Neue Zeitung, 1995 (39. évfolyam, 1-52. szám)
1995-01-07 / 1. szám
UNGARNDEUTSCHES WOCHENBLATT 39. Jahrgang, Nr. 1 Preis: 16 Ft Budapest, 7. Januar 1995 Werden Worte zu Taten? Ein Jahr wie das andere. Schon seit Jahren. Keine kurzfristige Besserung der wirtschaftlichen Lage des Landes in Sicht. Obwohl die einzelnen Menschen sehr unterschiedliche Eindrücke über sich selbst und ihre Lage haben können, ist Trost nicht im wirtschaftlichen Bereich zu suchen. Experten und Politiker sagen einstimmig, 1995 müssen wir den Gürtel sogar noch enger schnallen, um aus dem Tal herauszukommen. Es gibt Menschen, die gar keinen Gürtel mehr haben, und es gibt natürlich welche, für die sich so etwas wie die Gürtelfrage gar nicht stellt. Die Menschen dazwischen bilden die Mehrheit, sie sind die Lasttragenden. Ein neues Jahr also ohne Hoffnungen? Nein, das kann nicht sein, hofft doch der Mensch, solange er strebt. Und auch in schlechten Zeiten gibt es gute Nachrichten, gute Ansätze. Die Minderheiten Ungarns kann es mit Zuversicht erfüllen, daß 1994 wichtige Grundsteine für ihr Fortbestehen als Volksgruppen gelegt worden sind. Diese sind zweifelsohne das im Vorjahr verabschiedete Minderheitengesetz und das Ergebnis der vor kurzem stattgefundenen Wahlen der Selbstverwaltungen. Von ihrer wohltuenden Wirkung ist zunächst natürlich kaum etwas zu spüren. Erst das neue Jahr wird zeigen, in wieweit und wozu staatliche Instanzen in der Praxis durch das Minderheitengesetz verpflichtet sind, wie die Gewählten und ihre Wähler aus den Selbstverwaltungen ein Alltagswerkzeug zur Findung, zur Pflege ihrer kulturellen Identität machen. Selbst die größten Zweifler müssen zugeben, daß das alte Jahr den Minderheiten viel mit auf den Weg gegeben hat. Man darf natürlich — je nach Temperament — daran zweifeln, ob denn aus dem Ganzen nach so vielen Jahren Talfahrt der sprachlichen, kulturellen und nationalen Identität der Ungarndeutschen noch etwas herauszuholen ist, ob denn nicht schon der Zug abgefahren ist? Eins darf allerdings nicht verkannt werden, wenn eine Wende noch möglich ist, wenn noch zur Sprache und zur Kultur, zur Identität zurückgefunden werden kann, dann erhielten Ungarns Minderheiten von ihrem Staat jetzt eine Chance, die einmalig in der Geschichte des Landes ist. Dennoch sind Fragezeichen berechtigt. Wird der Staat das Minderheitengesetz, wo nötig, verfeinern und die Mittel zu seiner Realisierung zur Verfügung stellen (können)? Werden die Selbstverwaltungen die Voraussetzungen haben, die ihnen eine ergebnisorientierte Arbeit ermöglichen? Das heißt, werden Worte zu Taten? Und sollte das alles geschehen, wie werden sich die Minderheiten, in unserem Falle die Ungarndeutschen, verhalten? Werden sie von ihren Rechten Gebrauch machen, werden sie bereit sein, finanzielle und geistige (z.B. Erlernung der Sprache) Opfer zu erbringen? Werden sie nicht bei zwangsmäßig aufkommenden ersten Schwierigkeiten die Flinte ins Korn werfen? Es ist gewiß nicht der erste Beitrag in der Neuen Zeitung mit zu vielen Fragen und zu wenig Antworten. Aber man muß mit diesen Fragen Zusammenleben. Staatspräsident Árpád Göncz hat in seiner Neujahrsbotschaft auch nur seiner Hoffnung Ausdruck geben können, daß die Selbstverwaltungen der Minderheiten „die Begründer der kulturellen Autonomie der in unserer gemeinsamen Heimat lebenden nationalen Minderheiten, die Schützer ihrer nationalen Traditionen sein werden“. Mit dem Präsidenten hoffen das auch viele Mitbürger aus dem Mehrheitsvolk und natürlich noch mehr Menschen aus den Volksgruppen selbst. In rund 500 Selbstverwaltungen (davon in 103 ungarndeutschen) werden ab diesem Jahr Minderheiten versuchen, die obengenannten Ziele zu verwirklichen. Werden sie Erfolg haben, so bekommen sie Nachfolger. Man weiß auch, was geschieht, wenn das Gegenteil eintrifft. Es steht nicht wenig auf dem Spiel. 1995 kann zu einem entscheidenden Jahr für die Minderheiten werden. Es kann einige der obengenannten wichtigen Fragen beantworten oder mindestens die Weichen richtig stellen. Die Zeichen stehen nicht schlecht: Es dürfte eigentlich niemanden geben, der an Gegenteiligem interessiert sein müßte. Vielleicht wird 1995 doch noch ein neues Jahr. -pl- GJl '-Altpräsidentin Erika Radnai konnte mit Hilfe von GJU-Vizepräsident Johann Asztalos die riesige Geburtstagstorte im Hedjeßer Kulturhaus anschneiden. Über den fünften Geburtstag der Gemeinschaft Junger Ungarndeutscher berichten wir auf Seite 13. Aus dem Inhalt jjüU^' -Seite 7/11 Ungarndeutsche Christliche Nachrichten — Seite 11/12 Deutsche und Juden im Donauraum — Seite 4 Stefan Raile: Das Spinnrad — Seite 5 Koloman Brenner: Fragezeichen — Seite 5 Schaumarer Jubiläum Die in einem Blumenmeer „schwimmende“ vertraute Bühne betrat am 29. Dezember der jetzt schon 20 Mitglieder zählende deutsche traditionsbewahrende Frauenchor von Schaumar/Sölymär — wer weiß schon zum wievielten Male — im örtlichen Kulturhaus, um dem auch diesmal stattlichen Publikum ein wunderschönes Jubiläumsprogramm darzubieten. Die Blumen von den Freunden, Partnerensembles, Anhängern, von der Dorfleitung, den Angehörigen, ja den Volksliederfans überhaupt, galten als ein kleines Dankeschön für die unzähligen schönen Stunden, welche die Singgemeinschaft unter Margarethe Kelemen im Laufe von 20 Jahren so vielen Menschen und so oft geschenkt hatte. „Der Anfang liegt zwei Jahrzehnte zurück“, begann Frau Kelemen ihren kurzen Rückblick, „als einige von den Gründungsmitgliedern in einer Konditorei anläßlich eines Geburtstages einige Lieder anstimmten. Diese beeindruckten die damalige Kulturhausdirektorin (ebenfalls Chorleiterin), Tünde Kempelen so (Fortsetzung auf Seite 3)