Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1884. September (Jahrgang 11, nr. 3258-3283)

1884-09-12 / nr. 3268

Gibardion und Administration: Heltauergasse 23. Sefdeint mit Dushatınt, der Horn- und Beier fage täglich. Abonnement für Hermannstadt: monatlich 85 fr., vierte id 2f1.50 fl., halbjähri SL, nngjährig 10 e Frieden Rn­­ee mit Zusteßung 1 fl, 3fl., 6 fl, 12 fl. Abonnement mit Boftversendung: Für das Inland: vierteljährig 3 fi. 50 EM in TR, ganzjährig Här das Ausland: viextel 2 . oder 10 3., halbjähri­­gEN über 2 Bi, geag 56 ar one 3 wird. ‚Beisfe werden nicht nommen, ünft .. .·sthenås!i"tiMQtt sermannktadt, Freitag, 12. September N 3268. Xi. Jahrgang. Peäaamemiion­en­ uin­d FMMQ übstnshm­en au­ßerdem­ ixniiipibin­eakn Hielt-ASSMUS­­­Nr.23:inl(konstantl­eivr­ohzeiänekäDcest um«-Nachfolger,senkten-LHastrich’sBi-baii, sonst-hatsli.Zeiliner’sFiliale,Kisten-Friedric- Wand­many Nr.1.87,si0sttsch­ihesen Karl Fronius,ssiitibhank­-Ios,Wagner,tkaum­iniiis,8woi Paalsntzens,Lehrers,Winn(­t-ti-It«lnns(lslmiizens staiøCVogler),Bui10)in B-loaiie.n.01­ etik.M Dukes, Moriz Stern, Heinrich Schalek, J. Danne­­­berg, Pest A. V. Goldberger, Frankfurt a. M. Infertionspesis: Der Raum einer einspaltigen Garmondzeile fofter beim einmaligen Einraden 7 fr., das zweitemmal je 5 Er, daß drittemal je 5 fr. 8. W. exclusive her’ @temvelaekähr na je 96 Ir 1884. G. %. Danube­­n C. A Die alten Betestigungswerke in Kronstadt und deren heutige Verwendung. Bon Sohann Hink. Zustand vor 200 S­ahren. — Seitherige Umgestaltungen. — Heutiger Zustand. — Aufgaben für die Gegenwart. |­­­ustand vor 200 Fahren. Städte mit Mauern, Tü­rmen, Basteien, Gräben um­­­ Die Schrednisse des in Siebenbürgen verspäteten Mittelalters fehrten unsere sächsischen Dörfer, Markttorte und Städte, sich bestens gegen äußere und innere Feinde mit Mauern, Gräben, Schiegtürmern und dergleichen zu vergehen. Die stattlichen Dörfer befestigten ihre Kirchen; die Marktorte legten ihre Burgen auf benachbarter Anhöhe an, und die Städte umgaben ihre Inner­­­d Bugbrüden, waren Handfeuerwaffen, Hadenbüchsen, Wallbüchse, Schwert, Pallaich, Lanze, Streitart, Panzer, flüssig gemachtes Reh, Wurf- und Rollsteine. In dieser Zeit der Selbsthilfe galten Verteidigung und Kampf jo dem Feind, der von außen fast widerstandslos in das Land dringen konnte — also dem Rumanen, Türken, Tartaren — wie dem inneren Feind, und zwar: den ungezügelten Landstreichern, den plündernden, brennenden und mordenden Parteigängern und Söldlingen der heimischen Wahlwerber um den sieben­­­bürgischen Fürstenthron; ja sie galten den Fürsten selbst, die bei den Sachsen Geld, Gold- und Silbergeräte, Bekleidung für die Mannschaften und Diener, Bewirtung und Befriedigung verschiedener Gelüste, Wein und Fleisch suchten oder Brand­haltungen und Strafen erheben zu müssen vermeinten wegen mangelnder Anhänglichkeit. Da war Kronstadt Freilich ein ehr­­gesuchtes Objekt — die reiche Stadt, mit deren verbesserter Anlage die Bewohner sich aus der Thalebene herein in die Berge gezogen hatten. An der Befestigung der Innerstadt Kronstadt­ bauten und arbeiteten die Bewohner der Stadt, öfter mit Hilfe der Distrikts-Or­tschaften, von alten Resten her bis in die Mitte des 17.­­­Jahrhunderts, um ihre Befestigungs­­­werte aus einfachen Gräben und Erdmwallen umzugestalten in mächtige Mauern, Türme, Basteien und Gräben, von Stein und Ziegen ausgemauert. An Kalk- und Sandsteinen, geeignet zum Bau von 4 bi 6 und 7 Schuh diden ai giebt en ja in der nächsten Umgebung von Kronstadt die jchtvere enge. Erst im Jahre 1646 brachten sie in Kronstadt zwischen den Kloster­­­und Putzenthor die äußere Mauer mit mächtigem Wall und, vor diesem ge­­­legen, den breiten Graben mit vorgelegtem Glacis, zu­­stande. Noch im Jahre 1671 wurde in der sogenannten „Craft“ ein Teil der Wallmauer zu besserer Widerstandsfähigkeit hergestellt. Kronstadt hatte die Kraft zu diesen großen Verteidigungsbauten, obgleich die Einwohnerschaft kurz bevor durch die Rett um 11.000 Menschen verringert worden war und im ganzen Raum mehr als 15.000, in der Innerstadt wohl nur 7000 bi 8000 Einwohner geblieben waren. Aber damals ging der Fürst Georg Rakogi von Stadt zu Stadt unter den Sachen um, daß er in dieselben eindringe, sie entwaffne und brandfchage. Die Furcht vor dem Landes­­­fürsten und das Beispiel von Schäßburg, das seiner Aufnahme in die Mauern der Stadt unwiderstand, und von Hermannstadt, welches bitter dafür büßen mußte, weil er den Fürsten eingelassen hatte, die V­oraussicht auch, daß damals dem Lande ganz besonders wüste Unordnungen bevorstanden, die in der nächsten, mit Recht „Schreden ohne Ende“ genannten Reitperiode richtig eintraten, gaben den Kronstädtern den Anstoß zu einer Anstrengung aller ihrer Kräfte, damit sie ihre Befestigungswerte fertig und stattlich zu­­stande brächten. Wir versuchen einmal diese Kronstädter Befestigungswerte, deren Aufbau vor 200 Jahren zu einem Abschluß gelangt war und die gleichwohl in nicht langer Zeit darnach gänzlich überflüssig wurden, für zu beschreiben. · Die Innerstadt Kronstadt,mit den sie umschließenden Befestigungs­­­werken,bildet ein unregelmäßiges länglich­es Viereck,das­,vor die zweiteilige Ausmündung des Kronstadt-Thales gelagert,die Stirnfronte südöstlich kehrt, auf den beiden Längen­seiten­ aber von den sich gegenüberstehenden beiden Bergen:Burgberg(jetzt häufiger Kapellenberg genannt)und Raupenberg gleichsam zusammengedrückt wird und südwestlich nach dem mit der Obervor­­­stadt in­ die Gebirge verlaufenden Kronstadt-Thal die Rückenfronte besitzt.Von der Vorder-nach der Rückenfron­te laufen die langgestreckten Hauptgasse Inner- Kronstadts.Die wenigen Thore dienen dem Zu­g dieses Verkehrsthalauf und thal nieder,während im Ii­nern nur wenige Quergassen den Verkehr erleichtern und keinen Ausgang aus Inner-Kronstadt besitzen,der durch die Seitenfronten hinausführe­­n.Die Hauptfronte,gegenüber den Zugängen aus der Altstadt und Blu­menau,läuft in einem­,gegen außen gekehrten,1450 Schritte langen ogn­ ero « » bis hinauf an den Fuß des Burgberges geht Sie faßt in sich den»Kürschner­­­zwinger«,der in drei Mauern gesetzt ist und in den großen flankierenden ,,Schmißthron«auf der Ecke ausläuft.Vor ihnen liegt der breite ausge­­­mauerte Befestigungsgraben und neben diesem läuft das Glacis.Weiters kommen wir an das festungsartig mit Türmen u­nd Wächterwohnung ver­­­sehene lange,gewundene Klosterthorsathekengängen­,mit der Zugbrücke über den vorgelegten­ Graben.Von hier bis an das Pu­rzenthor war die stärkste Befestigung,gleichsam das Zentrum der Verteidigungsstellung Wirsehen eine innere,5 Schuh breite Mauer auf der ganzen Strecke laufend.Neben einem kürzeren Wallansatz an dieser Mauer zieht sich der ausgemauerte innere Graben,dann ebenso der breite Wall m­it einer äußern breiten Tragmauer,auf der die Brustwehr,mit Schießscharten versehen, emporragt.Gegen die Mitte dieses Zuges von Verteidigungswerken sind diese geteilt in den,,Tischlerzwinger«(innerlich)und,,Goldschmiedzwinger« (außen).Aus dem Goldschm­iedzwinger tritt die mächtige,sogenannte»Gold­­­schmiedbastei«in den Graben­ hin­aus.Daran schließt sich die Abteilung ,»Schlosserzwinger«,dann»Hutmacherzwin­ger«.Es folgt das Purzenthor, in­ derselben Art angelegt,wie das Klosterthor.Vor diesen Mauerwerken zog sich der Graben vom,,Schni­ßturm­«her breit angelegt un­d vor demselben derjenige Teil des ziemlich gehobenen Glacis hin,auf dem die heutige Pro­­­menade und das Promen­ade-Kaffeehaus stehen.In geringer Entfernung(200 bis 10 Schritt lag unter dem­ Martinsiberg,auf dem das Schloß steht, ein Weiher. An das Purzenthor schließt sich, neben dem weiter hinauf verlaufenden äußeren Graben, der „Tichismenmacherzwinger“, der mit einer inneren Mauer an der Gasse und gegen außen mit der Fortießung des in eine mächtige Mauer gefaßten Walles entlang dem Graben versehen ist. — Den rechten Flügel dieser ganzen Fronte bildet der „Ledererzwinger“, der unten auf dem­­­jenigen Pla, auf dem heute die Einfahrt nach der Schwarzgasse geht, eine Bastei besaß und am oberen Ende, am Abhang des Burgberges, in einen gerundeten Turm verlief, der heute noch steht. . Au­f die ganze Länge dieser Haupt-oder Stirn-Fronte der Kronstädter Befestigung waren noch acht viereckige Türm­e verteilt. Diese Fronte nimmt eine Bodenfläche von 7 Joch 786 Quadrat-Klaftern ein-nicht gezählt die glacisartige Erderhebung am breiten Graben und nicht die beiden­ Weiher,deren einer schon erwähnt worden,der andere aber in der Niederung vor der Vorstadt Blumenau gelegen war. Diese Fronte war wesentlich verstärkt durch das Schloß auf dem­ Martinsberg,heute,,Schloßberg«genannt.Es ist der ansS0 Meter über den Meeresspiegel sich erhebende Berg,der die Thalausm­ün­dung in die beiden Arm­e,,Altstadt«und,,Blumen­au«teilt.Das ihn krönende Schloß bestand aus einem mit vier Basteien versehenen Kastell und ausgemauertem Graben ringsum. Bei diesem verbesserten Aufbau des Schlosses — es war um die Mitte des 17. Jahrhunderts — hatte der kaiserliche General Graf d’Arco, der in den langen abwechselnden Kämpfen um den Reich Sieben­­­bürgens das Schloß um jene Zeit belegt hielt, der Stadt Kronstadt wesent­­­liche Beihilfe geleistet. 2. Vom Turm der Lederer beginnt die F­ronte unter dem Burg­­­berg, 1390 Schritte lang. Sie besteht aus der langen, breiten, bis 6 Meter hohen, in der Brustwehr mit Schieß- und Pechscharten versehenen Mauer, die vom Ledererturm bis an die „Weberbastei“ an der süd­westlichen Ede Snner-Kronstadts Läuft. Es sind in diese Mauer eingeseßt der basteiartige runde Turm des an den Ledererzwinger anstoßenden Tuchmacherz­wingers, noch acht viereckige kleinere Türme, auf die ganze Länge verteilt, und in der Mitte steht die stattliche „Seilerbastei“, in länglich gerundeter Form starr heraus­­­tretend. Hinter dieser langen Mauer und den genannten Türmen ging ein 3 bis 4 Meter breiter Verbindungsgang, oberhalb den Hausgärten der­ Burg­­­gärter vorbei. Draußen vor der Mauer gehen, in vier den Berg hinan sich enttwicelnden Reihen gelegt, der ausgemauerte „Graben” von 4 Meter Breite, ein „E 4 , ·, artige­ AN, die steile Böschung bis an den künstlich angelegten Wasserkanal,der hier am ,,Gang um­ die Burg«fließt. Die Bodenfläche dieser Werke beträgt wenigstens 4 Erdjoch 153 Qua­­­drat-Klafter.­­­ Es standen hier noch zwei sogenannte Wachtürme an den Enden­ des Ganges unter dem Burgberg: einer um etwa 60 Schritt herauf vom großen Turm der Tuchmacher am Kanal, wo jei das untermauerte Aussichts­­­pläschen angelegt ist; der andere, der den Mefsersschmieden zur Bewachung anvertraut war, stand um einige Schritte höher von der Weberbastei. Neben diesen Wachtürmen­­­ waren gemauerte Eingänge zum Fußsteig am Burgberg angebracht, von denen zu beiden Seiten niedere, einfache Mauern herab und hinauf bis in den Wald verliefen. Wir zählen die Yebteren nicht zu den eigentlichen Befestigungsmerfen. 3. Wir gehen auf die Rüdenfronte über, welche, gegen die Ober­­­vorstadt geführt, 720 Schritte lang, das dritte Einfahrtsthor hatte, das in der Mitte neben dem im Thal herab und in die befestigte Stadt herein­­­fließenden Bach steht. Er hatte eine gefrümmte, mit Turm und Wächter­­­wohnungen bedeckte Zufahrt aus der Heiligleichnamsgasse und hieß Katharinen­­­thor oder Obervorstadtthor. Außer den bis nun genannten Thoren hatte das befestigte Kronstadt nur einige niedere Notausgänge aus dieser oder jener Eckbafter. Auf beiden Enden dieser kurzen Anden-Fronte treten zwei Basteien heraus: oben die „Weberbafter”, mit Wachtürm­en, Schieß- und Rechtscharten in mehreren Etagen nach drei Seiten hin versehen, und unten Die gleich­­­mäßige Bastei, die vom „Zleifcherzwinger” aus beschritten wurde und heute ein städtisches Magazin bildet. Von der Weberbastei herab Tief äußerlich der breite, vor dem Katha­­­rinenthor überbrühte Graben und hinter diesem waren im oberen Abschnitt, in zwei Mauern gejeßt, die Abteilungen: Priesterzwinger, Notariuszwinger, Faßbinderzwinger und Strumpfstrnderz­winger, und reichten bis an die Heilig­­­leichnamsgasse, aus welcher der bis vier Meter breite Verkehrsgang „Hinter der Mauer“ Hinaufführte bis an die MWeberbastei; von hier weiter in den erwähnten Gang Hinter der Stadtmauer am Burgberg einbiegend. Von der Heiligleichnamsgasse abwwärts waren die Türme und Wächter­­­wohnungen am Eingang zum Katharinenthor. Von diesem weiter ging der „Schneiderzwinger“, in drei Mauern Wall und Türme tragend, so daß in allem auch auf dieser Fronte die acht viereckigen Türme standen. Hinter dem Schneiderzwinger ist der städtische Wassersammelfasten mit dem Brunnenhof, in festen Mauern eingefaßt. Die Bodenfläche dieser Fronte beträgt 2 Joch 424 Quadrat-Klafter, nicht gerechnet den Weiher, der in einer gewissen Entfernung vom Thor erhalten wurde. 4. Die vierte Fronte, genannt an der Graft, am Fuße des Raupen­­­berges einen gegen die Stadt einbiegenden Bogen von 770 Schritt Länge bildend, ist umtlossen von einem Bächlein, das, aus der obern Vorstadt kommend, hier in schmaler Schlucht nach der Altstadt abfließt. Diese Fronte­­n­ m­­­­­it Raupenberg angefangen | 2 FR: a, I­ . J­­­.."i­­n LU W Feuilleton, der Auswanderer. Roman von Karl Zastrom. (9. Fortlegung.) "3 mochte in der fünften Morgenstunde fein, al Boremann durch ein eigentümliches Geräusch, welches Halb wie im Traume an seine Ohren schlug, erwwachte. Er rieb sich die Augen und sah verwundert in dem halbdunkten Zimmer umher. Erst nach einigen Minuten stellte sich die Erinnerung an die Vorgänge des gestrigen Tages wieder ein und damit trat auch zugleich der Gedanke vor seine Seele, daß ihm irgend eine noch unbekannte Gefahr drohe. Mehrere gewaltige Schläge gegen die verschlossene Hausthir, dazwischen viel­­­stimmiges Schreien und Toben, das nur in den Bauten zu einem dumpfen Gemurmel herabtant, bewirkten, daß er aufsprang und blipfschnell in die Kleider­ fuhr. Ein einziger Blid, den er doch das Fenster warf, von welchem soeben mit brutaler Gewalt der Laden zurücgerissen worden, zeigte ihm eine bis an die legten Einzäunungen Hin sich erstrebende Versammlung von Männern, die alle, anscheinend im höchsten Zorn, Miene machten, in das Haus zu dringen. Vielleicht war das furchtbare Gedränge, unter dem die Zunächststehenden zu leiden hatten, und dadurch hervorgerufene Streitig­­­keiten die Ursache, daß die Thür noch nicht aus ihren Angeln gewwichen war. Endlich aber brach das Holzwerk mit einem dumpfen Krachen zusammen und über die Trümmer hinweg drangen die Ruhestörer in demselben Augen­­­blick in das Zimmer, in welchem Borrmann mit einem raschen Sprunge nach der in die Küche führenden Thür geeilt war und den Riegel mit Geistes­­­gegenwart zurückgeschoben hatte. Ein zweiter Sprung brachte ihn auf die Brüstung des Küchenfensters. Er glaubte Johns Stimme zu unterscheiden. Die Worte: „hier herein, Leute! der Kerl sol uns nicht entwischen. Faßt ihn, federt ihn, den Niggerfreund! den Spion!” schlugen an sein Ohr. Gleichzeitig vernahm er das Aufregen eines Eimers. Ein empfindlicher Theergeruch stieg ihm in die Nase und schaudernd sprang er hinab in den Hofraum. Er kannte das Schicsal, das ihn erwartete, wenn er das Unglück hatte, seinen Verfolgern in die­­­ Hände zu fallen. Bei seinem legten Besuche in der Stadt hatte er Gelegenheit gehabt, einen Akt der amerikanischen V­olksjustiz kennen zu lernen. Ein armer Teufel, welcher sie durch die bitterste Not hatte verleiten lassen, aus einem Bäderladen ein Brod zu stehlen, war ergriffen worden. Man hatte seinen ganzen Körper mit heißem Theer besu­chen, ihn dann in einem Haufen aller möglichen Sorten von V­ogelfedern so lange hin und her gewälzt, bis sein Fleck­en Haut an seinem­ Körper sichtbar war, und ihn dann schließlich auf zwei Stangen funftgerecht befestigt. So war er unter Geleitung einer großen Menge Gefindel3 aller Art durch die Stadt getragen worden. Faule Aepfel, Eier, Düten mit farbigem Pulver Hogen in Menge dem armen Schelm auf den Pelz und entstellten ihn bis zur Unfeintlichkeit. Borrmann hatte, von dem unerquidlichen Anblick empört, sich abgewandt, ohne den Verlauf der Dinge abzuwarten. Man kann sich denken, welche ein furchtbarer Schred ihn befiel, als das wü­tende Gebahren seiner Verfolger ihm das entjegliche Bild noch einmal und zwar ihn selbst als Helden der Szene vor seine aufgeregte Phantasie führte. Mit Sturmesschnelle eilte er dem Walde entgegen. Wohl hatte er einen kleinen Vorsprung gewonnen, aber bald tönte das Geschrei der wütenden Menge noch drohender und wilder hinter ihm drein. Unaufhaltsam, scheuchend, mit fliegendem Atem stürnte er vorwärts. Die Angst beflügelte seine Schritte. Er erreichte den Wald, aber näher und näher Scholl das Wutgebrüll der auf das höchste gereizten Verfolger. Er stolperte über die Baum­wurzeln, die Schlangen gleich auf dem feuchten Erdreich unter den wuchernden Mosen dahin­­brochen, stürzte zu Boden, stand mit blutendem Gesicht und verstauchten Händen wieder auf und jagte mit der Kraft der Verzweiflung weiter. Die Zweige des wild ineinander mwuchern­­­den Strauchwerfs peitschten ihm das schweiß- und blutüberströmte Antlil, die Dornen zerrissen ihm die Kleider. Wie ein dunkelroter Schleier lag er vor seinen Wagen. Wo er sich befand, welche Richtung er in seiner um­­­nennbaren Seelenangst einschlug — er wußte es nicht. Er hatte nur den einen Gedanken, eine immer größere Entfernung zwischen sich und seine Verfolger zu legen. Plöblich jedoch blieb er wie versteinert stehen. Er stand am Rande einer Schlucht, die jäh und steil unter seinen Füßen abfiel. Er blieb­ hinunter. Tief unter ihm krauste ein Zufluß des Missisippi ü­ber wild zerklüftetes Gestein, hin und wieder auf den Felsplatten in Millionen von Staubperlen zerstiebend. Drüben am jenseitigen Ufer ragte steil, nur von spärlichem grauem Mose überfleidet, ein mächtiger Felsen empor. Ein Kranz von niederen Tannen faßte den Gipfel ein und doch darüber zog ein Adler einsam seine Breife. Trofilos blickte der Verfolgte umher. Ueberall leuchteten zwischen den grünen Wipfeln der Eichen und des Nadelholzes die bläulichen Felamasfen hervor. Soweit er sehen konnte, türmten sich die tannengefrönten Bergschichten terrassenförmig in die Höhe, bis sie weit hinten im bläulichen Dufte des Aether mit diesem in eins verschtvammen. Wohin er sich auch wenden mochte, ob recht oder links, immer mußte er den Verfolgern in die Hände fallen, da der Fluß im weiten Bogen denjenigen Teil des Waldes umschrieb, welchen er bereits durchlaufen hatte. Noch überlegte er, ob er sich h­inabstürzen sollte in den reißenden Fluß, auf die schaumumtoften seichen Felszaden, oder si auf Gnade oder Ungnade ergeben. Schon sprangen die Amerikaner von allen Seiten in die Lichtung, an deren äußerstem Punkte er stehen geblieben war. Eine große kräftige Bull­­­dogge drängte sich duch das Gestrüpp und sprang mit blutdürftigem Auge und wiu­g heulend ihm nach der Kehle. Da plöglich im Augenblice der höchsten Not hallte ein schriller Ruf durch die Wildnis, welchem ein anderer folgte, der ähnlich dem dumpfen Schrei einer aufgeschrehten Eule Hang. In demselben Moment Donnerte ein Schuß durch den Wald, und noch ehe der Knall an den Felswänden rings herum verhallt war, lag die Bestie im Todessampfe zuckend am Boden und fühlte der Deutsche sich mit unwider­­­stehlicher Gewalt fortgerisfen. Er hörte das mars- und beinerschütternde Gebrüll der in ihrer Erwartung getäuschten, von grenzenloser Wut erfüllten Amerikaner. Er gewahrte, daß bereits eine riesige Mauer von undurchdringlichem Strand­­­werk zwischen ihm und den Verfolgern lag, aber er konnte sich seine Erklä­­­rung geben von der energischen Gewalt, die ihn vorwärts schob, den steilen Abhang Hinunter, über Steingeröll hinweg und an verkrüppelten Zwergbäumen vorüber, die ihn hielt, wenn er straucheln wollte, ihn zu tragen schien, wenn die Sinne ihm schwindeln und seine Augen sich mit dem dunklen Flor be­­­decken wollten, den das Gespenst des Schwindels um sein glühendes Hirn schwang Er wußte nur, daß eine Kauft mit stählerner Kraft jenen Radkragen hinten im Feind gepadt hielt, und willenlos ließ er alles mit sich geschehen. (Fortfegung folgt.) u R u

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