Transsilvania - Beiblatt zum Siebenbürger Boten, 1844 (Jahrgang 5, nr. 1-89)

1844-03-22 / nr. 24

110 Dr Wohl und Weh derer, die ihrer Leitung anvertraut sind, so muß sie­ nothwendig auch Einsicht­ und­ Ein­­fluß nehmen dürfen in alle Schritte der Volksent­­wicklung. “Ein hochwichtiges Organ in dieser Ent­wicklung ist unstreitig deer­ Beamtenstand, dessen Aufgabe, es ist die "gemeinsamen Interessen der Re­­gierung und des Volks nach­ bestem­ Wissen und­ Ge­­wissen zu vertreten; schon darum ist also ein Der­amtenstand,­­unabhängig von der Regierung, recht­­lich in einem wohlgeordneten Staat und Volk gar nicht denkbar, soll die gesammte Verwaltung ein in sich abgeschlossenes organisches Gan­zes bilden. — Was über die Wahl der Beamten nach der ur­­sprünglichen Sachsenverfassung der Andreanische Frei­­brief enthält, ist noch zu unerklärt und vieldeutig, als dag es einer entscheidenden "Erörterung zum Grunde gelegt werden könnte; wahrscheinlich ist aber, daß nach der durchgängigen Gewohnheit mittelalter­­liche Municipalverfassungen die einzelnen Städte und Dörfer unabhängig von allem äußern Einfluß sich ihre Beamten jährlich frei­ wählten, — In den Municipalgeseßen (Statuten) der­ Sachsen in Sie­­benbürgen vom Jahr­ 1583 gibt der 1. S. des 1. B. einige unbestimmte Andeutungen über die Be­­amtenwahl mit schonender Berücksichtigung, der, hie und da üblichen, Gewohnheiten. Diesemnach were Den der Bürgermeister, die „Richter und Hannen von „den Communitäten — damals wohl die ganze Bür­­gerschaft — jährlich frei gewählt aus den Geschwor­­nen; die neugewählten drei oder vier Oberbeamten wählten sich dann nach“ Die sieben­e neue Geschworne für ein Jahr, diese legten­ dann nach Ablauf des Jahres dem Senat — hiemit wird­ wohl der äußere Rath oder unsere heutige Communität bezeicnet — Rechnung über ihre­ Verwaltung ab. In diesem 8. *kommen also drei Abtheilungen der­­ Verwaltungsbe­­hörden vor: Magistratus, nehmlich Bürgermeister, Richter, Hann — Jurati, den jenigen Magistra­tualräthen entsprechend , — Senatus der äußere Rath, Communität, — von diesen. wurden geseßlich nur die Oberbeamten durch die freie Wahlstimme des Volks gewählt, wählbar waren nur die Geschwor­­nen, deren Zahl aber nirgends angegeben ist. -- (Es ist leicht zu ermessen, wie unendlich vielfältiger Miß­­brauch des Geseßes da möglich war! — Und ginge man gar zurück auf den Andreanischen Freibrief, so würde es sich schwer so­ kurzweg entscheiden lassen, ob in dem zweiten Artikel „Comes yero­­nicun­­„que fuerit Cibiniensis, nullum praesumat sta­­tuere in praedigtis comitatibus, nisi sit infra eos residens.“*) das Wort „statuere bestäti­gen oder­ gar einseßen«“heißen solle. — Nun rügt­­man es aber oft als nachtheilige Veränderung in der alten Sachsenverfassung, daß zum Nachtheil des ursprünglichen Freiheitsprinzipes dem Nationsgrafen zu großer Einfluß in die sächsischen Beamtenwah­­len­ einger­aumt­ sei „indem ihm gestattet wäre nach Willkühr drei Individuen zu erledigten Beamten­­oder Magistratsstellen zu candidiren; — fassen wir aber ohne Vorurh­eil und ohne überspannten Glau­­ben an das Heil der Volkssouverainität die Sache auf, wie die Erfahrung sie gibt, so ließe sich eher behaupten und beweisen, daß bei­derlei Candidatio­­nen dem Nationsgrafen zu wenig als zu viel Voll­­macht eingeräumt worden sei, oder daß vielleicht von der durch die Negulativpuncte eingeräumten Bollmache zu selten Gebrauch­ gemacht­ werde. Nehmen wir es als wahr an, daß in frühern Zeiten ohne alle Bei­­mischung nepotischer oder erfaufter Begünstigungen die Communitäten nur nach festem Wissen und Ge­­wissen ohne Candidation aus den Geschwornen gewählt, und die Gewählten ohne­ Bestäti­­gung in ihre Aemter eingeseßt hätten; so finden wir doc gewiß von der andern Seite bei nur einiger Erz­wägung der Verhältnisse, daß beides damals nicht nothig, ja in durchgreifender­­ Weise kaum thunlich war. Was damals bei Beamtenwahlen vorzüglich in Rechnung gezogen wurde und den Ausschlag gab, war erfahrungsreiches Alter, fieilicher Werth und ers­probter fühner Muth, bei wem diese Eigenschaften anzutreffen seien, und auf welche Ack sie si schon nußbringend für das allgemeine Beste bewährt hät­­ten, das konnten freilich die Mitbürger am leichtesten prüfen und am sichersten beurtheilen. — Höhere rechtswissenschaftliche Bildung wurde gar nicht gefe­­dert; ein gesunder Menschenverstand, Erfahrung und flegenlose Sittenreinheit reichten zu genügender Füh­­rung jedes städtischen Amtes hin; an gelehrten Kennt­­nissen hatte der Ortsnotarius mit kleinem Vorrath für alle genug. — Ein anderes ist es feßt, wo sich alle Lebensverhältnisse der bürgerlichen Gesellschaft allseitig­ künstlicher durc s<laungen haben. Die Rechts­­verhältnisse in demselben Grade verwi>elter gewor­­den sind, und die dadurch herbeigeführten Gefege und höhere Verordnungen ein eignes Studium erfordern. Der einzelne Bürger und der Staat machen andere Ansprüche an den Beamten, als die frühere­ Zeit. *) Wer immer Hermannstädter Gaugraf sei, der unterfange sich nicht in den genannten Gauen einen (Richter) einzufegen, der nicht daselbst ansäßig ist, Anm, d, Red,

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