Hermannstädter Zeitung, 1968. július-december (1. évfolyam, 21-49. szám)
1968-07-05 / 21. szám
Hermannstädter Zeitung Nr. 21 / 5. Juli 1968 Fest der ältesten Kunst Ausdruck der unauslöschlichen Begabung des Volkes Von Dr. Cornel IRIMIE Während ich den Trachtenumzug, der Sonntag in der Stadt am Zibin stattfand, verfolgte, hatte ich die Lithographien von Franz Neuhauser vor Augen. Bekanntlich stellt die eine einen Jahrmarkt im Jahre 1819 und die zweite einen Tanz der rumänischen „Căluşari“ dar. Es schien mir, als hätten diese Gravüren Neuhausers, die Gestalten der Rumänen, Deutschen, Ungarn, hier und heute in einem gewaltigen Rahmen und auf einem historischen Hintergrund wieder Leben bekommen. Ich dachte auch an ein Hermannstädter Folklorefestival, das in Zukunft regelmässig zu festgesetztem Zeitpunkt stattfinden soll. Dieses Folklorefestival, auf Grund von wissenschaftlichen Forschungen organisiert, kann die reichen Schöpfungen der Volkskunst aller mitwohnenden Nationalitäten, die zusammen leben und arbeiten, zur Schau stellen. Heute, wie auch zur Zeit von Franz Neuhauser, und aller historischen Perioden (sogar noch bevor es schriftliche Zeugnisse dafür gab) war Her- Trachten und Tänzen hinterlassen zu innstadt ein Mittelpunkt, der mit en Teilen des Landes Wechselbeirung hatte. Die historische Kontiität der Bevölkerung, ihre kulturelle lheit, der ununterbrochene und vieltige Wechsel der ökonomischen, sollen und kulturellen Beziehungen lienen ihre lebendigen Spuren in den löpfungen der Volkskunst, den haben. Die Nachkommen jener, die auf den Gravüren von Franz Neuhauser abgebildet sind, haben mit ihrem Frohsinn, ihren stolzen Trachten, der Schönheit ihrer Lieder und Tänze gezeigt, dass sie heute glücklich sind, vereint durch die gemeinsame Arbeit und die Freude am neuen Leben. Alle Teilnehmerformationen, die wunderbaren Blaskapellen ausNeppendorf, Grossau, Grosspold, die Trachtengruppen, die Flötenspieler sind für ihre Teilnahme an dem Fest zu beglückwünschen. Sie alle sind ein Beispiel und ein Ansporn, gleichzeitig aber auch eine Gewähr für das Gelingen zukünftiger Trachtenumzüge, von denen die Vertreter keines Dorfes und keiner Gemeinde fehlen dürfen. Durch ihre Anzahl, ihre Haltung und authentische rumänische Tracht verdienen die Gruppen aus Gura Rîului, Jina, Răşinari, Zoodt, Sălişte und Blăjel besonderes Lob. Ebenso die sächsischen Teilnehmer aus Schönberg und Stolzenburg. Erwähnenswert sind auch die Formationen aus Porumbacu und Veştem, welche die Bräuche auf rumänischen Hochzeiten vorführten. Das Fest der Trachten, des Liedes und Tanzes ist ein Fest der ältesten Kunst, ist Ausdruck der unauslöschlichen Begabung des Volkes, das auch auf diesem Wege seinen Entschluss zu leben und seine Freude zu arbeiten zum Ausdruck bringt. Mit Beifall begriisst: die Braut aus Porumbacu de Jos Michael Gärtz an der Spitze der Neppendörfer Blasmusik Reportage Seite 3 Trachten-Mosaik vor alten Mauern Farbige Follcloreschau in Hermannstadt Zuerst tauchten sie einzeln auf und Hessen sich von den Hermannstädtern bestaunen: Mädchen und Jungen in den malerischen Volkstrachten ihrer Dörfer. Dann hallten die Marschklänge der Blaskapellen durch die Stadt, lockten Neugierige auf die Strassen, in Fenster und Türen; Blasmusik-Begeisterte strömten herbei und Hessen es sich nicht nehmen, mit den Kapellen ein Stück Wegs mitzumarschieren. Im Gleichtakt ging’s durch die Strassen der Vorstädte, dann durch die Innenstadt. Und Hermannstadt blieb bei diesem Aufruf der Blasinstrumente, mit ihnen an diesem sonnigen Tag ins Grüne hinauszuwandern und zu feiern, nicht stumm. Es ergoss seine Einwohner auf die engen Strassen und Hess sie Spalier stehen zu Ehren dieses einzigartigen Festes der Trachten und der Volkskunst. Mit Blasmusik zur Stadt hinaus Pünktlich (ein Lob den Organisatoren!) gegen halb zwölf Uhr strömten von den einzelnen Sammelstellen aus die Volkstrachtengruppen dem Grossen Ri|ng zu. (Als erste waren die „Hochzeiter“ aus Porumbacu de Jos in der Stadt eingetroffen, als zweite die Michelsberger. Absteigequartiere gab es für jede Gruppe.) An der Spitze des Zuges die Neppendörfer Blaskapelle mit ihrem Veteran Michael Gärtz. Trotz seines hohen Alters stiess er den langen Tambourstab mit jugendlichem Schwung über die Köpfe seiner Bläser hinaus und quittierte die Applause des Publikums und das Händedrücken seiner vielen Bekannten mit einem kleinen Lächeln und — mit strammer Haltung. Ein Ständchen für die Gastgeber — die Grctsauer Adjuvanten und dip Flötenspieler aus mehreren Dörfern lösten einander ab —, dann gaben die Neppendörfer das Zeichen zum Aufbruch. Der lange Zug der 2500 Volkstrachten-Träger aus 35 Dörfern des Kreises defilierte die Heltauergasse hinauf. Es wurde eine Trachtenschau, so bunt und so eindrucksvoll in ihrer Vitelfalt und Eigenständigkeit, wie sie Hermannstadt noch nicht erlebt hat. Reiterkavalkade und Hochzeitszug Vor dem Boulevard-Hotel hatten sich die Vertreter der lokalen Parteiund Staatsführung sowie die Veranstalter — das Kreiskomitee für Kultur und Kunst und das Haus für Volkskunstschaffen —, und viele Schaulustige eimgefunden. Und das, was sich den Versammelten hier bot, dieses farbenprächtige Mosaik der Volkstrachten, war selbst für Kenner von grösstem Interesse. Die „Märginimea Sibiului“, von Boiţa bis Jina, bot sich hijer als Trachtengebiet von seltener Geschlossenheit dar. Das elegante Schwarz-Weiss der rumänischen Kleidung beeindruckte ebenso wie die Verschiedenheit der Frauenhemden, der „catrinţă“, des Kopfschmuckes. Eine ganze Reihe verschiedener Brustpelze zog vorbei und erinnerte an den Beitrag der Kürschner; dann wieder Trachten, bei denen der rote Wollgürtel (anstelle des ledernen „şerpars“) auffiel. Trachten aus Sălişte, Gura Rîului, Apoldu de Jos — wohin soll man sehen? Welche soll man sich merken? Die Eigenart der Hirtentracht, der „bituşe“ von Jina, des „cojoc păcurăresc“. Frauen mit Schleiertüchern, Mädchen mit Borten, sonnenglitzernde Heftel und Spangengürtel, Bockelnadeln, Stirnbänder und Häubchen, verschieden von Dorf zu Dorf, verschieden nach Altersgruppen: Die Farbenfreudigkeit der sächsischen Trachten bildet eine vollkommene Ergänzung dieser reichen Trachtenschau, die uns ein Bild der Folklore unseres Kreises gibt. Wir hören den Fachmann Herbert Hoffmann erklären: „Durch das Hinzukommen dreier Trachtenzonen zu dem .alten Land“, und zwar eines Teils des Unterwaldes, des Kokelgebietes und des Harbachtals, ist die Palette der sächsischen Volkstracht in ihrer Buntheit um ein bedeutendes angewachsen. Für Fachleute interessant: die eigenartige Frauentracht von Grosspold, die blaue Mädchentracht von Frauendorf, di|e altertümlich-barocke Tracht der Schönbergerinnen — und sicher auch die bekannten Trachten aus dem Umkreis Herrn annstadts“. Es ist keine Zeit, viel zu notieren. Mit Zurufen und starkem Beifall begriisst, gallopiert gerade die Reiterkavalkade des Hochzeitszuges aus Porumbacu de Jos vorbei. Den Reitern folgen die Bauernwagen mit Braut, Hochzeitsgästen und Gaben. Und damit der Aufzug auch echt erscheint, schwenken die „Gäste“, singend und Stimmung ausströmend, ihre Flaschen. „Kommt zur Hochzeit... zum Volksfest... zu Musik und Trank...“ Bunter Reigen im Jungen Wald Am Nachmittag schien ganz Hermannstadt im Jungen Wald versammelt zu sein. Autobusse und Strassenbahn waren dem Ansturm der Festgäste kaum gewachsen. Durch das Tor des Răşinarer Kulturhauses (durch das üblicherweise Hochzeitsgäste schreiten) ging es auf die Festwiese. Auf drei Bühnen wetteiferten die Laienkünstler, die am Vormittag ihre Trachten zur Schau getragen hatten, in Tanz, Gesang und Musik. Welcher Bühne sollte man das Vorrecht geben? Die Schaulustigen wanderten von einer zur anderen, Hessen sich anlocken von dem schmetternden Tra-ra der Trompeten, den rhythmischen Schritten der Tänzer oder von den Volksweisen der Bauernchöre. Hier spielen die Grosspoldner Adjuvanten, dort wirbeln Mädchen und Jungen in einem rumänischen Volkstanz über die Bretter, die Tanzgruppe aus Grossau führt einen Ländler vor. Man sieht zu, lässt sich dann einen Braten und eine Flasche Bier auftragen — um dann wieder, auf dem Rasen ausruhend „die Musik zu gemessen“, wie uns eine ältere Frau zuruft. Bei Lammsbraten und Palukes Laienkünstler sondern sich ab, bilden Gruppen und man hört sie fachsimpeln. Die von Gura Rîuluil wollen eine Blaskapelle gründen. Ja, das sei nicht so leicht, gibt Professor Hans Göllner, Leiter der Grossauer Blasmusik, zu verstehen. Zuerst müsse man die Leute finden und viel Begeisterung ... Die Reiter aus Porumbacu sprengen auf ihren Pferden über dije Wiese — bestaunt von den Kindern, ängstlich verfolgt von sorgsamen Müttern ... Bei der Miniatur„stîna“ sammeln sich Menschen. Man will auch den so gelobten „Burduf“Käse kosten, ein wenig Lammsbraten mit Palukes verzehren. Die Genossenschaft „Arta Sibiului“ bietet wertvolle Handarbeiten, Stickereien, Hausweben und Flechtarbeiten an. An den Ständen der Staatsfarmen werden Prachtexemplare von Kijrschen und Aprikosen verkauft. Hier, zwischen improvisierten Bühnen, Verkaufsständen und im Gras lagernden Menschen trafen wir Genossin Maria Fanache, Vorsitzende des Kreiskomitees für Kultur und Kunst. Sie eilte von einer Laienkunstgruppe zur anderen, begrüsste Bekannte, beglückwünschte für gutes Auftreten — und hatte auch für uns einige Augenblicke frei: „Etwas über die Organisierung des Festes, über seinen Zweck ...“. „Mit der Organisierung haben sich die Inspektoren des Komitees für Kultur und Kunst und die Methodologen des Hauses für Volkskunstschaffen eingehend beschäftigt. Täglich waren sie unterwegs, führten unzählige Telefongespräche. Dabei wurden wir von den lokalen Behörden wirksam unterstützt. Ich glaube, es ist uns gelungen, ein schönes Volksfest zu veranstalten. Wir wollten feststellen, was unser Kreis an authentischen Volkstrachten und -brauchen aufweisen kann, und haben uns jetzt Rechenschaft gegeben, dass wir auf diesem Gebiet überaus reich sind. Nicht zum letzten Mal Wir denken an ein Erntefest in grossem Stil, und dann an ein alljährliches Volksfest dieser Art. Vielleicht werden wir auch Gäste aus anderen Kreisen — oder sogar aus dem Ausland haben ... Jedenfalls sollen diese Feste die noch erhaltenen Bräuche pflegen und die Volkstrachten wieder zu ihrem Recht kommen lassen.“ Bis spät abends hitelt die gute Stimmung im Jungen Wald an. Und als dann gruppenweise Künstler und Publikum nach Hause strebten, waren sich alle einig, einen schönen, erlebnisreichen Tag verbracht zu haben. Horst BREIHOFER Die Stolzenburger Tanzgruppe Mädchen aus Sălişte Hirtenweise Fotos: Fred NUSS Sie sagten: Es war schön! Michael Gärtz (Nestor und Kappellmeister der Neppendörfer Blasmusik, 75 Jahre alt, 65 Jahre im Dienste der Blasmusik): „Ein schönes Fest bei schönem Wetter. Uns Teilnehmern hat es grosse Freude bereitet.“ Alexandru Mihalcea (Journalist aus Konstanza): „Ich bin auf der Durchfahrt, habe nicht geahnt, dass es hier gerade eine so starke Folkloretradition gibt. Ich werde in meiner Zeitung darüber schreiben.“ Walter Fleischer (12 Jahre alt, Mitglied der Grossauer Schüler-Blaskapelle): „Mein Vater spielt auch Klarinette. Ich bin Pionier, habe am 1. Juni bei einem Lagerfeuer gespielt. Hier gefällt es mir auch sehr gut.“ Johann Roh r s d o r f e r (Bläser in der Grosspolder Dorfkapelle, 57 Jahre alt): „Wir haben unsere Frauen auch mitgebracht. Sie hätten uns allein nicht kommen lassen. Zur Sicherheit haben wir uns Wein mitgebracht, aber — es war nicht notwendig.“ Vasile T riştiu (Sänger, Gura Rîului): „Unser Chor erhielt beim Wettbewerb 1968 den dritten Preis. Uns hat heute das Hermannstädter Publikum beeindruckt. Wir haben seine Sympathie gespürt.“ Katharina Müller, Sophie Gross und Maria Gabel (Gro' sscheuern). Wie aus einem Munde: „Wir haben die Trachten von unseren Grossmüttern. Wir sind zum ersten Mal in der Trächt durch Hermännstadt marschiert." Tudor D r um e a (Kraftfahrer aus Drăgăşani): „Besonders beeindruckt hat mich die Bauernhochzeit aus Porumbacu.*