Neue Zeitung, 1989 (33. évfolyam, 1-52. szám)

1989-01-07 / 1. szám

Hilfe muß allen Ungarndeutschen zugute kommen In keinem Jahr zuvor hielt sich der Generalsekretär des Verbandes der Un­­gamdeutschen so oft zu offiziellen Besuchen in der Bundesrepublik Deutsch­land auf, und noch nie haben so viele bundesdeutsche Delegationen das Ver­bandssekretariat besucht wie 1988. In mehreren Artikeln berichtete Géza Hambuch den Lesern der Neuen Zeitung über die Ergebnisse seiner Reisen. Diesmal geht es um seinen letzten Aufenthalt im November vergangenen Jah­ren in München, wo er als Mitglied der Ständigen Unterkommission der Ge­mischten Kulturkommission beider Länder an den Verhandlungen teilnahm. Herr Generalsekretär, was sehen Sie hinter den zahlreichen Einladungen in die und den Besuchen aus der Bundesrepublik? Ich glaube, dadurch wird zum Ausdruck gebracht, daß man sich für die Anliegen der Ungamdeutschen interessiert und heute auch interessieren kann, weil die zwischen­staatlichen Beziehungen soweit gediehen sind und weil die Nationalitätenfrage in ganz Europa in den Vordergrund gedrängt ist. In der Bundesrepublik wird die Nationalitäten­politik Ungarns sehr hoch geschätzt, ich dürfte hinzufügen, manchmal zu hoch. Gera­de der Kongreß hat nämlich bewiesen, wie vieles noch getan werden muß, damit diese Politik als „beispielhaft“ bezeichnet werden kann. Beispielhaft sind allerdings die Bezie­hungen zu den deutschsprachigen Ländern. Wollen wir konkret werden. Bei den Ver­handlungen in München ging es um Projek­te zur Förderung der deutschen Nationali­tät sowie der deutschen Sprache und Kul­tur, wie aus dem Ergebnisprotokoll hervor­geht. Die Gemischte Kulturkommission hat zwei Unterausschüsse, einen für die Bundes­republik und einen für Ungarn. Diese haben die Aufgabe mitzuhelfen, die 1987 in Bonn Unterzeichnete bundesdeutsch-ungarische Erklärung zu verwirklichen, konkrete Vor­schläge zu unterbreiten. Die Anliegen der Ungarndeutschen haben dabei Vorrang. Dem scheint zu w idersprechen, daß Sie in der achtköpfigen Delegation der einzige Vertreter der Ungamdeutschen waren, die anderen Mitglieder kamen vom Bildungs­und vom Außenministerium. Ich war natürlich bestrebt, innerhalb die­ser Delegation die Interessen der Ungarn­deutschen zu vetreten. Ich habe davor mit vielen Leuten gesprochen und glaube schon, aus meiner langjährigen Praxis beim Ver­band, diese Interessen auch zu kennen. Im­merhin stimme ich Ihnen zu, daß die Ungam­deutschen in diesem Ausschuß stärker ver­treten sein müßten. Im Ergebnisprotokoll werden 32 Projekte aufgezählt, die, wie Sie sagten, in erster Li­nie den Ungarndeutschen helfen sollen. Welche Schwerpunkte können da erwähnt werden? Ich halte es für sehr wichtig, daß 100 un­­gamdeutsche Gymnasiasten und Studenten auch weiterhin mit einem Stipendium in die Bundesrepublik fahren können, um sich dort sprachlich weiterzubilden und das Land ken­­nenzulemen. 25-40 Kindergärtnerinnen können an vierwöchigen Sprachkursen teil­nehmen, 25 Mittelschullehrern wurde ein dreiwöchiger Landeskunde-Kurs, fünf un­gamdeutschen und fünf graduierten Stun­denten ein Jahresstipendium angebo­­ten. Für die erste Baustufe des ungamdeut­schen Bildungszentrums in Frankenstadt/ Baja stellt die Bundesrepublik einen Forint­betrag in Höhe von zwei Millionen DM zur Verfügung, ein Forintwert von 375 000 DM werde 1989 auch zur Errichtung des Lenau-Hauses in Fünfkirchen beigesteuert. Es wer­den zahlreiche Buch- und Lehrmaterialspen­den an Schulen geschickt. Und die Aufzäh­lung könnte noch fortgesetzt werden. Wer entscheidet über die Zuteilung der Sti­pendien und Sachspenden? Bei den Stipendien entscheidet in der er­sten Runde die jeweilige Schulleitung und dann eine aus Vertretern des Bildungsmini­steriums, des Landesinstituts für Pädagogik und des deutschen Verbandes bestehende Arbeitsgemeinschaft. Hier möchte ich beto­nen, daß diese Stipendien als Belohnung für gute Leistungen aufgefaßt werden sollen. Buchspenden gehen zum Beispiel direkt an die betreffenden Institutionen, die Wünsche werden von Fachgremien vor Ort zusam­mengestellt. Unser Verband besteht aber darauf, eine Kopie der Buchliste zu bekom­men, damit wir wissen, wo was hinkommt und auch nachsehen können, was damit ge­schieht. Überhaupt ist es sehr wichtig, daß die Unterstützung hier wie dort koordiniert wird, allen Ungarndeutschen zugute kommt und daß die Bundesrepublik in uns einen zu­verlässigen Partner sieht. Otto Heinek Bundesdeutsch-österreichisch-ungarisches Gemeinschaftsunternehmen Zwecks Entsorgung bzw. Neu­nutzung nach Aufbereitung von in Industrie, Landwirtschaft und Ge­sundheitswesen anfallendem ge­fährlichen Abfall wurde ein bundes­deutsch-österreichisch-ungarisches Gemeinschaftsunternehmen ge­gründet. Der Vertrag über die Gründung der Reko-GmbH wurde im Dezember in Fünfkirchen vom Vertreter der bundesdeutschen Umweltschutzfirma Reinger, Ger­hardt Kohlenberg, vom öster­reichischen Handelsdirektor der Reko-Austria, Herbert Mascha, so­wie dem Direktor des Fünfkirchner Unternehmens Agrober, Vilmos Ács, und dem Vorsitzenden der Fünfkirchner Umweltschutzgenos­senschaft, József Kovács, der auch den Posten des geschäftsführenden Direktors der ungarischen Reko- GmbH mit Sitz Fünfkirchen beklei­det, unterzeichnet. An dem mit 26 Millionen Forint Startkapital gegründeten Unterneh­men sind die westlichen Firmen mit 55, die ungarischen mit 45 Prozent beteiligt. Durch die Anwendung und Verbreitung von im Ausland gesammelten Erfahrungen und Ver­fahren will die GmbH zur Verhinde­rung der weiteren Umweltver­schlechterung beitragen. Unter an­derem durch die Entsorgung und Neunutzung von chemischem Gal­­vanschlamm, von Abwasser­schlamm der Leder- und Fleischin­dustrie sowie der mit Pflanzen­schutzmittelresten durchtränkten Verpackungsmaterialien. Als ersten Schritt dazu wird in Fünfkirchen ein modernes, auf Weltniveau stehendes Laborato­rium angelegt. Dieses computerge­steuerte Analytik-Labor dient der Analyse von Abfallsstoffen unbe­kannter Zusammensetzung sowie deren Entsorgung. Während in den entwickelten Ländern fast 90 Prozent des Gift­mülls zur Wiederaufarbeitung ge­langt, macht in Ungarn mangels Entsorgungsverfahren der Anteil der zu Lasten der Umwelt gelager­ten Gefahrenstoffe genausoviel aus. Dem soll nun das neue Gemein­schaftsunternehmen Abhilfe schaf­fen. Im nächsten Jahr wird im übri­gen auch mit dem rationellen Export von Kunststoff- und Gummiabfäl­len begonnen, infolgedessen wird das neue Gemeinschaftsunterneh­men bereits das erste Jahr seines Be­stehens mit einem positiven Devi­sensaldo abschließen. (MTI) ~NZl/89jj Ehrendoktor für Hans-Dietrich Genscher (Aus der Rede des Bundesaußenmini­sters Hans-Dietrich Genscher, aus An­laß der Verleihung der Ehrendoktor­würde durch die Lorand-Eötvös-Uni­versität Budapest am 15. Dezember 1988.) Es ist eine Politik, die sich als euro­päische Friedenspolitik versteht. Von dem französischen Dichter Paul Claudel stammt das Wort: „Deutschland ist nicht dazu da, die Völker zu spalten, sondern all die unterschiedlichen Natio­nen, die es umgeben, spüren zu lassen, daß sie ohne einander nicht leben können.“ Unsere Politik will hinwirken auf eine Europäische Friedensordnung — vom Atlantik bis zum Ural — in der die Völker Europas in friedlichem Wett­bewerb miteinander leben und arbeiten können. Ist das eine Vision, oder ist es eine Illusion? Ist uns der Gedanke an ei­ne Europäische Friedensordnung er­laubt angesichts riesiger nuklearer, che­mischer und konventioneller Vemich­­tungspotentiale auf beiden Seiten? Ich beantworte diese Frage mit einem kla­ren Ja. Ich stelle die Gegenfrage, gibt es eine vertretbare Alternative zu Euro­päischer Friedenspolitik? Und haben wir nicht schon mit Unterzeichnung der Schlußakte von Helsinki den Weg zu ei­nem besseren Europa angetreten? Wäre es denkbar gewesen, daß vor zwanzig Jahren ein Außenminister der Bundesrepublik Deutschland hier in Budapest diese Auszeichnung erhält, wäre es möglich, daß er hier vor Ihnen seine Gedanken ausbreiten kann, wie ich es tue? Wäre es denkbar gewesen, daß ein Repräsentant Ihres Staates vor der Parlamentsversammlung des „Nordatlantischen Rats“ spricht, wie es Staatssekretär Horn am 15.11.1988 in Hamburg getan hat? Welche Verände­rungen waren notwendig, was mußte al­les an Vorurteilen, Denkschablonen, an Kleinmut und an Engstirnigkeit zur Sei­te geräumt werden, um das möglich zu machen? Damals war die Welt noch ganz einfach in Weiß und Schwarz auf­geteilt. Und was hier weiß war, erschien dort schwarz— und umgekehrt... Wir brauchten zwar die gleichen Worte — aber diese Worte meinen auf beiden Seiten etwas Verschiedenes. Jetzt sind wir dabei, eine gemeinsame Sprache in der internationalen Politik zu entwickeln. Das ist ein Vorgang von welthistorischer Tragweite. Wenn wir die Gräben der Sprache überwinden — Gräben, die tief durch Geist und Den­ken der Menschen gehen — werden wir fähig, den anderen so wahrzunehmen, wie er ist. Und erst, wenn uns das gelingt, besteht die Möglichkeit, daß wir ge­meinsame Lösungen für gemeinsame Probleme finden... Wir sprechen heute von dem „Ge­meinsamen Haus Europa“. Das ist ein gutes und richtiges Wort. Die Freiheit muß dieses Haus bestimmen. Freiheit und Pluralität in jedem seiner Zimmer, aber auch Pluralität in der Ausgestal­tung der verschiedenen Zimmer. Wir brauchen den friedlichen Wettbewerb zwischen verschiedenen Modellen für die Zukunft. Niemand sollte diesen Wettbewerb scheuen.

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