Pester Lloyd, September 1863 (Jahrgang 10, nr. 198-222)
1863-09-11 / nr. 206
Zur Verfassungsfrage. Peti,10.September. «Immer zahlreicher werden die Stimmen, welche der Revision derfeberverfassung, als der nordwendigen Konsequenz der deutschen Neformakte, Worte leihen, und all an Nachschlägen fehlt es nicht, auf welchem Wege diese Nevision, oder mas daffe für, die Lösung der ungarischen Beraffungsfrage angebahnt werden konnte. Ein Gerücht will bereit3 wissen, Se. Majestät der Kaiser werde nach Peit- Dien kommen, und selbst die Initiative ergreifen, ein Gerücht, welches der ,Mapvrt" zur Erklärung Anlaß gibt: „Wenn man die große Initiative bedenkt, welche der Kaiser in der deutschen Angelegenheit ergriffen, so ist es erlaubt, die Hoffnung zu hegen, daß eine Frage, mit welcher die Machtsreiung und die innere Befriedigung des Kaiserstaates so tief zusammenhängen, ihrer endlichen, sehnsüchtig erwarteten Lötung zugeführt werden wird, sobald sich eben dazu eine ausreichende Aussicht eröffnet.“ — Ob nun diese „ausreichende Aussicht“ in diesem Momente bereits vorhan ben is? Der „Wanderer“ bejaht die Frage, indem er nat: j ! Die Nothlage In einem großen Theile von Ungarn übersteigt alle Beschreibung ; die Ansicht, daß hier nicht der Einzelne, sondern nur die Regierung unter Mitwirkung der Nation helfen könne, ist eine allgemein „anerkannte. Wenn heute Se, Majestät einen unegarischen Landtag adhoc — b. b. zur Beratfung der Mittelberufs Linderung der Noth einberuft, würde sein Ungar diesem Rufe zu folgen verweigern können. Wir sind im Gegentheile überzeugt, das dieser Landtag, zumal wenn ihn Seine Majer tätpersönlich eröffnet, in der Abreise nicht nur seinen Dant für die Initiative des Monarchen aussprechen, sndern auch die Bereitwilligkeit ausprühen würde, nach Erledigung seiner eigentlichen Aufgabe, auch bite Distussion der saatsrechtlichen Fragen wieder aufzunehmen Mittlerweile würde sich sehen die erste Frage, jene des Notbilandes, «als eine solche herausstellen, bei deren Lösung nicht Gros die Kräfte Ungarns, sondern jene der gesammten Monarchie in Anspruch genommen werden müßten, welche also eine Verständigung zwischen den Vertretern der beiden Hälften der Monarchie — gleichviel in welcher Form, — nothwendig erscheinen Tiepen. Diese Form muss und wird gefunden werden, und dieser Präzedenzfall bietet vieleicht auch den Schlüssel zu einer befriedigenden allgemeinen Lösung.” Neben vielen wohlwollenden und freundlichen Stimmen werden aber auch andere laut, und zwar, wie uns unser Wiener. = Korrespondent [den vor mehreren Tagen berichtete, im Lager der Reichgrathsabgeordneten. Die reichgräthlichen Führer, — lesen wir heute in der „Reform“, — wollen im Besitz des Arianums sein, Die Weberverfassung und die deutsche Reformalte unverändert nebeneinander durchzuführen, namentlich verkünden sie kategorisch, vas von der Federverfassung sein Zopta modifizirt werden sol. — Und damit wir über die wahren Anschauungen der Herren Reichsräthe nicht lange im Unklaren bleiben, erklärt ung der ministerielle „Botschafter” rund heraus : Die Herren Reichsräthe seien dem neuen Bundesreformprotekte nur wenig gewogen. Die offizisre Mahnung, der Reichsrath möge seine deutsche Gesinnung diesmal laut manifestiren, ist eine zu interessante Erscheinung, als daß wir unsere Leser nicht näher mit ihr bekannt machen, sollten : Solte sich auch in der Politik begeben, — beginnt der bedeutsame Leader — mas, die wir nicht selten bemerken künnen, in der Luft vorkommt — daß in verschiedenen Schichten verschiedene Strömungen sattfinden und indes unten der Wind hereinbläst, oben die Wolken hinausziehen ? Der Juristentag in Wien, der Empfang der Schwaben von Nusdorf bis an den Franz-Josephs- Dual, die studirende Tugend in ihrer Lessing-, Fichte- und Uhland- Peter, die Turner in Leipzig, das Echo, welches der Männergesangsverein mit dem , Beidjírm Dich Gott” auf den Pratermwiesen, der einmüthige Beifall , den der Schritt des Kaisers in der deutsch-üsterreiiischen Presse gefunden hat . Dies und vieles Andere beweist, daß der Sinn des deutsch-ästerreichchen Wolfes sich von Deutschland nicht abgefehrt hat. Minder tarf und zahlreich dagegen sind die Bemeise, welche die Vertreter Dieses Wolfes im Reichsrath hiefür geliefert haben. Einiges, In dem raschen Wechsel der Zeiten freilich balo Vergessene , könnte vielleicht sogar für das Gegentheil angeführt werden. Indessen ist Harbag, während das Bolt singt und schwärmt, sein Vertreter denken und rechnen muß und daß der BVerstand der Derständigen Manches fiest, was das Kindliche Gemüth in seiner Einfalt nicht Übt und nicht sieht. — Würde freilich die Regierung ebensoviel staatsmännische Zurückhaltung beobachtet haben, wie die beiden Häuser des Reichsraths, so würde es zu seiner Vorlage des Handelsgefegbuches, zu feinen Kommissionen in Dresden und Hannover, zu Feiner Reformakte und seinem Fürftentage gekommen sein. In der obersten Region ging die Strömung wieder mehr wie in der untersten ; die mittlere zeigte weitafteng feine entschiedene Richtung. Zur Einigung im deutschen Bolfetti aber feingafter wichtiger als die Deutsch-öferreichischeW Wolfsvertretung — wäre es auch nur, weil sie ein ganz neuer Faktor ist oder sein Tann, jene Zurufhaltung, deren wir oben eher tadelnd als Inbend gedacht haben, sie kann, zur rechten Stunde und am rechten Orte aufgegeben, noch nachträglich Heilsam werden.“ Wird die Mahnung verstanden werden, werben die Herren Neichsräthe sich um die neue Bundegafte fehwaren, wie es das beitische , Bolt" in Oesterreich thut, und werben sie dann auf die unerläßlichen Konsequenzen dieser That ziehen? — In den aestrigen Berathungen sowohl des Plenums als einer Sektion des Finanzausschusses kamen gleichfalls Gegenstände zur Frage, welche auch und Ungarn näher berühren. Im Plenum interpelierte der Abgeordnete Graf Kinsky rücksichtlich einer Veröffentlichung der „Wiener Zeitung“, in welcher gesagt wurde, daß mit allerhöchster Genehmigung 80.000 ff. für ein alterthümliches Baudenkmal in Venedig bewilligt wurden. Der Revtter feßte auseinander, daß bei solchen im Voraus allerhöchst genehmigten Ausgaben das Abgeordnetenhaus mit der Ehrfurcht vor der Prärogative der Krone oder den konstitutionellen Rechten in Kollision gerathe, indem die Bewilligung von Ausgaben zu den konstitutionellen Rechten des Reichsrathes gehört. An diese Bemerkung reihten sich die mehrerer anderer Ausschußmitglieder ; eg wurde unter Anderem auch auf die den unarischen Nothleidenden bewilligten Summen hingewiesen, welche vas Abgeordnetenhaus „gewiß mit Freuden“ bewilligen wird, die aber von vornherein eben an diese Bewilligung geknüpft sind, während das Ministerium bereits vor der Genehmigung zu dem genannten Zweckk große Getreiveeinläufe gemacht habe. Der Staatsminister ». Schmerling gab hierauf die Erklärung, daß bei jez dem Gesetz, welches dem Reichsrathe zur verfassungsmäßigen Behandlung seitens des Reichsrathes eingebracht werde, zuvor die Genehmigung Sr. Majestät zur Einbringung desselben eingeholt werden müsse, und daß die erwähnte Publikation der „Wien. Zig." und ähnliche andere immer nur die Bedeutung haben, daß Ge. Majestät dieselben zur verfassungsmäßigen Behandlung genehmigt habe. Bezüglich des Getreideanlaufs bemerkte der Finanzminister v. Plener, daß das Ministerium in dem Bewußtsein, der Reichsrath werde die für Ungarn zu verlangende Unterstüßung nicht versagen. Die Anläufe von Getreide zu einer Zeit vornehmen ließ, wo die Preise desselben für den Einlauf vortheilhaft fanden. Jeder Sacverständige werde einsehen,, daß, wenn die Getreidehändler Kenntniß davon gehabt hätten, daß solche Einläufe in Folge Netschgrathebelschluffes von der Negierung bewertstelligt werden sollen, die Preise sogleich in die Höhe gestiegen wären und namhafte Summen zum Schaden der Neichstfinanzen hätten verausgabt werden müssen. Minister v. Laffer erklärte, daß seit dem Bestehen der Verfassung die Regierung nie Ausgaben gemacht habe, welche som Neichsrathe nicht bewilligt worden wären, worauf Abgeordneter Kinöfy seinen Antrag (je Regierung möge die Summen zusammenstellen, welche seit 1861 ohne reichsräbhliche Bewilligung verausgabt wurden) vorläufig zurückzog. In der zweiten Sektion, wo Professor Herbst über die Abtheilung „Unterricht“ referirte, kam der neue Unterrichtsrath zur Sprache, und zwar entwickelte sich, wie die „Dftd, 9." berichtet, eine sehr interessante Diszussion : — Abgeordneter Taf deft, — heißt es im angeführten Blatte,— hatte schon in einer früheren Sigung gegen dieses Institut und seine Detirung sid ausgespochen und die Errichtung eines Unterrichtsminsteriums für das Zweimäßigste erklärt. Abgegordneter Professor Herbst griff das Institut des Unterrichtsrathes aus anderen Gesichtspunkten an. Ein Unterrichtsministerium besteht fatttf, Der Staatsminister sei auch Unterrictsminister. Auch den Unterrichtsrath, ja weit er Begutachtungen von Verordnungen auf dem Gebiete des Unterrichtes zu geben habe, wolle er nicht befriegen. Ganz entfehte den unpraktisch und nuglos kostspielig erachte er aber die ihm zugedachten Funktionen der Personalernennungen. Bieber haben die Universitäten, resp. die Fakultäten, tu Gutachten bei Berlegungen abgegeben ; nun solle an die Stelle derselben das Gutachten einzelner Personen, zunächst der Wiener Universität, treten. Man solle ich doch nicht von den Einrichtungen der deutschen Universitäten entfernen, wo das Institut des Unterrichtsrathes eine Unmöglichkeit wäre. Auch bei den Mittelschulen sei die Einwirkung des Unterrichtsrathes ganz unprüfrlsch, indem unmöglich das mit dem betreffenden Gutachten betraute Mitglied des Unterrichtsrathes alle landrettenden Lehrkräfte zu fennen im Stande sei. Sie werden ebenso wie von den bisherigen Ministerialreferenten auf Schriftliche Akten angewiesen sein, und da fei nicht abzusehen, wofür eine so große Summe von Emolumenten gezahlt werden solle. Er stellte daher den Antrag : Es möge erklärt werden. Das Institut des Unterreichsrat begiet, insoweit seine Bunktionen über die Begutachtung von Verordnungen hinausgehen und die Personalfrage in seinen Wirkungskreis zu ziehen habe, unzmweltmäßig und die Belastung des Staatsichaltes durch dasselbe hintanzuhalten. Der Staatsminister 9. Schmerling sagte im Wesentlichen Folgendes : Das Unterrichtsstatut fet Fein Gefeß, es set bies ein innerer Organismus des Ministeriums, Das Statut fet Feine Schöpfung von Bursaufraten, sondern von gelehrten Tachmännern ; achtzehn Professoren haben dasselbe für zweckmäßig erachtet und die Regierung habe dasselbe acceptirt. Ein Schaden für die Wissenschaft werde daraus nicht erwachsen. Sollte es sich aber als unzivielmäßig erweisen, so werde die Regierung seinen Anstand nehmen, dasselbe zu beseitigen, da sie an seiner Aufrechthaltung kein anderes Interesse habe, als den Bersuch zu machen, die verschiedenen Kronländer, namentlich Die ungarischen, dur ein gemeinsames Band zum Bortheile des Unterrichtswesens in einen gewissen Zusammenhang zu bringen. — Professor Herbst wendete sich gegen diese septere Unfit und gegen die Aeußerung des Staatsministers, daß die Autonomie der Wissenschaft durch den Unterrichtsrath gewahrt werde. Die Autonomie könne nur durch eine Korporation (Universität, Bakaltät), aber nicht durch Einzelmänner gewahrt werden. Nachdem die Ausschußmitglieder Tichabushnigg , Kuranda, Brinz und Ingram die Frage nach verschiedenen Richtungen hin rentieirt und auch der Staatsminister wiederholt das Wort ergriffen hatte, wurde zur Abstimmung geschritten, und zwar kam der Antrag auf Verlangen zweier Mitglieder getheilt zur Betírung. Insoweit der Antrag (Herbil’s) das Verhältniß des Unterrichtsrathes zu den Universitäten betrifft, wurde derselbe von allen gegen eine Stimme angenommen, insoweit er jedoch auch die Mittelschulen betraf, wurde er blos mit einfacher Majorität acceptirt. Die Verhaftung des galizischen Abgeordneten, Ritter v. Rogamwisz, beschaftigt seine Kollegen in Wien gleichfalls sehr lebhaft. Gegenüber der Bestimmung über die Unverleglichkeit der Reichsraths- und Landtags-Mitglieder, des Inhalts : „Kein Mitglied des Reichsrathes oder der Landtage darf während der Dauer der Session wegen einer strafbaren Handlung — den Fall der Ergreifung auf frisher That ausgenommen — ohne Zustmmung des Hauses verhaftet oder gerichtlich verfolgt werden. Selbst in dem Falle der Ergreifung auf frisher That hat das Gericht dem Präsidenten des Hauses sogleich Die gesciehene Verhaftung bekanntzugeben.” Gegenüber dieser Bestimmung hebt die , br." hervor : E83 ist nicht bekannt, ob das Lemberger Landesgericht, welches die Verhaftung des erwähnten Abgeordneten anordnete, dem Präfidium sofort die nöthige Anzeige gemacht hat. Dagegen ist in Abgeordnetentreffen Die Ansicht zum Anspruch gekommen, daß er eben seine Schwierigkeiten haben dürfte, nachzumeinen, daß der verhaftete Abgeordnete auf „früher That“ ergriffen wurde, denn so viel bisher verlautet, früst sich jene Mairegel nur auf eine Reihe von Schriftstücken , die für ven Berhafteten Kompromittirenn sein sollen , während Rogamwski zu den ruhigsten und besonnensten Mitgliedern der polnischen Fraktion zählte, und seine nationalen Kollegen ihm nachsagen, daß ihm eine feinpielige Absicht gegen Desterreich ferne gelegen sei. Der statistische Kongreß in Berlin hat am Montag seine Arbeiten begonnen, um sie am Sonnabend zu schließen. It die momentane politische Stimmung der preußischen Hauptstadt nicht darnach angethan, um den Männern der Wissenschaft von Gruß der Bevölkerung entgegenzubringen, so hat man es dafür an amtlicher Seite nicht fehlen lassen, ihnen eine würdige Aufnahme zu bereiten, wenngleich nicht In dem Grabe, wie man es von man cer Seite erwartet hatte. Der Charakter des Kongresses in Berlin, so hatte man nämlich gehofft, werde nach seiner äußern Erscheinung sich mehr dem Londoner im Jahre 1860 annähern, welchen der Prinz-Gemahl in eigener Person er öffnete, umgeben von Männern, die dur) Geburt und Wissenschaft, durch Amt und soziale Stellung zu den ausgezeichnetsten des Landes gehörten ; die Gesandten aller Nationen waren anwesend und diese bedeutungsvolle Theilnahme blieb dem Kongresse bis zu seinem Schluß und darüber hinaus. In diesem Sinne und Geiste war auch die Hoffnung gehegt worden, dag König Wilhelm selbst den vierjährigen Kongreß eröffnen werde ; das ist nun aber nicht geschehen ; auch nicht einmal der Kronprinz, dem man den Borsis zugedacht hatte, war bei der Eröffnung zugegen, die durch den Minister des Innern, 9. Eulenburg, vollzogen ward. Dagegen ward ein nicht geringerer als der Saal des Herrenhaufed zur Plenarberathung des Kongresses bestimmt und — was mehr — zwei riesige schwarzsroth-goldene Fahnen zieren den Eingang in den Snreibanshanıre — 9. Eulenburg hat also, wie gesagt, den Kongreß eröffnet , seine Rede, in welcer er es betonte, wie sehr die Statistik von jeher sich ver Gunft der preußischen Regierung zu erfreuen gehabt, schloß er mit den Worten: „Die Geranten, die in einer Berzsammlung so ausgezeichneter Männer ausgetauscht werden, können nicht auf unfruchtbaren Boden fallen. Weber kurz oder lang geht ihre Saat auf und — vielleicht eine andere Generation erst — erntet die reifen Früchte Deffen, was Sie fest ausstreuen.” — Staatsrath Professor Hermann aus München wanfte hierauf im Namen des Kongresses und gebrauchte unter Anderem die schönen Worte: „Die Statistik hat zur Aufgabe, das, was im Volfsleben wie im Bestande und Wirren des Staates mesbar und zählbar ft, auf Quantitäten zurückzuführen. Sie erhebt durch quantitative Bestimmung und Vergleichung zu sicheren Thatsachen und verläßlicher Einsicht, was geschteven oft nur vereinzeltes Vokommniß oder verworrene Meinung wäre. Es gehört aber von einer Regierung ernster Sinn für Wahrheit dazu, der unwiderleglichen Beweisfraft der Zahlen gegenüber zu treten und selbst Forschungen anzuregen, deren Resultat vielleicht über den Werth der eigenen Thätigkeit entscheidet.” — Am darauf folgenden Tage, am Dienstag, wurden die Kongreßmitglieder vom König empfangen. Der offiziöse Bericht der „Nord. Allg. Ztg.” über diesen Empfang lautet : Die Mitglieder des statistischen Kongresses versammelten sich im runden Saale des fünfglichen Palais und rangirten si dort nach den Nationalitäten, so daß Amerika den Anfang machte, dann Baden, Bayern, Belgien u. s. w. folgten. Den legten Plan nahmen die Preußen ein. Seine Majestät erfohlenen um 20 Uhr, traten mitten in den Saal, begrüßten die Versammlung , die aus etwa 300 —400 Personen bestand, und sprachen folgende Worte : „Als Sie das feste Mal in London versammelt waren , faßten Sie den Entfehluß, Ihre nächste Vereinigung in Berlin abhalten zu wollen. Gern hat Meine Regierung diesem Entschlusfe zugestimmt, und herzlich bearükte ich Ste in Meiner Residenzstadt. Mein Minister des Innern hat Ihnen heute bereits angedeutet , daß die Beherrscher Preußens fest nahezu 200 Jahren von der Bedeutung und dem Werthe der Graiifiif durchsprungen gewesen sind. Auch Ich widme ihr ein lebhaftes Interesse, Sie ist eine überaus praktische Wissen- Schaft, und Ihre Kongresse, meine Herren, verdienen, namentlich auchh weil sie einem praktischen Bedürfnisse entsprechen,, habe Beachtung und kräftige Unterfiüigung. Die Aufgaben, welche Sie sich für diesmal gestellt haben, sind zahlreich und bedeutungsvoll : sie werden Ihre solle Hingebung in Anspruch nehmen. Mit Vergnügen und Interesse werde Ich Ihren Arbeiten folgen, und Mich aufrichtig freuen, wenn dieselben,, wie zu erwarten sieht, namentlich auch, dem preußischen Staate zu Gute kommen.” Hierauf geruhten Seine Majestät zu bemerken , bak, da einem großen Tshetle der Ausländer das Deutsche wahrscheinlich nicht geläufig set, Allerhöchstbiefelhen Die den gesprochenen Worte in französischer Sprache wiederholen wollten. Dies geschah, und zwar unter den ehrerbietigen Dankbezeigungen der durch diese Aufmerksamkeit Seiner Majestät boeerfreuten Fremden. Seine Majestät Tiefen fi demnächst etwa 50 Personen aus der Versammlung vorstellen, unterhielten sich mit denselben zum Theile sehr eingehend , und nahe men zulest aus dem Munde des Bearfinders der statistischen Kongresse, Herrn Queteket aus Brüssel, den ehrfurchtsvollen Dant der Anwesenden für den ihnen zu Theil gewordenen gnädigen Empfang entgegen. Unter einem dreifachen lebhaften „Hoch“ der Versammlung sogen Seine Majestät sich um 3 Uhr zurück. Wenn sich indes die Männer der Wissenschaft durch diesen Empfang geehrt fühlten, so harrte ihrer andererseits eine äußerst unangenehme, im Interesse des Zweckes, wer sie zusammengeführt , sehr bedauerliche Leberraschung. Weber= griffe, deren sich ver Direktor des stabilen statistischen Busteaus in Berlin, Herr Dr. Engel, gegenüber der Vorbereitungskommission des Srongreffes Schulpin machte, und welche die Selbstständigkeit der Kommission in Frage stellten, haben nämlich die hervorragendsten Mitglieder versehlen, so Gneist, Lette, Hübner , Schulge-Deligsh , Möncher, Virchow, Bensemann,, Amelung zum Austritt aus der Kommission und folgerecht an zum nunmehrigen Wegbleiben von den Kongreß-D Berathungen veranlaßt ; mit ihnen aber sind die bedeutendsten Sections-Referenten dem Kongresse entzogen. Gneist hatte das Referat über die Organisation der amtlichen Statistik angefertigt, Kette über Hypothesen-Verfassung und Sicherung des Grundeigenthums, Virchow über die Nefrustirungs=-Statistif und über die Morbilität, Inwaloität und Mortalität der Militärbevölkerung, Dr. Hübner über die Statistif der Spartasfen und über Hypothetarfrepits-B Versicherung, Schulze-Delisichh und Bensemann über die Statistik der Vorschuß- und Krevitaenoffenschaften, der Rohstoffvereine, der prooluktiven Genoffenschaften und der Konsumvereine, vereríte Borfibende des großen Berliner Hauptwerfervereins Steinert (in Gemeinschaft wieder mit Dr. Engel) über die Statistik der Genossenschaften zur Erwerbung und Vermehrung beg geistigen Kapitald ihrer Mitglieder, Amelung über die Statistik des Lebensversicherungswesens, Neumann über die Organisation der amtlichen Volkszählung referirt — und sie Alle, die Schöpfer der dem Kongresse vorgelegten wichtigen Referate, werden fest in der Versammlung vermift. Herr 9. Eulenburg mag sich über das Fehlen der „Fortschrittsmänner” auf diesem wissenschaftlichen Gebiete trösten und den geheimen Wunsch hegen , wenn sie doch auf politischem Gesbiete fs in gleicher Weise zurückzögen, — der Kongres aber kann diese Erscheinung nicht anders als aufs Schmerz= Yichste empfinden : er hat auch den Trost nicht, die Stimmen seiner Mitglieder unwägen und nicht zählen zu wollen; wenn eg sind eben die unwichtigsten Der preußischen Mitglieder, die ausgeschieden. Gehen wir zu den Arbeiten selbst über, sost zunächst der Organiisattionsplan für den Verein, wie ihn Dr. Engel proponirt, anzuführen . Der Engel’sche Organisationsplan stellt zunächst als 3wed des Kongresses 1, die Herstellung der Vergleichbarkeit der statistischen Publikationen, 2. die Beschaffung statistifher Daten aus allen Berbieten des Staats- und Belferlebens zur Beantwortung der wegen der Wissenschaft und der Verwaltung von internationaler Bedeutung hin. Als Mittel zur Erreichung dieses Zweckes führt er auf 1. Abehaltung regelmäßiger Versammlungen seiner Mitglieder, 2. Veröffent,gung der auf diesen Versammlungen gepflogenen Berhandlirngen rap aefaßten Beschlüfse, 3. Herausgabe eines in Vierteljahrsheftern erscheinenden „Bulletin du Congress”, 4. Errichtung und Fortfüh internationalen statistischen Archives undEährung inter fatiifchen Biliotek, 5. Etablirung eltert Bentr re die internationale ftatiftifhe Rorrefpondenz tiftischen Veröffentlichungen und Nustaufe - Sünder. Zeens be alter ER! we Fen ALL — m mn mn Pariser Briefe Die Magdb — Ein Hirsch,der das Wild verfolgt, undet in Schuldner,der den Gläubiger einsperren läßt — Pariser Ausstattungstüde Raffelem Bonder Sabannanac Meritogne— Mabd odber die Sprünge der Mode, B Paris, 7. September. Jeder Abschnitt des Jahres hat seine Parole, Die Parole der sebigen Saison si vie Sagd. Die in von Bädern zerstreuten Lions sammeln si unter Nimrods Sahne, um den Krieg gegen die zwischen Himmel und Erde lebenden unschuldigen Geschöpfe wieder aufzunehmen und so gegen den heiligen Franziskus dr. Affäre zu sündigen, welcher den Begriff der Bunderlichkeit bekanntlich auch auf Die Thiere des Waldes ausdehnte, und somit der unerbittliche Gegner des „eden Wardwerkes” ist. Mit dem ersten Büchsenball, der auf dem Sagerevier erschallt, werden, wie es scheint, auch die Helfen gesprengt, welche die Phantasie an ihrem Fahnen Ausflug Hindern, und die buntesten Jägerlügen sind wieder im Schwinge. Ic widerstehe dem Sirenenrufe, der mir von diesem Gebiete entgegenklingt, und beschränke mich, darauf einer interessanten Erfahrung zu erwähnen. Die in der Welt des Sport gemacht worden ist, und die auch ihre Jäger daheim interessiren dürfte : Einer unserer bekanntesten Sportsmänner, der Graf Konstantin 9. B., hatte nämlich nach seinem Wildpart ein Paar Sthafale verlebt, die er im 93. 1850 aus Afrika mitgebracht. Er hatte die Absicht eine Hebjagd auf viele Waffenthiere zu veranstalten. Doch vergeblich, vm das beste Pferd der Welt nit im Stande in den Echatal im Boufse zu erreichen. Erxst dieser Tage gelang «8 der wilden Renner Meister zu werden. Der Gutsnachbar des Grafen, der Freiherr v. Saint T., hatte nämlich zwei junge Dirshtälber zum Reiten profiirt. Die Probe gelang vortrefflich, nur mußte der zum Rennpferd trainirte Zürft des Waldes zufolge seiner Weichmäuligkeit an der Trentz geritten werden. Dieser Tage nun haben Die also zugerittenen Hirsche in Gegenwart eines zahlreichen und vornehmen Kreises von Sportsmännern ihr Meisterftüd abgelegt. Die beiden Schaale wurden nämlich, losgelassen, man hatte die Vorsicht ihnen nichts zu effen zu geben, damit der Beweglichkeit ihrer Oberer sein Eintrag geschehe. Graf B. und Baron Saint T. waren auf den beiden Hirschen beritten, und jebt mard das Signal zur Verfolgung gegeben. Blisfhnell durchflogen sowohl Schafal als Hirsk das Stoppelfeld. Eublik nach einer siebenstündigen Verfolgung erreichte Graf B. eines Dieser wilden und behenden Thiere. Das Blut war ihm auch Magen, Nasenlöcher und Mund getreten, so daß es auf der Strafe verfielen. Der Hirsch war jedoc noch so frisch und unermüdet, wie zur Stunde des Aufbrudpe. Der andere Schafal wurde mit demselben Erfolge vom Baron Saint T. erreicht. Das bizarre Jagdftüdchen macht in der Welt des Sport viel von sich reden, und man findet die Erfahrung interessant genug, der der Hirsch eben so leicht zum Reiten breffiet werden kann, wie das Pferd, und daß er den Renner, welcher bis jegt ausschließlich den Turf beherrscht, in der Schnelligkeit der Bewegung und in Ausdauer bei weitem übertrifft. Eine ergösliche Parodie dieser „milden und vermegenen Jagd“" trug sich dieser Tage in den elyfäischen Feldern zu. Soine beiden Geschichtchen befigen insoferne ein verwandtschaftliches Kolorit, als auf der Befibung des Grafen B., der von dem Waldmann sonst so beharrlich verfolgte Hirsch die Note des Verfolgers spielt, während es sich in den champs elysdes um einen Konflikt zwischen Gläubiger und Schuldner handelt, bei welchem — do ih will der Entwicklung nit vor= greifen , hören Sie die Geschichte selbst . Ein Gläubiger Hatte ein ihm theures aber längst aus den Augen entschwundenes edles Wild, einen Schuldner entdbekt und folgte ihm unter lanchen Anflagen und mit dem deutlich formulirren Versprechen nach, ihn , bis er ihn festnehmen haffen konne, nicht mehr zu verlassen. Das Bublikam lachte, und der geängstigte Schuldner suchte , wiewohl vergeblich , sich des gefährlichen Begleiters zu entledigen. Da ertheilte ein allzu gefälliger Zuschauer dem Gläubiger den Rath, er möge mit seinem Schuldner Streit anfangen und sich In Gemeinschaft mit ihm arretiven haffen. Auf diese Weise könne er ihm nicht entgehen , und habe Zeit, ihn kraft eines bereits erlassenen Urtheils in das Schuldgefängniß abführen zu lassen. Gesagt, gethan, allein ein tüdtsiches Geschif wollte, daß eben, als die Diener der Gerechtigkeit anlangten , der Schuldner, untersagt von der Sympathie des Publikums entschlüpfte , der Gläubiger aber und der Nachgeber, der seine Theorie praktisch zu verwirkligen gesubt und sich an der Balgerei betheiligt hatte, mußten unter unsterblichem Hohngelächter aller Zeugen dieses drolligen Auftritte, den Weg nach dem Biolon antreten. Auf unseren sämmtlichen Bühnen i in den lebten Tagen feine wie immer nennenswerthe Novität in Szene gegangen. Die große Masse des Publikums lagt es sich Daher noch immer bei den Gespenstern Falt über den Rüden laufen, oder es stiemt zu Tausenden nach dem Theater der „Porte St. Martin”, wo Feen und Ausstattungsfuüde aufgeführt werden. Den Zulauf, wen dieses Genre der Produktion findet, ist wirklich beispiellos, und zeog aller Einsprüche der hiesigen Journale wurden die „Teufelspillen“ bereits zum 1020-sten Male gegeben. Über die Ausstattung dieses Stüdes grenzt auch an das Wunderbare, und der Zuschauer kann fi an den brolligsten und erslaunlichsten Verwandlungen ergößen. Bald dedt sich ein zZifhh von selbst, und es werden aus ihm zwei andere gleich gedechte und beleuchtete Zifche herausgezogen, bald erprobbt wieder eine Eisenbahn in die Luft, und man sieht verflümmelte Leichname mit gräßlicher Naturwahrheit umherfliegen. So geht es im steten und phantastischen Wechsel der Bilder und Gruppirungen. Wie ich höre, hat Herr Felig, der Bruder der seligen Rachel, die There gefaßt, mit dergleichen Ausstattungsflächen nach Deutschland zu reisen. Vorläufig will er in Berlin und Wien den Anfang machen, und leicht dürfte es kommen, daß sich bei dieser Gelegenheit an Ihrem Pester Publikum die Wunder der Porte St. Martin erseließen. Das Theater „des Barnetes" hat durch den Tod des Komikers Laffagne einen harten Verlust erlitten. Paris besaß seit etwa 20 Jahren nur zwei Komiker im eigentlichen Sinne des Wortes : Graffot und Laflagne. Graffot (am Taslais-Royal-Theater) hatte sich eine chronische Heiterkeit abgeschafft, die unwiderstehlich zum Lachen Hinzig, und in die er sich so Hineingespielt hatte, das sie ihn nach seinem Nagtente von der Bühne sogar ins Privatleben begleitete. Laffagne seinerseits sprach stets mit verstellter Stimme und mußte dem, was er sagte, einen so einfältigenaiven Anstrich zu geben, daß Alles Davon zu „ungeheurer Heiterkeit” begeistert wurde. Seine Laufbahn war, wie Die Graffot’s, eine glanzvolle, aber Furze. Medrigens hat die Todtenliste der septen Woche einen Namen aufzuweifen, der Ihnen bekannter klingen dürfte, als der des verstorbenen Komikers der Barietes. Biltor Mabille, der Schöpfer des nach ihm benannten weltberühmten, oder wenn Sie wollen, berüchtigten Gartens , ist diefer Tage verschieven. Der Sohn eines Tanzmeisters, hatte Mabille eine sorgfältige Erziehung gewoffen, und in seiner Jugend legte er sogar ein Bändchen Gedichte auf den Alter der Musen nieder. In der Schöpfung, welche den Namen Mabile’s ohne Zweifel der Nachwelt übergeben wird, reihen sich auch Lanz und Poerle die Hände, und der Garten, in welchem die Blume des Cancang zur Üppigsten Entfaltung gelangt, ist ganz danach geschaffen, um den in seinen Laubgängen Luftwandelnden zu vertünden, daß sein Gründer der Sohn eines Bauunternehmers und der Musen bewesen. Wer aber das tolle Treiben im Sarbin Mabille einmal mit angesehen, wer wird es kaum glauben, daß der Urheber dieser frivolen Stätte sich auch mit den ernsten Wissenschaften abgegeben. Riktor Mabille studirte nämlich mit vielem Eifer die Subspruchen , und hat sogar Einiges über Rechtsphilosophie geschrieben. Eine eingetretene Störung der Gaitesträfte war bei ihm die Vorläuferin des Todes, der ihn in einem Krankenhaufe ereilte. Zum Schluffe möchte ich Ihnen noch den neuesten Sprung der Mode signalisiren. seit dem der Dampf Völker und Länder verbindet, ist sich die Mode auf fortwährenden Reisen begriffen, und in den meisten Fällen sind es die von der Zivilisation noch unbelebten Nationen, denen sie ihre gelungensten Eingebungen entlehnt. So war auf ihren Kreuz und Verzügen die Mode im legten Jahre in Habannah angekommen, und dem Tabakplatte war die Leibfarbe der modernen Anzüge entnommen. Da die ungeduldige Touristin fand nicht lange ihr Wohlgefallen an der Perle der Antillen, und schon schidt sie ih an, einen Abstecher nach Mexiko zu machen. Mexiko sol nämli für den nächsten Winter die Parole der Gchweider und Modistinen werden. So trachtet Diese Nation sich stets als großmüthig zu erweisen ; Paris wird Merifo-Beinkleider und Azteken-Fracs tragen. Wer kann sich eine schönere Mevanche für die Beschimpfung von Puebla und die Evofutionen Forey’s denken und Ethnologie unter dem Borfide des Sir R. Murkison eine eigenthümliche Diskussion entspannen, die wir in Folgendem durch ihre bezeichnendsten Momente charakterisiren wollen: Es gelangte eine Arbeit bei Dr. Hunt über die physische und geistige Beschaffenheit des Negers zur Vorlesung. Hunt theift über diesen Gegenstand die Ansichten des Ethnologen Pruner Bey. Nach ihm beschränkt sich die Fähigkeit des Negers auf die Nachahmung. Erst gleich manchen Thieren unempfindlich gegen den Schmerz, und nur für Genüsse physischer Art empfänglich. Die Schlüffe des Herrn Dr. dem Europäer untergeordnet sei, und daß zwischen dem Neger und den Affen eine größere Verwandtschaft obwalte, als zwischen gs Affen ' Hunt resumiren sich dahin, daß der Neger in intellektueller ‚ und dem Europäer. Nachdem auch Galton beinahe im ähnlichen Sinne gesprochen, erhob sich Mr. Craft, ein Farbiger, der sich In Amerika geflüchtet, und den gastlichen Boden Englands Obwohl nit vom rein afrikanischem Blute, bin ich doch schwarz genug, um einige Bemerkungen machen zu dürfen, Was den Ursprung betrifft , so glaube ich , daß der Neger seinen andern hat als der Weiße. Viele Gelehrte wollen das nicht zugeben, Warer wenn Adam der gemeinsame Stammvater der Menschen sein sol, so künne fi die Weißen eben so wenig als wir von ihm ableiten ; denn die Gesichtsfarbe auf das natürliche Recht seinen Einfluß haben und d die Haut bei Schwarzen und Weißen verschteven fein in Seele und Gefühl gleich sind.” URERIN RER Die Neve Craft’s wurde, wie der betreffende Bericht i der, mit lauten Beifall aufgenommen, f sprachh ungefähr Folgendes : Hinsicht aufgesucht, Er si oa ; non an nn na ‚ Ein farbiger Redner. * Die britische Gesellschaft für die Förderungen so zieler Wissenschaften tagt im Augenblicke zu Newcastle. febten Sonnabend hatte sich in der Sektion der Geographie ann,