Bukarester Gemeindeblatt, 1926 (Jahrgang 18, nr. 1-52)

1926-01-03 / nr. 1

2 NT. 1 BUKARESTER GEMEINDEBLATT unseres Schulwesens auf Grund des kürzlich be­schlossenen Gesetzes über die Privatschulen. Es werden daher in den kommenden Monaten von uns Entscheidungen und Entschlüsse gefordert wer­den, die an folgenschwerer Bedeutung nur wenig ihresgleichen in der nun über 200 Jahr alten Ge­schichte unserer Gemeinde finden. Je stärker nun die Unsicherheit der Zukunft auf uns lastet, desto mehr müssen wir uns auf die eigentlichen Grundlagen unseres Gemeindelebens in Kirche und Schule besinnen, die zugleich die rechten und festen Grundlagen des Lebens überhaupt sind: starker Glaube und lebendige Liebe, in dem Be­wusstsein, dass eie Sache unserer Gemeinde ei­ne uns von Gott gewiesene Aufgabe darstellt. Dass darum jede Lauheit und jede Gleichgültigkeit einem Dolchstoss gleicht, der von hinten dem Kämpfenden zugefügt wird. Je mehr uns die Unsi­cherheit aller zukünftigen Entwicklung von der Ohnmacht alles menschlichen Tuns überzeugt, um­somehr müssen wir aüf Gott trauen und unsere Pflicht tun. — In solcher Gemeinsamkeit des Glaubens und des Wollens beruht die rechte Gemeinschaft; sie zu wecken und zu erhalten, soll auch die Aufgabe unseres Blattes bleiben, und dass sie uns alle mehr und mehr zusammenschliesse, ist der beste und tiefste Wunsch, mit dem wir alle Leser an der Schwelle des Neuen Jahres grüssen. Die S c h r i f 11 e i t u n g. —o----­ Das neue Prioatschulaesetz Die Auswirkungen des neuen Gesetzes sol­len liier nur im Hinblick auf unsere Bukarestet Schulen bzw. die Gemeindeschulen im Altreich überhaupt besprochen werden. Seine Bedeutung für die Siedlungsgebiete mit geschlossenen deutschen Minderheiten ist sonst genug erörtert worden und ist auch wesentlich verschieden von der für unsere Verhältnisse sich ergebenden. Am faktischen Be­sitzstand und an der Organisation der sächsischen Schulen in Siebenbürgen z. B. ändert es auch nicht viel, wenn gleich die .rechtliche Grundlage die kirchliche Autonomie aufs Schwerste erschüttert ist, da die meisten der darin enthaltenen Neuerun­gen dort schon bisher auf dem Verordnungswege eingeiührt würden. Für uns treten aber rechtlich sowohl, wie tatsächlich bedeutsame Aenderungen erst j£tzt in Kraft. Die wesentlichste auf rechtlichem Gebiet ist wohl die, dass nun auch unsere Schulen den Cha­rakter von konfessionellen Anstalten erhalten, als deren Erhalter und zugleich oberster gesetzlicher Vertretungskörper die gesamte evangelisch-deut­sche Kirche in Rumänien zu betrachten ist. Da­durch werden sie aus einer isolierten Stellung, deren Rechtscharakter zum schweren Schauen der Schulen nicht geklärt war, herausgehoben und ei­nem grossem Organismus eingegliedert, der natür­lich viel besser in der Lage ist, ihre gerechtfertig­ten Interessen wirksam zu vertreten. Eines dieser Hauptinteressen ist nie Erlan­gung des Oetfentlichkeitsrechtes. Waren nach dem bisher geltenden Gesetz des Altreiches nur Schu­len mit rumänischer Unterrichtssprache in der Lage ein solches de iure zu erlangen, so ist dies im neuen Gesetz davon nicht mehr abhängig gemacht. Es muss wohl durchaus „wenigstens oas Staats­programm” unterrichtet werden, aber dies kann bis auf rumänische Sprache, Geschichte und Geo­graphie in der Unterrichtssprache erfolgen. Ja, das1 Gesetz schreibt für die Volksschulen sogar die Einführung des rumänischen Sprachunterrichts erst von der dritten Klasse an vor. Erhalten nun un­sere Schulen dies Recht, so lallen die jährlichen Staatsprüfungen f ü r a 11 e Stufen fort und die Schüler erhalten auf Grund ihrer in uer Schule selbst erworbenen Zeugnisse sämtliche Rechte, die den Staatsschülern zustehen. Allerdings geht dieses Recht au unsere Schulen nicht automatisch über, sondern es muss erst aut Grund des Nachweises von so und so viel erfüllten Bedingungen darum nachgesucht werden. Es wird nun Aufgabe der verantwortlichen Stellen sein, mit allem Nachdruck auf der Durchsetzung dieses Rechtes ?:u bestehen. Eine wesentliche Einschränkung des taktischen Besitzstandes unserer Schulanstalten bedeutet aller­dings die zweite Neuerung von einschneidender Bedeutung, dass in Schulen mit anderer als rumäni­scher Unterrichtssprache nur Schüler aufgenommen werden dürfen, deren Muttersprache auch die Un­terrichtssprache ist. Diesem nach können in unsere ,Schulanstalten nur Schüler deutscher Muttersprache aufgenommen werden. Es ist allerdings durch eine' authentische Erklärung des Ministers Anghelescu in der Kammer dem Ministerium die Möglichkeit Vor­behalten geblieben, in einzelnen Fällen von dieser Bestimmung abzugehert. In unseren Schulen sind es besonders die vielen nicht-deutscher Mutterspra­che, denen eine solche Bewilligung selbstverständ­lich gegeben werden muss. Immerhin ist mit dem Abgang der zahlreichen Schüler rumänischer Mut­tersprache zu rechnen, die zu ihrem eigenen Nach­teil nun nicht mehr in der Lage sein w erden, auch eine zw eite Sprache fund Kultur neben ihre1- eigenen gründlich kennen zu lernen. So werden unsere Schulanstalten von selbst den Charakter der „Min­derheitsschulen” erhalten, der ihrem ursprünglichen Gründungszweck auch durchaus entspricht. Gesetzlich festgelegt ist nunmehr auch die Bestimmung, die tatsächlich in den letzten. 2 Jahren auch schon auf (unsere Anstalten angewendet wurde, dass nämlich die Lehrkräfte, bis auf Fachlehrer lür gewisse Gegenstände, rumänische Staatsbürger sein müssen. Damit ist der aus rein schultechni­schen und pädagogischen Gründen sehr bedauer­liche Zuştand eingetreten, dass mit dem ständigen Zuzug junger tüchtiger reichsdeutscher Lehrkräfte

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