Oedenburger Zeitung, 1884. Oktober (Jahrgang 17, nr. 226-252)
1884-10-09 / nr. 233
Dom Tage. Liberale Demonstrationen in Brüsel. Die Zustände in Belgien sind auf einem Punkte angelangt, auf dem nicht mehr vom Biegen, nur noch Brehen, die Rede sein kann. Die Erbitterung der Liberalen über ihre furchtbare Niederlage bei der regten Erneuerung der Kammern und über die partielle Beseitigung des liberalen Schulgefeges äußert sie nicht nur in Straßenskandalen und Anstiftung blutiger Schlägereien, sondern auch in immer dreisteren antimonarchischen Demonstrationen. Augenscheinlich wollen die Liberalen den König einschüchtern, damit er Kammer und Senat auflöse; aber es ist gewiß, daß die Neuwahlen wieder nur zur Verstärkung der Katho» Tischen und nit der Liberalen Partei führen werden. Das wird sich schon bei den jüngsten Gemeindewahlen erweisen, und zwar an in Brüssel, wo die Arbeiter, weil don der Liberalen V Bourgeoisie zurückgefrogen — trog dem sie keineswegs sozielistisch gesinnt sind) — mit den Slerfalen stimmen werden. Ueberdie wäre die Heraufführung einer Republik in Belgien gleichbedeutend mit dem Anfalle des Landes an draufreich, wie sollte Annemon ja auch die Konsequenz der siegreichen Revolution gegen die Maßnahmen Kaiser Josef’ II. gewesen ist. Alle belgischen Patrioten werden deshalb durch die republikanischen Umtriebe, so sehr si die Liberalen gegen die Theilnahme an diesen verwahren, in’s katholische Lager getrieben. Ueber die neueste liberale Demonstration wird aus Brüssel dem „B. T.“ geschrieben:: „Die Helpmar des Königs und der Königin bei der Preisvertheilung anläßlich der allgemeinen Preisbewerbung der Mittelsschulen Belgiens verhinderte nicht, daß der Minister des Innern, Jacob3, als er zum Sprechen: fi erhob, durch den Ruf: „Nieder mit der Glage !“ unterbrochen wurde. Die Unterbrechung veranlaßte einen minutenlangen Tumult, welcher mit der Arretirung eines Polytechnikers endete. Die kurze Rede Yacobs wurde wiederholt duch Zujchen und Baurufe unterbrochen und als der Namensaufruf der Preisgekrönten erfolgte, wurden besonders die aus den, doch, die Regierung gesclossenen Schulen hervorgegangenen Zöglinge mit demonstrativem brausendem Beifall überschüttet. Die für das Königspaar qualvolle Szene dauerte fast zwei Stunden. Bei der Abfahrt des königlichen Wagens wurde theils „Es lebe der König!“ gerufen, theils gezieht und diese Kundgebungen dauerten fort, bis das Königspaar den Balast erreichte. Densdarmen in Bivilffeidung Allein was aüßen die abgeschlagenen Köpfe der Hydra: Rolfs unwille, wenn ihr aus jedem Numpfe neue Köpfe hervorwachsen ? "nahmen drei Verhaftungen vor. Oo Seine Majestät der König reist am 13. d. von Wien — nach Beendigung der Jagdausflüge — wieder nach GHödHlle retour. — Der Monarch Hat dem Mikado (einem der Kaiser von Japan) vier Hengste aus den königlichen Stallungen zum Geschenke gemacht, welche mit dem dieser Tage von hier nach Indien und China abgegangenen Lloyddampfer "Zitania" zunächst nach Hongkong und von da nach Yokohama befördert werden. O Ein Allerhöchstes Handschreiben verleiht dem Ruf, Botschafter am faiferlig ruffischen Hofe, Anton Grafen von Wolfenstein-Trostburg das Großfreitig des Leopold- Ordens taxfrei. OÖ Der neue Judex curiae. Die Ernennung des Barons Paul Sennyey zum obersten Richter des Reices ist unmittelbar bevorstehend ; mithin muß die Aussöhnung des „Schwarzen Barond“ mit Tiga eine vollständige sein. Die Preßburger Marktfrage gelös. Das österreichische Handelsministerium hat den auf die Einfuhr von Vieh aus Siebenbürgen und dem Preßburger Komitate bezüglichen Erlaß bereits außer Kraft gelegt . Mit dieser Beifügung des österreichischen Handelsministeriums hat auch der neueste Konflikt in der Preßburger Marktfrage seine natürliche, den ungarischen Anforderungen, gleichzeitig aber auch den Geboten der Gerechtigkeit und Billigkeit durchaus entsprechende Lösung gefunden. Der Adreß-Ausschuß des Abgeordneten- Lanfes wählte heute den Grafen Ludwig Tipa zu seinem Präsidenten. Mit der Abfassung des Adreß-Entwurfes wurde Mar Hall betraut. Der Referent wird erst später gewählt werden.esignation. Baron Gabriel Baronay soll, wie „PB. Hirlap“ meldet, gefonnen sein, auf sein Mandat zu verzichten ; bekamntlich wurde er im Cyöngyöspataer Bezirk ohne sein Wissen gewählt. Gedenkfeier. Aus Arad schreibt man uns unterm 6. Oktober: Die 35. Jahreswende der Hinrichtung der Arader Märtyrer wurde heute solern begangen, um 10 Uhr fand eine Trauermesse statt, welcher 48. Honveds, Angehörige der Honvedarmee und S Korporationen anwohnten, danach begaben ss sämmtliche auf die Hinrichtungsstätte, wo die Feier mit Abfingung des „Szözat“ und Haltung von Gelegenheitsreden beendet wurde. Aus Agram. Die Landtags-Sigung vom T. befaßte sich mit den vom Präsidenten Mirko Hrvat vorgelegten Einläufen, worunter sich bald besonders hervorzuheben ein Antrag Smicsitlas und Genossen dahin Tausend befand, der Kroatische Landtag möge Schritte thun, damit Sichelburg und Marienthal im froatischen Landtage vertreten werden. Für den Antrag wird die Dringlichkeit verlangt, was der Präsident im Sinne der Hausordnung ablehnt. Der Antrag wird an den Ausschuß gewiesen. Zur Tagesordnung übergehend, wird der Antrag Bopovice auf Entsendung eines aus 9 Mitgliedern bestehenden Komites zur Beraffung der Adresse in Verhandlung gezogen. Die Dringlicleit des Antrages wird angenommen und die Wahl des Komitees nach der Wahl der Ausschüsse anberaumt. — Von den Abgeordneten, welche mehrere Mandate erhielten, optiven Minister Bendetovich für Kasinje, Sektionschef Stanfovics für Karlowig, Kultuschef VBoncsina für Novi, David Starcsevics für Friz, Yvandija für Sunja Hinkovics für Samobor. Hiedurch werden acht und weiter dur die Annullirung der Wahl Kumicsics’ in Varasdin neun Wahlbezirke frei, für welche die Wahlausreichung in kürzester Zeit erfolgt. In den Kreisen der Unabhängigen wird die Nachricht kolportirt, daß die Grafen Bombelles, Rudolf Erdödy, Georg Zellacsice, Theodor und Span Draslovics im Landtage erkeinen werden, um die oppositionellen Bestrebungen zu unterfrügen. Die Mittheilung scheint verfrüht, auffällig ist jedoch, daß diesmal eine große Anzahl von Aristokraten ihre Virilstimmen verifiziren läßt. Telegramme. Budapest, 3. Oktober. Zwischen einer Gruppe deutscher Geldkräfte und der Ungarischen Kommerzialbank wurden Unterhandlungen wegen Sankung der ungarischen Landesbank gepflogen. Das Projekt zerschlug si und die leitenden Kreise der Landesbank werden nun zu anderen Entschüssen gelangen müssen. Bukarest, 8. Oktober. In Orfova kam man eine Komplotte gegen König Milan auf die Spur Das Verdienst, rechtzeitig eingeschritten zu sein, kommt dem dortigen Stuhlrichter von Paulovic zu. Die Rädelsführer wurden verhaftet und nach Budapest erfordrt. Paris, 8. Oktober. In Lyon erplodirte eine Bombe vor dem "enter der Wohnung des Kapitän-Zahlmeisters der dortigen Gendarmerie. Er wurde Niemand verwundet, sondern blos ein materieller Schaden angerichtet. Preßburg, 8. Oktober. Nach Beilegung der Differenzen mit dem österr. Handelsministerium wird morgen Donnerstag hier der regelmäßige Schafviehmarkt abgehalten Der Hornviehmarkt fan ohne besondere Ermächtigung der Resgierung an einem anderen Zage am Montag nicht abgehalten werden, aber am nächsten Montag findet in unserer Stadt wieder der Hornpiehmarkt statt. Paris, 8. Oktober. In den Ost-Byrenäen sind gestern fünf Choleratodesfälle vorgekommen. Nach Privatdepeschen wurden in Barcelona mehrere Cholerafälle Konstatirt. Lriefl, 8. Oktober. Einem Ausweise der Seebehörde zufolge, befanden si mit 4. Oktober 69 Schiffe mit 539 Personen Mannschaft und 33 Passagieren in Quarantaine, Görgeny-Sjt.-Imre, 8. Oktober. Bei der geizigen Treibjagd in Magyaröczer Revier wurden vier Bären aufgeheucht, deren einen Kronprinz Rudolf erlegte, während Graf Wurmbrand und Baron Kemeny einen zweiten auf die Mede brachten, devastirt und den sie hierüber zur Mede stellenden Eisenbahnbediensteten mittelst Mefserftgen erheblich verwundet hatten, so veranlaßte ihre Arretirung auf hiesigem Bahnhofe eine etwas längere Verzögerung, so daß wir erst um 4:13 Uhr aus dem Perron hinausbrausten und natürli auch mit mehr als viertelstündiger Verspätung in Wien eintrafen. Nachdem wir uns daselbst restaurirt, fuhren wir mittelst Kourierzuges der Staatsbahn (II.ar gegen 2 fl. 47 kr. Sahrgebühr), um 4 Uhr 30 M. Nachmittags, in einer Stunde und 10 Möinuten nach Presburg. Hier wollen wir einshalten, daß die Roupes der E. f. priv. Staatseisenbahn-Gesellschaft sehr eng sind, längs derselben ist nämlich ein mindestens anderthalb Meter breiter, natürlich(da er, eben im BWaggon fig befindet), gedeckter Haum zum Gehen für die Kondukteure. Das ist für diese Legieren sehr angenehm, denn die sonstige Lebensgefahr beim Vortempeln der Karten während der Fahrt und bei ihren anderweitigen Hin- und Herlommunitiven ist behoben, dagegen aber figgen — wie gesagt — die Passagiere viel mehr aneinander gedrängt, und geniegt man blos auf einer Seite die Annehmlichkeit eines Fensterfiges. Da der Zudrang zu den Zügen ein sehr reger, die Sparsamkeit mit Waggons eine möglichst weitgehende ist, so sind die Koupes überfüllt, ja «8 werden Einem häufig sogar — bei den Personen« zügen — Baffagiere III. Klasse zugeselzt, so daß man nicht weniger als behaglich fügt, denn mitunter sind sogar mehr Personen in einer Waggonsabtheilung, als Site vorhanden sind, so daß die später Hineingepferchten stehen müssen. Bei der Ankunft in Preburg fanden wir Mietwägen und Omnibusse in mehr als genügender Anzahl, und fuhren gegen den billig zu nennenden Zubrloßn von 1 fl. mittelst eines schönen, zweispännigen yialers in das — man darf schon jagen, weltberühmte Hotel zum „grünen Baum“, das wo immer der „gute, alte Bapa“, Herr Jakob Edler v. Pallagyay, in unübertreffliger Weise, nämlich so herzgewinnend aufs merlsam leitet, Daß si jeder Gast sofort in ein traulich behagliches Heim verlegt fühlt, und daß bei von einer Eleganz umgeben wird, die ihres Gleihen sucht, aber weit und breit ähnliche kaum findet. Die erqrifft feinen Speisen, wie sie in Palluggay’s Küche bereitet werden, die edlen Weine (darunter sehr viel Eigenbau), melde man dort trinkt, die über jedes Loch erhabene Bromptheit und Zuperfommenheit in der Bedienung, die Pracht des Tafelgeräthes und die prunkhafte äußere Ausstattung des Speisesaales. Dies Alles verbreitet einen Komfort um den Gast, wie er nur in den Hotelderften Hängen eigentlicher Weltstädte geboten wird. Dabei ist der noch immer trefflich, ja sogar rosig aussehende, alte Hotelier überall in jovialster Weise persönlich bestrebt, die Honneurs zu machen und alle Wünsche thunlister Verwirklichung vardiert zuzuführen. Wir unternahmen sofort nach unserer Ankunft eine kleine Instruktionstour dur die Stadt und waren erstaunt über die große Anzahl wahrer Pragtbauten, die seit unserer Abwesenheit entstanden sind. Die Märzengasse (zur Bahn hin), weist einige ganz neue monumentale Gebäude auf, .. die sogar im jeder Residenzstadt weltheilhaft auffallen würden, auf der Promenade zwisgen Hotel „Rational“ und „Grüner Baum“ hat sich auch ein Prachtbau aus der Erde empor gethürmt. Die da gleichen sehr schöne, palaisartige Gebäude an der Donaulände, in der „Lange Zeile“ und wo an vielen anderen Orten der stark belebten Straßen. An dem ehemaligen Theater sahen wir die Abtragungsarbeiten rüstig vorwärts sehreiten, schon ist der Dagstuhl verschwunden und Spaten und Krampen thürmen Berge von Schutt auf, aus dem dann — ein Phönig — der neue Kunsttempel entsteigen und — wie man uns sagte — schon in anderthalb Jahren vollendet dastehen sol. Ueberrascht hat ungan die unverhältnißmäßig beträchtliche Anzahl eleganter Cafes, die zum größten Theile mit einem Lurus Staat machen, der dem diesfalls’ in Wien geübten, wenig nah» steht. All das lebhafte, bunte Treiben auf Plägen, Straßen und Gassen, sowie namentlich auf der Promenade, zeigt, daß eine zahlreiche und betriebsame Bevölkerung in Presburg hautet, die den Geschäften wie dem Flanken glei eifrig nachgeht. In Dedenburg herrngt ein solches Gewühl höchstens im den ersten Feierstunden milder Abende auf der einen Seite der Grabenrunte, dort wo die schöneren Schauläden sch befinden. An folgen Schauläden ist uns aber Preiburg so überlegen. Die Sattler-, Benturs, Weihaeli- und noch viele andere Gassen öffnen dem „Bummler“ den Einblick in prächtig eingerichtete Geschäfte aller von Hedenburg nach Preßburg. Aus dem Wanderbude des E. Marbach. Um uns die einstige Stätte unseres mehrjährigen journalistisgen Wirkens nach mehr als zehnjähriger Aomwesenheit wieder einmal anzusehen, „wallten wir am legt verfroffenen Sonntag von hier mittelst „Raab-Dedenburg-Ebenfurther“ Bahn um °/,10 Uhr über Wien nach der alten Krönungsstadt an der Donau. Daß mie wir bereits berichtet haben einige einzus rndende Rekruten auf der Fahrt von Raab hieher unterwegs (während des kurzen Aufenthaltes in einer Zwischenstation), exzedirten, den Garten des betreffenden Herrn Stationschefs geplündert und