Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1929. szeptember (76. évfolyam, 197-221. szám)

1929-09-01 / 197. szám

Sonntag, 1. September 1929 grader Machthabern nicht fern' stehen. Sieht man von den paar mit fern gelegenen Staaten abge­schlossenen Verträgen ab, so liegen die Erfolge der Diktatur in außenpolitischer Hinsicht durchaus nicht auf dem pazifistischen Gebiete, wie man es dem Auslande gern darlegen möchte. Einem nicht ganz klaren Schiedsgerichtsvertrage mit Griechen­land folgte die Verlängerung der Verträge mit den beiden anderen Staaten der Kleinen Entente, die noch durch besondere militärische Vereinbarungen ergänzt wurden, die weit den Rahmen von Defensiv­­maßnahmen überschreiten. VI. Militarismus und 1Außenpolitik. Es ist eine militärpolitische Aggressivität sonder­gleichen, wenn die Kleine Entente über vier Millio­nen Soldaten gegen das fast völlig entwaffnete Un­garn nach einheitlichen Grundsätzen aufzubieten sucht. Natürlich wurden die Beziehungen zu Frank­reich, dem großen Bundesgenossen, intimer ausgebaut, als dessen Balkanbollwerk der SHS-Staat in politi­scher, militärischer und wirtschaftlicher Beziehung immer schärfe.r hervortritt. Dagegen hat allen ande­ren Staaten gegenüber die Belgrader Diktatur keiner­lei Erfolge aufzuweisen. Italien und Albanien gegen­über ist Belgrad in der Lauerstellung, schürt hinter­rücks gegen diese beiden Staaten und bereitet sich gegen sie militärisch durch beschleunigten Ausbau der Aufmarschlinien vor, die bis zum Jahre 1930 fertiggestellt sein müssen, um gegebenenfalls Nord­air, gnien und Istrien bis zum Isonzo „befreien“’ zu können. Österreich gegenüber nützt die Diktatur dessen Schwächen aus, maßt sich Eingriffe in die inneren Angelegenheiten an, wobei sie mit der öster­reichischen Sozialdemokratie flirtet und im Gehei­men die Besetzung des Klagenfurter Beckens und die Herstellung eines Korridors über Steiermark mit den Tschechen im Schilde führt. Vor Ungarn hat das Belgrader Regime einen gewissen Respekt, der nur dadurch vermindert wird, als es sich im Bunde mit Rumänien und der Tschecho slowakei dem kleinen {Rumpfungarn gegenüberstehend überlegen fühlt. Mit Bulgarien will die serbische Diktatur immer offene Fragen haben, um Anlässe zu finden, bei sich darbietenden Gelegenheiten einen Überfall zur mili­tärischen Besetzung Bulgarisch-Mazedoniens und des Gebietes bis zum Iskerfluß durchführen und in So­phia selbst eine Belgard vollkommen ergebene Regie­rung einsetzen zu können. Die Beziehungen zum Deut­schen Reiche haben sich in dem Maße verschlechtert, als der wirtschaftliche Einfluß Frankreichs in Bel­grad zugenommen hat. Großbritannien gegenüber ist das Verhältnis ungeklärt, wiewohl die offizielle Presse die Regierung Macdonald nicht gerade freund­lich auf genommen hat; der königliche Diktator hat auch die Abberufung des bisherigen Gesandten und die Ablehnung der erhofften Patenschaft eines eng­lischen Prinzen bei der Taufe des jüngsten Sohnes schmerzlich empfunden. Es ist aus dieser kurzen Anführung der Be­ziehungen der Belgrader Regierung zu den einzelnen Staaten sehr leicht zu ersehen, daß die Diktatur nicht nur keinen großen Wert darauf legt, mit Staaten, die mit den Serbisierungstendenzen Bel­grads aus verschiedenen Gründen nicht einverstan­den sein können, und auf deren Gebieten das Groß­­serbentum „nationale“ Aspirationen hat, im freund­lichen Einvernehmen zu leben, sondern daß sie diesen Staaten gegenüber geradezu aggressiv auf­tritt. Eine derartige Außenpolitik kann doch von niemand als eine pazifistische angesprochen, son­dern muß als ein Imperialismus schlechter Sorte bezeichnet werden, der auf die Erfüllung eingebil­deter nationaler Aspirationen ausgeht. Da die außer­halb des HSH-Staates lebenden Südslawen nur zum allergeringsten Teil Serben sind, so kann diese Poli­tik nur unter der Firma des „Jugoslawismus“ segeln, obwohl die diese Irredenta im Aufträge der Diktatur führende Organisation „Narodna Odbrana“ eine par excellence großserbische ist. Eine Einwendung, daß die Belgrader Regierung doch mit Rücksicht auf die schwierigen innerpolitischen Verhältnisse keine imperialistische Außenpolitik führen könne und froh sein müsse, keine äußeren Konflikte zu haben, wäre nicht stichhaltig. Solche Einwendungen rechnen nicht mit der geschichtlichen Erfahrung, daß es schon Fälle gegeben hat, wo Staaten innere Schwierigkeiten durch außenpolitische Konflikte be­schworen haben, sie rechnen auch nicht mit der serbischen Mentalität, die in ihrem siegestrunkenen Größenwahn Gefahren in ihrem wirklichen Ausmaß nicht sieht, oder sich stark genug fühlt, sie zu über­winden. [Nebengruppen nehmen die mündlichen und schrift­lichen Gutachten der Experten entgegen, beraten eifrig darüber und berichten dann einzeln und ge­meinschaftlich dem Plenum, was wieder einige Mo­nate in Anspruch nimmt, worauf das Plenum auf Grund der vorliegenden, die Höhe des Montblanc [beinahe erreichenden Akten neuerdings in die Be­ratung der Materie eingeht, um nach unermüdlichen Studien festzustellen, daß ein Ausgleich der Gegen­sätze unmöglich ist. Nun wird der Weg der vertrau- Jich-amikalen Verhandlungen eingeschlagen. Wenn dieser die Aussicht auf ein Einvernehmen eröffnet, muß sofort das Plenum einberufen werden, das nicht ermangelt, abermals Unterausschüsse einzusetzen, die wieder Nebenausschüsse gebären, worauf diese abermals Spezialkommissionen zeugen und also die Wiederkehr des Gleichen auf allen Linien mit allen notwendigen Differenzen in die lieblichste Erschei­nung treten lassen, zum Ruhm und zur Ehre der Diplomatie... Legationsrat: Euer Exzellenz belieben zu scher­zen. Ohne zu schmeicheln, möchte ich mir die Be­merkung erlauben, daß die Ironie des Herrn Bot­schafters an die graziöse Schärfe, des Meisters Ana­­tole France gemahnt. Botschafter: Anatole France kannte die Diplo­matie nur aus alten Büchern. Er wußte, daß die Ägypter, die Juden, die Griechen und Römer ihre Diplomaten hatten, wie auch das Mittelalter, ins­besondere die Kirche. Vielleicht war er auch mit den diplomatischen Finessen der französischen Diploma­tie des XVII. und XVIII. Jahrhunderts vertraut, aber yon der neuzeitlichen Diplomatie ließ er sich nichts träumen. Er machte sich lustig über die Gespreizt­heit, Effekthascherei und die geflügelten Worte der Diplomaten — jede Konferenz schloß ehedem mit einem witzigen oder witzig sein wollenden Mot —­­und er hob ganz zutreffend hervor, daß die Diplo­maten Fragen, die in wenigen Stunden restlos gelöst ;werden könnten, monatelang dehnen und zerren.,* Legationsrat (erstaunt): Euer Exzellenz be­lieben zu behaupten, daß in wenigen Stunden diplo­matische Lösungen möglich wären? ... Botschafter: Gewiß. Man müßte die Diploma­ten bloß wie die Kardinale bei einer Papstwahl einsperren, und zwar bei Wasser und Brot, und erst aus dem Konklave lassen, bis säe einig geworden sind; — das würde rasch die Lösungen aller komplizierten Fragen herbeiführen. Freilich, die Diplomaten sind in ihrem eigenen Interesse klug genug, sich nicht zu übereilen . .. Legationsrat: Wenn von Klugheit die Rede ist, möchte ich schon auf Euer Exzellenz hinweisen. Ich bin kein Schmeichler, aber ... Botschafter (ernst): Kein Aber, mein Lieber. Um jedoch das Ihnen gegebene Versprechen zu er­füllen, um Ihnen auf Ihrer Laufbahn weiter zu helfen, will ich Ihnen enthüllen, worin das tiefste Geheimnis der höchsten Diplomatie besteht. Es ist die unermüdliche Geschäftigkeit, die kein Resultat hat, dem unausgesetzten Klappern einer Mühle ver­gleichbar, die leer läuft, und bei der sozusagen nichts herauskommt; es ist wie die Arbeit der Penelope, die nachts auftrennt, was sie am Tage nähte; es ist ein fortwährendes Schreiben und Telephonieren, Laufen und Reden ohne Ergebnis, mit einem Wort: Fieberhafte Untätigkeit! Legationsrat: Und doch scheint unser Mexiko- Honduras-Bolivia-Kongreß, wenn auch erst nach jahrelangen Verhandlungen, dank der Genialität Euer Exzellenz — ohne Schmeichelei gesagt — ein Endergebnis zeitigen zu wollen. Botschafter (maliziös): Das beweist bloß, daß die moderne Diplomatie den Gipfel der Voll­kommenheit noch nicht erreicht hat. .. Der alte und der junge Diplomat setzen ihren Spaziergang feierlich-vornehm fort. Der See unter ihnen und der Himmel über ihnen und die Men­schen ringsumher lachen dazu. • 3 • FESTER LLOYD VII. „Mit allen Mitteln." Eine Zusammenfassung ergibt, daß die Belgrad der Diktatur sowohl in allen Belangen der Innen-* Politik wie der Außenpolitik sich an die These des königlichen Manifestes hält, die lautet: „Mit allen Mitteln die staatliche und nationale Einheit zu wahren.“ Das heißt, daß säe auch vor Waffengewalt nach innen und außen nicht zurück-* bebt, um die erreichte staatliche Einheit, die fälschlichyweise durch den Belgrader Zentralismus dargestellt wird, aufrechtzuerhalten, und um die noch nicht erreichte „nationale Einheit“ zu erzwin­gen. Es ist aber sicher, daß die Diktatur weder den Einheitsstaat aufrechterhalten, noch die nationale Einheit schaffen wird, denn die Völker lassen sicli in solchen Fällen nicht zwingen. Dies gilt in er­höhtem Maße von dem im politischen wie im phiji sischen Kampfe gleich zähen kroatischen Volke, bei dem das Recht auf einen eigenen nationalen Staat und der Stolz, eine selbständige Nation zu sein, so tief wurzelt, daß es sich mit dem Belgrader Einheitsstaate und mit dem Einheitsvolke der Verwandtschaft. Von J. BERNARD MACCARTHY. Sie war eine dürftige Erscheinung in schäbi­ger schwarzer Kleidung, die auf dem knarrender^ Holzbrett, das über den Karren des Fleischers ge­legt war, hin .und her geschoben wurde. Jedesmal, wenn sich die Räder über die Steine bewegten, die auf der Straße angehäuft waren, geriet das Brett ins Wanken und stieß ruckweise, wie ein Zoll­stock sich ausdehnend und verdoppelnd, in ihre Knie; aber sie schien für den Schmerz ganz un­empfindlich zu sein. Hin und wieder schob sie den niedrigen Hut, den sie tief ins Gesicht gezogen hatte, zurück, und blickte mit zwei sehr kleinen Augen umher, Augen, die wie glimmende Funken waren, die in braunen Kreisen einer runzligen Haut glühten ... ; Gott weiß, daß Norrie Carey wenig zu ver­lieren hatte, und dieses Wenige lag nun zu ihren Füßen, eingeschlossen in den rauhen, ungefirnißten Brettern eines Sarges, ein armer, dreizehnjähriger; Junge, dessen zarter Körper durch den spärlichen Verdienst seiner Mutter lange Jahre mit Müh und, Not am Leben erhalten worden war. Und schließ­lich hatte sich der Tod seiner erbarmt. Eine „Last“ hatten ihn vernünftige Nachbarn zu seinen Leb­zeiten genannt; aber sie wußten nicht, was er für; sie bedeutete. Er war alles, woran sie sich klam­merte — Fleisch von ihrem Fleische. Sie blickte eifrig umher, ob sich bei den Toren der Häuser Leben regte, Gestalten auf der mit weißem Staub bedeckten Landstraße auftauch­ten. Obgleich schon viele Jahre vergangen waren, seitdem sie hier gelebt hatte, stammte sie doch von der Familie der Careys von Dunwalla ab. Kein anständiger Nachbar konnte ihr seine teilnehmende Anwesenheit verweigern, wenn sie ihren Toten

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