Transsilvania - Beiblatt zum Siebenbürger Boten, 1851-1852 (Jahrgang 12, nr. 1-22)

1851-12-17 / nr. 1

Die deutsche Scriftsprache ist eine schöne, reich blühende Wiese, die ein in Jugendkraft lebender Gärtner, das deutsche Volk, in dem großen Völkergarten dieser Erde mit liebender Sorgfalt pflegt. Das lebendige Farbenspiel ihrer tausend bunten Blümchen, Dolden und vielgestaltigen Halm­en und Gräser macht einen vollkommen schönen in sich vollendeten Gesammt-Eindrug auf den aufmerksamen Betrach­­ter. Aber er darf über diesem Gesammteindrucke nicht die besondern, bunt abwechselnden Parthien vergessen, er soll an den einzelnen un­­scheinbaren Blüthenkelchen nicht leichtsinnig vorübergehn, die ihm zus­­ammengenommen erst den herrlichen Totaleindru> gewährt haben, und die in ihrer Vereinzelung, „für sich betrachtet,­­wem so, unendlich viel Eigenthümliches darbieten. Diese einzelnen Parthien, diese einzelnen Blüthen, aus denen unsere Gesammtsprache gleichsam zusammengefegt ist, sind die besonderen Mundarten des deutschen Volkes. Jede von ihnen hat ihre eigene Ideenwelt, in welcher sich der Geist eines deutscen Volkstheib­end am heimischsten fühlt und in der er die pas­­sendsten Klänge findet, womit er sein innerstes Wesen am besten und liebsten darzustellen vermag. Auch unser Sachsenvölklein, ein in den Boden Siebenbürgens verpflanztes und daselbst wurzelndes und schön grünendes Reis der großen deutschen Eiche, hat mit seinem eigenthümlichen Nationalleben auch die Form dafür, seine besondere Nationalmundart, naturgemäß entfaltet. Gleichwie nämlich die Nebe, die unsre Ahnen aus der schönen Heimath mitbrachten und mit ihr, mnc Lichtung gewaltiger Urwälder, die sonnigen Hügel der Kodelgegend bepflanzten, ihren spä­­testen Enkeln im Allgemeinen denselben Feuertrank liefert, wie ihn die Urväter von der Stammrebe am Rhein tranken, im Besondern aber, bei den Einflüßen des Himmelsstichs, der Lage, Bodenbeschaffenheit u.s.w. des neuen Vaterlandes auch eine gewisse Eigenthümlichkeit in ihrem Produkte hervorbringen mußte, so finden wir auch in unserm sächsischen Dialecte zwar im Allgemeinen die Grundzüge der gemein­­samen deutschen Nationalsprache wieder, aber wir erkennen darin auch viele besondere­ Einzelzüge, die sich im Laufe der Jahrhunderte unter den eigenthümlichen Verhältnissen, in weißen deutsches Wesen allhier in seiner Abgeschlossenheit sich entfaltet und geblüht, nothwendiger­­weise so und nicht anders gestalten mußte. Das jahrhundertelange Zusammenleben der, wenn auch aus verschiedenen Gegenden des­­ Mut­­terlandes eingewanderten Deutschen in Siebenbürgen, ihre tagtägliche materielle, geistige und politische Berührung, die Zähigkeit des sächsi­­schen Volkscharakters überhaupt, die sich von jeher in Abstoßung alles Fremdartigen, Nichtdeutschen in Sitte, Trader und Recht äußerte, was mentlich aber die engste Vereinigung des „Unus populus“­ zu Einem nationalen Ganzen und die bis in die Lehrzeit ausgeübte Autonomie in Geseßgebung und Verwaltung, so wie ihre lange be­­hauptete Reichsunmittelbarkeit, mußten auch, unter den besondern Ver­­hältnissen ihres neuen Vaterlandes, auf eine eigenthümliche Entwic­­lung ihres deutschen Volksgeistes und folglich auch der denselben Aus­serlich charakterisirenden Mundart wirken. So haben denn die Jahr­­hunderte einen Grunddialect gebildet, welcher heutzutage in allen deutschen Orten von Broos bis Draas, vom Brotfeld bis dahin, wo nach einem schönen Volksausbruck das sächsische Vater Unser aufhört, wenn auch in verschiedenartigen, so doc höchst unbedeutenden Nuan­­derungen und Scattirungen klingt und tönt. Und wenn sich auch die Dialekte unserer Brüder an der Regel, Burze und goldnen Bib­sig durc ihre Vokalwechslungen und Trü­bungen also in der Form von der Hermannstädter Provinzialmundart in etwas unterscheiden, so ardz met boch in allen ihren Klängen und Gesängen der echt sächsische Vol­ksgeist, der überall einer und derselbe ist, und sich in seiner Kernigkeit, Gediegenheit, Gemüthlichkeit und Biederkeit so vortheilhaft vor dem aller übrigen Deutschen herwärts der Leytha ausspricht. Man hat, wie den norddeutscen Mundarten im Allgemeinen, so auch dem­ siebenbürgisch fachsischen Dialekte etwas Plattes, Derbes und Breites vorgeworfen, welches denselben zu Volksdichtungen weni­ ‚ger geeignet machen soll, als die süddeutscen Mundarten. Aber gleichwie den Sachsen im Allgemeinen eine gewisse, nicht wegzuleug­­nende Umständlichkeit „und­ Schwerfälligkeit “carakterisirt, — der For­­scher jedoch, wenn es ihm gelingt, diese Eisenrinde vom Herzen des­­ Siebenbürger Deutschen zu lösen oder zu sc­hmelzen, eine unerschöpf­­­­liche Fülle nie geahnter, tiefer Gemüthlichkeit in dessen innerstem Wer­sen entde>t: so besige auch die sächsische Mundart, als Ausdru> des Volkscharakters, nebst ihren einzelnen breiten Selbstlautern eine Fülle der treffendsten und bezeichnendsten Idiotismen, eine Menge frequen­­tativer, diminutiver und onomatopoetischer Wortbildungen. Dazu ver­mögen gerade jene volltönenden Vokallaute der Mundart, sowie die ihr eigenthümlichen den Rhythmus und das Versmaß außerordentlich begünstigenden normalen Elisionen und Kontraktionen, besonders in Gedichten ernsten und schwermüthigen Inhaltes die Kraft der Sprac­he ungemein zu steigern.­­ Durc eine Anthologie, in welcher ich einige Hebeliigen Ger dichte zu lesen bekam, sowie durch die von Hrn. Prof. J.R. Scul­­ler noch im Jahre 1841 herausgegebenen Gedichte in siebenbür­­gisc Nähfisher Mundart wurde der Vorsatz in mir rege, mich in einigen poetischen Tändeleien in meinem Wutterdialecte, wenn auch nur aus dem Grunde zu versuchen, um manche Tieblosen Urtheile und ebenso häufigen, als voreiligen Ausfälle auf das angeblich Ungelenke, Bildungsunfähige und die niedrige Entwickklungsstufe unsrer Munde art, womöglich zu paralysiren und poetisch befähigte Talente auf die­­sen, im Mutterlande dur< Hebel, Castelli, Stelzhamer und A. so schön gepflegten Zweig der Volksdichtung aufmerksam zu machen und dieselben für die sächsische Volkspoesie­ gewinnen und entflammen zu können. — S. schrieb daher während einer Ferienzeit in Kerz im Jahre 1847 die vier Gedichte: Bräutigams Tod, Mein Bäch­­lein, Wiegenlied und Weibertreue, von denen das zweite in Nr. 5 der „Blätter für Geist“ Ic. vom Jahre 1848 erschien und von da auch in die Spalten des in Prag herausgegebenen „Panorama“ über­­ging. In den Jahren 1848 und 1849, wo unter dem Waffengetöse die Musen im ganzen Lande verstummen mußten, vergaß ich jene er­­sten, flüchtigen Versuche fast ganz und hatte weder Zeit vom Muße, mich ferner der mundartlich-sächsischen Poesie zu widmen. Erst im Spätherbst 1850 veranlaßte die Erinnerung an den Besuch einer der reizendsten Gebirgsparthien des Landes und insbesondere die entzüc­­kende und großartige Schönheit des sogenannten Adlersees,­ zwischen der Vinatura Butianu und der Eule auf den Kerzer Gebir­­gen, mein Gedicht: der Alpensee, welches ich nebst andern in einer der ersten Hermannstädter Zweigvereinsfigungen zu Anfang­ l. J. mit­­theilte. Die freundliche Aufnahme, welce diesen geringen­ Spenden für die Literatur unsers Völkleins sowohl in den hiesigen Zweigver­­einssversammlungen, als auch in der heutigen Repser Generalversamm­­lung des Vereins für siebenbürgische Landeskunde zu Theil wurde, und die liebreiche Aufmunterung meines hof verehrtesten Lehrers, Hrn. Prof. Schuller gaben mir den Muth, mich in Stunden der Muße und Ruhe in ähnlichen Dichtungen zu versuchen, die ich, so Gott will, und die unverkennbare Vorliebe meiner Volksgenossen für ihre Mund­­art — in deren Tönen ihnen die ganze Innigkeit und Gemüthlichkeit ihres Familien- und Nationallebens auch in die dumpfen Räume des spätern Berufslebens hinüber klingt, — mich unterstoßen sollte, gesam­.­ meit herauszugeben gedenke. — Als Probe meiner dichterischen Vers­suche in siebenbürgisch fähsischer Mundart, wage­ in, mein erstes fähfisches Gedicht, Bräutigams Tod­­ hiemit der Öffentlichkeit zu übergeben und zugleich der nachsichtsvollsten Beurtheilung der geneige­e­ten Leser dieses Blattes zu empfehlen. Wie unendlich weil dieses erste wie auch alle meine nachfolgenden sächsischen Gedichte nach Form und Inhalt hinter dem Ideale echter Volksdichtung zurückleiben, fühle ich selbst nur zu sehr und jeder wird es fühlen, der aus eigner, Anschauung d­es sächsischen Volkslebens die tiefe Innigkeit und Ger‘­mützhlichkeit, die kindliche Maivität, den leichten Humor und dabei doch: jene selbstbewußte Haltung, jenen würdigen Ernst kennen gelernt hat, welche unsre Nation durchwegs carakterisiren- Wer die Volkspoesie, und folglich auch die sächsische in ihrer Totalität erkennen will, muß: ins Volk steigen, im Volke sim bewegen, mit ihm denken und mit ihm fühlen. =" jedes Gedicht "ist gleichsam nur ein Prima, welches ein­­­zelne aufgenommene Strahlen , zwar im buntesten Farbenglanze gefäl­­­liger und mehr oder minder­ gelungener Form zurückspiegelt, aber das heile reine Licht der Volkspoesie selbst in feiner Klarheit und Voll­­ständigkeit nie ganz wiederzugeben vermag. — * PEN x

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