Transsilvania - Beiblatt zum Siebenbürger Boten, 1842 (Jahrgang 3, nr. 1-102)
1842-09-27 / nr. 76
Dritter Nr. 76. TRANSSILVANIA. Beiblatt zum Siebenbürger Boten. Hermannstadt, den 27. September. Wer wußte, je das Leben recht zu fassen. Wer hat die Hälfte nicht davon verloren Im Traum, im Fieber, im Gespräch mit Thoren, In Liebesqual, im leeren Zeit verprassen ? Platen. Jahrgang Des Henkers Prophezeihung. (Fortlegung) In jener Zeitperiode herrschte in Frankreich ein kräuselndes Gefühl in Bezug auf den ganzen Stand der Scharfrichter , und deren unglückliche moralische Stellung wurde von den Philanthropen als Vorwand gebraucht , und von bedeutenden Schriftstellern als ein vollgültiger Grund bezeichnet, um die Todesstrafe deshalb abzuschaffen. Novellen und Dramen , die zum Gegenstand Scharfrichter hatten, die Muster von Milde , Güte und Bildung waren, und daher natürlich unfreiwillige Opfer ihrer schreilichen Pflichten sein mußten, folgten rasch aufeinander. Anekdoten, von bedeutenden Individuen jenes Standes, circulirten in den Gesellschaften, und manche Züge aus dem Leben der Sansons kamen ans Tageslicht. Vorzüglich interessirte mich ein seltsames Ereignis , welches einen der Vorfahren des jenigen Monsieur de Paris und einen Edelmann, der in dem legten Jahrhundert sich durch seine Tapferkeit, Talente und sein trauriges Geschic auszeichnete, betrifft, da dasselbe ein merkwürdiges Beispiel der geheimnißvollen Wege des Schicsals ist. Weil es nun außerdem durchaus dem Gebiete der Geschichte und nicht der Sage entlehnt ist, so glaube ich, daß die Erzählung desselben um so mehr auf Theilnahme Anspruch machen kann. Während der leßten Jahre der Regentschaft Philipp s von Orleans, als wüstes Wesen und Ausschweifungen , begünstigt und hervorgerufen durch das Beispiel jenes Prinzen, an der Tagesordnung waren , gehörte es durchaus zum guten Ton für die Singer von Paris „sich durch Theilnahme an gemeinen Orgien auszuzeichnen und sogar die Aussprache der niederen Volksklasse anzunehmen , deren Ausdrücke man sich bediente ; eine Gewohnheit, welche der elegante Marechal de Richelieu in späteren Jahren nie wieder ganz abzulegen im Stande war In einer Kneipe mit einer Gesellschaft lustiger Gesellen zu Abend zu essen , bis zum Uebermaaß zu trinken , dann singend die Straßen zu durchziehen, ruhige Bürger zu insultiren, die Nachtwächter abzuprügeln und endlich in ein Spielhaus hineinzugerathen, um dort unter Menschen des schlechtesten Gesichters die Nacht zu beendigen, das war die Lebensweise, welcher sich die größten Berühmtheiten Frankreichs damals hingaben, und wer sich davon zurückzog , galt für einen lächerlichen Sonderling. Diese Excesse waren es, die denen, welche sie ausübten , den Beinamen der Joues verschafften. Zu jener Zeit kehrten eines Abends vier junge Edelleute , welche den ersten Familien des Königreichs angehörten , nach Mitternacht zu Fuß von einer Abendgesellschaft im Marais , welches damals das beliebteste Stadtviertel von Paris war , heim. Als sie durch eine dunkle Straße ber eite kamen, waren sie erstaunt , Töne musikalischer Instrumente zu so später Stunde und in einem so abgelegenen Stadttheile zu vernehmen, Ihre Neugierde ward rege gemacht, und indem sie sich dem Hause näherten, aus dem die Musik zu erschallen schien, und dessen äußeres Ansehen besser war , als das der übrigen in seiner Nähe stehenden , sahen sie durch die Fensterläden eines Parterrezimmers und bemerkten eine zahlreiche Gesellschaft von Personen , welche, ihrer Kleidung nach zu schließen , dem achtbaren Kaufmannsstande angehörig , sich dem Vergnügen eines munteren Tanzes von ganzem Herzen überließen. FINDEST —