Transsilvania - Beiblatt zum Siebenbürger Boten, 1843 (Jahrgang 4, nr. 2-100)

1843-01-31 / nr. 9

1843. = Nr. 9. Hermannstadt, den 31. Januar. Jahrgang. Vierter * TT VV "dee PRANSSILVANLA. Beiblatt zum Siebenbürger Boten. Nicht leicht werfenden Ruhmes Genuß ward dir von der Moira Spindel verliehn an dem Tage, wo du die Sonne begrüßt. Griechische Anthologie, Göthe's Haus in Weimar. An einem freien Plage, den ein Brunnen le­­bendig macht, zeigt sich in grauröthlicher Tünche, die Fenster mit schwarzen Einfassungen umgeben, ein zweistöckiges Haus, geräumig dem Ansehen nach, aber durch nichts über das Maß der Wohnung ei­­nes wohlhabenden Bürgers hinausgestellt. Wir treten über die Schwelle und befinden uns in einem Hausflur , der eine gelbliche Steinfarbe, hell und heller erscheinen läßt. Wir steigen die mit massiv­ gemauerten Wangen versehene Treppe hinan , die si mit breiten Stufen in der sachtesten Hebung emporschwingt. Ihre Größe muß uns überraschen, sie steht in keinem Verhältniß zu den übrigen Di­­mensionen des Gebäudes und nimmt das Unterhaus zumeist für sieh weg. Interessant ist es zu hören, wie sie entstand. Während seines römischen Auf­­enthalts wurde das Goethe'n vom Herzog geschenkte Haus ausgebaut , auch eine entsprechende Treppe war bereits fertig, da sah Göthe in Rom eine, deren Construction ihn entzückte. Sofort ließ er eine Zeich­­nung davon machen und schickte diese nach Deutsch­­land mit dem Befehl, eine solce Treppe in seinem Haus anzubringen. Vergebens waren alle Remon­­strationen­ über die Alpen hin, es mußte ihm ge­­horcht werden. Als er zurückkam , sah er sich das Treppenwerk, welches ihm sein Unterhaus wegnahm, nachdenklich an, stieg topfschüttelnd aber schweigend hinauf , und hat auch nachmals nie von der Sache gesprochen.­­ Im obern Vestibule blicken uns aus Mauerni­­schen die Gestalten des Schlafes und des Todes und das kolossale Haupt der Juno entgegen. Auch römische Prospekte , die über der Treppe hängen, erinnern an jenes Land, nach dessen Verlassen er, wie er zu sagen pflegt, nie wieder ganz glücklich «geworden ist Ein längliches gelbes Sälchen thut sich auf. Darin speiste er mit seinen Gästen Meyer­s die Zeichnungen antiker oder Poussinischer Gegenstände bedegen die Wände; hinter einem grünen Vorhang verwahrte er die Aquarelltopie der Aldobrandinischen Hochzeit von Meyer, die er für seinen köstlichsten Schoß hielt. Auch die Nebenräume rechts und links zeigen nur Dinge, die dieser Richtung und Periode der Kunst angehören. Da ist nun überall Ver­­gangenheit und Erinnerung­­; für den mit Goethe's Werken Vertrauten regen sich hier Kette und Ein­­schlag von so manchem feiner Gewebe. Ein histo­­risches Gefühl ergreift uns, das Gefühl, welches mich immer von Grund aus glücklich macht. Denn da ist nichts, was nicht in die Periode seiner Bil­­dung verschlungen wäre, und allem Spätern war der Zugang streng versagt. Gerührt überblicken wir die geringen und armen Sachen, an denen der große Mann sich aufzuerbauen wußte. Rechts von diesem Sälchen sehen wir in das sogenannte Dedenzimmer ; warum Göthe dasselbe vorzugsweise so benannte , weiß man nicht, da alle Zimmer mit Stub verzierte Deden haben Links liegt sein blaues Empfangzimmer, und dahinter das sogenannte Urbinozimmer , nach dem Bild eines Herzogs von Urbino , welches er aus Italien mit­­brachte , getauft. Jett ist es darauf hinweggenom­­men. Auf der Schwelle des Empfangszimmers be­­grüßte es sein freundliches: Salve! Göthe kam, wenn er Menschen empfing nie auf dem Wege von der Treppe aus, den wir gewandert sind, er ging vielmehr von seinem Arbeitszimmer durch einen Kommunikationsgang in das Urbinozimmer und aus

Next