Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1898. Juni (Jahrgang 25, nr. 7434-7458)

1898-06-11 / nr. 7443

; Geite 606 Hermannstadt, Samstag Siebenbürgisch-Deuttsches Tageblatt. 2 oLf verweist auf das Edikt des Fürstbischofs den Trient gegen die „Bozener Zeitung“, in welchem er den Bischöfen und Diözesanen verbietet, diese Zeitung zu lesen und zu verbreiten und bemerkt dazu: Leben wir denn in einem Nechtsstaate, daß ein übermütig oder verrüdt gemorbener Pfaffe sich herausnimmt, so freche Ehdikte zu erlaffen? (Lebhafte stürmische Unter­­brechungen und Entrüstungsrufe rechts.) Leben wir in einem Nechtzstaate, daß ein übermütig oder berrüdt gemorbener Pfaffe . (Wiederholte stürmische Unterbrechungen rechts.) Ah achte alle Priester, die ihres Modes Würde achten, aber nicht einen Pfaffen, der sich herausnimmt, si so frech über die Staatsgrundgefege zu stellen. Vizepräsident Dr. Ferrandic: Das ist ein Ausfall gegen einen geachteten Stand und ich rufe Sie deswegen zur Ordnung. Wolf: Sorgen Sie lieber dafür, daß vielen Pfaffen das Handwerk gelegt werde. Wohin kämen wir, wenn es gestattet sein sol, daß irgend so ein verrüct oder toll gewordener Pfaff (Neuerliche Entrüstungsrufe rechts) das Recht Hat, gegen irgend einen von und das Unterbitt zu schleudern oder und in der Bethätigung unserer staatsbürgerlichen Rechte zu hemmen? Es ist Höchst dringend und notwendig, daß alle diejenigen, denen an der idealen Höhe des Christentums und der katholischen Kirche gelegen ist, alles auf­­bieten, um solche Webergriffe zu verhindern, denn sonst treiben sie uns gerade zu dem Protestantismus in die Arme. Wir werden schon sehen, welchen Umfang diese Bewegung in dem Augenblick annehmen wird, wenn wir die Beit für genommen erachten, um­ an die Spige derelben zu stellen. Heute stehen wir noch nicht auf diesem Standpunkte. Wir wollen nicht, daß die Kluft zwischen den Alpen- und den Sudetenländern neuerlich erweitert werde, aber wenn es so weitergeht, dann wird es dazu kommen. Wir werden dazu gezwungen sein, doch solche Erlässe, wie sie der verrückt gewordene Bischof von Trient erlassen hat (lebhafte Entrüstungsrufe recht?) und durch solche Kanzelreden, wie sie der Pater Abel hält. $ro: Man wird sie mit dem Banne belegen. Wolf: Ich bin oine Sieg mit dem Banne belegt, mache mir aber nichts daraus (Heiterkeit links), d. 5. ich bin nur ein sogenannter toleratus. Man hat mich nämlich als Taufpaten für meinen Neffen nicht anerkennen wollen, und ich mußte mir die Anerkennung erst dadurch erzwingen, daß ich und meine Familie von beiden Seiten gedroht haben, daß wir in dem Augen­­blicke, wo ich nicht als Taufpate zugelassen werde, zum Protestantismus übertreten. Da scheint man doch Angst bekommen zu haben und hat mich zugelassen. (Hört! Hört! Linke.) Redner kommt hierauf auf die Verfügung des Präsidenten bezüglich der Z­wischenrufe zurück und bemerkt, daß offenbar dur­ gewisse Zwilchenrufe einigen gebenebeiten Herren gar zu arg an die Milz gegriffen worden sei. Es sind ein paar Zwilchenrufe gefallen gegen den Kriegsminister und gegen die Jubiläumsdufelei. Da werden wir einfach zu dem Auskunftsmittel greifen, daß wir die Zwilchenrufe, die und gerade ein­­fallen, und aufschreiben und uns dann bei irgend einer Gelegenheit zum Worte melden und die ganze Reihe von Zi­fchenrufen herunterlesen. Da wird man 3. 8. in einem solchen Zwischenrufverzeichnis fragen: Beziehen sich die Schulpflagen, welche in den Jahren 1891 und 1892 beim Landesgerichte Krakau gegen einen gewissen Kriegsammer eingebracht worden sind, welche ganz entschieden die Grundlage zu einer ehrengerichtlichen Untersuchung ge­­wesen wären, beziehen sich diese auf den­­ Kriegsminister . Vizepräsident Dr. Ferrancic (das Glocenzeichen gebend): Wir sind bei der Sprachendebatte; ich bitte, sich an die Sache zu halten. Wolf: Ich Halte mich strenge an die Sache, Herr Staatsanwalt, halten Sie ich nicht auf! — Man könnte weiter fragen: Was hat die Regierung mit den Ueberschüfen aus dem Schulbücherverlage gemacht? Man könnte fragen: Hat Graf Badeni die 250.000 fl. für die „Reichswehr" aus seiner Tasche gezahlt oder mo hat er sie hergenommen? Sit etwa zwischen dem Reinerträgnis des Schulbücherverlages und dem Gelbe, welches an die „Reichswehr” gezahlt wurde, irgend ein Zusammenhang? So könnte man Bwifchenrufe sammeln und als gesammelte Werke herausgeben, die mehr ne teresse erregen würden, als manche lange Rede, die nicht dur Bwilchenrufe gewürzt ist. Redner kommt sodann auf die Ernennung des Grafen Gleiepac) und auf die Ereignisse in Graz zu sprechen. Er beschwert sie weiters über die Konfisfation der Briefschaften des Abgeordneten Schönerer. Wundern Sie si da, wenn der Radikalismus überall, wenn man von solchen Frech­heiten von der Regierung Kenntnis erhält, überhandnimmt? Man hat und von der Opposition zur Obstenftion getrieben. Es giebt aber noch eine dritte Steigerungsstufe, und der sie nicht rennt, sol die Geschichte der Revolution des Jahres 1848 ansehen. Redner bespricht sodann die Degradierung der Reserveoffiziere in Graz. Für solche Vorgänge werde der Patriotismus in der akademischen Jugend nicht gezüchtet, im Gegenteil, das, was an Patriotismus vielleicht vorhanden war, ist daduch­ mit den Wurzeln herausgerissen worden, und man könnte eigentlich dem Grafen Thun dafür dankbar sein, daß durch seine Mitwirkung der Radikalismus Heute bereits so weite Kreise durchdringt. Angesichts der Vorgangsweise, welche die Regierung gegenüber den Deutschen einschlägt, dürfe man sich nicht wundern, wenn man sich in Deutschland immer mehr auf die Entscheidung vorbereite und daran denke, daß die Deutschen in Oester­­reich doc nicht dem Untergange preisgegeben werden dürfen. Dr. Baern­­reither "soi die Busicherung gegeben Haben, daß er in dem Wagenblide, wo etwas gegen die Deutschen geschehen werde, sofort sein Portefeuille nieder­­legen werde. Er habe dies biß jeßt nicht gethan, troß der Auflösung des Grazer Gemeinderates und der Ernennung des Grafen Gleispach, Giebt er eine fjchmählichere Beschimpfung und ungerechtere Behandlung, als die Ernennung dieses Staatsverbrechers zum obersten Hüter des Rechtes für eine ganze Provinz? Wie kann man von einem armen Teufel, der vor Gericht steht, verlangen, daß er die Autorität der Regierung anerkennt, wenn an der Sorge der ganzen Rechsführung ein Mann steht, welcher ein grobes Eigen­­tumsdelitt begangen hat, denn dieser Dann hat uns unser Recht gestohlen. Er hat gegen die Staatsgrundgesethe gehandelt. So ein Mensch sol dort das Recht wahren? Ift e8 mischt eine Lächerlichkeit, daß ein Mann, der die Autorität des Staates repräsentieren so, bei der Bevölkerung so viel Beratung erregt, daß er sich nicht einmal öffentlich zeigen darf? Glödner: Man Hat ihn auf der P Viehrampe austwaggonieren müssen. Wolf: Man Lasse es nst darauf ankommen, daß man sich an die Thatsache erinnere, dab es im Jahre 1848 in Oesterreich vor dem 2. De­­zember einen 6. Oktober gegeben hat und daß wo vor dem 6. Oktober in Graz und auch anderswo eiserne Laternenpfähle eingeführt worden sind. Redner kommt sodann auf die Obmännerfigung zu sprechen und bemerkt, daß die Deutschen durch diesen Kampf, den sie bestehen mußten, auch poli­­tisch Hug geworden sind, indem sie nicht auf den Leim gegangen sind. Man wollte uns mit den drei Rosinen: Aufhebung des Reitungastenpels, Besei­­tigung der Mauten, Reform der Uebertragungsgebühren anladen, dann aber hätte man uns den ganzen Guglhupf gleich hineingestopft. Wir hätten noch die Zucerstener und das Budget mit in Kauf nehmen müssen. Dazu fehlt und aber heute noch der Appetit. Und das einzige Rezept, uns diese U Indis­­position zu beheben, ist Aufhebung der Sprachenverordnungen. Das­ ist da Arium, an dem wir festhalten müssen. Wir sind bereit, hier ruhig und fachlich zu arbeiten, die Mittel der Obstruktion sind uns durchaus nicht symogathisch, mitunter sogar absprechend und unangenehm ger­wesen, wir wollen wieder zu den ruhigen Formen des Glacerhandschuh- Parlamentarismus zurückkehren — aber es müssen eben die Sprachenver­­ordnungen weg. So lange aber diese besiegen, dann gilt es eben den Kampf bis zur Vernichtung. Wir aber werden bestrebt sein, daß nicht das deutsche Bolt der Bernichtete sein wird. (Beifall und Händellatschen links.) Die zwei Redner, die noch in der Sprachendebatte das Wort ergriffen, gehörten der Majorität an. Zitnif (Slovene) hält das Bustandekommen eines friedlichen Ausgleichs zwischen den Nationalitäten in Oesterreich noch noch für möglich, verlangt als Grundlage dafür aber unbedingt die volle nationale Gleichberechtigung. Nicht die Germania ı und nicht die Slapia dürfe man dabei sie vor Augen halten, sondern die Austria. Kramar (Ticheche) tritt den deutschen Abgeordneten mit großer Schärfe entgegen, und bezeichnet die Sprachenverordnungen nur als den wahren Grund, sondern lediglich als einen Vorwand beim­jedigen politischen Kampfe. Indem die Deutschen es aufgaben, als österreichische Staatspartei aufzutreten, vielmehr eine nationalradikale Partei wurden, stellen sie, meinte der Redner, noch immer die Ansprüche einer Staatspartei. Die gegenwärtige Krise sei keineswegs ein bloßer Spragekfampf, das Uebel treffe vielmehr die Wurzeln und Fundamente des Staates selbst,. Das Parlament, das gegen­wärtig noch funktioniere, sei bereit tot, denn e3 habe das Grundprinzip jedes Parlamentarismus über Bord geworfen, denn nicht die Majorität herrsche in demselber, sondern e3 herrsche die Minorität durch die Mittel der Gewalt. Nur mehr die Rückehr zu den historischen Traditionen Oesterreichs könne noch helfen, welches der Hort seiner Völker sei, jener Traditionen, die in der vorjährigen Adresse der Majorität ausgesprochen seien. Der Staats­­mann, der diesen Grundsäßen folgen wolle, werde die vierzehn Millionen der Nichtdeutschen Oesterreichs um sich zu sammeln vermögen. Von der rechten Seite der Haufe erhielt Abgeordneter Kramar reich­­lichen Beifall gespendet, währt. Der greise Oberförster, ein alter, derber Weidmann, mit einem goldenen Herzen und Humor, ist bereit mein treuer Freund. Schade, er will si pensionieren lassen, doc hat er mir versprochen, jedes Jahr einzig um meinetwillen einige Wochen in Riemberg zuzubringen. 27. März. Ich habe mich einige Tage recht unglücklich gefühlt. Ueber Nacht war der Frühling gekommen, ein würziger Hauch 309 durch das schneefreie Thal, überall ein geheimnisvolles Regen und Leben, die berauschende Ahnung von kommender Sonne und Liebesmänne — und nur in meinem Herzen noch alles starr und tot! Mir blüht mein Frühling mehr, da ich selbst in thörichtem Hochmut und Troß die Keime brach, aus denen mein Glück emporgewachsen wäre. Ich selbst, ich allein trage die Schuld meiner Vereinsamung. ch besaß ein Herz, ein starres treues Mannesherz, und stieß ed von mir; mir winkte ein Glück ohnegleichen — ich trat ed mit Füßen. « Nun büße ich dafür mit meinem ganzen Leben,und Recht geschieht mir daran. 13. März, Gestern abends Ließen mich die Thränen nicht weiter schreiben. Heute erkenne ich dankbaren Gemiütes, daß mir och noch vieles geblieben ist, vor allem andern die innige Befriedigung, das Bewußtsein, mich selbst überwunden und zur Entsagung gezwungen zu haben. Mir blieb mein Stolz darauf, die Erinnerung an je­manche frohe Stunde, die Bildung und Geisterstärke, die mich über stumpfes Brüten erhebt, die Freude am Schönen in Kunst, Litteratur und Natur, vor allem das Vertrauen auf Gott und die eigene Willenskraft, die Liebe zur Arbeit. (Fortlegung folgt.) 11. Juni 1898, Nr. 7443 Boli­n­ge Mebersicht. Hermannkabdlt, 10. Juni. Die Bilanz des in den rechten Tagen ausgegeben Ausweises über die Brutto-Einnahmen und Ausgaben des ungarischen Staates im ersten Quartal, d. i. vom 1. Januar bi Ende März I. 3. stellt fs nicht eben günstig. ZTrogdem nämlich die­ Einnahmen im Vergleich zu jenen des ersten Duartald des Vorjahres um 1,139,511 fl. größer, also günstiger waren, ergiebt es ein Ausfall im Betrage von nicht weniger als 8,270.470 fl., weil die Ausgaben um 9,409.981 fl. mehr betragen haben als im ent­­sprechenden Abschnitt des Vorjahres. Das Ministerium erklärt dies aber mit der abweichenden Verrechnung der gemeinsamen Ausgaben, weil über vier Millionen heuer später dverrechnet wurden, so daß sie im ersten Quartal nicht mehr figurieren wie im Varjahre. Diese Post werde also in den späteren Quartalen voraussichtlich ausgeglichen werden. Was die Einnahmen anbelangt, so waren dieselben bei den Gebühren um rund 700.000 fl., bei der Münze um 1,800.000 fl., bei Boft und Tele­­graphen um nahezu 600.000 fl. günstiger als im Vorjahre; dagegen waren die Einnahmen ungünstiger bei den direkten Steuern um 1.344.000 fl., was mit den allgemeinen ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen leider genügend genug motiviert wird.­benso wird der Ausfall von rund 300.000 fl. bei den Stantsgestüten der vorjährigen ungünstigen Ernte zugeschrieben. Wie verlautet, wird das Abgeordnetenhaus schon am Ende der kommenden Woche seine Sommerferien antreten. Diesmal werden dieselben jedoch nicht so lange dauern wie in den früheren Jahren, da es die Absicht der Regierung ist, mit Aüssicht auf die schwebenden Ausgleichsfragen den Reichstag längst eng um die Mitte September einzuberufen, um mit Bezug auf die als notwendig fr­eigebenden Vorkehrungen ihre Unterbreitungen zu machen. Vor den Ferien wird das Abgeordnetenhaus noch den Gefekentwurf über die Verlängerung des Spiritus- und Buderstewergejeges, ferner die Vor­­lagen über die­ Spiritusverfehröffener, über die Ruder- und Bierverzehrungs­­steuer, welche längere Debatten kaum gemärtigen lassen, solcie einige kleinere Berichte und Immunitätsangelegenheiten erledigen; außerdem werden Die Minister noch einige rüdkständige Interpellationen beantworten. Ein offenbar offiziöser Artikel des „Peter Lloyd“ beschäftigt sich mit den von Professor Delbrüd in dem Juniheft gemachten Schlüffen über den angeblichen Geheim­vertrag zwischen Oesterreich-Ungarn und Rußland, indem er denselben eine politisc­he Tendenz zuschreibt und si auf das entschiedenste dagegen verwahrt, daß man die Glaubwürdigkeit unseres Ministers des Auswärtigen und die Loyalität unserer Monarchie in Frage stelle. Der Artikel schließt mit dem Sape: „Wir legen großes Gewicht darauf, all das zu gelten, was wir sind, als zuverlässige Freunde unserer Freunde. Und so möchten mir dem­ unsere publizistischen Kollegen in Deutschland, auch wenn sie ihre Weisheit im, schweren Jahrbüchern verschleißen, freundlich gebeten haben, das, was ein Minister bei uns öffentlich erklärt, nicht durch pfiffige Augenzwinfern ver­dächtigen zu wollen, sondern zu glauben, daß bei uns nicht gelogen wird.“ Das Organ der äußersten Linken „Magyarorpag“ knüpft an den vom Finanzminister eingebrachten Gefegentwurf über die Spiritussteuer folgende Bemerkung: „Der im Gefegentwurf vorkommende Ausdruck „das Gebiet innerhalb der Zolllinie der Länder der ungarischen Krone” bildet für uns eine freudige Ueberraschung. Er involviert eine wichtige Erklärung, die wir alle Vers­­prechen akzeptieren, denn das kann nichts amdiered bedeuten, als das mit 31. Dezember 1898 die Errichtung der Zollschranfen erfolgen wird.” Zahlon sind die Gerüchte, welche die gegenwärtige Lage in Oester­­reich fördert. Wie der „Reichswehr“ von besonderer Seite mitgeteilt wird, gehen sie fast durchwegs von einer unrichtigen Vorauslegung aus. 3 wird nämlich ziemlich allgemein angenommen, daß Graf Thun mit weitgehenden Botmachten auch für den Fall ausgestattet sei, daß es ihm nicht gelingen sollte, das Parlament wieder arbeitsfähig zu machen und geordnete parlamentarische Ver­­hältnisse herbeizuführen. Er wird gleichzeitig vorausgefegt, daß er in diesem Falle an die Inaugurierung eines parlamentslosen Regimes schreiten werde. Dem gegenüber muß festgehalten werden, daß Graf Thun die Regierung unter ganz ähnlichen Prämissen angetreten hat, wie Freiherr v. Gautih. Auch Graf Thun übernahm die Aufgabe, eine geregelte Funktion dem parlamen­­tarischen Apparat zu ermöglichen, und diese Aufgabe bildet seine eigentliche Mission. Für den Fall also, daß es die Möglichkeit ergeben solle, wieder ein arbeitsfähiges Parlament zu schaffen, wäre auch die Mission des Grafen hun beendet. Es ist gewiß nicht ausgeschlossen, daß Graf Thun mit einer neuen Mission betraut und mit besonderen Vollmachten für die Fortführung der Regierung unter geänderten Verhältnissen ausgestattet würde, wenn seine jenige Mission scheitert, aber es wäre irrig, damit wie mit einer gegebenen Thatsache zu rechnen, denn es ist ebenso gut möglich, daß Graf Thun, sobald er die volle Undurchführbarkeit seiner Mission erkannt hat, auf die weitere Fortführung der Regierung verzichtet. Aus diesem Umstande erklärt es fi ohne Schwierigkeiten, warum der Ministerpräsident dem Parlament gegenüber so viel Langmut an den Tag legt und die äußersten Anstrengungen macht, trug aller widerlichen Umstände wenigstens die Einlegung des Sprachen­­ausschusses und damit immerhin Scheinerfolg auf parlamentarischem Boden zu erzielen. Graf Thun scheut begreiflicherweise davor zurück, seine Mission selbst als gescheitert zu erklären, bevor nicht die legte Hoffnung verschwunden ist. Von maßgebender Seite wird versichert, daß der Reichsrat jedenfalls am Dienstag wieder Sibung halte und nach der voraussichtlichen Beant­­wortung der Grazer Interpellationen durch den Ministerpräsidenten die Ver­­handlung über die Sprachenanträge fortlegen wird. Dagegen ist es zweifelhaft, ob diese Verhandlung auch beendigt werden und zur Einlegung eines Sprachen- Ausschusses führen wird; denn mehr als zwei, höch­stens drei Gißungstage solgen nach übereinstimmender Ansicht dem Abgeordnetenhause nicht beschieden Be wird der Bestand einer Ministerkrise entschieden in Abrede gestellt. Aus dem reife der Rechten liegen zwei Meldungen von Wichtigkeit vor: Die Rechte bereitet die Veröffentlichung einer gemeinsamen Kundgebung, ähnlich der Adrekaktion im vorigen Jahre, vor, und sie hat zur Abfassung derselben ein Subkomitee eingelegt. Seit dem Vorjahre aber haben sich die Verhältnisse wesentlich geändert, und das bezeugt die Thatsache, daß gerade in diesem Augenblicke die Abgeordneten Baron Dipauli und Dr. Kathrein an die Seite der Katholischen Volkspartei getreten sind, als gerade jene Männer, welche sich in OOpposition gegen die Sprachenverordnungen befinden. Es darf also bezweifelt werden, ob die zu gewärtigende Kundgebung im Namen der ganzen Rechten wird sprechen künnen.­­ Wie die Lemberger „Siowo Polskie” aus Wien sich melden läßt, habe sich Graf Thun zu einer hochgestellten Persönlichkeit geäußert, er habe seineswegs die Absicht, den Kampf aufzugeben und Hege die feste Zuversicht, einen Ausweg aus der jenigen Situation zu finden. Der verfassfungstreue Grundbesiß ist für Sonntag nach Prag zu einer Sihung einberufen. Ueber die Stellung dieser Partei zum Kabinet wird vorläufig strengstes Stillshmweigen beobachtet. Alle französischen Minister haben Meline ihre Portefeuilles zur Ver­­fügung gestelt. Meline wird in der Sammer erklären, daß er, falls das Parlament seine Politik billigt, das Kabinet auf breiterer parlamentarischer Basis rekonstruieren will. Er wolle eine Konzentration nach lin­ 3 oder wenigstens halbsinks. Von der Kammerdebatte und den eventuellen Verhandlungen mit den gemäßigten Nachfaten wird er abhängen, welche Ressorts, außer dem bereits erledigten des S Kolonialamtes, neu beseßt werden. Jedenfalls fällt Kriegsminister Billot. Einer Newyorker Meldung zufolge sol Präsident Mac­Kinley dem brittsschen Gesandten erklärt haben, die Vorauslegung für den Friedensschluß bleibe unabänderlich die Freigebung Cubas. Ferner müsse die Union die Abtretung Bortoricog ,bald Entschädigung für die Kriegskosten fordern; nur dann könnte Amerika auf die Philippinnen verzichten. Hörefle an Birhof D. Bir. Müller. Der Zentralvorstand des Evangelischen Bundes hat zum 70. Geburts­­u Bischofs D. Fr. Müller an denselben nachstehende Abgreffe gerichtet : ,,Merseburg,im Mai 1898. Hochverehrtester hochwürdiger Herr Bischof Der unterzeichnete Vorstand des»Evangelischen Bundes zur Wahrung der deutschen protestantischen Interessen«erachtet es nicht außerhalb seine­s Bereiches liegend,wenn er in die Reihe derjenigen tritt,welche Sie am 15.Mai,ihrem siebzigsten Geburtstag,mit ihren Segenswünschen umringen. Denn diese Segenswünsche beschränken sich bei einem Manne,der in einer solchen volkstümlichen Stellung lebt,nicht auf das enge Gebiet des Privat­lebens,sondern beziehen sich auf den ganzen Umfang dessen,was ihm am vertraut ist, und hier begegnen sich ihre Anliegen und unsere. Das Band, welches und mit der ihrer Leitung anvertrauten Gemeinschaft verbindet, ist ein doppeltes: Die Gemeinsamkeit de evangelischen Bekenntnisses und die Gemeinsamkeit der deutschen Kultur. Beides ist für und ungertrennlich, denn die Reformation, diese größte Gottesthat in der neuen Geschichte, ist mensch­­licherseits wesentlich deutsiches Geisteserzeugnis und wiederum der Mutterschoß aller echten und freien Kulturentfaltung der neueren Zeit. 8 ist beides un­­zertrennlich auch für Ihr Sachsenwolf in Siebenbürgen, das nach einem schönen Worte ihres verewigten Vorgängers D. &. D. Teutich in Deutschland wenn an nicht sein Vaterland, so doch sein Mutterland liebt und verehrt. Sie haben sich niemals vom Mutterlande der Reformation geistig getrennt, wie fern Sie ihm räumlich gerücht waren. Sie haben si dadurch Ihre geistige und sittliche Kraft bewahrt, die Sie zum Segen Ihres politischen Baterlantes macht. Sie senden noch heute Ihre studierende Jugend an unsere deutschen Hochhschulen und pflegen so einen geistigen Zusammenhang mit uns, den an andere Nationalitäten und Parteien ihres Staatswesens alle Ursache hätten, hochzuachten, So selbstloser Deutschland seine religiösen und kulturellen Segnungen seit Jahrhunderten seinen Nachbarvölfern mitteilt, um so weniger verstehen wir­­d, wenn in einem wie auf innere Eintracht verschiedener Volksstämme, so auf die Sympathie des geeinigten Deutschlands vorzugsweis angewiesenen Staatswesen ein Geist sprachlicher Uniformierung und Vergewaltigung auf­­kommt und ein Verfolgungskrieg gegen alles, was dem Deutschen auch im Auslande nationals heilig sein muß, sogar gegen deutsche Orts- und Familien­­namen eröffnet wird, wenn die Magyarisierungstendenz selbst in die Frage materieller Staatsunterstüßung der Kirchengemeinschaften hineingetragen und die rechtlich wie sittlich wohlbegründete Autonomie deutschen Kirchen­ und Schulmejens unablässig bedroht wird. Es ist ein geringer Trost, sich zu sagen, daß durch dergleichen Leidenschaftliche und ungerechte Bestrebungen der Staat, der sie zuläßt, ja vielleicht begünstigt, anstatt dadurch gereitet zu werden, vielmehr innerlich zerflüftet und nach außen der Freundschaft einer sich selbst achtenden großen Nation beraubt wird. Wir haben seine Ursache, Ungarn Böses zu mündhen, anstatt Gutes; eben darum müssen wir in seinem eigenen Interesse jene magyaristischen­­ Treibereien aufs tiefste beklagen. Wir haben seine politische Aufgabe und seine politischen Mittel, und auch wenn wir beides hätten, würden wir es nicht für Necht halten, un­ in die politischen Angelegenheiten eines fremden Staatswesens einzumischen. Aber die Güter der Muttersprache, in der man betet, die Eltern- und Heimats­­namen, an denen das Herz mit Pietät hängt, die Bildungsquelle, aus der wir Die geistige Kraft schöpfen, mit der wir unseren Mitmenschen und Mit­­bürgern dienen, das sind Dinge, welche außerhalb und oberhalb der Politik liegen und bleiben müssen. Und so Liegt auf außer und oberhalb derselben: der Glaube, daß es eine Sendung des deutsch-evangelischen Geistes giebt, die

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