Pester Lloyd, Mai 1854 (Jahrgang 1, nr. 105-130)

1854-05-05 / nr. 108

Spest,4.Mai. Nicht die Westmächte allein,gan Europa sitzt zu Gerichte über die Grenzen,welche den allegetreuen Vollstreckern des Testam­entes Peter’s des Großen zerstecken.Wir haben dies zur Zeit gesagt,da das russische »Memorandum«die Westmächte allein als Gegn­ee des Ezaren hinstellten wir können dies heute gegenüber dem „neuesten Manifest“ mit um so grö­­ßerer Zuversicht behaupten, — nachdem das „Wiener Brotofoll“ vom 9. April in seinem Wortlaute vor uns liegt. Die Aufgabe Nußlands, sagt das „Manifest“, besteht darin, „die ver Veßten Rechte der der Pforte unterworfenen rechtgläubigen Christen wieder herzustellen ;" das Protokoll der vier Mächte will dagegen „die bür­­gerlichen und religiösen Rechte der C sämmtlichen­ ch­ristlichen Untertha­­nen der Pforte konfolidiren, — und zwar, wie es nachdrücklich bestimmt, „durch alle mit der Unabhängigkeit und Souveränetät ver Pforte ver­trägligen Mittel." Äh­nlich ist die Forderung zur Räumung der Donaufürstenthü­mer, eine von ganz Europa als sollsommen gerechtfertigt anerkannte. Das "Wiener Protokoll" sagt in dieser Beziehung geradezu: „Die Räumung der Donaufürstenthümer ist und bleibt eine der wesentlichen Be­dingungen zur Aufrechterhaltung der Gebietsintegrität des ottomanis­­chen Reiches." Noch mehr, die Regierungen der vier Großmächte „erklären sich auch bereit , über die Anwendung ver zur Erreichung des Zmedes ihrer Webereinkunft am besten geeigneten Mittel zu einer­ Verständigung zu gelangen.” Es kann somit sein Zweifel mehr dorüber walten: Europa ist einig im Zwed, und strebt auch die Einigung in den Mitteln an,­­ um Rußland die vom europäischen Gleichgewicht gebotenen Schranfen zu ziehen, und der „Moniteur“ mag sich von der Wahrheit kaum entfernt haben, als er die Mittheilung brachte: das legte „Wiener Protokoll“ habe in St. Petersburg einen tiefen Einpruch gemacht! Wie denn, wenn man an der Newa nicht völlig frei von der Furcht, das einhellige Urtheil der vier Großmächte könnte auch auf die gesammte „rechtgläubige“ Besölkerung einen gleich tiefen, eben nicht ermuthigenden Einpruch machen, — wie wenn Ma­nifeste und Memoranden gerade deshalb immer nur von den Westmächten, und nie zugleich von den deutschen Mächten sprechen ? ! „Rusland hat Gott nicht vergessen.” So spricht das Haupt der orthoz doren Kirche in seinem legten Manifeste. Die Unterzeichner des „Wiener Protokolls" mögen darauf antworten: „Europa hat das Recht nicht ver­gessen," — jenes Völkerrecht, das in entschiedenem Widerspruch mit dem §. VIII 068 Eingangs erwähnten Testamentes: „Man muß sich fortwährend gegen Nerden längs dem baltischen Meere und im Süden längs dem Schwarzen Meere ausdehnen !" Die Geschichte erzählt ung von einem Triumphbogen, durch den Kar­tharina II. in Cherson einzog und der die Inschrift hatte: „Hier führt der Weg nach Konstantinopel.” Auch war dies nicht leere Huldigungsphrase. Die Kaiserin selbst hatte schon früher in einem Briefe ans Boltaire geschrie­­ben: „Was die Einnahme von Konstantinopel betrifft, so halte ich sie für noch nicht nahe. Doch darf man nicht verzweifeln, wie das Sprichwort sagt." Auch ist es männiglich bekannt, in welcher Weise Ruß­­land in den seithem verfloffenen sehő Dezennien dieser von den Ahnen ererb­­ten Hoffnung nachgelebt. Möge die Geschichte der Gegenwart ihm, mit unserem Schiller, zuru­­fen: Du hast gehofft, dein Lohn ist abgetragen ! Das Wiener Protokoll vom 9. April lautet: „Anmwetend ; die Vertreter Oesterreichs, Frankreichs, Großbritanniens und Preußens. AUf AUsUchEU der Bevollmächtigten Frankreich­s un­d Großbritanniens trat die KoUferenz zusammen,um die Verlesung der Dokumente anzuhören,aus wel­­chenhewokgehk-daß,da die an das St.Petersburger Kabinet gerichtete Einla­­dung zuNähIU­ng der Moldau­ un­d Walachei innerhalb einer festgesetzten­ Frist unbeantwortet blieb,der bereits zwischen Rußland und der hohen Pforte erklärte Kriegszustand jetzt auch zwischen Rußland einerseits und Frankreich und Groß­­britannien­ andererseits in Krafvis.Dieser Wechsel,welchee in der Haltung zweier auf der Wiener Konferenz vertretenen Mächte vorging in­folge eines direkt von Frankreich und England gethanen Schrittes, der von Oesterreich und Preußen als rechtlich begründet unterstüßt wurde, be­­dingt nach Ansicht der Vertreter Oesterreichs und Preu­­ßens die Nothwendigkeit einer neuen Erklärung hinsicht­­lg der Eintracht der vier Mächte auf Grund der ín Den Protokollen vom 5. Dezember 1855 und vom 13. Januar 1854 aufgestellten Grundsälhe. Dem gemäß haben Die Unterzeichneten in Diesem feierlichen Augenblick erklärt, daß ihre Negierungen einig bleiben in dem doppelten Ziele, die Gebietsintegrität des ottomanischen Reiches aufrecht zu erhalten, wozu die Räumung der Donaufürstenthümer eine der wesentlichen Bedingungen ist und bleiben wird, und in einem Interesse, welches so sehr in Einklang mit den Gesinnungen des Sultans liegt, und durch alle mit feiner Unabhängigkeit und Souveränetät vertraulichen Mittel die bürgerlichen und religiösen Rechte der cristlichen Unterthanen der Pforte zu Konsolidiren. Die Gebietsintegrität des ottomanischen Reiches ist und bleibt die unerläßliche Bedingung jeder Transaktion, welche die Wiederherstellung des Friedens z­wischen den krieg führenden Mächten zum Zweck hat, und Die von den Unterzeichneten vertretenen Regierungen machen sie verbindlich, gemein­­schaftlich die Ausfindigmachung der Bürgschaften zu erstrebe , welche am meisten geeignet sind, das Dasein jenes Reiches an das europäische Gleichgewicht zu knüpfen, wie sie sich ferner auch bereit erklären, über die Anwendung der zur Erreichung des Zmebes ihrer Mebereinfunft am besten geeigneten Mittel zu einer Verständigung zu gelangen. Was auch immer für Ereignisse entstehen werden in­folge dieser Mebereinfunft, die einzig und allein auf die allgemeinen Interessen Europa’s gegründet ist und deren Zweck nur durch die Wiederkehr eines festen und dauernden Friedenss erreicht werden kann, so verpflichten si die von den Unterzeichneten vertretenen Negierungen gegen­seitig, ohne vorherige gemeinschaftliche Berathung sein Definitives Arrangement mit dem kaiserlih rufsischen Hofe oder mit irgend einer anderen Macht einzugehen, welches von den oben erwähnten Grundsäben abweichen würde. Burl-Schauenfein. Bourgueney, Westmooreland. Arnim.” Pet, 4. Mai. Wir sind es zu sehr gewohnt, in den Kammerbe­­richten die offene, klare Darstellung und warme Befürwortung w­ün­­schenswerther Berbefferungen zu finden, um diese Eigenschaft in dem ung vorliegenden Jahresberichte der h­andels- und Gewerbekammer von Oberösterreich für 1853 besonvers hervorzuheben; aber was wir beson­­ders anerkennen müssen, das ist die vielseitige und gründliche Durchfors­chung aller dortigen Industriezweige, die ziffermäßige Darstellung ihrer Ergebnisse und tag Vertrauen in die eigene Kraft des Landes, die Feines fünftlichen Schußes, wohl aber der Pflege ihrer Interessen bedarf. Außer­­dem wollen wir die heutige Betrachtung ausschließlich jenen Momenten zuzu­wenden, bei denen es­ uns­chwer war, nicht der eigenen Zustände zu ges denken, mit denen sie so viele Äh­nlichkeit haben. Die Kleingewerbe scheinen sie auch in Oberösterreich unter den bis­­herigen Gewerbeverhältnisen seiner besonderen Blüthe zu erfreuen, und der sich immer mehr verzweigende Fabrik­betrieb macht wohl auch dort einen drüdenden Einfluß auf das Handwerk geltend. Der trockene Handwerks­­betrieb, so selten von intelligentem Geiste befeelt, erzogen in der bloßen Erlernung handwerksmäßiger Handgriffe, mit Geldmitteln eben­so spärlich ausgestattet wie mit Krevit, besteht einen ungleichen Kampf mit dem ga­brissbetrieb, dem die ganze weitreichende Kraft des Kapitales und der In­­telligenz zu Gebote ist. Man muß daher begreiflich finden, daß sich der rüh­­rige Geist der großen Industrie aller bedeutenden Unternehmungen bemäch­­tigt und dem Handwerk nur die kleinen Reste lást, daß sich selbst einzelne Zweige des Handwerks in einzelnen mit Geschid und Geldmitteln versehe­­nen Hängen konzentriren, die durch große Erzeugung zu einer Art von Fabriksbetrieb befähigt werden. Darin gleichen die Gewerbeverhältnisse Oberösterreich­ ganz ven unserigen, und wahrscheinlich Denen der ganzen Monarchie. Das soziale Uebel, das hierin liegt, und wie alle Möbel, je Älter desto fühlbarer wird, kann nicht nachdrüchlich genug bezeichnet werden. Auch, wir glauben, daß ein Theil der Ursachen in den bisherigen Gewerbsverhältnissen liege, welche die Konkurrenz der Befähigung allzusehr nie verhalten, aber wir sind nicht optimistisch genug, um eine vollkommene Heilung von der vergleichsweisen Gewerbefreiheit zu erwarten, welche das neue Gewerber­gefeg festsielt. Der Mangel des Strebens nach besseren und geschickteren Zeistungen, der fest an unseren Gewerben so fühlbar ist, dürfte nach Ein­­führung des neuen Gefeges allerdings nach und nach schwinden; aber der Mangel an fähigen und geschieften Hilfsarbeitern. Der Mangel an hinreis­chenden und wohlfeilen Kapitalien wird dadurch gewiß nicht so bald aufge­­hoben. Hier kann nur dur­ das Streben der Stantögesellschaft selbst zur Berbefferung ihres Zustandes geholfen werden. Errichtung von Gewerbe­­und Sonntagsschulen, Gewerbeausstellungen, Auszeichnung und Aufmun­­terung der Geschielichkeit, Errichtung von Gewerbebaufen und ähnliche Einrichtungen können allein die Uebel heilen, die sich bisher in Seufzern und Klagen, aber in seiner einzigen Negung zum Fortschritt funpgethan. Seit das neue Gewerbegeseb die ganzen Gewerbeverhältnisse mit einem vollkommenen Umschwung bedroht, haben wir zwar vielfach von den Bemitz­hungen ber Innungen zur Lernhaltung dieses Umschwunges gehört, aber niemals von einem Anerbieten zur Unterstüßung von Schulen, noch weniger von einer Bitte oder eigenen Anstrengung zur Errichtung von Gewerbe­­bauten. Und doch biegt in dem zahlreichen, mitunter sehr wohlhabenden Handwerksstande der Monarchie die Fähigkeit, aus sich heraus die Mittel zur Befreiung seiner Lage zu sraffen, freilic, so lange eine Petition um Beibehaltung des Meisterstu­rfes mehr Aussicht auf Interfriften hat, als der Substriptionsbogen einer Schule, so lange Bildung, Unterricht und Unterftüsung des Fleisches für unbedeutend, und die Sagungen des alten Innungsverbandes als Hauptsachen geschäst werden, Finnen wir an eine blühen­dere Entwickklung des Handwertsstandes nicht glauben, Wir sehen, daß in Oberösterreich diese Verhältnisse nicht anders sind, ald bei uns, auch die dortige Kammer meint, es werde „vielleicht“ gelingen, eine Gewerbe- Schule in’s Leben zu rufen, eine Ge­werbebank hält sie für seine „Unmöglich­­keit", und auf eine Sonntagsschule „Hofft sie". Man sieht, die Kammern lassen es nirgends fehlen, den rechten Weg zum Fortschritt zu bezeichnen ; aber es fehlt an der Einsicht, den wohlgemeinten Rath zu würdigen, und — fügen wir es offen — wie Rathschläge Der Kammern werden von den Innungen nur mit Mißtrauen aufgenommen, weil sie in den Kammern die wärmsten Vertreter der Gewerbefreiheit, und die entschiedensten Gegner der Innungsprivilegien erbl­cen, und ihr wahres Heil, die lauten Mahnun­­gen der Zeit, nicht von ihren verblichenen Pergamenten zu trennen vermer­gen. Einen wesentlichen Vorzug in den Gewerbeverhältnissen Oberöster­­reichs können wir nicht unerwähnt lassen, nämlich den Bestand von 150 milden Anstalten, die mit einem Fond von 1,340,000 fl. dotirt sind, deren Binsen zur Unterstüßung franker oder verarmter Personen des Gewerke­­standes verwendet werden. Es ist Dies ein schöner Beweis des Humanitäts­­gefühles, der einen Gemeingeist vorauslegt, aus dem sich noch viele schöne Früchte entwidkeln künnen. ? Dorfova, 29. April. So hätten denn die russischen Truppen die kleine Walachei geräumt, und uns erübrigte nur hoch, den Kommentar zu diesem be­deutsamen Aste zu finden! Die Ansichten sind nun natürlich verschieden ; interessant bleibt es jedoch, daß dieselben troß ihrer Verschieden­­heit darin übereinfommen, daß dieser Schritt von Seite Rußland allein der Haltung Oesterreichs zugutschreiben. Nur sehen die Einen darin einen Beweis der Nachgiebigkeit gegen die festgenannte Macht, währ­­end die Anderen sich mehr der Ansicht hinneigen : die Spekulation der russi­­schen Politik auf Serbien und griechisch-flavische Sympathien im Westen des türkischen Reiches sei durch Die Haltung Desterreichs eine sehr ge­­­fährliche geworden, und es sei allein dem entschiedenen Auftreten Oester­­reichs, wer gewissen voraussicht, daß es im Falle einer serbischen Bewegung und Verbuntung verfelben mit von Ruffen sofort zur Wahrung der eigenen Sicherheit thätig dagegen einschreiten würde, zu warnen, daß Rußland sich genöthigt sah, die Räumung anzuordnen. Denn wäre Rußland sicher, daß Oesterreich ihn freundschaftlichft­rebend zur Seite stände, hätte es wohl, trog Kalafat und Wirdin wenigstens diesen überaus lodenden Versuc­­hes macht, Omer Paldha auch von Westen her íve Gedränge zu bringen. Seitdem nun die Russen sich verabschiedet, hebt insbesondere der Bauer in der Heinen Walachei wieder sein Haupt, er war und bleibt den Türfen freundlich gesinnt, und, bestätigt sich die Kunde, daß Samt Palcha die Lei­­tung der Verwaltungsangelegenheiten in der kleinen Walachei übernimmt, so werden all’ jene walachischen Beamten wohl wieder in ihre Stellungen eingefegt werden, von welchen sie durch die Russen entfernt wurden. Bor der Hand belegen die Walachen ihre türkischen Sympathien dadurch, daß sie ruf­ fische Agenten, Berpflegslieferanten u. dgl. kompromittirte Inossivuen der­­eitwillig ausliefern. Wie man uns berichtet, soll Seitens der fürstlich walachischen Ne­­gierung vor Kurzem der Befehl ergangen sein, die österreichischen Untertha­­nen von den verschiedenen Steuern zu befreien, die sie bisher in geidswidri­­ger Weise zahlen mußten. Wird der Befehl auch unter den jenigen wechselnden Verhältnissen dauernde Wirkung haben ? Wir wollen zuwarten. 4 Wien, 3. Mai. Die Nachricht, daß Fürst Passtewitsch österreic­hischen Schiffen an der unteren Donau gestattet habe, ihren Güterverkehr sowohl stromauf- als abwärts ungehindert fortzubetreiben, hat hier ein grö­­beres Aufsehen gemacht, als sie verdient. Ein solches Zugeständniß wäre an sich weiter nichts als die Anerkennung eines Rechtes, das einer neue tralen Flagge gebührt. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen ist es aber nicht einmal von praktischem Werte. Unseres Wissens besteht doch an der unteren Strecke des Flusses eine Schiffbrücke, um die Verbindung mit der Dobrudscha zu erhalten, wie sollen da die Fahrzeuge paffiren, um die ganz unfahrbare Kiliiamündung zu erreichen, die ihnen großmüthig ge­­öffnet wurde? Ueberdies ist auch das ältere Verbot des Fürsten Gortschatoff, das über eingeholte Anfrage von St. Petersburg aus wiederholt bestätigt wurde, daß nämlich den österreichischen Schiffen die Berührung des rechten Donauufers bei Androhung der Konfissation untersagt, nicht aufgehoben worden, und so lange dieses nicht ansprüchlich beseitiget wird, ist an eine Aufnahme der unteren Schifffahrt gar nicht wieder zu denken. Es zeugt daher nur von einer Umfenntniß der Berhältnisse, wenn man ver leten Anordnung des Feldmarschalls Passiewitsch eine allzu große Bedeutung beilegt, und es ist vollends unerklärlich, wie man auf der Börse bet ung daraus auf eine neue Annd­erung Nußlands an Oesterreich schließen konnte. Die Gerichte gehen hier von Wucherern mit einer großen Strenge zu Leibe. ES vergeht fast seine Woche, daß man nicht von einer over der anderen bekannten Persönlichkeit aus diesem ehrenwerthen Stanpe hört, die eingezogen und zu hohen Geld- und Freiheitsstrafen verurtheilt würde. 20, 30, 40,000 fl. Geldstrafe sind hier gar sein seltener Fall, und dennoch ist das Geschlecht der Wucherer nicht auszumerzen. Es ist vom Standpunkte der Humanität gewiß verwerflich, sich die Noth eines anderen Mitmenschen zu Nasen zu machen und den Dürftigen zu begrüden , allein mit der Vers­folgung und geieglichen Ahnung des Wuchers ist noch nicht abgeholfen. So gut all­er Kette gibt, die für eine elende Summe in Reiterburen u. dgl. Tag für Tag ihr Leben auf's Spiel fegen, so gut wird es auch immer welche geben, die ihre Freiheit daran wagen werden, um einen hohen, wenn auch, verbotenen Gewinn zu machen, so lange sie Gelegenheit dazu haben. Will man daher die Wucherer beseitigen, so muß man von Wucher unmöglich, machen, was nur dadurch geschehen kann, daß man zahlreiche Kreditsanstalten ins Leben ruft, die zu billigen Zinsen Geldvorschüsse machen, und die Unter­­stüßung mit Kredit nicht als eine Sache der Protestion ansehen. Telegraphischen Nachrichten zu­folge, die heute hier aigelangt sin, wäre die russische Flotte von Sebastopol ausgelaufen, um das arg beprängte Doeffa in Schuß zu nehmen. Die Flottenabtheilung, welche sich vor diesem Hafen befand, soll jedoch ihren Standort vch­affen und sich mit ven anderen Schiffen vereinigt haben. von sicherer Hand geht mir die Mittheitung zur, daß der persische Gesandte in St. Petersburg abgereift sei. Das Auftreten des dürften Dolgorufi in Teheran sol die Veranlassung hiezu geboten haben. In nichts kann man den tiefen Eindruck, wen die Feier Der Bermaha­lung in dem Herzen des Volkes zurückgelassen hat, besser erkennen , als in derniimstande, doch wo immer sich das Allerhöchste Kaiserpaar öffentlich blicfen läßt, sei es im Theater, sei es bei einer bloßen Spagierfahrt oder bei einer sonstigen Gelegenheit, überall die Menschen sich Herbeidrängen, um ihren in « VRBIRSGENRES2TLBERIETSOBO STE VIERTE SOBEUNGGEERENESPLEINRENTESS WRITE ZETT TYNE TEKERT Ssenilleton. Palifiy, der Töpfer, Teichen und Freuden eines Erfinders. Wir befinden uns in einer Auktion in London und der Verkauf hat eben begonnen. Die Nummern des Kataloges enthalten Merkwürdigkeiten und seltene Gegenstände, und nachdem zwei oder drei zugeschlagen wurden, stellt der Auktiona­­tor eine Heine Partie auf den Titel, welche in dem Katalog mit den Worten „einzig und fostbar" bezeichnet ist. Sie besteht nur aus wenigen Stüden eigen­­thümlicher Showwaare, eine große D­ase, ein Leuchter und ein Paar feine Stüde. Sie werden mit Interesse betrachtet und lebhaft h­inaufgetrieben. Der Käufer der Ware freut sich, Dieselbe für nahe 60 Pfund Sterling erstanden zu haben, während Der, Dem Der Leuchter für 20 Pfund zugeschlagen wird, nicht weniger zufrieden und glück­eh ist. Diese Irrenwaanre wurde vor 300 Jahren gefertigt. Sie ist die Arbeit ei­­nes Franzosen, der durch die Kraft seines Geistes getrieben, sich Die Meisterschaft in einer , damals in ganz Europa, mit Ausnahme von Italien, noch unbekannten Kunst erkämpfte. Weder in der Hütte des Bauers, noch in der Burg Des Edelman­­nes konnte man zu jener Zeit diese nüßlichen und Inpuriösen Geräthe antreffen, die fest für Jedermann erreichbar sind. Taffen und Näpfe waren eben­so wenig bekannt als Thee, während Schüffeln, Teller und die unendlich verschiedenen Gegenstände, welche man fest im einfachsten Steingut, so wie im feinsten Por­­zellan haben kann, damals nur in roher Thon= oder Zideinwaare verfertigt wurden. Dieser selbstgelehrte Töpfer war Bernhard Paliffy. Er wurde zu Anfang des 16. Jahrhunderts zu Agerois an der Westküste Frankreichs geboren. In sei­­ner Jugend erlernte er die Glasmalerei, wanderte dann einige Jahre in seinem Vaterlande, hielt sich dabei an verschiedenen Orten auf und ernährte sich Durch­ seine Kunst. Außer diesen Umständen ist nur wenig aus seinem Privatleben bek­­annt , außer Daß er, etwa 30 Jahre alt, heirathete und sich in der Stadt Gain­tes häuslich niederließ. Da er mit seiner Kunst, der Glasmalerei, auch Die des Teldrresfens und Planzeichnens verband, war er im Stande die einfachen Be­­dürfnisse seines Haushaltes zu bestreiten. So vergingen ein oder zwei Jahre. Dann aber trat ein an sich unbedeutender Umstand ein, der den ruhigen Gang seines Lebens unterbrach und Geisteskräfte anregte, die bis dahin in ihm ge­­schlummert hatten. Wir wollen ihn davon selbst sprechen lassen: „Man zeigte mir eine irdene Schale so­r hin von Form, ein so trefflich emaillirtes Majolita-Geschirr, daß ich von d­ieser Zeit an mit mir selbst in Streit gerieth, indem ich meinem Gedächtnisse Die verschiedenen mir, wenn ich Bildniffe malte, scherzmweise gemach­­ten Vorsschläge zurückrief. Da ich sah , Daß diese in der Gegend , wo ich mich auf­­hielt, immer weniger begehrt wurden, und daß auch die Glasmalerei nur wenig Unterstüßung fand, so regte sie Der Gedanke in mir, daß wenn ich die Kunst zu emailliven mir aneignen könnte, ich auch im Stande sein würde, sehr hübsche irdene Gefäße und andere Sachen zu liefern, denn Gott hatte mich mit einiger Kenntniß im Zeichnen begabt. Und hierauf, ohne den Umstand zu berücksichtigen, daß mir alle chemischen Bor­enntnisse fehlten , fing ich an, gleich einem im Fin­­stern tappenden Menschen, der Kunst der Majolita nachzuforschen.“ Palifiy war zu dieser Zeit sein Töpfer. Er würde nicht im Stande gewe­­sen sein, den einfachsten Topf zu verfertigen , der seine F­rau Hätte in der Küche dienen können. Aber sein Geist konnte seine Befriedigung darin finden, die Bild­­nisse der guten Leute von Saintes auf Glas zu malen oder die zerbrochenen Fen­­ster des benachbarten Schlosses wieder zu verglasen. So betrat er denn mit Eifer und Emsigkeit den neuen ihm durch eine Schale gezeigten Weg zu Ruhm und Erwerb. Als Glasmaler war er daran gewöhnt, feine F­arben zu reiben und zu mischen, und so fing er denn seine Bersuche damit an, alle Stoffe, von denen er glaubte „Daß etwas Daraus werden künne“ zu zerstoßen. Dann kaufte er eine An­­zahl irdener Töpfe, zerschlug sie in Stüde, und ftreute auf jedes etwas, von fei­­nen verschiedenen Demengen. Nach eigenen Gedanken einen Ofen bauend, denn er hatte, wie er sehr naiv bemerkt, niemals Töpfe brennen sehen, erhibte er den­­­­selben bis zu einem Grade, wie er so Dachte und legte seine Probefunde hinein, um sie zu brennen. Die chemischen Farbestoffe waren nicht ganz auf’s Geradewohl ges wählt, denn manche Metallfarben werden in der Glasmalerei verwendet, und diese, so wie die Wirkung des Feuers auf dieselben , kannte Paliffy. Mach Verlauf einer ihm Hinlänglich scheinenden Zeit zog er seine Topf­­erben heraus, emsig nach einem Stück suchend, auf dem Farbe in Fluß gefom­­men. Zu seinem Bedauern zeigte sich sein Einziges. Die ganze Arbeit war um­­tont und er um seinen Schritt seinem­ Ziele näher gerüdt. Er sah sich nicht einmal darüber aufgeklärt, ob seine Harbenzusammenlegungen die rechten gemesen waren oder nicht, denn er war als ganz unerfahrener Neuling ebenso wohl in Betreff des Baues der Defen und des Brennens der Sidenwaare als der Email­­lirtunst nur auf Bersuche ange­wiesen und es war ihm unmöglich zu wissen, worin er gefehlt hatte. Um einen guten Erfolg zu erzielen, müssen alle Vorarbeiten nach bester Regel gemacht werden. Nicht abgeschiedt jedoch, fing Paliffy von neuem an und jeden Tag konnte man ihn in seinen Mußestunden damit beschäftigt fin­den, neue Zusammenlegungen zu machen oder seine Desen neu zu bauen. Wäh­­rend dieser Zeit arbeitete er in seinem gewohnten Sache, um seinen Haushalt sowie die Kosten seiner Versuche zu bestreiten. Auf Diese Art vergeudete er, wie er sich selbst aufbracht, manches Jahr. Daneben häuften sich Häusliche Sorgen und anstatt im Stande zu sein. Die Umstände seiner Familie zu verbessern, verschwen­­dete er — so hatte es wenigstens den Anschein und wurde auch so von seinen Nachbarn beurt­eilt — in fruchtlosen Bemühungen ihr Erbtheil. Aber Männer wie Paltiffy sind geschaffen, gegen Widermwärtigkeiten der Art anzukämpfen. Nach manchem verlorenen Jahre fing Paliffy in einer, einige Meilen ent­­fernten Töpferei eine neue Reihenfolge von Bersuchen an. Er hoffte auf diese Art, Die bedeutenden Auslagen für Teuerung und Desen, die seither seine sch­wa­­chen Mittel erschöpft hatten, zu ersparen. Aber ach! auch hier, so gut wie früher, traten ihm Täuschungen entgegen, und nach mehreren fehlgegangenen Versuchen beschloß er „ich für einige Zeit Erfolung zu gönnen” und benahm sich so, als wenn er im Entferntesten nicht mehr darnach trachtete, Die Geheimnisse der Email­liekunft ergründen zu wollen, (Bortfegung folgt.)

Next