Pester Lloyd - Abendblatt, Juni 1855 (Jahrgang 2, nr. 128-151)

1855-06-11 / nr. 135

j­­ Dienstag, 12. Juni. Del. 1855. Abendblatt des Pester Nro. 136. Al Telegraphische Depeschen Der „Dei terr. Korrespondenz.“ Triest, 11. Su. Se. 8 Tf. Hoheit der Herr Erzherzog Johann ist von Venedig hier eingetroffen. Turin, 8. Sumi. Nachdem verschiedene Klagen aus der Krimm über mannig­­fache Entbehrungen und unzureichende Verfolgung der piemontesischen Truppen vernehns bee wurden. Äußert der „Diritto“ den Wunsch, die Regierung möge die Sachlage prüfen und wofern jene Beschmerden gegründet seien, und Abhilfe schaffen. Es TEPTE VEVE d Vet, 12. Sunt, Wir begrü­tten auch heute w­ieder mit den Markrich­­ten dort Kriegsschauplage und zwar mit neuen Siegesbotschaften aus dem ajow’shn Meere, die aus Kertich vom 7. datiren und vom gefzigen Montreutl veröffentlicht werden. Die Flottille der Verbündeten hat vom Im Juni eine, vom besten Erfolge gefrönte Graedition­egen Tag­anrog, Mariupol und Geist unternommen, wobei wied­erum eine Menge russischer Magazine verbrannt wurden : auf Widerstand fließen die Al­irten für zu Taganrog, wo 3500 Mann Bejagung lagen — ihr Verlust . befeg tanzte sich indessen auf einen Verwundeten.­­ Schon soll sich der Schaden, welchen die russische Regierung, abgesehen von der Handelswelt Nußland’s durch die Osfupation des asow’schen Meeres er­litten, auf 159 Millionen Frantd belaufen. Und wenn al Pariser Börsenge­­n daß Peretop von hier aus bereits bedroht sei, wenig glaubwürdig er fehetzten ; so gewinnen die Resultate der Kertsch-Expedition doch täglich an Be­deutung, da sich mehr und mehr herausstellt, daß die Perefoper Landenge für die Verproviantirung des Feindes von untergeordneter Wichtigkeit war , diese vielmehr hauptsächlich theils auf dem asow’schen Meere, theils auf der, über die Morastlagunen des faulen Meeres geschlagenen Schiffbinde erfolgte, welche durch die Kanonenboote der Engländer und Franzosen sicherlich bald zerstört werden wird. Die Folgen können nicht lange auf sich warten lassen, namentlich für die — ohne den Artillerietrain — 40.000 Pferde starke Kavallerie der Naffen, die einzige Waffe, in der sie den Allierten überlegen sind. Ein Vorrüden der Türken aus Eupatoria gegen Simpheropol, und somit ein fon­­zentrischer Angriff von allen Seiten auf die russische Feldarmee wird jet wohl bald genug in das Gebiet der Möglichkeit gehören, da ein solches Manöver bis­her nur dur­ die Sorge verhindert ward, man kanne beim Avanciren durch die feindliche Reiterei von der eigenen Operationsbasis abgeschnitten werden. Auch sollen die Verbündeten fest schon selber 10.000 Kavalleristen heriten, und die ver­­besserte Tragweite des Feuergewehres raubt der Reiterei überhaupt einen großen Theil ihrer Mebermacht. Bon Sebastopo­ her meldet der „Moniteur“, daß der Verlust der Fran­­zosen bei dem Sturm vom 7. und 8. zwar empfindlich war, daß sie aber an 62 russische Kanonen erbeuteten und 13 Offiziere gefangen nahmen. Webrigeng bestätigen alle Nachrichten, daß eine Hauptschlacht nicht mehr zu vermeiden ist, deren Schauplab wahrscheinlich wieder das Inkermanthal sein wird. Funft Gortschakoff sol schon mit der Feldarmee gegen die Alliirten vorrüden: er kann den Fall Sebastopols nur noch durch eine siegreiche Feldschlacht aufhal­­ten, welche Die Verbündeten in ihre früheren Positionen wirft. Und die Alltisten wollen ihm wieder ausweichen, wo können sie es, da ihr rechter Flügel seine gegenwärtigen Positionen entweder aufgeben, oder durch ein Zurückrängen des, von Simpheropos her drohenden Heeres sichern muß. Auf diplomatischem Felde begegnen wir heute einem Giraffe des Gr. Buclan den Gr. Esterhazdy in Berlin. Derselbe datirt vom 31. Mai und ist eine Antwort auf den legten Erlaß des grh. von Manteuffel. Er beleuchtet das Verhältniß Oesterreichs zur europäischen wie zur deutschen Frage und lautet seinem eigentlichen Inhalte nach : Unserm Wunsche gemäß hat Preußen sich enthalten, dem von Rußland den Mitgliedern des b­eutschen Bundes in allerdings formloser Weise entgegengebrachten Anerbieten, an den Verabredungen der Wiener Konferenzen über die ersten beiden Garantiepunkte unter der Ber­dingung einer strengen Neutralität Deutschlands festhalten zu wollen, irgend eine Folge zu geben. Indem es es vorbehalten hat, den Werth dieses Anerbietens für Deutschland nur im Zusammenhange mit den erschöpfenden Mittheilungen zu prüfen, die Oesterreich Über den glei­­chen Gegenstand an seine Bundesgenossen zu richten in dem Falle sein wird, it es einem Ge­­fühle gefolgt, melcdyes wir bei der verbündeten Macht anzutreffen mit Zuversicht hofften und welcher, wie wir mit Befriedigung anerkennen, auch dasjenige aller übrigen deutschen Re­­gierungen­­ gewesen ist. Wenn wir unsererseits verheißen haben, umnsere Ansichten über das, was Europas und Deutschlands Interessen erhelrschen werden , unsern deutschen Mitverbündeten offen und Herr trauensvoll darzulegen, so haben wir dadurc ihr Necht zu freiester Würdigung der Lage sicher nicht im entferntesten beeinträchtigen, mir haben vielmehr an dasselbe Berufung einlegen wollen und glaubten nicht, daß die Ausdrücke unseres Zirkularerlasses vom 17. 9. M irgend einer Mißdeutung in dieser Beziehung unterliegen künnen. Sollten wir aber von dem­, was dieser Erlaß über die Bedeutung des Schrittes des russischen Hofes sagt, irgend etwas zurückzunehmen haben? Wir glauben es ebenso wenig. Gerade weil Deutschland auf den Boden des Aprilvertrages und feiner Zufallartikel steht, kann seine Stellung nach unserer Ueberzeugung wieder als streng neutral bezeichnet, noch ein Ueber­­gang zu strenger Neutralität ihm angefonnen werden, so lange die Grundlagen des Friedens nicht gesichert sind und das türkische Gebiet des Schuges unserer Waffen bedarf. Und wie sollten wir nicht mit vollen Rechte gesagt haben, daß ein Anerbieten, welches sich an die Ge­sammtheit der Bundesglieder wendet, das aber der Bund nicht annehmen könnte, ohne sich mit der Stellung der ersten Bundesmacht in Widerspruch zu fegen, einen Angriff auf die Einigkeit des Bundes enthalte? Wir vermögen uns den Bund, so wenig ohne Oesterreich, wie ohne Preußen zu Denken. Wir begreifen unter den obmaltenden Verhältnissen, daß Rußland mit Umgehung Oester­­reichő auf die Ansichten der irrigen Mitglieder des Bundes einmitten zu können gewünscht hat, aber wenn mir in der Lage gewesen woären, von dem Petersburger Hofe vorher zu Nathe gezogen zu werden, so würden wir es für unsere Pflicht gehalten haben, — und zwar sicher nicht ausschließlich im Interesse unserer eigenen Stellung, sondern noch weit mehr in unserm Gehissen als deutsche Macht, jenen Schritt auf das Entschiedenste zu widerrathen, Daß mir die Orsinnungen zu würdigen wissen, von melden das f. preußische Kabinet­ting einen Bereits gegeben hat, indem er auch seinerseits nicht die Hand dazu bieten wollte, daß der Bund auf einer unvollständigen und gegen unsere Ansicht von einer dritten Macht ihm dargebotene Grund»­lage über sein Verhalten berathe davon wird das königliche Kabinet sich bereits aus unserm Erlasse vom 24. d. DM. überzeugt haben. Es wird aber auch, wie wir nicht zweifeln können, mit und anerkannt haben, daß es die Rücksichten auf die Stellung und Aufgabe, nicht sowohl Oesterreich8, aló dey gefammten Deutschlands waren, welche einer Verhandlung am Bund über Erklärung Rußlands entgegenstehen mußten. Die vertrau­lichen Eröffnungen, in deren Befug Freiherr von Deanteuffel nunmehr ist, werden Preußen Hoffentlich in der Geneigtheit bestärken, nur in offenem Einverständnisse mit ung feinen fernem Gang und feine Einwirkung auf unsere gemeinsamen Bundesgenossen zu bestimmen, und was und betrifft, so werden wir uns sicher Glük wünschen, wenn hiedu­rch die Verhältnisse ich so gestalten werden, daß und und unsern Allcirten künftig feine Zurü­h­ihu­ng mehr in Bezug auf feinriebende Verhandlungen gegenüber Preußen auferlegt sein wird. Die Kriegs- und Friedensdebatte in der Unterhausfüßung vom 7. Juni. Dir. Adebud, der mit schwacher Stimme um geduldiges Gehör bittet, will nur seine Meinung kurz und bündig aussprec­hen, da sein leidender Zustand ihm längere Raisonnements verbietet. Mit mehr als gewöhnlicher Aufmerksamkeit hatte er neulich­ den Worten des sehr ehrenw. Baronet3 Mitglied für Garlisle (Str­­. Graham) gelauscht, da er begierig war, die Gründe kennen zu lernen, die ihn zum Abfall vom Glauben an die Gerechtigkeit und Nothwendigkeit des Krieges vermoct. Niemand ablies die Kriegstroms­pete lauter als der sehr ehrenw. Baronet; auf dem Mansion Haute, im Neform-Club (bei dem Napier’schen Abschiedstrumf) und im Parlament glühte besagter Baronet file Diesen Krieg als einen heil. Kampf nicht etwa blos für die Türkei, sondern für Freiheit, Ge­­sittung und Wohlfahrt der ganzen Meenschheit im Allgemeinen und die Zukunft Englands im Besondern. . Mas ist seitdem­ vorgefallen, um seinen plöklichen Friedenheifer zu erklären? Wohle gemeint, er war mit verantwortliches Mitglied jener Regierung, die in einer (dem Se­bastopol-Komite vorgelegten) Newcastleshen Depesche Lord Naglan Tagen ließ, daß sie entschlossen sei, vor der Zerstörung Sebastopols um seinen Preis die Hand zum Frieden zu bieten. In Sebastopol gefallen, daß der sehr ehrenw. Baronet plöglich für Frieden glipt? Ft Rußland geschwächt, die Türfei gestärkt, die Geltung der Verträge und des Volker: recht? gesichert ? Nicht? von al’ dem. Der ganze Unterschied zwischen Damald und jekt besteht darin, daß der sehr ehrenw. Baronet früher im Amt war, und mut auf der Opposi­tionőbant fst.­­ Deshalb empfiehlt er schimpflichen Nachzug aus der Krimm , deshalb wünscht er eine Politik befolgt zu sehen, welche nicht nur Europa, sondern den unbe­­deutendsten Borisstamm im fernen Asien berechtigen würde, England geschlagen zu nennen und auf den unmännlichen Mantelmuth, auf die moralische Feigheit Westeuropa’s mit tödtlicher Geringschäsung herabzusehen. Mal solle man von der sittlichen Kraft, was von der staatsmännischen Klugheit eines solchen Mannes denken? Man hat ein Necht über solche Unmoralität den Stab zu brechen. Nach dieser Bearbeitung Sir 3. Graham’s wendet sie der Redner gegen das Ministerium als Ganzes, welchem das Bolt seit langer Zeit mit Necht mißteane, da es in seinem Schoß Männer barg, dessen wahre Gesinnungen ihm sein Geheimmniß sein konnten; Männer wie­der sehr ehrenw. Baronet und ein anderer sehr ehrenw. Gentleman (Gladstone), der mit ihm ausgeschieden. In vielen Kreisen nenne man diesen und jenen einen Freund Rußland’, einen Verräther am Vaterlande. So weit will der Redner nicht gehen. Er begnügt sich mit der Bemerkung, daß der Gentleman, in Folge seines falschen Untheild und seiner Verblendung, sein Freund England’ ser. Leider muß er dem Premier fangen, daß das Mißtrauen des Publikums noch nicht eingeschläfert sei, denn es befänden sich im Kabinet Mitglieder von derselben Deukungsweise wie die Aus­­geschiedenen­ Ge­meine den edlen Lord, das Mitglied für London (Nufell). Der edle Lord führte in Wien eine Sprache, die eines englischen Ministers unwirdig ist. Kein Minister Englands, am wenigsten ein Urheber der Parlamentsreform, hätte ein Protokoll anführen sollen, das den 3wed hatte, einem unabhängigen Boll das Recht der Selbst­­regierung zu rauben (Beifall). Zum Schluß drühkt der Redner die Hoffnung aus, daß Lord Palmerston fi ermannen und wieder ganz sich zur alten Schatfraft aufschwingen wird. Daß er fest, Fühn und gerade handeln, daß England, was es in ehrlichen Kampf erobert, behalten (Beifall) und nicht in falsch verstandener Mnetgemnüsigkeit der Barbarei zurückgeben wird. Das seien mehr als Redensarten, das seien ernst gemeinte Worte, England Habe nicht für die Ehre des Feindes zu sorgen, sondern die Menschheit als Milizen zu betrachten — und indem es Rußland zum Krüppel schlage, erweise es dem ganzen Menschengeschlecht eine Wohlthat (Lauter Beifall.) Der gewesene Kriegssekretär Mr. ©. Herbert, erhebt sich regt zu einer sehr langen Vorlesung von Depeschen und Briefen, größtentheils bekannten Inhalts, begleitet von Ratfonnenentd im Sinne Mr. Gladstone­ 3, Sir 3. Graham’s und zum Theil Mr. Bright's. Mit lebhafter Wärme vertheidigt er die Konsequenz und Nedlichkeit Sir 3. Graham’, und mit blinder Gläubigkeit befennt er sich zu allen Dostriner seines poli­tischen Meisters Mr. Gladstone. Zur Rechtfertigung der Aberdeen’schen Administration fuhr er auszurechnen, daß der Gesammtverlust der britischen Armee auf Schlachtfeldern und in Spitälern nur 13.000­ Mann betrage. « · Die Zwecke des Krieges seien vollkomm­en erreicht,was aber die Tü­rkei betreffe, so sei sie dem untergange geweiht w je länger der Krieg dauere,desto sicherer werde sie von der Landkarte Eu­ropa’s verschwinden.Frankreich­ sei dem Frieden näher als Einz­­land.Das marea pertum verwerfe er,aber die Einns­chtigu­n­g der Pforte,die alliir­­ten Flotte­n,so oft Gefahr drohe,herb­eizurufen,das betrachte er als ein­ Zu­gestiindni­ß, welches er­ kaum von Ru­ßland erwartet hätte,wenn­ man es von demselben forderte, es au­szuschlagem wenn Ru­ßland es freiwillig bietet,das heiße eine goldene Gelegenheit zum Frieden zum Fenster hinauswerfen.Neu ist folgende Daitstellu­n­g RGO-Kriegs­­sekretärs.Der Herzog von Newcastle,sagter,stellte es dem Ermessen­de er­neräle anheim,Sebastopol zu belagern,wenn sie wollten; folglich konnte die Ein­­nahme Sebastopol’3 Feine unumgängliche Friedensbedingung sein. Chen fo verhalte es sich mit der Besdgránzung der ruftischen Pontusmarine — einer nachträglich aufgetauch­ten Idee, denn zu den ursprünglichen vertragsmäßig aufgestellten Kriegszwecken habe sie nie gehört; — er und seine Kollegen hätten zwar die Beschränkung der russischen Por­­tusmarine verlangt, aber nicht als eine qua non-Bedingung des Friedens (). Mr. Drummond bekennt sich zu einer ganz entgegengefegter Anfchauung, denn während er den Krieg bei seinem Ausbruch verdammte, während er seinen Ursprung des mofratischen Wühlereien zuschreibt und das Gerede von einem Kampf für Menschheit und Zivilisation eine eselhafte Heuchelei feh­lt, kann er nicht umhin die Fortlegung des ein­mal­­ begonnenen Krieges um der Sicherheit Englands willen für unot­wendig zu halten. Jedenfalls werde er das Gute bewirken, daß erstens das abscheuliche ottomanische Neic­ zu Grunde gehen und daß Frankreich, es komme was da wolle, gewiß Herr ». Konstan­­tinopel werden wird. — Nach dem exzentrischen Mitglied für West Surrey steht Per­ Sergeant Ghee auf und langweilt das Haus durch eine so weit auspolende amd 5

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