der Nationalen Einheit an die Abgeordneten seiner Partei gerichtet hatte, sich . bereits in der heutigen Sitzung, des Abgeordnetenhauses in möglichst großer Zahl einzutiuden, hat lebhaften Widerhall gefunden. Auf der Tagesordnung der Sitzung stand nur die Festsetzung der weiteren Agenden, aber trotzdem war das Interesse außerordentlich stark, das sich nicht so sehr der kurzen Sitzung, als vielmehr der politischen Lage zuwandte. Auch die übrigen parlamentarischen Parteien waren fast vollzählig erschienen. zen: er war für die Annäherung an Deutschland, und zwar nicht nur, um so gegen die verhaßte A erbrüderxmg mit den Russen zu protestieren, sondern auch aus dem Grfinde, weil er früh die notwendige Zugehörigkeit der Tschecho-Slowakei zur deutschen Einflu ßsphäe erkannt und im Reich auch das natürliche Absatzgebiet für die agrarischen Produktionsüberschüsse seines Landes gesehen hatte. Durch »seinen realpolitischen Sinn geführt, trat Beran auch schon früh für die Gewährung von mehr Rechten an die Nationalitäten ein und so hatte er bereits gründlich vorgearbeitet, als er nach der Märzkrise eine Verständigung zwischen seiner Partei und den Sudetendeutschen aufnahm. Es lag gewiß nicht an ihm, daß .seine Unterredungen mit Henlcin und den Führern des Sudetendeutschtums keinen Einfluß auf die Entwicklung gewinnen konnten. Wie nun das Kabinett Beran im einzelnen zusammengesetzt sein wird, darüber gibt es kaum Kombinationen: es sollen ja neue Männer ans Rudci kommen, die in der politischen Öffentlichkeit weitgehend unbekannt sind. Jedenfalls ist den \ erhältn is sen entsprechend ein Kabinett der Fachleute von relativ unpolitischem Charakter in Sicht —- die ungeheuren verwaltungsmäßigen Aufgaben, die in dei Anpassung des verkleinerten Staates an seine veränderten Daseinsbedingungen liegen, fordern dies gebieterisch. Mit Sicherheit läßt sich nur sagen, daß das Außenportefei ille in der Hand Dr. Chualkovskys bleiben wird, den man sowohl in Berlin als auch in Rom gern'sieht. Syrerny übernimmt wahrscheinlich die Leitung des Ministeriums für nationale A erteidigimg, schon weil das Offizierskorps großes Vertrauen zu ihm hat und Kalfus, der kompetente Finanzfachmann dürfte sein Portefeuille ebenfalls behalten. Damit dürfte aber die Liste der „alten Leute erschöpft sein. . Beran wird seine Ministerliste wahrscheinlich schon im Laufe des heutigen Tages dem Präsidenten vorlegen. Es wäre zu wünschen, daß sich die abwartende Stellungnahme, die das Ausland seiner zukünftigen Tätigkeit gegenüber vorerst einnehmen muß, bald in ein Vertrauen verwandeln könne, wie es ihm seine Landsleute anscheinend entgegenbringen. Mit dem Ministerpräsidenten Dr. v. Imrédy an der Spitze waren sämtliche Mitglieder des Kabinetts anwesend. In völlig ruhiger und leidenschaftsloser Stimmung wurde die Sitzung nach 10 Uhr eröffnet. Zur allgemeinen Überraschung führte Aizepräsident Dr. Bobory den Arorsitz, da Präsident Dr. Komis und mit ihm auch Vizepräsident Dr. Ldnyi ihren Rücktritt eingereicht hatten. Zunächst ließ der Vorsitzende durch den Schriftführer Abg. Csikvändy ein Reskript des Ministerpräsidenten verlesen, in dem dem Hause Mitteilung davon gemacht wird, daß Se. Durchlaucht der Reichsverweser den Außenminister v. Kdnya auf eigenes Ansuchen seines Postens enthoben und den Ministerpräsidenten mit der Leitung des Außenministeriums betraut hat. Sodann verlas der Schriftführer die Demissionsschreiben des Präsidenten Dr. Komis und des Vizepräsidenten Dr. Läiuji. Das Schreiben des Präsidenten Dr. Komis hat folgenden Wortlaut: — Ew. Exzellenz, Herr Vizepräsident! Ich bitte Ew. Exzellenz, m der am 1. Dezember stattfindenden Sitzung des Abgeordnetenhauses zur Kenntnis bringen zu wollen, daß ich auf meine PrusidenlensteUe verzichte. (Lebhafte Zustimmung Tecbts.) Gleichzeitig bitte ich Ew. Exzellenz, die Gefühle meines aufrichtigen Dankes für das wohlwollende Verständnis zu verdolmetschen, mit dem mich das Abgeordnetenhaus während meiner Präsidentschaft unterstützt hat. Empfangen Euere Exzellenz den Ausdruck meiner tiefen Verehrung. Budapest, 29. November 1938 Julius Komis m. p. Die Verlesung dieses Schreibens wurde von allen Seiten des Hauses mit lebhaften Zwischenrufen aufgenommen. Abg. Dr. Meister: Dieser Rücktritt hätte schon viel früher erfolgen sollen! Abg. Dr. Rajniss: Er hätte noch früher kommen sollen! Das Schreiben des Vizepräsidenten Dr. Ldnyi lautet: — Ich beehre mich. Ew. Exzellenz zur Kenntnis zu bringen, daß ich auf meine Stelle als Vizepräsident verzichte. Abg. Baron Nikolaus Vay (Einh.): AVir bitten auch um fite Totenscheine! (Lärm auf ollen Seiten des Hauses.) Im Rücktritts-Schreiben heißt es weiter: ..Ich bitte, diesen, meinen Entschluß dem Hause zur Kenntnis zu bringen. Gleichzeitig drücke ich meinen aufrichtigen Dank für die ehrende Unterstützung aus. der ich während meiner Tätigkeit als Vizepräsident teilhaftig geworden bin. Mit aufrichtiger Hochachtung Martin Ldnyi m. p. Das Haus nahm beide Schreiben zur Kenntnis. PESTER LEOYB , Donnerstag, 1. Dezember 1938 Die Fölsen des französischen Streikkonflikts AA’enn Léon RI um heute im Zenlralorgan der französischen sozialistischen Partei, dem Populaire erklärt, man müsse eingestehen, daß der Generalstreik kein Erfolg für die Arbeiterbewegung gewesen sei, dann braucht über den Ausgang des gestrigen, allerdings großen, Kampfes zwischen den Arbeiterorganisationen und der Staatsgewalt nicht weiter gestritten zu werden. Es war oben kein „Generalstreik, wenn auch der Führer des allgemeinen Gewerkschaftsbundes Jouhaux heute stolz auf hohe Beteiliigungszifi'ern in verschiedenen Regionen hinweisen kann und die kommunistische Flumanité von einer „wunderbaren Bewegung“ insbesondere in Paris und Umgebung spricht. Den von Jouhaux angeführten ansehnlichen Streikziffern steht z. B. die harte Tatsache gegenüber, daß •— wie der Minister für öffentliche Arbeiten de Monzic nun mitteilt — der Anteil der streikenden Eisenbahner nicht einmal eins von tausend betragen habe. Die Staatsmacht hat also, wo sie nur eingesetzt wurde, gesiegt. AA7ie soll nun aber dieser Sieg ausgewertet werden? Allem Anschein nach wäre es verfehlt, anzunehmen, daß nun eine Art Strafexpedition arrangiert werden soll gegen eine Bewegung, die von breiten kleinbürgerlichen und Frontkämpferschichten durch fließende Grenzen getrennt wird. Ein Rechtsblatt wie Figaro hält e,s für nötig zu betonen, daß nicht die Berufsverbände an sich, sondern nur ihre politischen Führer geschlagen worden seien (ob die Gewerkschaften selbst so denken, wird sich wohl bei der Sitzung ihres Nalionalrats am 5. Dezember zeigen); viel wichtiger noch ist eine Presseerklärung des Obmannes des Arbeitgeberverbandes Gignoux, .daß nun im Geiste des gegenseitigen Verständnisses an die wirtschaftliche AViederaufrichtung des Landes geschritten werden müsse. fylalin will erfahren haben, daß die Regierung höchstens gegen die Streikführer Vergeltungsmaßnahmen treffen werde. Immerhin beginnen sieh weittragende innerpolitisch-parlamentarische Folgen des denkwürdigen 30. November abzuzeichnen. Als Zeitpunkt für den Wiederzusammentritt des Parlaments wird nun Freitag, der 9. Dezember genannt — an einem parlamentarischen Erfolg Daladiers ist nicht zu zweifeln. Es geht erneut das Gerücht um, Daladier könnte die zweijährige, Verlängerung . der gegenwärtigen Legislaturperiode vom Parlament genehmigen lassen, damit der Dreijahresplan seines Finanzministers in Ruhe durchgeführt werden könne. Die Presse meint, die bedeutende Stärkung der Position Daladiers werde eine entschiedene Umgruppierung der Regierungsmehrheit nach der mittleren Rechten hin beschleunigen. Am Horizont erscheint wieder die Idee der Wahlreform: einer Reform, die das ganze innerpolitische Bild Frankreichs bedeutend umgestalten könnte. Der Vorstand der radikalen ‘Partei hat beschlossen, Daladier durch eine Deputation ersuchen zu lassen, beim AViederzusammentritt der Kammer einen Gesetzentwurf über die Wahlrechtsreform einzureichen, die den verschiedenen politischen Gebilden» so der radikalen Partei, die Möglichkeit bieten würde, ihre volle Unabhängigkeit wieder zu erlangen. Das ist mehr als die im wesentlichen vollzogene Auflösung der Volksfront: das ist ein Versuch, sich gegen die AViederholung ähnlicher parlamentarischer Notwendigkeiten wie jener, die zur Bildung der ATüksfront geführt hatten, zu versichern. Die Gesanittendenz, die der 30. November zum Vorschein brachte, muß auch außenpolitisch ihre Rückwirkungen haben. Schon ist sich die Presse darüber einig, daß das „Scheitern des Linksextremismus“ die französisch-englische Zusammenarbeit festigen und die französisch-deutsche Annäherung erleichtern werde. Daran ist nun wohl ebensowenig zu zweifeln, wie daran, daß der gestrige Tag auch der so heiß ersehnten französisch-italienischen Aussöhnung förderlich sein kann. In den Pariser diplomatischen Kreisen beschäftigt man sich jetzt erneut mit dem beabsichtigten Besuch des Reichsaußenministers v. Ribbcnirop in Paris, der aus Anlaß der Unterzeichnung der deutsch-französischen Friedenserklärung erfolgen werde. In maßgebenden Kreisen wird zwar noch immer kein genauer Zeitpunkt für diese Reise genannt, die Ankunft Ribbantrops in den ersten Tagen der kommenden AVoche erscheint aber durchaus möglich. Aizepräsident Dr. Bobory beantragte hierauf, Dr. Komis und Dr. Lanyi, die die Sitzungen des Hauses stets mit strengster Unparteilichkeit und Objektivität geleitet hab?n, für ihre hinaebungs» volle Tätigkeit den Dank des Hauses im Protokoll auszudrücken. (Lebhafte Eljenntfe.) Der Vorsitzende beantragte sodann, die nächste Sitzung am 2. d., um 10 Uhr abzuhalten und auf die Tagesordnung die Einberufung der Abgeordneten des Oberlandes zu stellen. Dieser Antrag wurde vom ganzen Hause mit stürmischen Éljenrufen aufgenommen und hierauf die Sitzung unter begeisterten Ovationen der Regierungspartei, sowie der Christlichen Vereinigung für den Ministerpräsidenten geschlossen. Eine offiziöse polnische Interpretation des Verhältnisses zwischen Warschau und Moskau Freundliche Töne gegenüber Rußland Warschau. 30. November (PAT) Das Sprachrohr des Außenministeriums gibt in einer offiziösen Darstellung der polnischsowjetrussischen Beziehungen folgendes bekannt: — Es mag der Aufmerksamkeit mancher Beobachter der jüngsten kontinentalen politischen Abgänge entgangen sein, daß vor der tschecho-slowakischen Krise die polnisch-russischen Beziehungen in eine Phase der Spannungen und Schwierigkeiten geraten waren. Diese Spannung kam auch iu dem polnisch-rassischen Notenwechsel Ende September zum Ausdruck. Demnach ist die Entscheidung der beiden Regierungen verständlich, in entschiedener Weise festzunageln,, daß die erwähnten Schwierigkeiten keineswegs die tatsächliche Grundlage erschüttert haben, die das Ergebnis der das ptolnischrussische Verhältnis betreffenden Vereinbarungen ist. AVie aus dem in Warschau und Moskau herausgegebenen Kommuniqué erhellt, kehrt das polnischrussische nachbarliche Verhältnis zu dem vorher niedergelegten Statusquo zurück. Die jüngsten europäischen Vorgänge haben bewiesen, daß das System von Verträgen in den politischen Beziehungen zwischen den Nationen keine wesentliche Rolle spielt. Unter solchen Umständen ist es als ein erfreuliches Zeichen zu betrachten, daß die polnische und die sowjetrussische Regierung es für notwendig hielten, zu erklären, daß ihre Beziehungen beim Zusammenbruch des Genfer Systems die Probe bestanden haben. Das System der polnisch-sowjetrussischen bilateralen Verträge hat während der verflossenen sechs Jahre seinen Wert erwiesen und zugleich gezeigt, daß ■es für das Zusammenleben der beiden Nachbarn eine ausreichende Basis bietet. Schließlich soll darauf hingewiesen werden, daß das gemeinsame Kommuniqué vom 27. November restlos dem Grundprinzip der polnischen Außenpolitik entspricht, mit allen Nachbarstaaten ein normales Verhältnis aufrechtzuefhalten. ,