Neues Pester Journal, Mai 1877 (Jahrgang 6, nr. 120-149)

1877-05-05 / nr. 124

| «»,· In · DE I nn dt en a lágsieó BA Hg 1877; VI. Zahegang Nr. 124, . . ibonnement: Ganzi. fl. 14, halbi. fl. 7, viertelj. fl. 3.50, monatlich ff. 1.20. täglich, Das „Neue Bester Journal“ erscheint auch an Montagen. Samftag, den 5. Mai. + Fi s 3 by . « i Redaktion und Adminiftration: Leopoldit. Kirhenplat Nr. 2. s ji á Einzelne Nummern 4tra Infernte nach aufliegendem Larif, Orterreig-Ungarns Orient-Politik. Budapest, 4. Mai. Diesseits wie jenseits der Leitha sind heute in den Vertretungskörpern die Interpellationent in gleichlautender Weise beantwortet worden, welche­ sichtlich des Orientkrieges an die beiden Regionen gestellt worden waren.Die Antwort, welche auf die Fragen der Abgeordneten ertheilt wurde,trägt sichtlich­ den Stempel des­ Ortes, dem sie entstammt;sie ist so geschraubt,wie nur irgendein diplomatisches Aktenstück,und sie hat weniger positive Inhalt,als man selbst bei nicht allzu hochgespannten Erwartungen in Aussicht nehmen durfte.Ja,die Antwort,welche heute Ko­­lo 111 a­n Tipa und Baron Lasser verlesen haben, enthält wenige­r als jene direkt oder indirekt in­­spirirten Auslassungen besagten,welche die Grenz­­linie zu marki­etr trachteten,die Oesterreich-Ungarn der­ nordischen Großmacht zu ziehen gedenkt.Jene Au­slassu­ngen,von denen auch wir einer­ und der anderen Raum gaben,glaubten erklären zu kön­­nen,die Monarchie werde«Ru­ßland weder Anne­­xionen auf der Balkanhalbinsel gestatten,noch werde sie eget daß dort neue, halbsouveräne Staatengebilde zur S Konstituirung gelangen. Die Antwort, welche Herr v. Tipa verlas, ist weit daher gefaßt; sie unterläßt es schlechtweg, eine Grenzlinie zu markiren, welche das Verhältniß zu Rußland fennzeichnen könnte ; die ganze Beru­higung, die sie den Vertretern und dem Bolte Ungarn­ und der Monarchie zu bieten vermag, gipfelt in der Erklärung, die Regierung habe sich die Aufgabe gestellt, bezüglich­ der Konsequenzen des Kriege auf die definitive Gestaltung der Dinge im Orient denjenigen Einfluß zur Geltung zu bringen, welcher der er wie den Interessen der Monarchie entspricht. Man merfe wohl auf den Wortlaut dieser Erklärung. Nicht die Reali­­sirung der österreichische ungarischen Interessen sagt dieselbe zu, sondern nur Die Geltendmachung des Einflussse­s, welcher den Interessen der Mon­­archie entspricht. Wer die Sorgfalt und Minutiv­­­ität fennt, mit welcher solche Aktenfuüde redigirt werden, wird die­­ Absichtlichkeit des gewählten Ausbruchs nicht übersehen und wird sich dazu bei­meiten müssen, zwischen der Geltendmachung der Interessen und der Geltendmachung des Einflusses scharf zu unterscheiden.­­63 ist unverkennbar, daß der Teptere Ausdruch einen viel weiteren Spiel­­raum gestattet, denn er bedeutet nur den Berunch, nicht auch die durchgeführte und gelungene Gel­­tendmachung des Einflusses. Freilich enthält die Antwort der Regierung auch eine Andeutung in der Nichtung, daß sie ihren Standpunkt bereit gekennzeichnet, die oben berührte Grenzlinie gezogen, indem sie erklärt, , sie habe mit Offenheit die Zielpunkte der österreichische ungarischen Bolitit nach jeder Nichtung rechtzeitig zum Anspruche gebracht." Aber gerade dieser Rat wird nicht ermangeln, einen höchst eigenthümlichen Gindruch zu machen. € 5 it sicher nur zu billigen, wenn der gemeinsame Minister des Aeukern die Rich­­tung und die Zielpunkte der Volitit Oesterreich-In­­zarız rechtzeitig allen Mächten bekannt gegeben hat. Im so auffälliger und unbegreiflicher ist es dann jedoch, wenn er sie weigert, sie den Parlamenten bekannt zu geben, wenn er vor ihnen genau. Das­jenige in Dimsel des Geheimnisses hält, was den suropätischen Mächten mit Offenheit dargelegt wird. Wurden die Zielpunkte der Politik der Monarchie vor den Mächten und ganz besonders vor Nußland geheim gehalten, weil der Leiter der Politif das Ge­­heimniß als die Bürgschaft des Erfolges betrachtet, wann [ehe es sich allenfalls rechtfertigen, wenn man von der Bollevertretung Designation fordert und ihr die gewünschte Aufklärung versagt. Was man aber den Mächten, was man selbst Nukland mit Offenheit gejagt hat, das sollte man der eigenen Voltevertretung vorzuenthalten gezwungen sein ? Welcher vernünftige Grund kann hiefür sprechen, welcher Moment in solcher Richtung bestimmend einwirken ? » « Der Eindrucken man von dieser Antwort— ‚erhält, ist unstreitig der, daß sich die gemeinsame Negierung durch ihre vor der Oeffentlichkeit ab­­een Erklärungen nach seiner Richtung ein­inden, daß sie durchaus freie Land haben will. 63 gibt seine Bolitit, die sich nicht auf die so vagen und vieldeutigen Süße der heute ertheilten Ant­wort fragen und berufen könnte. Mit dieser Ant­­wort hat sich die Regierung volltändig freie Hand bewahrt, mit Nukland zu gehen, wie gegen Ruß­­land Front zu machen; in den Nahmen Dieser Antwort paßt ebensowohl die­ Anmernon Bulga= riend duch Rußland, wie die Offupation BoS= niend durch Oesterreich-Ungarn hinein; auf diese Antwort tam sich ebensowohl ein Staatsmann be­­rufen, der die Offupation Bosniens der Trup­­pen der gemeinsamen Armee als den ersten ener­­gischen Chahzug gegen Rußland plant, dem noch weitere auf das Matt des Gegners einzielende Züge folgen sollen, wie nicht minder derjenige, der in der Ossupation Bosnien an fi­­ehen einen abgeschlossenen, den gewollten Zweck erfüllen­ den Aft erblicht und bestenfalls unter scheinbar feindlicher Masse dar Wert der Parallelaktion durchführt. Für alle diese Grentualitäten hält si die Negierung in ihrer Antwort freie Hand, und welchen Weg Graf Andrasfy immer beschreiten mag. Niemand wird ihm dereinst einen Vorwurf darüber zu machen im Stande sein, daß seine Boh­tit mit den durch ihn oder auf seine Veranlassung abgege­­benen Erklärungen im Widerspruche stehe. Die Bemerkungen, welche die Abgeordneten Ernst Simonyi, Franz Chorin und Paul Somisid) den Worten des Ministerpräsidenten entgegenfesten, geben Zeugniß, daß der Eindruck der Antwort auf alle Fraktionen ein gleichmäßig unbefriedigender war. Ernst Simonyi wies auf jene politischen Strömungen,hin, welche mit den Wünsten der Nation im Widerspruche stehen. Chorin warf die Frage auf, welche realen Garantien die Regierung befike, daß­­ der Graf, wenn er an der Spike eines sieggefrönten Heeres stände, die Versprechungen halten würde, welche er Europa vor dem Kriege gegeben hat, und Gomfjid mwälzte die ganze Verantwortung für die Orientpolitik der Monarchie ungetheilt auf die Schultern der Regierung. 63 war unzweifelhaft ein stolzes Wort, mit welchem der Ministerpräsident seine Gegenbemerkungen schloß, das Wort , daß ein Staat reale Garantien nur im seiner eigenen Stärke suchen könne. Auch dieses kräftige Wort wurde aber wesentlich abgeschwäc­ht dur den matten Inhalt der vorausgegangenen Negierungs­­erklärungen. E 3 8 Wir lassen Hier den Bericht über den auf die Interpellationsbeantwortung bezüglichen Theil der Situng folgen: Minifterpräfident Fifa : Geehrtes Hans! Unter den Snterpellationen, die in der legten Zeit an mich gerichtet wurden, sind drei, die ihn mit den orientalischen Wirren befassen und von diesen behandelt eine, die des Herrn Abgeordneten Somifich, spezieller die Frage der Donauscifffahrt. Vor Allem wünsche ich zu bemerken, daß ig nicht die Absicht habe, die leitere Frage in den Rahmen in einer gegenwär­­tigen Aeußerung aufzunehmen. Ferner erlaube ich mir, das geehrte Haus zu bitten, daß es seine Einwilligung gebe, daß ich — wie auf schon in ähnlichen Fällen ges­chehen — gleichzeitig­ auf diese Interpellationen antworte, was natürlich das Necht der g. Herren Interpellanten, ihre Ansicht zu äußern, nicht schmälern wird. 34 glaube dies heute umso mehr thun zu können, weil — wie dies in Zeiten gleich den gegenwärtigen nicht anders sein kann — der g. Herr Abgeordnete Simonyi bestimmt nur infos fern auf seine Fragen die Antwort erbat, als dies ohne Schädigung der öffentlichen Angelegenheiten in diesem Momente möglich ist. Desgleichen bemerkte auch­ der Herr Abgeordnete Chorin in seiner Rede, auch er wisse, daß es Zeiten gibt, wo die Regierungen sich über einzelne Fragen nicht so ungezwungen äußern können, wie es der einzelne Abgeordnete thun kann. Und auch mein g. Freund Somisich­­ berührte in seiner Rede diese­dee. Dies vorausgesendet, werde ich so frei­ sein, Die Erklärung abzugeben, welche — insofern dies heute mög­­lich ist — die Nichtung in der Leitung der auswärtigen "Angelegenheiten der österreichische ungarischen Monarchie darlegt, indem ich noch hinzufüge, daß — da auch diese Frage an mich gerichtet wurde — die ungarische Negie­­rung mit dieser Richtung entschieden einverstanden ist. Die Haltung der Monarchie beim Ausbruche des russisch-türkischen­­ Serieges entspricht derjenigen, welche sie seit der Dauer der orientalischen V­erwiclungen eingenom­­men und konsequent beobachtet hat. « Ihre Bemühungen um die praktische Verbesserung­ des Loses der Christen im Oriente sind bekannt und all­­seitig gewürdigt vor de.Gleichzeitig waren ihre Be­­strebungen auf die Erhaltung des Friedens und,als diese unmöglich geworden,aquokalisierung des Krieges ge­­richtet. Nachdem es den Bemühungen der Mächte nicht ge­­lungen, den Krieg zwischen Nußland­ und der Türkei hintanzuhalten, sieht sich die & u. Tt. Negierung vor eine doppelte Aufgabe gestellt: 1. Alles aufzubieten, damit der Krieg seine europäischen Komplikationen im Gefolge habe; 2. bezüglich der Konsequenzen des Krieges auf die definitive Gestaltung der Dinge im Orient" denjenigen Einfluß unter allen Umständen zur Geltung zu bringen, welcher der Lage wie den Interessen der Monarchie entsprich. Zur Wahrung dieser Interessen behält sich die Regierung auch nach Erklärung der Neutralität der öster­­reichische ungarischen Monarchie die Freiheit ihrer Aktion vor. — Es ist der k.u.k.Regierung bisher gelungen,der Entwickelung der Ereignisse ohn­e militärische Vorkehrungen zu folgen.Sie wird ihrem Grundsatze,den Staats­haus­­halt durch keine unmotivirte Mobilisi rustg zu belasten,treu bleiben und erblickt auch jetzt keinen Anlaß zu militärischen Maßnahmen.Andererseits ist die Regierung sich bewußt, daß keine Macht im europäischen Ost iet1t·11äherliegende Interessen wahrzunehm­en hat,als Österreich-Ungarn. Sie fennt ihre Verantwortung in­ vollem Maße. Dennoch siedgt sie den Ereignissen mit Zuversicht entzogen. Sie schöpft diese Zuversicht aus den entschieden freundschaftlichen Beziehungen zu allen Mächten ; aus der Offenheit, mit der sie die­ Zielpunkte der österreichischen un­garischen Polität nach jeder Richtung rechtzeitig zum Ausz­uruch gebracht hat; endlich aus der Welterzeugung, daß Se. Majestät der Kaiser und apost. König, wo es ein Interesse Desterreiche U­ngarns zu jciügen­ gilt, auf die gleiche Hingebung seiner Völfer und den Patriotismus ihrer Vertreter mit voller Zuversicht zählen kann. In dieser Zuversicht,sowieindc­raftgefühl, welches der Besitz einer durch die Voraus­sicht der Ver­­tretungskörper erfolgreich entwickelten Heeresmach­t ver­­leiht,sieht sich die Regieruug auch gegenwärtig noch in der Lage,der Stimme Oesterreich-Ungarns ohne Ergrif­f fangmilitärischer Maßnahmen die nöthige Beachtung zu sicher 11. Dies,g.Haus,kann ich in der gegenwärtigen Si­­tuation antworten.Ich gehe nicht auf die einzelnen na­­gen ein,da aber-wie vorausgesendet—dieHer­ken Interpellanten selbst,theils in den Jn­terpellation­en,theils in ihren Neben erklärten, daß dies kaum möglich sei, so bin ichh der Hoffnung, daß das g. Haus diese Erklärung zur Kenntniß nehmen wird, umso mehr, weil es daraus jedenfalls ersehen wird, daß die Regierungen wissen, von welch großen Interessen der österreichische ungarischen Mon­­archie und innerhalb derselben Ungarns] die Rede ist, daß sie die aus dem Gesichtspunkte bietet, Interessen noth= wendigen Agenden mit unaufgeregter Aufmerksamkeit be­gleiten und gegenüber der Wahrung dieser Interessen die Aktionsfreiheit bewahrt haben. So bitte, diese meine Erklärung zur Kenntniß zu nehmen. (Zustimmung.) Ernst Simonyi, Geehrtes Haus! Die Interessen, welche mit der in Nede stehenden Frage zusammenhängen, sind so wich­­tig, daß sie eine reifliche Erwägung verdienen, nicht nur von Seite Einzelner, sondern von Geste des ganzen Haun­­es ; sie verdienen es, daß sich im Hause über sie es ernster Speenaustausch entwickle, damit derselbe zur Orientirung und zur Kräftigung der Regierung in ihren, auf die orientalische Frage bezüglichen Entfließungen dienen konnte. Ich bedauere, daß im Sinne der Geldfutter­ordnung nach der Beantwortung selbst so wichtiger Int­­erpellationen Seitens des Ministers nur der Interpels laut, das Wort ergreifen kann. Nicht as wollte ich die Antwort des Ministerpräsidenten mi rbilligen, sondern aus Rücsidgt auf die Hochwichtigen Interessen des Baterz ja: a a ÉNEKE fondes wünschte ich es, daß diese Angelegenheit, ohne das Hisz 1 Seiten Beilage, enthaltend Die Route Zeitung, sowie das „„Theater­ und Beranütantgasblatt.” «

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