Ungarische Revue 1. (Budapest, 1881)

1881 / 1. heft - Literatur und Kunst - Gusztav Heinrich: Deutsch-ungarische Literatur

DEUTSCH-UNGARISCHE LITERATUR. 45 Betracht kommen, da ja ein solcher Band nicht dazu bestimmt ist, in einem Zuge durchgelesen zu werden. Bei der Beurtheilung der Uebersetzung muss unstreitig auch die Qualität der übertragenen Gedichte mit in Rechnung gezogen werden. Je vorzüglicher, nach Inhalt und Form vollendeter ein Gedicht, desto leichter, oder doch desto lockender und lohnender ist die Uebertragung, da der absolute poetische Gehalt den Uebersetzer selbst hebt. Im umgekehrten Fall liegt nicht nur die Gefahr nahe, ein schwaches deutsches Lied zu produzieren, sondern selbst die Vorzüge des Originals, welche gerade bei Petőfi in der Sprache und im Rhythmus seiner Dichtungen stets vorhanden sind, zu verlieren und so ein doppelt schwaches Product ans Licht zu fördern. Wer den vorliegenden Band nur flüchtig durchblättert, wird sofort bemerken, dass die Uebertragungen im Grossen und Ganzen von Seite zu Seite, von Bogen zu Bogen besser werden, — es folgen eben immer voll­endetere Gedichte, deren Werth zwar ebenfalls mit auf der unvergleich­lichen Sprache und Form des Originals, aber zugleich auch auf dem Reich­thum an Gedanken und Bildern, auf der Fülle ergreifender Stimmungen, auf der Vollendung künstlerischer Gestaltung beruht. Wir haben in einem grossem Artikel im zweiten Bande dieser «Berichte» (S. 61—96) nachgewiesen, an welchen tiefwurzelnden, den vollen Erfolg von vorn herein vereitelnden Mängeln die meisten Uebersetzungen aus dem Ungarischen leiden. Mangelhaftes Verständniss des Originals, ge­ringe dichterische Begabung der Uebersetzer, grobe Verhunzungen der deutschen Sprache, unkünstlerische Behandlung des deutschen Verses, -— das waren die auffälligsten Sünden, deren wir die meisten bisherigen Ver­suche auf diesem Felde zeihen mussten. Von diesen allerauffälligsten Uebeln ist die vorhegende Uebertragung beinahe ganz frei. Dagegen klingt allerdings manches prosaisch oder doch matt, manches auch recht un­logisch. Wenn es z. B. heisst: Dem Gegirr der Tauben Alles lauschet, Dies die Quelle, die sie lustberauschet — so wird man gern zugeben, dass von einer «Quelle ihrer Lust» wohl ge­sprochen werden könnte ; das «Gegirr der Tauben» kann aber keinesfalls als Quelle bezeichnet werden, welche etwas ausübt. Auch wird Niemand einen Contrast wahrnehmen, wenn es heisst: Ob sie vom Wuchs der Ceder, Ob sie von zartem Bau — wo bei Petőfi der schlanke Cedernwuchs dem runden Körperbau entgegen­gestellt ist. Oder wenn vom Schwan gesagt wird, dass er Mit weissem Halse nickt dem Mondesschein, Der in der Fluth zu seinen Füssen liegt denn es geht das ganze schöne Bild verloren, wenn wir statt des Mondes den MondesscTtem zu Füssen des Schwanes denken sollen. Höchst un schön heisst es :

Next