Banater Deutsche Zeitung, Januar 1928 (Jahrgang 10, nr. 1-24)

1928-01-14 / nr. 11

- - Gei we 3 | Die Betrunkenheit wird nach dem neuen rumäni­­schen Strafgesetz kein mildernder Umstand mehr ein Der Entwurf zum neuen Strafgesetz liegt vor dem obersten­­ legislativen Rat 2 Bukarest, 12. Jänner. Der Entwurf zum neuen Strafgesetzbuch, der von einer Fachkommission aus­­gearbeitet worden ist und gegenwärtig vor­­ dem obersten legislativen Rat liegt, wurde in der letten Zeit nach dem Muster des neuen italienischen Straf­­gesetzes vielfach ergänzt. Der Entwurf zieht eine scharfe Grenze zwischen politischen und gewöhnlichen Vergehen. Vergehen werden mit einfacher Arresthaft Politische bestraft, die die Verurteilten­­ in besonderen zu diesem Zwe zu errichtenden Strafanstalten obsagen werden. Diese Straf­­anstalten werden aus den von den Gerichten bemessenen­ Geldstrafen aufrechterhalten. Die Strafe für politische Vergehen kann keinesfalls durch die Verpflichtung zum Tragen von Arrestan­­tenkleisdern verschärft werden. Den politischen Ge­­fangenen steht das Recht zu, sich von außen zu verkö­­stigen.­­ Für leichte Vergehen wird der eingeführt. Wer sich alss­een läßt, wird, ein leichtes Vergehen zu schulden jem­­falls es zum erstenmal vorkommt, während der Dauer der Strafe seine Wohnung nicht verlassen dürfen. Hausarrest Bezüglich der Geldstrafen werden die Richter die Möglichkeit haben, außer dem Maximum der im Geset vorgeschriebenen Geldstrafe den Angeklagten noch zu einer besonderen Geldstrafe zu ver­ur­­teilen, die ein Drittel seines Einkommens be­­tragen kann. Eine weitere Neuerung ist die, daß im Falle solcher Personen, die ein unbescholtenes Vorleben haben, der Vollzug der Strafe kann. Eine Suspendierung der Strafe, das heißt eine be­­dingte Entlassung aus dem Gefängnisse ist auch in solchen Fällen zulässig, wenn sich der Verurteilte musterhaft aufführt. Das neue Strafgesetz wird sich noch in einem wesentlichen Punkte vom alten unterscheiden­, während das jetzt in Kraft befindliche Straf­­gejet den Rauschzustand als einen wildernden Umstand anerkennnt, sieht Der neue Entwurf für Verbrechen, die im Rauschzustande verübt wer­­den, eine bedeutende Verschärfung der Strafe ber,­­ suspendiert werden ERUIE EHTEYOILLPIEHT RLIE006I0ERI2I57IEBHNRE Angekündigte Valorisierung der ungarischen Kriegsanleihe Waffchenerregende a­uc­h des Finanzministers Budapest, 12. Jänner. Finanzminister Bud hat sich endlich entschlossen, seinen Standpunkt in der Frage der Valorisierung der Kriegsan­­leihen abzuändern. Er hat erklärt, daß er geneigt­ sei, die Bestimmung des Valorisierungsentwurfes, wer gegenwärtig vom Abgeordnetenhaus verhandelt wird, wonach die Kriegsanleihe nicht valorisiert wer­­den suß, fallen zu lassen und durch eine andere Be­­stimmung zu ersetzen, in der Aussichte auf die Valori­­sierung des Kriegsanleihe eröffnet wird. Wie man erfährt, wird in dieser neuen Bestim­­mung eine unbestimmte Karrenzzeit enthalten sein, nach deren Ablauf auf die Valorisierung­ der Kriegs­­anleihe zurorgegriffen werden soll. Diese Karrenzzeit wird wahrscheinlich ablaufen, wenn die staatlichen Zahlungsverpflichtungen, die sich aus dem­ Friedens­­vertrag von Trianon ergeben, erloschen sein werden. In finanziellen Kreisen hat diese Erklärung des Fi­­nanzm­inisters große Befriedigung hervorgerufen und schon im Laufe des Nachmittags machte sich an der Nachbörse und in Privatkreisen außerordentlich rege Nachfrage nach Kriegsenieihe bemerkbar. Unter sol­­chen Umständen dürfte der Balonisierungsen­twurf, gegen den von seiten der Einheitsparteien im Abge­­ordnetenhaus schärfste Opposition eingesetzt hatte, in­­nerhalb weniger Tage verabschiedet werden. ' geht in wiegenden Schritten, als schwinge ihr Körper noch im Rhythmus der Klänge: Fanny Lewald, die Dichterin, die den Meister der Tonkunst erwartet. Sie weiß, er wird einige Minuten im Freien ver­­bringen und dann weiter spielen. Und diese Gele­­genheit von wenigen Minuten will sie .­­­­Marguerita hebt ein wenig. Da geht die Tür am Saal nochmals auf. Wieder erscheint eine Dame, anmutig in ihre Be­ Duine gehüllt, gleichsam lautlos fließt sie die Stufen herab­. Eine schöne, wundervolle Frau! Gräfin Kinsky, ein Gesicht mit alabasterreiner Hautfarbe, mit Li­p­­pen, die ihr erhabenes Lächeln so aufrichtig ergänzen. Wie sollte sie auch nicht lächeln in dieser Minute! Lißt kommt hinter ihr her, nur zwei Stufen von ihr entfernt. Berührt die Kapuze ihrer Beduine sicht seine Brust? Flamingo! — Marguerita zittert vor Erregung. Sie hat sein Gesicht hinter dem Kopf der Gräfin deutlich gesehen. Nun befindet sich die Frau auf der Empore und verharrt. Schon steht Lißt vor ihr, vernimmt begei­­stert geflüsterte Worte der Huldigung von glück­­­<elnden Lippen. Dann legt er seine langen Hände, die Hände voll Zauberkraft, sanft gegen die Schläfen der schönen Frau und küßt ihr die Stirn. . ? In Reichweite von Marguerita stehen die Bei­­den, nur durch das Holz einer Türe getrennt, bis die Gräfin an seinem Arm wieder emporsteigt in Apol­­lons Gefilde, dass Marguerita schaudert ein wenig. Sst es die Kühle? Ist's Fieber? Oder — ; Sie steckte den Schlüssel wieder sachte ins Schloß. Seräuschlos schlüpft sie ins Bett und lauscht den sehnsuchtöschweren Mollakkorden ihres Innern. Von oben dringen leise, allmählich anschwel­­lend, die unvergeßlichen Klänge Flamingos aus gol­­diger Wirklichkeit in ihren Traum. N Blutige Schlägerei zwischen griechischen und katholischen Geistlichen An den heiligen Stätten in Bethlehem Rom, 12. riere d'Italia“ Jänner. Nach einem Bericht des „Cox­­aus Bethlehem ist es zu Weih­­nachten in Epiphania in der Geburtshütte des Herrn zu wilden Szenen zwischen den katholischen Ordensbrüdern und den griechischen Priestern ge­­fom­men­. Die Franziskaner dürfen dort traditions­­gemäß am 25. Dezember bis 5 Uhr früh die Messe lesen, worauf die Reihe an die griechisch-orthodoxen Priester kommt. Kurz vor 5 Uhr erschienen aber be­­reits zwei griechische Priester, die, unterstüßt von ihren Getreuen, eine­ sofortige Unterbrechung des katholischen Gottesreines forderten und mit Ge­­schrei und unter Drohungen auch Durchlegten. Nur die rasch herbeigeholte Polizei konnte verhindern, daß der Streit in Tätlichkeiten ausartete. Am Nachmittag hatten dann die Orthodoxen bereits das Feld vor Hirten belegt und räumten den Katholiken, die dort ihren Gottesdienst abhalten wollten, nur fünf Minu­­ten ein. Als die fünf Minuten um waren, fiel der griechische Priester über seinen katholischen Kollegen her und warf den tragbaren Altar um. Die englischen Behörden veranlaßten die griechischen Geistlichen, sich bei den Katholiken zu entschuldigen. Der Friede dauerte aber nur bis zum Vorabend des Epiphanien­­tages, als wiederum zwei griechische Priester, vor dem Altar der Geburtshütte einen dort die Messe lesenden katholischen Priester mit Kerzen niederschlugen. Zwei auf seine Hilferufe herbeieilende Ordensbrüder wurden auf gleiche Weise mißhandelt. Die verschie­­denen Konsulate beschäftigen sich nun mit den Vo­r­­fällen. Die Katholiken fordern mit Nachdruck, daß ihr Recht im heiligen Lande endgültig anerkannt und festgelegt werde, j - PREELEIREHPICHFELP2:T2IECHERDE Bernichtung eines Schiffes durch Benzinexplosion Wie aus Hamburg gemeldet wird, explodierte gestern im dortigen Hafen der Benzinbehälter eines Motorschiffe. In einigen das Schiff in Flammen und die an Bord befind­­lichen Arbeiter, deren Zahl ungefähr 100 be­­trug, konnten sich nur so Wasser sprangen. Ein Teil erreichte schwimmend­ das Ufer, die übrigen wurden von der Bejadung der sich in der Nähe auf­­haltenden Motorboote aus dem Wasser gezogen. Dreißig Arbeiter erlitten mehr­ weniger schwere­­ Ver­­letzungen. Augenbliden stand retten, vaß sie ganze ins * 600 Bergleute verschüttet Aus Newwyori: wird gemeldet: Nach einem tele­­graphischen Berichte aus der Stadt Cali in Kolum­­bien­ hat­ sich im Bergwerk Las Colombrinas infolge einer Erdrutscung­ ein fürchterliches Ungriff ereig­­net. Bei der Erdrutschung stürzten die in einer Tiefe von 300 Meter gelegenen Stollen, wo 699 Arbeiter beschäftigt waren, ein. Es wird befürchtet, daß von den verschütteten Bergleuten nicht ein einziger am Leben geblieben sei. H | Samstag, von 14. Jänner 1998 Das Testament Lenins aus Moskau wird gemeldet: Die Sowjetregie­­rung hat das politische Testament Lenin 838 bisher nicht veröffentlicht, weil Lenin in ihm einige unan­­genehme Bemerkungen über die gegenwärtigen Füh­­rer der bolschewistischen Diktatur gemacht hat. Das Testament lautet: „Vor allem muß die innere Einheitlichkeit“ des Zentralausschusses gewahrt bleiben und, soweit dies möglich, ist alles getan worden, um Meinungsver­­schiedenheiten oder gar einen Bruch zu vermeiden. Die oldenburgische weiße Garde hatte sehr recht, als­ sie sich auf den Standpunkt stellte, daß ein Vorgehen gegen Sowjetrußland mir dann Erfolg haben könne, wenn es gelinge, in unserer Partei einen Bruch hervorzurufen. Ein solcher Bruch hinwiederum kann nur dann hervorgerufen werden, wenn die zwischen uns bestehenden Meinungsverschiedenheiten entspre­­cher­d ausgenüßt werden. Unsere Partei st­rgt sich auf zwei­ Volksklassen. Wenn es gelingt, zwischen die­­sen beiden Klassen endgültig Frieden zu machen, dann kann die Sicherheit unserer Partei durch nichts gefährdet werden; wenn dies aber nicht gelingt, so müssen wir mit unserm völligen Sturze rech­­nen. Ohne die Einigung dieser beiden Klassen, der Arbeiter und der Bauernschaft ist jede an­­dere Maßnahme überflüssig. Der vor der Türe stehende Bruch kann nur so vermieden werden. Ich hoffe aber, daß diese Möglichkeit so ferne ist und so wenig Wahrscheinlichkeit hat, daß es nicht der Mühe wert ist, sich damit weiter zu beschäftigen. Demgegenüber möchte ich einige Bemerkungen über die Stärke des Zentralausschusses machen, zur Ver­­meidung der Möglichkeit eines Bruches in der nädi­­gen Zukuft. Meiner Ansicht nach stehen im Mit­­telpunkt di­es Problemes die beiden Mitglieder des Zentralausschusses: Stalin und Tropki. Die Be­­ziehungen zwischen beiden können zum Ausgangs­­punkt der Spaltung werden! Da dies unter allen Um­­ständen vermieden werden muß, so ist die Zahl der Mitglieder des Zentralausschusses auf 50 ja sogar auf 100 zu erhöhen. Als Stalin zum Generalsekretär der Partei ge­­wählt wurde, bekam er eine ungeheure Macht in die Hand und ich bin völlig überzeugt, daß er diese große Macht immer entsprechend verwenden werde. Ande­­rerseits verfügt aber auch Tropki über außeror­­dentliche Eigenschaften. Ich muß offen erklären, waß er der Begabteste von allen gegenwärtigen Mit­­gliedern des Zentralausschusses ist. Leider läßt er sich aber zu sehr von den verwaltungsmäßigen Einzel­­heiten der einzelnen Probleme beeinflussen. Io halte er für überflüssig, die Charakterzüge der übrigen Mitglieder des Zentralausschusses einzeln zu kenn­­zeichnen. Ich erinnere aber an die Haltung , in D 1v­­jews und Kamenews die Folge eines Zufalls ist, die wir aber den beiden Genossen nicht zum Vorwurf machen, so wie wir auch Trotzki seine Vorwürfe wegen bolschewistischen Stellungnahme machen. Von den jüngeren Mitgliedern möchte ich einige Seine festem Willen und j . im Oktober 1917, die nicht bürokratisch, als daß man ernste seiner , nicht­­Worte über Bucharin und Pjatakow machen. Meiner Ansicht nach verkörpern diese beiden die be­­sten Kräfte des jungen Geschlechtes. Bucharin ist der größte und wertvollste Theoretiker der Partei, er ist mit Recht der Benjamin unserer Partei genannt worden, theoretischen Anschauungen können aber vom Standpunkt des Marriymus nicht ohne Bedenken angenommen werden, da er die Dialektik der Tatsachen nicht genügend kennt und sie auch nie­­mals lernen wird. Pjatakow ist ein Mann von politische Fragen ihm anvertrauen könnte. Er ist vielleicht überflüssig zu erwähnen, daß diese Beobachtungen, die ich hier über den einen und den andern gemacht habe, sich nur auf die Gegenwart beziehen und daß ich hoffe, daß die anfangs genannten zwei Genossen Zeit finden werden, um ihre Kenntnisse und ihren einseitigen Standpunkt zu erweitern. 25. Dezember 1922. Lenin. Nachschrift: Stalin ist zu schroff. Es ist dies ein Fehler, der m­it seiner Stellung als Generalsekre­­tär unvereinbart werden kann. Daher rate ich, eine Möglichkeit zu finden, um Stalin von diesem Posten zu entfernen und jemanden mit diesem Posten zu be­­trauen, der außer Stalins Fähigkeiten noch Geduld, Ergebenheit, Höflichkeit und Liebeneswürdigkeit " be­­ist. Man wird mir vorwerfen können, daß ich zu freinlich sei. Wenn ich aber daran denke, daß hier von einer unbedingten Notwe­ndigkeit die Rede ist und daß wir uns gegen die Gefahr des Bruches wapp­­nen müssen, so kann ich nur wiederholen, daß betref­­fend die Beziehungen zwischen Trotzki und Stalin von keiner Kleinigkeit die Rede ist. Wenn heute die Sache kleinlich erscheint, so kann das Problem jeden Augenblick verhängnisvolle Wichtigkeit werden. 4. Jänner 1923. Lenin. Lenin erweist sich hier als ein Mensch von gro­­ßem Scharfbild. Er hat den Streit zwischen Stalin und Trotzki richtig vorausgeahnt. Es bleibt noch zu erweisen, ob dieser Streit zum Sturze des kommu­­nistischen Regimes führen wird, starker Begabung; er ist aber zu -

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