Prager Volkszeitung, leden-březen 1971 (XXI/1-12)
1971-01-22 / No. 3
PRAGER. 0. DAS WOCHENBLATT DER DEUTSCHEN WERKTÄTIGEN IN DER CSSR 22. JÄNNER 1971 u JAHRGANG XXI. # KJS1.50 i warEmm 3 Oktoberrevolution und KPTsch Die siegreiche sozialistische Oktoberrevolution hatte bekanntlich großen Einfluß auf die gesamte internationale Arbeiterbewegung. Es ist hier wohl nötig, die damalige Situation etwas zu beleuchten. Nach der Konferenz der II. Internationale im Jahre 1912 in Basel, die unter der Losung „Krieg dem Kriege" Beschlüsse faßte, wie z. B. jede Kriegserklärung mit dem Generalstreik zu beantworten, setzte die fortschrittliche Menschheit ihre Hoffnungen für Frieden und Fortschritt auf die Sozialdemokratie und die II. Internationale. Das Hinüberwechseln der rechten Führer der Sozialdemokratie auf die Plattform der Vaterlandsverteidiger und des Hurra-Patriotismus in den Jahren 1914—1918 brachte jedoch den werktätigen Menschen aller Länder nicht nur JOSEF POTZL, Sekretär des Kulturverbands größtes Elend und kostete ungeheure Opfer, sondern bedeutete auch eine bittere Enttäuschung undie Erkenntnis, daß die Sozialdemokratie, die II. nationale, nicht nur im Augenblick versagt hatte, sondern die Losung von Marx und Engelstarier aller Länder, vereinigt Euch!" in das direkte Gegenteil umgekehrt hatte: „Proletarier aller Länder, vernichtet Euch !" Die Entwicklung in Rußland, wo seit dem Prager Parteikongreß im Jahre 1912 die Bolschewiki die Führung in der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Rußlands übernommen hatten, verlief die Entwicklung allerdings anders. W. I. Lenin sagte: „Der Feind steht im eigenen Land, es ist der Zarismus, der russische Imperialismus!" Darum stieß auch die sozialistische Oktoberrevolution und die darauf folgende Beendigung des Krieges durch das russische Volk auf die größte Sympathie der fortschrittlichen, friedliebenden Menschheit. Die Entstehung der Tschechoslowakischen Republik und deren anfängliche Entwicklung trug deutliche Züge der russischen sozialistischen Oktoberrevolution. Die Entstehung der Arbeiter- und Soldatenräte (Sowjets) im deutschsprachigen Gebiet sowie die Bildung von Nationalausschüssen im ganzen übrigen Land als Organe der Volksmacht beweisen dies eindringlich. Das ausgehungerte und ausgeplünderte Volk, die durch vier Jahre an den Fronten mißbrauchten und betrogenen Soldaten forderten energisch eine Gesellschafts-Ordnung, in der Kriege, Entrechtung, Ausbeutung und Unterdrückung beseitigt und die Herrschaft des werktätigen Volkes gesichert wird. Generalstreiks und gewaltige Demonstrationen der Arbeiter zeigten deutlich die Macht der Volksmassen. Dagegen mit Gewalt vorzugehen, war in dieser Zeit nicht möglich. Also mußte die Bourgeoisie zu anderen Mitteln greifen. Es war auch kein Wunder, daß im Jahre 1919 nach den Wahlen die erste Regierung Kramár durch eine sozialdemokratische Regierung unter Tusar abgelöst wurde. Ihre Aufgabe war es vor allem, das erbitterte Volk zu beruhigen, um so die Herrschaft des Kapitalismus — des Geldsacks — zu erhalten. Ihre Parolen hießen: „Für Demokratie — freie Wahlen — mit dem Stimmzettel zur Macht — wenn 51 % der Wähler sozialdemokratisch wählen, marschiert der Sozialismus!" Der revolutionäre Kampf wurde durch Reformen ersetzt und so gelang es dieser Regierung, den Sturz des kapitalistischen Systems, der Herrschaft der Reichen, zu verhindern. Bald aber hatte sich die Macht der Ausbeuter so weit gefestigt, daß die Sozialdemokraten abgelöst und durch ein reaktionäres Beamtenkabinett ersetzt werden konnten. Der Mohr hatte seine Schuldigkeit getan — das Kapital saß wieder fest im Sattel. Die Mehrheit der klassenbewußten Mitglieder der sozialdemokratischen Partei erkannte jedoch bald den neuerlichen Verrat am tschechoslowakischen Proletariat, am Marxismus, und begriff die absolute Notwendigkeit, eine revolutionäre Partei nach der Lehre von Marx, Engels und Lenin zu schaffen. So kam es im Jahre 1921 zur Gründung der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei, deren fünfzigsten Jahrestag wir in Kürze feiern. Es war dabei im voraus klar, daß dieses Regime — eine Volksfront-Formation aus Kommunisten, Sozialisten, Radikalen und linken Christ-Demokraten — ein radikal-demokratisches Programm, eine wahre Volkspolitik mit sozialistischen Elementen bedeutet. Um so größer waren begreiflicherweise die Befürchtungen und —Anstrengungen der heimischen, regionalen und nordamerikanischen Reaktion, eine solche Entwicklung zu verhindern. Der unzweifelhafte Erfolg der Linken in Chile wird diese Anstrengungen noch erhöhen. Ohne Übertreibung kann man sagen, daß insbesondere die Teilname der KP Chiles an der Regierungsgewalt wie ein dringendes Alarmsignal nicht nur in Washington, aber auch in manchen lateinamerikanischen Metropolen wirkt. Es geht dabei nicht nur um das weitgehende Nationalisierungsprogramm Allendes, das die Interessen der nordamerikanischen Monopole empfindlich betrifft, sondern um die allgemeine breite Auswirkung aller zu erwartenden demokratischen Reformen auf die öffentliche Meinung der näheren und entfernteren Nachbarstaaten. Ein wichtiger Faktor ist dabei die bisher unbedingt eingehaltene Gesetzlichkeit des neuen Regimes und dessen voraussichtliche Taktik, die nicht nur die starken Seiten, sondern auch die Schwächen der Situation Chiles berücksichtigen muß. Man geht daher nicht fehl, wenn man von den Widersachern politischen und sozialen Fortschrittes in Lateinamerika Versuche erwartet, durch Mobilisierung und Unterstützung nicht nur der ultrareaktionären, sondern auch solcher Kräfte zu wirken, die durch extreme, riskante und abenteuerliche Forderungen das Regime Allendes zu unbedachten Schritten verleiten und so im In- und Ausland diskreditieren könnten. |*hile ist wirtschaftlich leicht verwundbar, da sein ökonomisches Gleichgewicht überwiegend von einer kleinen Zahl Waren — vor allem Kupfer-Konzentraten — und von einem beherrschenden Markt — den Vereinigten Staaten — abhängig ist. Überdies ist der Import chilenischen Kupfers aus verschiedenen Gründen heute für Washington ersatzfähig. Militärisch ist Chile verhältnismäßig schwach und gegen einen Großangriff schwer haltbar. (OH IttTiUNC >U» SEITE ? Umschwung in Lateinamerika? "i Nach den, im wesentlichen, fortschrittlichen Eingriffen nationalistischer Militärs 11 in Peru und Bolivien hat die Präsidenten-Wahl und der Amtsantritt des Sozialisten I Allende in Chile die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit erneut auf Lateinamerika gerichtet. Nach dem zahlenmäßig unüberzeugenden Wahlsieg ging es darum, Allende auch im Parlament durchzusetzen. Dazu war es notwendig, die recht bedeutende und einflußreiche Rechte, die sich auf Großgrundbesitz, Monopole, den sog. höheren Mittelstand und Nordamerika stützt, auszumanövrieren und die besonders i in der Übergangszeit zwischen Wahl und parlamentarischer Bestätigung mächtig an geschwollene Agentur der CIA zu paralysieren. Dies ist mit Hilfe der Mobilisierung i der breitesten Bevölkerungsmassen durch die vereinigten Linksparteien, Gewerkschaften und Studenten durchaus gelungen. Die Vertreter der bisherigen Regierungspartei, der christlichen Demokraten, gaben ihre Stimmen für Allende ab und <i trugen entscheidend dazu bei, daß sich in Südamerika zum ersten Male in der Geschichte ein ausgesprochen linksgerichtetes Regime verfassungsgemäß durchgesetzt hat. .i. Foto: M. VODERA 1<7 sü D< SEITe 3 : 50-JAHRFEIER IN LUBOCHNA SEITe 5 : SYMBOL ARABISCHSOWJETISCHER ZUSAMMENARBEIT SEITe 7 : DER DRITTE MONDTAG v SEITe 8 :EXANDER BÄR - EIN SOWJETDEUTSCHER /