Acta Classica Universitatis Scientiarum Debreceniensis 14. (1978)

Sarkady János: Gentilizischen Formen in der Frühen Polisorganisation Athens

ACTA CLASSICA UNIV. SCIENT. DEBRECEN. XIV. 1978. p. 3—8. GENTILIZISCHEN FORMEN IN DER FRÜHEN POLISORGANISATION ATHENS (Aristot. Ath. pol. frg.5.) VON JÁNOS SARKADY Nach der Auflösung der mykenischen Klassengesellschaft entsteht eine Gesellschaft neuen Typs in den meisten griechischen Gebieten, so auch in Attika; diese neue Gesellschaft nennt man Gentilgesellschaft im allgemeinen, weil ihre Organisationsform von Stämmen, Phratrien und Geschlechter (phylai, phratriai, genë), also von den Einheiten, die Gentilcha­­rakter besitzen, gebildet werden1. Diese Formen stimmen mit der Gentilorganisation der Urgemeinschaft, und mit ihren Einheiten überein; aber es besteht keine direkte Kontinuität der älteren und der neuen Formen. Sie werden durch ein großes Intervall, also durch die Klassengesellschaft altorientalischen Typs in II. Jahrtausend scharf getrennt. Die neuen „gentilizischen“ Einheiten sind die eigenartigen Organisationsformen der entstehenden antiken Gesellschaft.2 An dieser grundsätzlichen Tatsache wird auch dadurch nichts geän­dert, daß bei der Herausbildung der neuen Gesellschaft die nicht-mykenischen, im XII—XI. Jahrhundert einwandernden griechischen Stämme (Dorier usw.) — als äußerer Faktor — eine bestimmte Rolle spielten. Am Anfang des I. Jahrtausends in Attika wurde die gesellschaftlich-politische Organi­sationsform von den vier ionischen Stämmen gebildet.3 Die ursprüngliche Form der io­nischen Stammesorganisation ist wahrscheinlich die aus sechs Stämmen bestehende Einheit, die in den Städten von Kleinasien (Ephesos, Miletos, Samos) bekannt sind; in Attika verminderte sich die Zahl der Stämme vermutlich durch Wirkung der ionischen Migration und der Gebietsverluste auf vier.4 An der Spitze Attikas steht der Basileus von Athen, an der Spitze der Stämme stehen die Phylobasileis; diese Benennungen weisen darauf hin, daß die Organisation innerhalb einer von vornherein vorhandenen territorialen bezw. poli­tischen Einheit vor sich ging. Die weitere gesellschaftlich-politische Entwicklung führt wahrscheinlich um 900 v. u. Z. zur Herausbildung der Eupatriden-Aristokratie und der Archontenregierung.5 Die soge- 1 L. H. Morgan, Ancient Society. New York 1877, Chap. VIII—IX; F. Engels, Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats. Zürich 1884, Kap. IV—V., IX.; G. Thomson, Studies in ancient Greek society. The prehistoric Aegean. London 1949, passim, besonders Chap. IV, VIII, X.; V. S. Sergejev, Istorija drevnej Grecii. Moskau — Leningrad 1948, gl. Ill—VIII.; Vsemirnaja istorija I. (red. J. P. Francev) Moskau 1955, gl. XXVIII (J. A. Lencman). 2 J. Sarkady, Zum Problem der Entstehung der griechischen Sklavenhaltergesellschaft. Annales Univ. Scient. Budapestin., Sect, hist., I (1957) 31—62 (ungar., mit russischem Resümee); ders., Die asiatische Produktionsweise in der griechischen Entwicklung und das Problem der Entstehung der antiken Produktionsweise. Oikumene 2 (1978) 43—54. 3 Herod. V. 66., 69.; Euripid. Ion 1575ff.; Aristot. Ath. pol. XLI. 2., frg. 5.; Plutarch. Solon XXIII. 4. 4 J. Sarkady, Attika im 12. bis 10. Jahrhundert. Acta Class. Debr. 2 (1966) 9—27, besonders 22—24. 5 J. Sarkady, Ende des Königtums und Anfang des Archontats in Athen. Acta Class. Debr. 3 (1967), 23—34. 3

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