Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1884. Juni (Jahrgang 11, nr. 3181-3204)

1884-06-10 / nr. 3187

Seite 574 Hermannstadt, Dienstag Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, möge und daß diejenigen, welche dorthin kommen, in der That solches er­­­hielten. Ministerpräsident Tipa entgegnete, er könne auf Grund einseitiger Information nicht einschreiten, doch werde er die Sache untersuchen hafjen und dem Nesultate gemäß vorgehen. Graf Apponyi und Graf Bethlen er­­­widerten, daß dies keinen praktischen Wert hätte, denn die Untersuchung werde voraussichtlich erst lange nach der Wahl zu einem Nesultate führen können und dann die Beeinträchtigung der Wahlfreiheit nicht mehr verhüten. Graf Bethlen fegte Hinzu, daß er sie für die Wahrheit des Angeführten persönlich verbürge, und wenn der Ministerpräsident die Wahlfreiheit nicht Shen wolle, müßte ich die Deputation um Audienz bei Sr. Majestät bewerben. Das englische französische Einvernehmen in der egyptischen Frage sol in der Hauptsache zum Abschluß gediehen sein, und eine Be­­­schränkung der Dauer der englischen Ossupation und die inter­­­nationale Kontrolle zur Basis haben. Iun Paris kann man mit Recht sagen: „Anglia laudabiliter se subjecti”, und wie man dann in England auch die Sache wenden und fehren mag, die Thatsache bleibt dennoch aufrecht, daß Frankreich über den „englischen Alliirten” einen recht gründlichen Triumph errungen hat. In Tonking erreichte er was er wollte, troßdem man im England hoffte, daß China siegreich sein werde; in Egypten hat Frankreich seine glänzende Nevande, in Marokko drängt er das bisherige An­­­sehen Englands zum Schluffe auch hinaus. Resumiert man das ganze der Gladstone’schen Bolitif, so ergiebt ich ein Schaden an Englands Weltstellung, der sobald nicht ausgebessert werden kann. Warum m­ir dieses anführen? Es ergiebt sich daraus auch­ eine Heine Nuk­­­anwendung für ung. Mit vieler Selbstbefriedigung stellt man sich in Ungarn be­­­züglich des parlamentarischen­­­ Konstitutionalismus an die Seite Englands. Glad­­­stone hielt, gleich Heren dr. Tipa, mit eiserner Hand die willfährige Parlaments­­­­­­majorität zusammen, hier wie dort folgte die Mehrheit blindlings, man besaß die „Stimmen“ im Hause, was hatte man sich um die „Stimmung“ im Lande dann zu sümmern? Die Mehrheit und ihr Oberhaupt sind an der Themse und an der Donau ausschließlich um ihre Herrschaft besorgt, alles andere erscheint nebensächlich. England ist im Begriffe, durch die Einbuße seiner Weltstellung den Lohn zu empfangen, und bei uns? Wir haben zwar feine Weltmachtzstellung, doch redet man uns viel von unserer „Großmachtzstellung“ vor. Was man nun nicht besigt, tan man auch nicht verlieren, aber vieles andere könnte doch auf dem Spiele­­­ stehen. Ein Dekret des Königs von Rumänien ordnet die Formierung von 32 Milizregimentern an. 10. Juni 1884. Ich bin nicht einer vom jenen, die der Ehrgeiz treibt, andere Bahnen der Thätigkeit aufzusuchen, als die ihren Kräften angemessen sind; aber angesichts der Thatsache, daß in unserem Wahlfreise der Versuch gemacht worden ist, nochmals eine Spaltung hineinzutragen in unser Volk in dem Augenblice, wo wir in Hermannstadt bei den Verhandlungen des Zentralwahlaugschusses die Meberzeugung gewannen, daß das ganze sächsiiche Volk bei den Neicht­­­tagswahlen einstehen werde wie ein Mann, daß das ganze sächsiiche Volt, so weit er vertreten ist in seinen Wählern, seine Stimme erheben werde für solche Männer, die auf­ dem Boden des Programmes der fächsiichen Bolfspartei stehen, angesichts der Versuche, hier wieder durch Aufstellung eines Regierungs­­­kandidaten den Reil treiben zu helfen, der und absondert von unseren übrigen Stammesbrüdern, mußte ich meine bescheidenen Kräfte, als der Ruf an mir erging, unserem Volk zur Verfügung stellen. Ich bin mir wohl bewußt, daß ich nicht alle Eigenschaften besige, die von einem Kandidaten der sächsischen Volkspartei gewüns­cht werden! Aber des einen bin ich mir bewußt, daß die Wähler dieses Wahlkreises e3 niemals an mir erleben werden, daß ich untreu werde meinem gegebenen Wort, das ich hier der Versammlung verpfändet habe. (Bravorufe.) Nun, die­ Wahl steht vor der Thür! Sie Haben zu wählen! Auf der einen Seite haben Sie die Wahl, einen Mann zu entsenden mit der ausge­­sprochenen Absicht, die Regierung unterfrügen zu helfen, welche uns solche Wunden geschlagen hat, auf der anderen Seite haben Sie die Wahl zu treffen, einen Mann zu entsenden, welcher unbedingt eintreten wird er alle Interessen unseres Belichtung. Auf der einen Seite können Sie einen Mann entsenden, der, wie das vorliegende, mir heute zugenommene Wahlprogram­m, das von sonst ehrenwerten Männern unterschrieben ist, ausspricht, daß er sich an Punkt I und II des fächli­chen Wahlprogrammes Halten wird, aber nicht an Punkt III, das halten Sie im Leben von einem Manne, ‚der wohl das eine und das andere Wort Halten will, aber nicht das dritte? Sie haben die Wahl zwischen einem Sachen und zwischen einem „Auchfachsen“, einem „Biweidrittel­­­achsen” ! Laffen Sie mich schliegen mit dem Wunsch: Mag die bevorstehende Wahl wie immer ausfallen, laffen Sie uns alle, die wir Wähler deutschen Herzens sind, denen das Deutschtum unseres Wahlbezirkes noch nicht eine aufgegebene und betroffene Sache it, Yaffen Sie uns eintreten für diese deutsche Sache! In der Hand der Zukunft siegt es, ob der Sieg­­ung zufallen wird. Aber die Frage, die mit meiner Aufstellung als Kandidat der sächsischen Volkspartei geschaffen wurde, die Frage, die mit der Konstituirung dieser Partei in unsere Mitte getragen worden ist, sie wird, wenn diese Sache auch unterliegen sollte, darum nicht aufhören; sie wird fort und fort­­an die Herzen der deutsch­­­sprechenden Bewohner unseres Wahlbezirkes pochen, bis sie sich geöffnet haben dem Gedanken, daß es gilt, unter allen Umständen Sache zu sein, das säc­­­fliche Recht emporzuhalten, für deutsche Sitte und Sprache einzutreten mit allen unseren Kräften. Lassen Sie mich, geehrte Versammlung, Ihnen als Kandidat für die nächte Reichstagswahl empfohlen sein! Und wenn Sie glauben, in mir den Mann ihres Vertrauens zu erbliden, so gehen Sie an (Langdauernde Hochrufe.) Nach diesen Worten wurde Pfarrer Kramer von der V­ersammlung einstimmig mit stürmischen Hochrufen zum Kandidaten der sächsischen Bolfs­­­partei proklamiert. Nachdem sodann Vorsizer und nach ihm Pfarrer Friedrich Gräf in fernigen und mit dröhnendem Beifall begrüßten Worten, die Wähler Be fi durch Versprechungen und Drohungen in ihrer Ueberzeugung­­eeinflussen und in ihrer Wahlhreiheit einschränken zu lassen, wurde die Versammlung mit einem Hoch auf den Kandidaten der Partei sehr offen. »die Wahlurne und wählen Sie nach Ihrer Ueberzeugung«! in Nr. 3187 politische Webersicht. Hermannstadt, 9. Juni. Unterm 5. d. hat Se. Erzellenz der Herr Minister des­ Innern einen Zirkularerlag an sämtliche Jurisdiktionen erlassen, welcher das Thema, die Wahrung der Wahlfreiheit behandelt. Es werden die Muni­­­zipien angewiesen, dafür Sorge zu tragen, daß angesichts der geießlichen Manifestationen der Wahlbewegung die freie Meinungsäußerung nicht ge­­hindert, dagegen es unter allen Verhältnissen und mit allen Mitteln un­­­möglich gemacht werde, daß die aufgereizten Massen zur Gewalt greifen könnten. Gegen die diesbezüglichen etwa Yäfligen und säumigen Beamten droht der Minister seine ganze, im Gesäße wurzelnde Gewalt in Anwendung zu bringen. Die Dinte, mit welcher dieser die „freie Ausübung des Wahlrechtes nottwendigenfalls auch durch Militärgewalt sichernde” Zirkularenaß geschrieben worden war, dürfte kaum recht trocken gewworden sein, als beim Ministerpräsi­­­denten unter der Führung der Grafen Albert Apponyi und Paul Bethlen eine Deputation aus dem M.-Laposer Wahlbezirkte (Szolnos-Dobotaer Komitat) erschien, um Klage zu führen und um Schuß zu bitten gegen die Mißbräuche, die, entgegen jedem Recht und Geseb, im genannten Wahlbezirke die freie Ausübung des Wahlrechtes zu einer Illusion machten. Der Sprecher der Deputation Graf Paul Bethlen brachte eine Menge von Gefechtwidrigkeiten vor. Gendarmen mit gepflanzten Bajonneten belehrten das Volk unter Drohungen, daß derjenige, der für den oppositionellen Kandidaten stimme, das Verbrechen des Hochverrates begehe, daß ihm der Stuhlrichter des M.-Lapojer Bezirkes, als er von demselben Die Freilassung eines­­­widerrechtlich verhafteten Mannes verlangt habe, zur Ant­­wort erteilte, daß das Gefeg für ihn nit bindend sei, daß der Aus­­­rufer einer Gemeinde amtlich verkündet habe, daß, wer Geld von de­­­liberalen Partei haben wolle, ins Gemeindehaus kommen zur Wahlbewegung. Aus dem Grogauer Wahlkreise, 8. Juni. Der in Hermann­­­stadt erscheinende „Telegraful Roman“, das Organ des gr.-orienta­­­lischen Erzbischofs, schreibt in Nr. 61 vom 7. Juni: ‚Wie bekannt, war der Großauer Wahlkreis in der abgelaufenen Periode im Reichstag vertreten durch den Abgeordneten Josef Gull; der­­­selbe ist auch für die künfzige Periode der Kandidat der sächsischen Volks­­­partei. ALs Gegenkandidat aber tritt auf der erste Senator der Stadt De Karl Schochterus, wohlbekannt und von der öffentlichen Meinung hier hochgeschäßt unter­ anderem auch wegen seiner vielfachen Be­­­mühungen im Verein mit Andern und besonders mit dem Herrn Hofrate Bologa um die Erwirkung der Eisenbahnlinie Arad —Rotenturm. Wie wir hören, sind die sächsischen Wähler dieses Kreises etwa gleich geteilt zwischen den beiden Kandidaten. Sichere Aussicht gewählt zu werden hat also der­­­jenige, dem die romänischen Wähler ihre Stimmen geben werden. Wenn Schochterus, ein­ guter Freund der Domänen, gewählt wu­rde, hätten wir neuen Grund, die das Zustandekommen der Eisenbahn- Linie gr­­­effen, an der Hermannstadt und der gesamten Bevölkerung dieses Wahlkreises so viel gelegen ist. Wir erwarten von der Einsicht unserer EL­­RD Wähler, daß sie ihr Recht als solche wohl auszuwügen wissen erden.“ «--" Wir haben aus die in mancher­ Hinsicht charakteristischen Bemerkunen des·»Telegraf·usRoman«Folgendes zu erwiderm Erstens ist es nicht richtig,da·ß dies·"a"chsisch·en Wähler des Großauer Wahlkreises in zwei Lager »etwa gleichge­teilt«seien.Die sächsischen Wähler des Großauer Wahl­­­kreises stehen vielmehr nur in einem Lager,im Lager der sächsischen Volkspartei,und scharen sich einmütig um ihren bisherigen Abgeordneten und den Kandidaten der sächsischen Volkspartei,errn Josef Gul.Wie die­ Wählerversammlungen in Großpold, Dobring,Hamlesch,Großun, Kleinscheuern,Hammersdorf und Neppendorf und die am 8.d.Mts.vom Regierungskandidaten in Großpold veranlaßte Wählerversammlung,in welcher der Regierungskandidat Karl Schochterns nicht eine einzige Stimme erhielt, eklatant­ dargethen haben.Die romanischen Wähler des Großauer Wahlkreises haben demnach auch keine Gelegenheit,»zwischen zwei streitenden sächsischen Parteien«den Ausschlag zu geben und dem Regierungskandi­­­daten zu­m­ Siege zu­ verhelfen.Zweitens steht die Aufforderung des „Zelegratul Roman“ an die romänischen Wähler des Grofauer Wahlkreises, dem Regierungskandidaten ihre Stimme zu geben, im schroffsten Gegensaß zu dem von der romänischen Nationalkonferenz in Hermannstadt nur jüngst gefaßten, beziehungsweise neuerdings bestätigten Beischlüsse, da die romänischen Wähler in­ Siebenbürgen passiv bleiben, sie also an den Wahlen nicht beteiligen, und nur die romänischen Wähler in Ungarn aktiv und zwar in oppositioneller Richtung auftreten sollen. Wir überlassen es der romänischen Nationalkonferenz, beziehungs­­­weise dem von ihr eingeseßten Exekutivsomite, mit dem „Zelegraful Roman“­­­ über die Aufforderung desselben, dem Beschlusse der romänischen National­­­konferenzschnurstracks entgegenzuhandeln,sich miseinanderzusetzen.Wollen die Politiker der romänischen Nationalkonferenz ernst genommen werden, so werden sie wohl die Durchführung ihres­ Beschlusses und Programm­es nicht etwa­­ den Stuhlrichtern und dem»Telegrafitroman«überlassen. Ueber die a­n8.d.M.in Großpold abgehaltene Wählerversam­m­­­lung geht ung folgender Bericht zu: Großpold, 8. Juni. Sonntag den 8. d. M. wurden wir morgens plöglich durch Plakate und Umlage überrascht, der Kandidat der Regierungs­­­partei fü­r den Großauer Wahlkreis, Senator Shohteris aus Hermann­­­stadt, lade die Wähler aus Großpold, Großau, Hamlefch und Dobring zu seiner Program­mrede ein; er war um jo überraschender, als ja nur einige Tage früher der Kandidat der sächsischen Volkspartei 3.­GulT, der auch bisher um­ so wacer vertreten hat, einstimmig zum Kandidaten für den nächsten Reichstag ausgerufen worden war. Genug, die Einladung war erfolgt und zwar mit der größtmöglichen Heimlichkeit umh­üllt bis zum Leßten Augenblick verschoben worden. Auch der Tag war vorsichtig gewählt, denn an demselben hielt Gull seinen Nedhenschaftsbericht in Neppendorf und Hammersdorf, Kästner und Wolff gaben ihre Berichte in Hermannstadt. Die Bollspartei in Hermannstadt sollte also, wenn möglich von jenem nichts erfahren und in Großpold nicht erscheinen künnen. Wie wenig fennt man doch die Großpolder! Als ob sie die für Gull deutlich und Far ausge­­­sprochene Ueberzeugung in acht Tagen zu Gunsten eines Regierungskandidaten ändern würden ! Die Versammlung begann nachmittag nach 3 Uhr, von auswärts war sein einziger Wähler erschienen, die Großpolder jedoch alle und au­ßer­­­dem noch eine große Anzahl stattlicher Männer, die das Interesse an der Sache hinführte. Nachdem Pfarrer Kraffer zum Vorfiger gewählt worden war, hielt Schocterus seine Programmrede. Er hoffe als Abgeordneter manches zu wirken. Damit die Wähler diese Meberzeugung auch besämen,, schildere er zunächst sein Leben. Er habe gegen den Absolutismus gekämpft, sei später Jungsachse geworden, dann habe er fn die wirtschaftlichen Inte­­­ressen des ächtlichen Volkes gearbeitet u. j. f. Er sei ein treu­er Sachse unserer Nation, der Artikel im „Tageblatt“ Nr. 3184 sei ein Angriff (%) auf seine Ehre, den er zurückweise; er stehe mit Gull auf fast gleichen Boden, nur werde er in die Regierungspartei eintreten und er Gone ein besseres Verhältnis zwischen Deputierten und Regierung anzubahnen, als es bisher geschehen, außerdem in der Eisenbahnfrage günstiges zu erreichen. Die sächsischen Deputierten hätten bisher nichts erreicht; wenn sie nicht eine absolut abwehrende Haltung eingenommen, hätte man manches besser ab­­­mehren künnen. Man müse sie fragen, ob der Sturz Tifa’s für die säch­­­sische Nation vorteilhaft wäre? Er hält ihm für schädlich, denn es Tanır vielleicht eine bessere Negierung geben als die Tipa’s, aber sie allein kann die Ordnung aufrecht halten und Träger des je Bündnisses sein. Um ein besseres Verhältnis zu erzielen, müssen die jährlichen Abge­­­ordneten in die Negierungspartei eintreten mit Aufrecht­­­haltung ihres tähfigen Standpunktes. Erreiche man nichts, dann mi­sse man passiv werden. Das sei sein Standpunkt, er kandidiere in diesem Wahlbezirk. , Die Rede konnte selbst bei einem anderen als dem anmwetenden PBır­­­blitum mit ihren Halbheiten, mit dem Gemisch von halb und ganz unrich­­­tigen Behauptungen auf seinen Erfolg rechnen. Als darauf 3. Krafft aus Hermannstadt die Vergangenheit des Kandidaten in einer anderen Bärbung zu beleuchten anfing, als er selbst es gethan, verwehrte sich Schochterus gegen das Hereinziehen von persönlichen Angelegenheiten, die doch er provoziert hatte, und gegen die Anwesenheit von Nichtwählern dieses Bezirkes; außer Krafft war an Dr. Fr. Teutsch aus Hermanns­­stadt erschienen und W. Löw aus Neußmarkt. Der Voriger wies darauf Hin, daß sein Geseß solches verbiete und daß in ganz iS eine derartige Uebung Herrsche, wornac auch Wähler anderer Wahlkreise fr oder gegen gewisse Kandidaten in deren Kreisen aufträten. Uebrigens solle die­­­s beschließen, ob sie die Parteifreunde aus Hermannstadt anhören wolle. Die Versammlung beschloß einstimmig, sie anzuhören. So charakteri­­­sierte denn Krafft den Negierungskandidaten, wie darauf hin, daß jener Zugblattartikel in die Wahrheit geschrieben habe, wie ja Schochterus eben in seiner Rede selbst wieder angedeutet habe, er hoffe in der Eisenbahnfrage eine günstige Lösung herbeizuführen. Das fächsiiche Programm sei unver­­einbar mit dem Eintritt in die Negierungspartei; die Durchführung der Passivität sei unmöglich. Die Sachsen konnten den Widerstand nicht auf­­­geben. Auf die beifällig aufgenommene Rede erwiderte Schochterus, die sächsischen Abgeordneten hätten bisher gar nichts gewüßt, er sei ein guter Sachse. Da sprach der V­orfiger D. Krafjer unter dem steigenden Beifall der ganzen Versammlung, daß es unrichtig und un­wahr sei, unsere Abgeordneten der Bolfspartei hätten nichts erreicht. Eines doch: unsere Ehre hätten sie gerettet und diese stünde obenan. Was hätten denn die sächsischen Abgeordneten in der Regierungspartei erreicht? Mehr als einer — Stellen für sich, sonst nichts! Keinen einzigen Erfolg hätten sie auf­­­zuweisen. Und wenn es wahr wäre, daß die Regierung Vorteile­­nd Gunst austeile, je nachdem man wähle, dann dürfe ein charaktervoller Mann einem Negierungsparteik­andidaten seine Stimme schon gar nicht eben. Hier sei nur eine Stimme, man müsse festhalten an der durch die Offspartei befolgten Politik, festhalten an dem bisherigen Vertreter dieses Bezirkes 3. Gull! Nach dem lauten Beifall, den die Rede des Vorfigers gefunden, schien er dem „liberalen“ Kandidaten nicht mehr geheuer. Noch bevor Dr. Fr. Teutich zu Worte kam, um das er gebeten, nahm jener den Hut­­h­­und ging. So konnte Dr. Teutsch mit dem Ausbruch des Bedauerns, daß Schoc­­­­terus fortgegangen sei, konstatieren, welche Gesinnung in diesem Sreife herrsche, nachweisen, welch’ ein Widersinn darin Liege, das sächsliche Nationalprogramm­ anerkennen — und in die Regierungspartei eintreten zu wollen, die Un­­­möglichkeit auseinanderlegen, daß ein Sach­e die Regierung Tipa unter­­früge, welche die Verantwortung treffe für das, was in den letten Jahren gegen das sächsische Volk gestiegen sei. Alles nun zu widerlegen, t was Schochterus gesagt, sei hier nicht mehr nötig. Wie vor 200 Jahren einmal die Sachssen ihren Widerstand gegen die Regierung „mit ihrer Treue“ entschuldigt Hätten, so künnten wir um unserer Treue willen gegen uns und gegen den Staat von dem Widerstand und von der Verteidigung unserer Rechte nicht Lassen ! Unter lautem Beifall der Versammlung Schloß die Rede und sofort wurde einstimmig nochmals 3. Gull als Kandidat ausgerufen und demselben ein begeistertes Hoch gebracht. So schloß die erhebende Versammlung, die wie selbstverständlich in dieser Weise verlief. Die Wähler haben es geradezu als Zudringlichkeit und als Beleidigung empfunden, daß man ihnen zumutet, nachdem sie vor acht Tagen einhellig Gull um Annahme des Mandates gebeten, um davon abzulasfen und — einen anderen zu wählen. Ebenso erscheint die Sache den deutenden Nomänen dieses Bezirkes, auf die Schochterns be­­­sonders rechnet, obwohl er bisher von niemandem empfohlen wurde als — vom Delatte des Metropoliten Miron Roman, was ihn weder bei Sacsen noch den nationalgesinnten Romänen empfehlen kann; die Romänen wissen zunächst, daß ihre Konferenz die Bassivität beschlossen Hat — man sollen sie sie brechen; sie sind aus vielen Ursachen gegen das Ministerium Tipa gesinnt — und nun sollen sie den Negierungskandidaten wählen, dessen Partei eben die Rumänen so bedrängt wie andere Nationalitäten. Jener Verlauf der Versammlung aber konnte sein anderer sein nach der Stimmung, die hier bericht und die im schöner Weise durch folgendes gekennzeichnet wird: als der Obergespan Dr. Brennerberg auch Groß­ ... der Eröffnung kam, war erbarmungslos verloren und nicht wenige waren­­­, die für die heitere Liedertafel ein Surrogat in dem Steinbrucher Bier der Bär’ichen Restauration suchen mußten. Der verladende Versuch einer Schilderung dieser weiteren Liedertafel würde und in eine Kollision bringen, mit der so sehr geschäßten Redaktion dieses Blattes, die uns der disharmonischen Reichstagswahlen wegen nur noch einige Spalten zur Verfügung­ stellen fan, und würde außerdem mißglühen, weil seine Schilderung ein halbwegs treues Bild der­ bewegten Vorgänge auf der Bühne liefern ann. Das Programm, das wir vollinhaltlich mitteilen, mag sie jedoch andeuten :" 1.Abteilung:1.querture zu»Pique-Damne«von Suppè,vor­­­getragen von der Stadtkapelle.2.«Erinnerungen«,Walzer für Männerchor mit Orchesterbegleitung von E.Kremser.7.,,Kroner Kouplet«,Text von Br., Melodie von Ottomar Neubner,vorgetragen von Herrn Ernst Hintz.4. »Liebesg’schichten«,humoristischer Chor mit Klavierbegleitung von J.Metzger. 5.»Ritter Astrachan«,Soloszene,vorgetragen von Herrn F.Schmidt.6. »Alte Herren«,Potpourri von A.Brandner,vorgetragen von der Stadkapelle. ll.Abteilung:»Ein Viertel-Säculum Vereinsgeschichte«,Festspiel in L Abteilung em verfaßt und dem Kronstä­dter Männergesangverein gewidmet von seinem Ehrenmitgliede Ludwig Korodi.Vorkommende Szenen und Chöre: ·1.·,,Ich möchte sie wohlsehen«, Chor von Seiffert;2.,,Chor der Ciobani« von Kaereywar;2.Dreifache Serenade aus dem Menschenleben von Karl ·We«yw­eir;4.Szenen aus»Stradella«und,,Martha«von Flotowz5.»Wacht am Rhein an Kaeh­lhelm 6.»Noruldeviselie«,Bariton-Solomit ·Bru­mmchor von W.Humpel;7.Szene aus,,Prinzessin von Kannibalien« von R·GemE­e;8.Szene aus Lortzing’s»Waffenschmied«;9.Conpletaus ,,Marsias«von E.Kühlbrandt und H.Geising;10.Zug der Priester aus »Sesostris«,Keiloper von C.F.Conradin. Fast jeder Nummmer des abwechselungsreichen Programmes wurde von dem animierten Publikum lebhafter Beifall gespendet,vieles mußte wiederholt werden.Das»Viertel-Säculum Vereinsgeschichte«muß nach Inhalt des Poems und nach Darstellung der einzelnen Szenen als eine Leistung ersten Ranges bezeichnet werden,zu der dem Verfasser und dem Kronstädter Männergesang­­­verein aufrichtig Glück gewünscht­ werden kann.Eine glückliche Idee in geist­­­voller Ausführung und gelungener Darstellung.Der Zugkraft solcher lokalen, humoristischen Schöpfungen hat nicht nur der Wiener,sondern auch der Kronstädter Männergesangverein seinen Einfluß,seine bedeutende Volkstü­mlichkeit in erster Reihe zu verdanken.Dazu gehört freilich mehr als guter Wille, dazu gehört Intelligenz,Geist,verede­lter Humor.Der Kronstädter Männer­­­gesangverein besitzt dieses Rüstzeug und deshalb ist er für das Leben seiner Vaterstadt,wie von der Festschrift und mehreren Festrednern mit Recht betont wurde,ein sozialer Faktor.Wie charakteristisch war der,,Chor der Ciobani«, wie lebensvoll die Szenen aus den Opern und gerettenfremder,wie hei­­­mischer Erzeugnisse!Ein Löwenanteil an dem errungenen Erfolg gebührt nebst dem Dirigenten Geifrig und­ dem leistungsfähigen Chor,auch dem gewandten Deklamator Herrn Ernst Hintz,dessen sympathischer Bariton die stärkste Lungenprobe bis zum letzten Moment rühmlich bestand. So war in prächtiger Stimmung Mitternacht gekommen.Das Sänger­­­volk sollte sich jetzt nach geschlagener,,Festschlacht«in die Augen sehen,wie der unermüdliche Vereinsvorstand Philippi verkündete.Zu spät!Die eilende Zeit mahnt die Gäste zum Abschied von ihren liebenswürdigen Kronstädter Gastfreunden,deren bekannte herzliche,fast überquellende Gastlichkeit das Scheiden so schwer macht.Doch nochmals innigen Dank den alten und neuen Freunden und fort zum Bahnhof.Hier passiert bei dem dämmerigen Schein der Gasflammen reges Leben.Bei dem zweiten Pfiff der Lokomo­­­tive sind auch die letzten Nachzügler eingerückt,die kurze Zeit bis zum dritten Pfiff nützten einige sangesfrohe»Hermanen«,die sich in dem,,lustigen Coupé«gar fein zusammengefunden hatten,durch vierstimmige Abschiedsgesänge aus.Ein letztes Hoch,der Separatzug braust durch Nacht und Nebel,und am Morgen des 7.Juni ist das fünfundzwanzigjährige Jubiläum des Kron­­­städter Männergesangvereins nur noch eine schöne Erinnerung.

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