Pester Lloyd, September 1876 (Jahrgang 23, nr. 213-241)

1876-09-12 / nr. 223

— x « « Beides-N­.H.Septem­­ber:. * Das Auftreten Gladstone's in der Orient- Frage ist unbedingt auf eine der krankhaftesten Erscheinungen des­­­­ Parlamentarism­us zurückzuführen. Der Ringkampf um die­ parlamentarische Macht wird in England mit Hintanregung alles dessen geführt, was man in konstitutionel­linder ent­­wicklten Staaten des Kontinents politische Moral zu nen­nen pflegt, und das englische Publikum it auf Borerfünfte, bei denen niemals das angewandte Mittel, immer nur die Niederlage sündhaft erscheint, sehr wohl eingerichtet. Die Hauptsachhe­it, daß der Gegner gründlich zu Boden ge­worfen werde ; über die Kampfesweise drüht John Bull gern beide Augen zu. Zum Glück in den englischen Staatsmännern die Tugend eigen, durch welche dies Uebel in seinen Folgen sanirt wird — die Tugend der G Selbst­­desavonirung , sobald es gilt, die praktischen Konse­­quenzen ihres echter­n Sieges zu ziehen. Kein eng­­lischer Parlamentarier nimmt sie beim Worte, wenn die Verhältnisse dagegen protestiren. Hat ein Op­­positions = Führer Sich glücklich­ in den Sattel des­ Gegners geschwungen ad die Zügel der Negierung ergriffen, so trabt er ungenirt in der Richtung weiter, die der Vorgänger eingeschlagen, ohne sich durch die eigenen Prinzipien hemmen zu lassen, denen er den Erfolg ver­dankt. Im Grunde versucht Gladstone heute dasselbe, was Disraeli so gut gelungen ist. Wenn der Leader der Konser­­vativen sich einfach in das warme Nest gefest, aus welchem er vermittel­t volksthümlicher Agitationen das Whig-Mini­­sterium vertrieben, um kräftiger als dieses die Politik des­selben zu verfolgen, so möchte Gladstone Gleiches mit Sleichen vergelten, und er empfindet ohne Zweifel eine ganz besondere Genugthuung bei dem Gedanken, daß die öffentliche­­n ihn gerade auf einem Gebiete begün­­stigt, wo Disraeli den Archimedischen Punkt zum Sturze der Liberalen gefunden — auf dem Gebiete der auswär­­tigen Bolitis. Die internationale Bolitis Sladstone’s bot ja bekammtlich Die Bretche dar, durch welche Disraeli siegreich zur Macht vorgedrungen, und da wäre Die Vergeltung ün der That este vollständige, wenn das Tory-K­abinet wieder durch die auswärtige Volitit zu Falle gebracht wü­rde. Und es will uns­escheinen, man erweise der staats­­männischen Reputation Gladstone’s den besten Dienst, wenn man im seinem Auftreten nichts Anderes als parlamen­­tarische Taktik sucht, die V­orauslegung eines wirklichen politis­ch­en Motivs müßte geradenwegs zur politischen­­­erurtheilung des Mannes führen. Selten wurde das englische Bolt in einer versehrtern, feinem Interesse mehr widersprechenden Richtung bearbeitet, als dies durch die Broschüre und die Nede Gladstone’s geschehen ist. Dalos akademisch betrachtet, ist die S­lugschrift eine menschenfreundliche Lazareth-Suppe ohne ein Atom von politischem Salz, und die Rede ein fadenscheiniges Ge­webe falscher V­orauslegungen und Schlüffe; in der kon­treten Anwendung aber müßten die Gladstone­­den Prinzipien in erster Reihe England selbst verderblich werden. Was Gladstone in seiner Broschüre als den eigent­­lichen politischen Gedanken hinstellt, ist nicht neu, er gipfelt einfach in der Autonomisirung der flavischen Provinzen des Türfenreichs­, neu ist nur, daß dieses Projeit neben dem Bedürfnisse nach Aufrechterhaltung der In­tegrität der Türfei und der Sorge betont wird, daß die Bestandtheile des ottomanischen Reichs nicht in „Fremde Hände" gerathen! Sind dies nicht schreiende Gegen­­züge und ist es möglich, ein verfühnendes Element zwischen dieselben einzufügen Wer Tant nur einen Augenblick zweifeln, daß die Autonomisirung der „Slavischen Pro­­vinzen“ gleichbedeutend wäre mit der Zerstörung des tü­r fischen Reiches und mit der Propagieung der Wend­t jener fremden Hände, vor denen der türkische Befigstand sicher­­gestellt werden sol ? Kann von der Integrität Der Ti­rfet noch länger die Nede sein, wenn man Die Herzegovina, Bosnien und Bulgarien in europäische Konventional-Länder nach dem Muster Serbiens umgestalten würde und böten diese autonomisirten Provinzen auch nur die allergeringste Gewähr, daß sie nicht Heute oder morgen die unwohlpräpa­­rirte Beute ex pansionslustiger Gewalten wären ? Der Zusammenhang zwischen den Vasallen-Staaten und dem sugeränen Reich ist lediglich ein fik­iver, die Macht der Pforte über diese Länder existirt thatsächlich nicht ; da­­gegen eristirt die fortwährende Bedrohung der Türkei durch diese Staaten in Folge der Unabhängigkeits-Tendenz, die in dem Aagenblid lebendig wird, als die Bande der biretten Zusammengehörigkeit mit dem ottomani­­schen Reiche elle sind. An die Stelle der periodischen Streitigkeiten mit Serbien und Rumänien wirde der ewige Kampf mit Serbien, Rumänien, Bosnien und Bulgarien treten, der Gewinn wäre eine solche Ausdehnung des Streit­­gebietes, daß die Kräfte der Türkei nimmer ausreichen wür­­den, um es zu meistern — und eine solche Gestaltung wird in einem Athem mit der Aufrechterhaltung der Integrität des türkischen Reichs proklamirt ! Angenommen indessen, man führe die Integrität nur als eine leere Lebensart im Munde und fege si, ü­ber dieselbe ohnem weiters hinweg, so bleibt noch immer die Frage bezüglich der „fremden Hände“ bestehen — und wer könnte sich ernsthaft bereden, Daß die autonomifixten Provinzen einer Selbständigkeit fähig wären, daß sie die Kraft, oder auch nur den Willen hätten, einer Eroberungs-Politik Widerstand zu leisten ? Da, indem Sladstone die Integrität der Türkei als eine Nothwendig­­keit betont, hat er dem Autonomisirungs-P­rojekte das Ur­theil gesprochen . Eines fließt das Andere schlechter­­dings aus. Freilich spielt das politische Motiv bei Gladstone die untergeordnete Rolle ; höher als dieses gilt ihm die Huma­­nitäre Erwägung. Allein angenommen, daß Der rein huma­­nitären Rücksicht ein entscheidendes Gewicht beigelegt werden konnte und daß insbesondere England in der Lage sei, sich frohen Herzens diesem Kultus hinzugeben, so muß sich jedem Unbefangenen die Wahrheit aufdrängen, daß mit dem­­ Begriffe von Menschlidheit selten ein frivoleres Spiel getrieben wurde, als in diesem Falle. Es ist schon ominds genug, daß Gladstone unter allen europäischen Mächten gerade Rußland mit den Attributen einer humanitären Mission im Orient ausstattet ; aber abgesehen davon, wer ist ver­­blendet genug zu glauben, daß bei einer Autonomi­­sirung der erwähnten Provinzen Das Prinzip der Menschlichkeit nicht vollends zu Shaw­den würde? Dient man der Humanität, wenn man Die zahlreichen mohamedanischen Einwohner Bos­­niens und Bulgariens demselben, ja einem ungleich schlim­­mern Schidjale preisgibt, als dasjenige ist, unter welchen die Rajah seufzt ? Der Hriftliche Gesichtspunkt für sich allein hat auch vor Stadstone seine Geltung, er stellt das huma­­nitäre Prinzip auch über­­ dieses Moment; wohlan, wer kann sich der Ueberzeugung verschließen, daß die Autono­­misirung Bosniens und Bulgariens zunächst die Ausliefe­­rung der Mohamedaner an das S­tadtmesser ihrer er­­bittertesten Feinde bedeuten würde? Wer täuscht sich über­­ die beispiellose Verwilderung der bosnischen und bulgarischen Boltsmassen, wer hat über den Greueln in Bulgarien an die haarsträubenden Schandthaten vergessen, welche die bul­­garischen njurgenten ausgeübt, und wer könnte sich ruhi­­gen Gemissens sagen, man sei den Forderungen Der Menschlichkeit gerecht geworden, — indem­ man die Mohamedane­r den christlichen Slawen ausliefert ? Und wenn trogdem das konfessionelle Motiv auch in einer „humanitären” Volitis den Ausschlag geben sollte, so bleibt eine andere, geradezu entjegliche Gefahr bestehen, vor welcher man nicht länger die Augen verschließen darf. Es ist dies die Gefahr der Ausrottung der restlichen Ein­­­wohner der Türkei. Wer bürgt dafür, daß in dem Augenblick, als mit der Zenádumng des tirtischen Neids Ernst gemacht werden sollte, der Fanatismus der mohamedanischen Bes­tölkerung nicht in hellen Flammen hervorbrechen und ver­­nichten wü­rde, was ihm Fremdartiges im Wege steht? Welchen Schuß vermag Herr Gladitone, vermöchte Europa den Christen des Orients zu gewähren gegen die kanniba­­lischen Thaten einer zur Verzweiflung getriebenen Race und Religion ? Ehe europäische Truppen türkischen Boden­­ betreten, könnte das Entjeglichste geschehen sein, welches duch keinerlei Depression ungeschehen gemacht werden kann. So stellt sie die Humanitäre Bolitit Gladstone’s in ihren Folgen dar — selbst wenn wir davon absehen, daß die Späteressen jener Staaten, die sich ihre Existenz und Weiterentwicklung durch­ die gründliche V­erschiebung der orientalischen Machtverhältnisse und die Verewigung des Kampfes Aller gegen Alle nicht wdgen verküm­mern lassen,­­doch auch von humanitären Gesichtspunkte eine gemeilte Be­­rückschtigung verdienen. Freilich scheint aber Sladstone den Sinn für die konkreten Verhältnisse eingebüßt zu haben. Lädt er ja ganz und gar die Wirkung außer Acht, welche ein feindsseliges Auftreten des englischen Kabinets gegen die Pforte auf­ die Mil­lionen und Millionen der eigenen mohamedanischen­ Unterthanen ausüben müßte, — und redet er sich ja im eine geradezu un­­erhörte Vertrauensseligkeit bezü­glich der Intentionen der europäischen Mächte hinein. England Hand in Hand mit Rußland mag noch als die verzeihlichste Fiktion erscheinen ; aber daß das Interesse aller europäischen Mächte im Orient im der Tendenz erschöpft wäre, den Bosniaken, Bul­­garen und Herzegowien zum unbeschränkten Dißbrauch ihrer rohen Kräfte, zu verhelfen, zu dieser V­orauslegung ist ent­weder eine ausschweifende Phantasie oder Die absichtliche Mitabytung aller lebendigen Thatsachen und Verhältnisse erforderlich. Hoffen wir, daß der gesunde realistische Sinn des englischen Volkes D­ieser verwässerten und gedanken­losen litt alsbald kräftig entgegenwirken werde.­­ | : Budapest, 11. September. Ly. Cs fliegt ein eigenthümlicher, verhänguisvoller Widerspruch in der neuesten Entwicklung der Dinge. Wäh­­rend die materiellen Existenzbedingungen der Völker, vor­­züglich aber der Mittelklasse, sie von Tag zu Tag ver­­schlechtern, die Geschäftslosigkeit selbst in den reichsten Staaten Europas, in Frankreich und England sowohl als in den gewaltigen Pulsadern der amerikanischen Weltwirtcc­­haft drohende Dimensionen annimmt, und die Last des europäischen Steuersystems ganze Bollsschichten bis zur Unerträglichkeit bracht, ohne daß der Staat einer ganzen Reihe von vitalen Interessen gerecht werden künnte , drän­­gen alle S Konstellationen der europäischen Politif die Frage der großen und starren Armeen mehr und mehr in den Vordergrund. Und dies nicht etwa im Sinne jener humanitären Ideologie, welche die mate­­rielen, physischen und geistigen Opfer an Wolfskraft er­­mißt, und hinweist auf das erschreckende Vakuum, welches jeder Krieg zurückläßt, um endlich die Austragung inter­­nationaler Streitigkeiten ohne Blutsteuer auf schiedsrichter­­lichen Wege anzustreben, oder vorläufig den dahin zielenden Seen Bahn zu brechen sein, es it die Ironie des Schicsals, daß wir in einer wirthschaftlichen Krise begrif­­fen, unter deren Verheerungen unsere Boltskraft noch immer leidet und deren Ende mir nicht absehen — vor Allen auf ein möglichst starres, intensiv ausgebildetes, tech­­nisch vollklommen ausgerüstetes, und auch an der Zahl den Armeen großer Nachbarstaaten entsprechendes Heerwesen bes dacht sein müssen, und die Kriterien unserer staatlichen Wehrpolitik gleichbedeutend sind mit den weitesten und fostspieligsten Anforderungen eines taktisch und administra­­tiv vollkommenen Heerwesens. Wie tief wir und gewiß auch alle Welt von den Frie­­densbestrebungen der europäischen Mächte überzeugt sind, so­llt die Sachlage im Orient, troß der zunächst bevor­­stehenden Pazifikation, immerhin so ernfter Natur, um von Seite aller europäischen Mächte und nicht bios der zunächst interessirten, den gefestigten Stand sänstlicher Faktoren des Staatslebens und hervorragender Lagen des Heeres im höchsten Grade erwünscht, ja unerläßlich erscheinen zu has­sen. Die Frage der Heeresschlagfertigkeit ist trog aller Friedensströmung eine arb­elle geworden. Nicht als ob trog alledem Europa­morgen losschlagen wollte, gelegentlich fan ja auch die Ebenbürtigkeit der Kräfte am wirksamsten zur Erhaltung des allgemeinen Friedens beitragen. Es ist Dies zwar, ims Grunde genommen, jener alte, abseheuliche Begriff des „bewaffneten Friedens"; leider läßt sich jedoch nicht immer mit neuen rosigen Begriffen operiren. Unter solchen Umständen muß sich das allgemeine Interesse in hervorragender Weise der österreichisch-ungar­­tischen Armee zuwenden. Jene Reihe von Manövern, welche unter den Augen des obersten Kriegsheren, geleitet von den Soigen der Armee, an allen Punkten der Monar­­chie, in Mähren und in Siebenbürgen, in Böhmen und in Pozen, im Laufe dieses Monats stattgefunden haben, theils noch stattfinden werden — sollten die Kampftüchtigkeit unse­­rer Truppen und noch mehr vielleicht die praktische Anwen­­dung und durchschlagende Aneignung jener Reformen und Neu­­einrichtungen erproben, welche die Armee im Laufe der legten Jahre als militärische Errungenschaft der großen preußisch­­deutschen Kriege, hinsichtlich der taktischen Ausbildung und der Heeres-Organisation so wesentlich umgestaltet haben. Mit aufrichtiger Genugthuung hat das Land vernommen, daß die Armee diese Probe zu voller Aufriedenheit des Kriegsheren und der kompetenten inländischen und aus­­ländischen Lundhmänner bestanden, die neueren Bersuche und Einführungen fi bewährt haben, und die Opfer, welche die Belfer der Monarchie dem Heerwesen bringen, auch redlich und tüchtig verwerthet wurden. Es dirften heute außer von deutschen Reichstruppen wohl wenige Truppen anderer Mächte den Vergleich mit den winn­erigen bestehen, seine sie überflügeln. Es ist dies nicht etwa das Resultat eines plöglichen Umschwunges ; der unfindigste, oberflächlichste Beobachter konnte es bemerken, daß sich die Physiiognomie der Armee entscheidend verändert hat, daß schwer gearbeitet wurde und in allen Waffen Berbesserung und ständiger Fortschritt angestrebt ist. Die Lage des Mannes in der österreichischen Armee war niemals eine vorige . dog darf behauptet werden, Daß die Last jener Ver­änderungen vorzüglich das Offizierforpg berührt. Die Zeiten sind noch nicht lange vorüber, wo der Stand eines Österreichischen Offiziers im Durchschnitt als die geeigneteste Stelle für den Sohn wohlhabender, vornehmerer Familie betrachtet wurde, um mit Ehren flott zu leben. Heute ist jener lebensfrohe, kavaliermäßige Zug gänzlich ge­­schwunden, um dem Berufseräfte einer schweren Aufgabe Plan zu machen. Der österreichische ungarische Offizier muß heute hart arbeiten und Vieles lernen. Als Zeitvertreib wird so Schnell Niemand mehr diese Lebensstellung einneh­­men wollen. Doch dürfte Die erhöhte Achtung des Standes, welche gegenwärtig bei den Bürgern in stetem Zunehmen begriffen ist, mit jener Einbuße an Liebens­­würdigkeit und Kavaliert­um einigermaßen in Causam­­­exus stehen. Juden der Kaiser und König mit allerhöchsten Hand- Schreiben an die Statthalter der betreffenden österreichischen Länder die Loyalität der Bevölkerung anerkannte, wurde von Höchster Seite ein Motiv berührt, welches gemeinhin außer aller Frage stehend, in Oesterreich-Ungarn doch eine gewisse eigenartige Aktuali­tät besigt. Es steht außer Zweifel, wären die Manöver in welcher Gegend­­ dieser Monarchie immer abgehalten worden, die Bevölkerung jed­­weder Nationalität hätte die gleiche Anhänglichkeit. Dasselbe Maß von regem Staatsbewußtsein für die Sache­ der gemeinsamen Wehrkraft bekundet. «Angekräntelt wie Diese Monarchie vom Hader widerstreitender Börkerschaften und ertremer staatsrechtlicher Prätentionen auch sein mag, der hervorragendste Macht» und Wehrhebel dieser Monarchie, die Armee, bildet einen neutralen Punkt, um welchen sich all diese divergirenden Aspirationen wieder zu einem ein­­heitlichen Bewußtsein und Gefühle Exystallisiren. Die Armnee selbst aber ist gänzlich unberührt von jenem Widerstreite. In ihre gibt es feinen Nationalitäten-Hader. An dem Tage, da auch diese Armee von jenem verheerenden Geiste erfaßt werden sollte, wäre es eben vorüber mit dem Be­­stande dieser Monarchie ; es wäre zum mindesten der Anfang vom Ende. Mit der Entfaltung einer so bedeutenden, tüchtigen Heeresmacht, wie es gewiß auch die unfrige ist, pflegt bei den Armeen aller Zeiten und aller Länder der Appetit nach weiterer Expansion und äußerster Vervollk­ummung rege zu werden. Nun ist dies jedoch auf jener Höhe der Zivilisation, die wir erreicht haben, ein äußerst großangelegtes, kom­­plizirtes und fortspieliges Ding. Unser zivilisatorischer Wortschritt befindet sich nämlich nicht nur in der Staffen- Entfaltung der Fabru­s-Produktion und Opern-Darstellun­­gen, sondern in geometrisch progressiv zufnehmenden Massen von Infanteristen und Artilleristen. Täglich aber werden neue Wunderwerke der Artillerie, und vortrefflichere Drillings-Methoden für die Fußtruppen erfuden. Die Armee eines erpank­ten Staates kann oder sollte natürlich nicht still stehen bleiben in Meutte­feld allgemeinen, wohlthätigen Wortschrittes.­ Daher jene wiederholten Umänderungen und „Reformen“, die bei zunehmender Einfachheit der Waffen und Organismen immer mehr und mehr Geld und Leute in Anspruch nehmen. Es sind Die neuangeregten Re­formen, welche uns auf diesen Gedankenweg führen. Die Freiwilligen-Furstitution wurde exit Durch die jüngsten Ne­­gulative, welche wir in diesen Blättern besprachen, ver­­schärft und Hinsichtli­­cher Qualifikation, wie der militäri­­schen Leistungs-Anforderungen erschwert. Es­­ dürfte wohl nicht leicht sein, weitere Veränderungen dieser Institution ins Leben zu rufen, ohne das Wesen derselben anzutasten. Die Erneuerung der Artillerie könnte als eine Folge der Uchatius-Kanone erscheinen, und es liegt nahe, daß der thatsächliche Gebrauch auf den gesammten Artillferie-Dienst modifizirend einwirken mag. Doch haben die Delegationen einen tiefen Griff in den Landesfädel gelegentlich) der Bez­eigung dieser Kanonen selbst gethan ; mit weiteren Verän­­derungen in der Artillerie, die immer theures Geld kosten, konnte vorläufig gewartet werden, bis es zur praktischen Handhabung des neuen Gefchnrges kommt. Iza Wie uns mitgetheilt wird, soll im Kommunikations- Ministerium die bereits im Vorjahre geplante Bereinigung der bisher von­einander vollständig unabhän­­gigen beiden Abtheilungen der General­-Inspek­tionen — für Bau und Betrieb — nunmehr durchgeführt und hiedurch eine größere Raschheit und Einheit in der Erledigung der einschlägigen und naturgemäß im Zusammenhange stehenden Agenden erzielt werden. Zum Chef der vereinigten General-Snspef­­tion soll Ministerialrath Langer, der bisherige Vorstand der Be­­triebs-General-Snspektion und der auch fernerhin als besondere Unterabtheilung zu belastenden Zinsengarantie-Rechnungsabthei­­lung, designirt sein. Ferner soi aus Exsparungs-Nachsichten die bis­­her bestandene technische Eisenbahn-Sektion im Ministerium auf­­gelafsen und deren Agenden theils den übrigen Eisenbahn-Sektionen, theils der Bau-Abtheilung der General-Inspektion zugewiesen wer­­den. Diese Renderungen sollen Anfangs des künftigen Jahres ins Leben treten. == Die Akfivirung des Verwaltungs: Ausschusses in der Hauptstadt betreffend, worüber wir im jüngsten Morgen­blatte eine Mittheilung der „Buch. Korr." veröffentlichten, geht uns von kompetenter Seite folgende Berichtigung zu: Der U­m­stand, daß die Hälfte der Mitglieder des Munizipal-Ausschusses Anfangs Oktober — und nit erst im November — ausgelost wird, fan s ein Hinderniß sein, daß all in der Hauptstadt der Verwaltungs- Aunsídukp am 2. Oktober seine Thätigkeit beginne. Sollte der Fall wirklich eintreten, daß ein oder das andere Mitglied des Ver­­waltungs-Ausschusses aus den Neihen des Munizipal-Ausschusses ausgelost und in denselben nicht wieder gewählt würde, so kann die eventuell nothwendig werdende Neuwahl in der kürzesten Zeit er­folgen, da bekanntlich der hauptstädtische Munizipal-Ausflng alle vierzehn Tage seine regelmäßige Generalversammlung hält und überdies dem Ober-Bürgermeister das Recht zusteht, unter Beobach­­tung des Termins von acht Tagen, jederzeit den Munizipal-Ausschuß zu einer außerordentlichen Generalversammlung einzuberufen. Die Wahl der Mitglieder des Verwaltungs-Ausschusses wird daher in der zu diesem Zweckk zwischen dem 20. und 30. September stattfin­­denden Generalversammlung des hauptstädtischen Munizipal-Aus­­schusses unbedingt erfolgen. sz Der englische Abgeordnete Forster, eines der ausge­­zeichnetsten Mitglieder des englischen Parlaments und der dortigen liberalen Opposition, weilt derzeit in der Türkei, um sich mit eigenen Augen von der türkischen Kriegführung, doch welche die öffentliche Meinung in England so sehr aufgeregt wurde, zu über­­zeugen. Er mochte dort sehr interessante Erfahrungen machen, denn in einem Briefe, welchen er, wie , Napló" meldet, an einen in Buda­pest weilenden vornehmen Engländer geschrieben, sagt er, daß nach dem, was er in Bulgarien gesehen, seine früheren Ansichten über die türkissche Frage sich bedeutend änderten. © Hermannstadt, 4. September. (Drig.-Korr) 63 Spielen sich zur Zeit Ereignisse auf dem Königsboden ab, die von der Breite [chen deshalb fiiirt zu werden verdienen, weil sie das Maulwurfstreiben einer Clique in drastischer Weise illustriren, die sich mit Vorliebe „Vertreter des süchsischen Bolts“ und sogar „Freunde des ungarischen Staates“ nennen, in Wahrheit aber nichts Anderes als „Sächsische Omladinisten“ sind. Der neuernannte Obergespan Friedrich Wächter ist dieser Clique natürlich ein Dorn im Auge und einer der Heftigsten, der Orator von Hermannstadt, Bedens, ging in der legten­digung der Stadtrepräsentang anläßlich einer Interpellation so weit, zu er­klären, daß die Stadrepäsentanz von der Ernennung Wächter’s seine amtliche Kenntniß habe. Für Patrioten dieser Sorte sind eben die amtlichen Publikationen des "Budapesti Közlöny" nicht vor­­handen. Auf gleichem Niveau stand das heute vom Landes-Kirchen­­sekretär Franz Gebbel, der das Regiment in der evangelischen Lan­deskirche A. B. diesseits des Királyhágó mit der Strammheit eines preußischen Gardekorporals führt, kurz vor Eröffnung der Komitats- Versammlung beliebte Betragen. Er trat der vom Bürgermeister an die Versammlung gestellten Aufforderung, den DObergespan D durch eine Deputation zur Sigung abzuholen, brasf entgegen und muthete der Versammlung zu, abzuwarten, bis der Obergespan solo in der Sigung erscheine. Der Takt des Bürgermeisters bewahrte die Ver­­sam­mlung vor einem Skandal. Er erklärte, daß er gehe, um den Obergespan abzuholen; wer mitgehen wolle, solle kommen, die Uebrigen könnten fisen bleiben! Diese Erklärung wirkte und so holte denn eine ansehnliche Deputation den Obergespan ab. Die Abgeordneten waren vollzählig erschienen. Den Saal des „römischen Kaisers” nahmen die 324 Abgeordneten, die Logen und Galerien ein zahlreiches Publikum ein. Beim Eintritt des Obergespans in den Saal erhob sich die Versammlung ; als er die Tribüne bestieg, herrschte tiefes Schweigen. Der Obergespan ließ das Ernennungs-Dekret verlegen und den Am­tseid sich vom Bürgermeister abnehmen. Nach der Eidesablegung nahm er den Präsidentenstuhl ein und wurde vom Bürgermeister als­­­ertreter der Stadt und des Stuhles und von Macellariu als Sprecher der rumänischen Bevölkerung des vollsten Vertrauens versichert. Kaum war die Neu­erung dieses Vertrauensvotums vorüber, so begann die altsächsische Clique ihre oft schon ausgeführten Ma­­növer. Der Obergespan hatte es nämlich unbegreiflicher Weise ver­­säumt, figy bei diesen Herren die Grlaubni zu holen, daß es im ungarischen National-Kost­m erscheingie “> % Berfamiliung ungarischer Sprache eröffnen dürfe. Der erste Redner beantragt: „Die geehrte Versammlung wolle die Ernennung des Herrn Obergespans mit der den Verfügungen a. hb. Sr. Majestät des Königs schuldigen Ohrfucht zur Kenntniß nehmen.” Ein Zweiter wollte die Ernennung nur „vorläufig“ zu Kenntniß nehmen und so cum gratia in infinitum. Die heutige Taktik dieser Herren war darauf berechnet, zivis­chen den Zeilen lesen zu lassen, daß es sich hier wieder um einen Protest vom Standpunkt des historischen Rechts gegen die ungegeb­­liche Regelung der Territorialfrage von Seite der ungarischen Legis­­lative handelte. Auf der einen Seite immer die scheinheilige Versicherung der größten Loyalität und Verfassungstreue, auf der anderen fortwäh­­rende Opposition gegen Alles, was von Parlament und Negierung in Budapest kommt. Die Herren vom „Siebenb. deutschen Tagblatt” arbeiteten, wiewohl sie sich dagegen verwahrten, darauf hinaus, Die Versammlung zu sprengen, oder mindestens die Verhandlungen lahmzulegen. Sie wollten nicht zugeben, daß diese Versammlung einen Beschluß fassen könne, bevor sie selbst die Abgeordneten verifizirt haben. In zahllosen Variationen wurde dieses Thema behandelt und muß­­ten endlich die am­tlichen Abgeordneten Verzeichnisse abgelesen werden, um zu Konstativen, wer fiß- und sti­mmiberechtigt sei. Der Kern des Streites drehte sich um die Frage, ob sich die Komitatsversamm­­lung für Konstituirt erklären soll. Die Redner der Opposition hatten mit ihrer Sophisterei und ihren­­ gleißnerischen Argumenten die V­ersammlung schon halb auf's Eis geführt und es stand zu be­­fürchten, daß dieselbe den Beschluß fasse: sie könne sich nicht für Konftitchet erklären. Da richtete noch zu rechter Zeit der Obergespan an die Bersammmlung die Mahnung, sie solle figy alle Folgen ihres Schrittes für vor Augen halten, alle Uebelstände, welche aus sol­chem Vorgehen für die Bevölkerung des Komitats entstehen würden, vergegen­wärtigen und dann nach bester Mederzeugung besch­ließen. Mit eklatanter Majorität erklärte sich nun die Versammlung für fonstituirt ; der gesunde Sinn und der richtige Instinkt der Ab­­geordneten vom Lande brach endlich den grundlosen Widerstand eitiger Nechthaber, welche auch diese Gelegenheit nicht vorübergehen lassen konnten, ohne ihre Privilegien wieder einmal vorzureiten. Die bekannten Grläffe des Ministers des Innern wurden einen 3er-Ausschüsse zur Berichterstattung in der nächsten Kongregation, welche am 25. d. stattfindet, zugewiesen. Das maßvolle und doch energische Auftreten des Obergespans in der heutigen Versammlung hat allseitig befriedigt. Sein heutiger Sieg über die fähjische Cnmladina läßt uns eine vollständige Weber­­twindung derselben in Kürze hoffen. Wir haben durch die heutige Versammlung die beruhigende Welterzeugung gewonnen, daß nun ein Mann die öffentlichen Angelegenheiten unseres Munizipiums leitet, der Energie, Takt und Toleranz mit Sachlenntung und Pflicht­­treue verbindet. Selbst seine Gegner werden ihm das Lob nicht vorenthalten, daß er eine große Geduld an den Tag gelegt und seltene Fähigkeit für die Leitung einer parlamentarischen Körper­­schaft befundet hat; es läßt sich ihm somit das günstigste Progre­­s­ifon für die Erfüllung aller mit seiner heislen Stellung verbunde­­nen Pflichten stellen. Für die „­Verfassungstreuen” in dieser Stadt und diesem Komitat aber bezeichnet der heutige Tag den Beginn einer neuen Aera. Möchte sie doch die Ginfehr vollkommen geordneter Zustände bedeuten, das Gefühl der Liebe zum Vaterland und zur Verfassung weden, vor Allem aber die Achtung vor dem Gewebe festigen, 005 über uns Allen zu walten berufen ist ! bi H. Lentschan, 10. September. Bestern Abends brachte — wie telegraphisch bereits gemeldet wurde — die hiesige Bürger­­schaft, begleitet von der auch Hier eingeführten Feuerwehr und dem Gesangverein dem­ in seine Geburtsstadt gekommenen Herrn Eduard Sredényi eine Fadel-Serenade. Auf eine shmungvolle ungari­­sche Anrede des Bürgermeisters PB­o­lát erwiderte der Gefrierte, daß er seinen Glauben an die­ Vorzüge der autonomen städtischen Verwaltung nicht verloren und deshalb diese durch ein besonderes Gefeg regeln wollte. Wenn er nun auch bedauere, daß die legislative Mehrheit seinem Antrage nicht beistimmte, so liege er doch die Mederzeugung, daß die Bürger der Städte dem einmal, gebrachten Gefege huldigen und im Komitats-Ausschuß ihre Plage einnehmend, an den Berathungen über die Erfordernisse einer geregelten öffentli­­chen Verwaltung eifrig theilnehmen werden, denn nur auf diese Weise können sie den Einfluß geltend machen, welcher speziell im gipser Komitat den Städten wegen ihrer vorgeschrittenen Industrieg­ewerbe und ihrem Handel unstreitig gebühre. Redner hofft, daß Lenth­inn den übrigen Städten mit gutem Beispiel vorangehen werde. Diese mit stürmischen Essens von der versammelten Menge be­grüßten Worte scheinen anzudeuten, daß sie auf fru­chtbaren Boden gefallen sind. Leutschau wählte in den Komitats-Ausschuß nach je 500 Seelen der Bevölkerung einen, also 14 Repräsentanten nach 7000 Einwohnern ; ebenso die früheren Freistädte Gölm­is und Käs­­mark ; in Betreff der XVI-Städte blieben einstweilen die bisherigen 120 Repräsentanten, jedoch werden später — wenn nach obigem Maßstabe die Zahl derselben bestimm­t werden sollte — nac­ 35.000 Seelen nur 70 Repräsentanten bleiben, welche­n den in vielen Städten vorhandenen Faktoren den Berechtigung auf größeren Ein­­fluß wohl kaum entsprechen dürfte. Bon SKriegsfhaupfake. Der Sebastier Abdul Kerim Baja ist der Cunctator, wie er im Buche steht. Ob aber dieses Zaudern, dem in gemissen Fällen die­­­erechtigung nicht abgesprochen werden kann, unter den dermaligen Verhältnissen am Plage ist, darüber Ließe sich vom politischen Stand» punkte sowohl, wie vom militärischen so mancherlei sagen. An poli­­tischer Beziehung würde es wohl einen grandiosen Gefelt gemacht haben, wenn der einmal begonnene Angriff, Schlag auf Schlag, bis zur gänzlichen Niederwerfung des zu Tode gehösten Gegners fortge­­führt worden wäre; denn nichts würde den Baffermann’schen Ge»­stalten, welche da unten zwischen Timor und Drina ihr zivilisatori­­sches Unwesen treiben, ihre Sonteriorität so sehr zum Bewußtsein gebracht haben, als wenn ihnen seine Zeit gelassen worden wäre, die gedrochenen Heldenglieder wieder zu sammeln und sie gleich­­sam mit einem Hagel mächtiger Faustschläge zu Boden ge­schmettert worden wären. Darin wäre auch die beste Garantie gegen die Wiederkehr feld­räuberischer Unfälle gelegen, deren sich Die Türken fest zu erwehren haben, zum Mindesten würden es bessere Garantien gewesen sein, als geschriebene Versicherungen der Diplo­­maten sie zu bieten vermögen. Aber auch in rein militärischer Bez­­iehung wäre ein solches Verfahren angezeigt gewesen. Man denke si nur den Effekt, den nach der Schlacht von Knjafevak eine rapide, vom Schlachtfelde ausgeführte Verfolgung auf die deroutirten Mi­­lizen Horvatovics’ gemacht hätte; man vergegenwärtige sich den mor­valischen Eindruck, den es auf die Serben hätte hervorbringen müssen, wenn sich nach der Räumung Braitichar’s Osman Pascha mit 40.000 Mann auf Paratjehin in den Rüden ihrer bei Knjajevak geschlagenen und auf Banja zurücgejagten Armee gestürzt hätte, oder endlich, wenn nach der siegreichen Schlacht von Alerinag am 2. 0. M. Ahmed Ejub und Ali Saib unverweilt bis zur Straße von Deligrad nach Djunis und Dsman gleichzeitig von Zaitihar aus in der Richtung auf Paratshin vorge­­durchdrungen wäre! Die Schwierigkeiten der Verpflegung, die Sicherung der Verbindungen und wie all die Entschuldigungs­­­­gründe heißen mögen, die zur Erklärung des Verhaltens der türkie­­­chen Heeresleitung angeführt werden, sie können bei dem Zustande, in dem die serbische Armee sich befindet, nicht ins Gewicht fallen. Der beste Schuß der Verbindungen liegt darin, daß man den ge­schlagenen Feind nicht zur Besinnung kommen läßt, und was die Berpflegung betrifft, nun so wären die zwei Meilen, welche der Bet­pflegstrain weiter zu fahren gehabt hätte, nicht von entscheidendem Belange gewesen. Wie richtig also auch die Grundidee des türki­­schen Operationsplanes gedacht sein mag . Eines ist sicher, daß ihm das erste Erforderniß entscheidender Erfolge, die Schnelligkeit in der Ausführung, durchaus abgeht, und dieser Mangel ist nicht nur aus politischen und militärischen Gründen auf das Tiefste zu bedauern, sondern auch aus rein menschlichen Gründen, da durch diese s­chläfrige Kriegs­weife die Schreden des Krieges nur unauf vermehrt und verlängert werden. Ueber die momentane Situation auf dem Kriegafhauplage liegen zur Stunde folgende neuere Nachrichten vor: Das türkische Hauptquartier stand am 9.d. in Srezovab, vor Deligrad. Bon daher telegraphirt unter dem genannten Datum der Spezial-Korrespondent der „Neuen freien Brefse”: {

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