Evangelischen Gymnasiums zu Kronstadt, Brassó, 1884

Demosthenes. Eine Studie. (Zweite Hälfte.) Der einzige Vorteil, wenn man es einen solchen nennen kann, den die Athener im Frieden erlangt hatten, war, dass ihnen ihr Besitzstand garantiert wurde. Aber auch dieser Vorteil war zweifelhaft. Denn während sie selbst den Frieden bereits beschworen hatten, mussten sie, da Philipp’s Abgeordnete erklärten, ihre Vollmachten reichten nicht so weit, erst eine Gesandtschaft an Philipp abordnen, die auch ihn auf den Frieden vereidigen sollte. Inzwischen hatte der König freie Hand und konnte — den Chersonnes hatte er zu schonen versprochen — die Plätze, die Chares auf dem Festlande besetzt hatte, nehmen und dem Kersobleptes, der unter Athens Bundes­genossen zu rechnen ist, weiter bekriegen. Demosthenes nahm mit Widerstreben an der Gesandt­schaft, in der sich keine Person befand, auf die er sich verlassen konnte, Teil. Er drängte nun, in Krkenntniss der drohenden Nachteile auf schleunige Abreise. Seine Kollegen hatten aber nicht solche Eile. Durch einen vom Rat erwirkten Befehl erzwang er endlich die Abreise. Aber statt zu Schiff nach Thrakien zu fahren, was in 10, unter günstigen Umständen sogar in 3—4 Tagen bewerkstelligt werden konnte, nahmen die Gesandten ihren Weg durch Thessalien und erreichten nach 23-tägiger Reise Pella, wo sie, trotz Demosthenes Drängen, die Ankunft Philipp’s, der von Pella abwesend war, erwarteten. Sieben Wochen nach ihrer Abreise von Athen traf Philipp in Pella ein. Er hatte in Thrakien einen Platz nach dem andern erobert, die athenischen Besatzungen vertrieben, Kersobleptes besiegt und zum Frieden gezwungen. Er hätte sich von diesen Eroberungen vielleicht auch durch die Intervention der athenischen Gesandtschaft nicht abhalten lassen; das wäre aber dann offenbarer Friedensbruch gewesen, während diese jetzt von der Zurückgabe seiner gemachten Eroberungen nicht einmal sprechen durften. Aus fast allen hellenischen Staaten waren Abgeordnete in Pella erschienen; die athenischen wurden vor allen ausgezeichnet, weil Athens Freundschaft für Philipp am meisten Wert hatte. Denn wenn er, wie es von Anfang seine Absicht gewesen, in Phokis entschreiten wollte, musste er in den Besitz der Thermopylen gelangen, die Phalaikos beherrschte. Warfen die Athener, wie sie es schon einmal gethan hatten, eine Flotte in den malischen Golf, so war Philipp ein Vordringen unmöglich gemacht, denn Phalaikos war alsdann im Rücken und in der Flanke gedeckt. Es kam also Alles auf die Haltung der Athener an. Durch Geld, das Mittel, das Philipp immer die besten Dienste geleistet hatte, suchte er diese Haltung zu beeinflussen. Verschwenderisch verteilte er unter die Gesandten Geschenke: Demosthenes lehnte sie ab. Philipp Hess abermals eine grosse »Summe allen insgesamt reichen: Demosthenes schloss sich von der Teilung aus und seine Kollegen nahmen auch seinen Anteil in Empfang. Philipp’s Mittel wirkte. Die Gesandten waren ihm in allem willfährig: der Friede

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