Kirchliche Blätter, 1908. Mai -1909. April (Jahrgang 13, nr. 1-52)

1908-05-07 / nr. 1

5 " Nr. 1. 1.1"««6 Unnerkirchliche Fragen. En „zwei Schulfragen. Die eine ist die brennendste unserer Schulfragen, die vage, wie der verheerenden Wirkung des neuen Volks­­schulgesäßes für den sonstigen Unterrichtsbetrieb unserer Volksschule vorgebeugt werden sol. Die Gefahr einer solchen Wirkung liegt ebenso sehr in der hochgespannten Forderung wie in der erempten Stellung des magyarischen Unter­­richts. Ebenso sehr dadurch, daß im magyarischen Unterricht ein bestimmter Erfolg unbedingt nachgewiesen werden muß, “ wie dadurch, daß von dem Grade dieses Erfolges die Stellung des Lehrers, ja die Zukunft der Schule abhängt, wird dem magyarischen Unterricht ein solches Übergewicht Nachzudeich Richtungen insbesondere ist eine solche genaue Eingrenzung­ notwendig. inerseits wird von staatlichen Aufsichtsorganen öfters die Forderung gestellt, es sollten­­ verschiedene Partien anderer Unterrichtsgegen­­stände (z. B. Rechnen, Geographie, Geschichte, Naturkunde) auch magyarisch vorgetragen beziehungsweise geü­bt werden. Methodisch ist Diese Forderung vollständig berechtigt, nur ist e3 selbstverständlich, daß diese Übungen im Rahmen des magyarischen Unterrichtes, beziehungsweise in den direkt dem Magyarischen zugewiesenen Stunden abgehalten werden, wobei lehrplanmäßig dafür gesorgt werden muß, daß vom Realunterricht aus fortwährend entsprechende Partien dem magyarischen Unterricht zugewiesen werden können. Die etwaige Forderung, diese Übungen an den Nealunterricht selbst sofort anzuschließen und so den Unter­­richt in den Nealien doppelsprachig zu gestalten, muß einheitlich auf der ganzen Linie zurücgewiesen werden, damit nicht der einzelne Lehrer dadurch der staatlichen Suspertion gegenüber in unlieb­same Kollisionen komme. Nach­ einer anderen Richtung gehen die gestellten Forderungen zuweilen darin über das gejeglich vorgeschriebene Maß hinaus, daß auch die Zwischenstunden, sowie der Verkehr zwischen Lehrer und Schüler überhaupt dem magyarischen Sprachunterricht dienstbar gemacht werden will. Auch hier muß einheitliches, durch behördliche Aufsicht autorisiertes Vorgehen das Recht und die Pflicht der muttersprachlichen Schulsprache wahren. Der einzelne Lehrer ist s­olchen übergreifenden Anforderungen gegenüber sonst in zu schwie­­riger Lage. Da aber nun ebenso nach der Kategorie der ver­­schiedenstufigen Schulanstalten wie nach den sonstigen Ver­­hältnissen die genauen Lehrstoffnormen Kirchenbezirksweise festgestellt werden müssen — natürlich im Rahmen des für die gesamte Landeskirche geltenden einheitlichen Lehr­­­planes — dürfte es sich empfehlen, in jedem Kirchenbezirk von den Bezirkskonsistorien aus je einen und nur einen Fach­­mann mit der Aufsicht und Organisation des magyarischen ne zu betrauen und ihm zur Aufgabe zu stellen, dafür zu sorgen, daß in jeder Volksschule einerseits der magyarische Unterricht in zweckmäßigem Unterrichtsgang und redlichem Bemühen erteilt wie andererseits die Grenze zwischen den berechtigten und ungeweglichen Forderungen eingehalten werde. Er wird ebenso sehr darüber zu wachen haben, daß in jeder V­olfsschule den gejeglichen Forderungen wirklich Geniüge geschehe, wie er andererseits durch genaue Kenntnis der einzelnen Schulen und ihrer Leistungen dem Staat und dem Verwaltungsausschüsse gegenüber der Eides­­helfer der Lehrer sein wird, auf den sie sich persönlichen und fachlichen Beanstandungen gegenüber mit Nachdruck berufen können. Daß diesen Fachinspektoren der Bezirks­­konsistorien von unserer obersten Schul- und Kirchenbe­­hörde aus von Zeit zu HBeit Gelegenheit geboten werde, ein einheitliches Vorgehen unter sich zu vereinbaren, liegt gegeben, daß dadurch das pädagogische Gleichgewicht des ganzen Unterrichtssystems ins Sch­wanfen gerät. Die Wirkung zeigt sich schon fegt, indem schon Lehrerversamm­­lungen auf einzelnen Gebieten, so im Religionsunterricht, einen fluchtähnlichen Rüczug angetreten und aus Angst, nunmehr das Unterrichtsgange nicht bewältigen zu können, wertvollste Stoffe über Bord geworfen haben. Hier­ muß Einhalt getan werden und es darf der Gefahr der Erdrodung des Gesamtunterrichts durch den magyarischen Sprach­­unterricht nicht durch Schmälerung der übrigen Lehr- und Bildungsstoffe sondern nur der intensive Arbeit und zweckmäßige Aufsicht begegnet werden. Auf diese leitere möchte ich hier die Aufmerksamkeit lenken. Unter allen Umständen, wie immer der zu erwartende Lehrplan für den magyarischen Sprachunterricht aussehen wird, wird das belastende Moment nicht in den erhöhten Forderungen an Unterrichtsstunden und Sprachstoff liegen sondern in der seelischen Unsicherheit und Unruhe des Lehrers diesem Unterrichtsgegenstand gegenüber, bei dessen Betrieb ihm fortan das Damoklesichwert über dem Kopfe schweben wird. Gegen diese Unsicherheit, die leicht zu ver­­hängnisvoller innerer Abhängigkeit von den staatlichen Aufsichtsorganen führen kann, muß dem Boltzschullehrer in der straffer geordneten Konfessionelen Aufsicht eine Stüße geboten werden. Dabei handelt es sich nicht nur darum, den Volksschullehrer gegen etwaige Übergriffe der staatlichen Aufsichtsorgane in Schuß zu nehmen, sondern vor allem darum, durch sichere, einheitliche Organisierung des magyarischen Unterrichts, durch lehrplanmäßige Test- Stellung des durchzunehmenden­ Sprachstoffes, ebenso aber auch durch geordnete Überwach­ung von Seite der konfessio­­nellen Schulaufsicht diesem Unterricht die verloren gehende Sicherheit wieder zu geben. Der sicherste Schuß des kon­­fessionellen V­olksschullehrers gegenüber dem neuen Volks­­schulgesäß liegt in seinem Bewußtsein, nach einem genau vorgeschriebenen Lehrplan in genau umgrenztem Stunden­­ausmaße unter ständiger Kontrolle der ihm übergeordneten eigenen Behörde seine Schularbeit pflichtgemäß geleistet zu haben und — ultra posse nemo obligatur, wohl in der Natur der Sache. — *

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