Banater Deutsche Zeitung, November 1929 (Jahrgang 11, nr. 249-273)

1929-11-20 / nr. 264

Seite 4 „Banater Deutsche Zeitung" Mittwoch, 20. November 1929 E Der französische Finanzdiktator Rumäniens nach Spanien delegiert Bukarest, 19. November Dr. Charles Rist, der französische Finanzdiktator Rumäniens, hält sich schon über einen Monat in Pa­­ris auf. Im Zusammenhang damit bringt die Low­­er „Financial News” die interessante Nachricht, a Rists rumänische Sendung angeblich zu Ende sein soll und der Finanzfachmann in Be­­trauung der Französischen Bank vomnächst nach Madrid gehen wird, um bei der Stabilisierung der spanischen Währung mitzuhelfen. Dr. Rist ist vor einem Monat aus Bukarest auf einige Tage nach Paris gereist, hat aber seither seinen Auf­­enthalt immer wieder verlängert, welcher Umstand die Nachricht des englischen Blattes zu bewahrhei­­ten scheint. 2 Wie wir erfahren, war auch schon früher des öftern die Rede davon, daß Rift Rumänien verläßt, es sollen sogar bereits Kombinationen betreffs seiner Nachfolge aufgetaucht sein. Man hat bei der National­­bank auch von Gedanken aufgeworfen, daß Rist über­­haupt nicht ersetzt werden möge und daß die Kontroll­­arbeiten der technische Sachverständige Auboin, auch ein Abgesandter d­er Französischen Bank, versehen möge. Diese Art der Lösung würde der rumänischen Nationalbank umso mehr passen, da sich dadurch die Gebühren eines Finanzberaters, wie er Rist einer war, die bisher 6 Millionen Lei jährlich betrügen, wesentlich bezahltsehken ficken, Verhör des Generalsekretärs der Retter in der Angelegenheit des Todes Ludwig Szirmais. In der Angelegenheit des tragischem Todes Ludwig Szir­­mais hat die Staatsanwaltschaft die Untersuchung eingeleitet. Aus dem Gutachten des Sachverständi­­gen Kornel Popovici geht hervor, daß das Gas durch den Mörtelüberzug der Wände der vergasten Wohnung in die Nebenräume und aus diesen in je­­­­nen abseits gelegenen Ort gedrungen ist, in dem La­­dislaus Szirmai sein so erschütterndes Ende fand. Auch Gasfabriksdirektor Karl Steiner und Ing. Georg Stanciu haben ihr Gutachten gestern ein­­gereicht. Staatsanwalt Vopescu hat bisher den Ar­­titekten Kornel Popovici, Gasfabriksdirektor Karl Steiner, Ingenieury Georg Staviciu, Arzt Dr. Morik Juhl und den Generalsekretär der Retter De Viotte einvernommen. Das Verhör des letteren hat zwei volle Stunden in Anspruch genommen. In seinem Verlaufe vermochte Staatsanwalt Popescu sämtliche wichtigen Fragen in dieser Angelegenheit zu bereinigen, er verweigert aber diesbezüglich jede Aus­kunft. Da voraussichtlich gegen Wochenende auch das Gutachten des Obersten Gesundheitsrates ein­­treffen wird, dürfte auch die Staatsanwaltschaft in der Lage sein, die Anklageschrift noch in dieser Woche zu verfassen. Aus ihr wird selbstverständlich auch her­­vorgehen, wer ihres Erachtens für den tödlichen Un­­fall Ladislaus Szirmais die Verantwortung zu tra­­gen hat. Die Witwe des Gründers der Kunstmühle 83 Jahre alt. Am Sonntag wurde in der bekannten Te­­meswarer Indu­striellenfamilie Prochas­ka ein schönes Fest gefeiert. An diesem Tage jährt es sich zum dreiundachtzigstenmal, daß Frau Babett Pro­­­haska geb. Kratochwill, die Witwe weiland Eduard Procha3ka­, das Licht der Welt erblickte. Aus diesem Anlaß wurde die hochbetagte Matrone von ihren Kindern und Enkeln mit Liebesbezeugungen aller Art überhäuft. Den Lebensbund mit ihrem heimge­­gangenen Gatten schloß die Gefeierte im Jahre 1865. Aus ihm sind zehn Kinder hervorgegangen, von wel­­chen heute noch fünf am Leben sind, und zwar die Söhne Eduard, Oskar, Ludwig und Viktor Pro­­haska, die das durch ihren Vater gegründete Unter­­nehmen zu­ hoher Blüte brachten und in industriellen Kreisen einen ausgezeichneten Ruf genießen, und die Tochter Rosa Prochaska. An der schönen Feier haben auch die Verwandten der Familie teilgenommen. Messerstecherei zwischen Ehegatten. Gestern nach­­mittags tauchten zwischen dem Zigeuner Johann Boß und seiner Gattin Meinungsverschiedenheiten auf. Die beiden, die etwas zu tief ins Glas geblickt hatten, wurden alsbald handgemein und gingen vom Wortgefecht zum Nahkampf über. Im Verlaufe der­­ Rauferei 309 der Ehegatte plötzlich sein Messer und verseßte seiner Ehehälfte einige Stiche in die Schul­­ter. Der Polizist Pantelie M­ami­l­a, wel­cher zufällig des Weges kam, trennte die beiden Raufenden und führte sie auf das Fabriter Volizeikommissariat. Die Retter leisteten Der verwundeten Frau erste Hilfe. Johann. Bo wurde das Verfahren einge­­Der erste volkswissenschaftliche Vortrag in der Vorstadt Fabrik. Der Arzt Dr. Nikolaus H.O­ff­­mann hat Sonntag­ im Vereinssaal der Fabriker Ortsgruppe den Banater Deutschen Kulturverein über den Gegenstand „Wird zu viel Fleisch gegessen“ gesprochen und mit diesem die Wintervortragsfolge des jungen Vereins eröffnet. Der Vortragende wußte den Übrigens sehr prosaischen Stoff fesselnd und in volkstümlicher Weise zu behandeln. Allgemein wurde der Wunsch geäußert, ihn schon demnächst am Vor­­tragstisch wiederzusehen. Ein 2000 Jahre altes Skelett mit vollständigem Gebiß. Aus Rom wird gemeldet: Bei der Stadt Ta­­serta wurden Ueberreste einer Kirche, die vor Christi Geburt errichtet wurde und in diesem Tempel auch ein menschliches Skelett ausgegraben, dessen Zähne noch vollständig erhalten sind. _ 5 KIET.PRE ‚* Ständige Ausstellung“ des „Städtischen Elek­­trizitätswerkes“. In der ständigen Ausstellung des städt. Elektrizitätswerkes (Str. Primaries) werden die praktischen Vorführungen der Jungsesapparate am Donnerstag, elektrischen Haushal­­ten 21. November und jeden kommenden Donnerstag zwischen 17--18 Uhr wieder stattfinden. Es werden außer Heißwasserspeichern auch Elektro-Staubsauger Elektro­­und Parkettbohner vorgeführt. Durch diese Vorführungen soll das Publikum von den vielseitigen Vorteilen die­­ser elektrischen S Haushaltungsapparate, welche in jedem einschlagenden Spezialgeschäfte erhältlich sind, überzeugt werden. Zur Förderung der weit­ breitesten Benützung dieser Apparate hat das Elektrizitätswerk einen Spezialtarif für Haushaltung und Nachtstrom eingeführt. 6307 Kirchenweihe in Rumänisch-Bogschan. Sonntag, den 17. d. M., wurde die auch von uns angekündigte Weihe der aus den spärlichen Mitteln der dortigen Bevölkerung erbauten Gotteshauses von Rumänisch Bogschan vorgenommen. Die feierliche Handlung wurde durch den Bogschaner Pfarrer Jakob Br­u­n­­ner vorgenommen, der nach ihrer Beendigung das erste feierliche Hochamt in der neuen Kirche zelebrierte. Mittags wurde ein Festessen gegeben. Nachmittag war Plakmusik, abends aber wurde eine Tanzunter­­haltung veranstaltet. Die Musik wurde von der Werk­kapelle beformt. Siegmund Kunfi gestorben. Dr. Siegmund Kunfi, der einstige Temesawarer Realschulprofessor und Vertreter der Lehre des extremen Marxismus, ist in Wien den Weg allen Fleisches gegangen. Der Heimgegangene trat nach Erledigung seiner Hoch­­schulstudien in die Dienste des Grafen Geza ein, wo er als Erzieher wirkte. Nachdem er die Professo­­renprüfung bestanden hatte, kam er na­ Temesmwar, wo er 3 Jahre hindurch an der staatli­­hen Oberrealstule tätig war. Schon damals war er ein eifriger Parteigänger der Sozialdemokra­­ten. Eine Folge seiner Anschauungen war die daß er vom Grafen Apponyi, als dieser im Jahre 1904 das ungarische Unterrichtsministerium inne­hatte, ge­­maßregelt wurde, was ihn dazu veranlaßte, der Pro­­fessorenlaufbahn zu entsagen und sich ganz in den Kampf um die Verwirklichung des Marrismus zu stellen. Er wurde Leitartikelschreiber der Budapester „Neppava“ (Volfswille). In der unglücklichen Regie­­rung Michael Ka­rolyiS bekleidete er die des Unterrichtsministers. Nachdem durch seine Stelle Ver­­mittlung die Herrschaft Bela Kun3 und somit des Kommunismus gesichert war, wurde er von der Rä­­teregierung in der Eigenschaft eines Volkskom­­missärs ebenfalls mit der Leitung des Unterrichtswe­­sens betraut. Nach dem Zusammenbruch der Kommu­­nistenherrschaft mußte er ins Ausland flüchten, und faßte schließlich in Wien festen Fuß. Mitarbeiter der „Arbeiter-Zeitung“, wo Dort wurde er er bis zu seinem jetzt erfolgten Tode eine umfangreiche publi­­zistische Tätigkeit entfaltete. Entgegen einer Wiener Nachricht, daß sein Ableben infolge eines Herzschlags herbeigeführt wurde, wird von den meisten und größten Budapester Blättern mit Bestimmtheit be­­hauptet, daß dies nicht der Fall sei, vielmehr habe Siegmund Kunft seinem Leben selbst ein Ende bereitet. Die Fenster eines Fabriker Kaffeehauses einge­­schlagen. Vergangene Nacht schlugen unbekannte Tä­­ter die Fensterscheiben des Kaffeehauses Newyork in der Fabriker Dreitönigsgasse ein. Große Feuersbrunst in der Universität zu San Franzisco. Aus New York wird gemeldet: Gestern entstand in dem Laboratorium der Kalifornischen Universität zu San Franzisco ein Feuer, dem 200 Filmrollen und außerdem die mit b­esiegen Kosten be­­­­schaffte Laboratoriumseinrichtung zum Opfer fielen. Eröffnung der Volksküchen und Wärmestuben am 1. Dezember. Die Stadt eröffnet heuer ihre Volk­süchen am 1. Dezember. Die in der MJosefstad­t wird sich im Wirkelor­ befinden und die in der Fabrik Ede Kor­nigs- und Taubengasse. Elisabethstädter Bürger ha­­ben sich bereit erklärt, in ihrem Stadtteil ein Lokal und die Einrichtung unentgeltlich zur Verfügung zu stel­­len, in welchem Fall auch die dritte Volksküche arme Hungernden speisen wird. Jene Volksküche ist er­­mächtigt, täglich 60 Portionen unentgeltlich an Be­­dürftige zu entrichten, im übrigen sind für ein Mit­­tagessen wie im Vorjahr 15 Lei zu bezahlen. Sollte sich in der Fabrik das Bedürfnis nach einer zweiten­ Volksküche in diesem Stadtteil ergeben, wird die Stadt diese ebenfalls aufstellen. Die Volksküchen die­­nen zugleich als Wärmestuben und werden zu diesem­ Zwecke von 9 Uhr vormittag bis geheizt. schwäbischen Kreisen bestbekannten Volksgenossen­. Stefan Dold, Direktor der Landwirte Verf. A.-G., hat die Genehmigung zur Ausübung ihrer 3 ah­n=, ärztlichen Praxis erhalten und ordiniert: Te«­me3iwar-Josefstad­t, Str. Mircea Voda (Missitsgasse); Nr. 12. Wiedereröffnung der Wiener Hochschulen. Aus 7 Wien wird gemeldet: Die hiesigen Hochschulen wur­­den wiedereröffnet. Doch ist der Legitimationszwang nicht nur bei den Eingängen, sondern auch in den Hörsälen eingeführt worden. — Einer Meldung aus Prag zufolge hat das Dekanat der ärztlichen Fakul­­tät die Eingabe der tschechischen Hörer dahin beant­­wortet, daß der Numerus clausus in der geforderten Form nicht verwirklicht werden kann, nur zugesagt, daß die Hörer, d­en Gewerkschaften. Heute Es wurde die an der Prager Hochschule keinen Platz mehr finden, nach Brünn und Preßburg verwiesen werden. Die Angelegenheit der Auflösung der einheitli vormittags verkündete der Arente-Senat der königlichen Tafel die in An­­gelegenheit der Auflösung der einheitlichen Gewerk­­schaften aus Temeswar und Lugosch erbrachte Ent­scheidung, laut der vom beschleunigten dem Ansuchen, den Prozeß nach Verfahren abzumicteln, nicht stattgegeben wurde. Beim weiteren Prozeßverlauf ist daher der normale Gerichtswen einzuhalten. [2 . Dr. med. Käthe Dold, die 5 Uhr nachmittag Tochter unseres Mi, Vinlter, Sochlerx und Geliebter Einstellung des Verfahrens wegen verübten Sittlichkeitsattentates Vor dem Athanasiu-Senat des Temeswa­­rer Gerichtshofes hätte sich heute vormittags der Beamte der Temešwarer Finanzadministration Andreas Candean wegen eines Sittlichkeitsatten­­taten verantworten sollen. gasse Candean lebte mit der in der Mehala, Raday- 1 wohnhaften geschiedenen Frau N. O. in wil­­der Ehe. Frau O. hat aus ihrer ersten Ehe eine 15 Jahre alte Tochter­­. Vor längerer Zeit erkrankte die Mutter und mußte in das Spital überführt wer­­den. Während Frau O. im Spital lag, blieb Can­­dean mit dem 15 Jahre alten Mädchen allein in der Wohnung. Eines Tages verübte Candean gegen die Tochter seiner im Spital weilenden Konsu­­­bine ein Sittlichkeitsattentat. Das geschändete Mädchen lief nachher zu seinem On­­kel Johann Ost o­in, welcher Landwirt ist und eben­­falls in der Mehala wohnt, und erzählte diesem, d­as mit ihr geschehen sei. Ostein führte das Mädchen sofort zu einem Arzt, welcher die Wahrheit der Angaben des Mädchens durch ein Zeugnis bestätigte, worauf der Landwirt gegen Candean­ bei der Staatsanwaltschaft die Strafanzeige erstattete. Die Untersuchung wurde ein­­geleitet und Candean gestand bei der Polizei ein, das Mädchen in­ der Abwesenheit seiner Mutter verge­­waltigt zu haben. In gleichem Sinne hielt auch das Mädchen seine Aussagen aufrecht. Vor nicht langer Zeit, als der Termin der Verhandlung immer näher rückte, entschloß sich Candean, seine Konkubine zu seiner rechtmäßigen Gattin zu machen, wahrscheinlich, um er­ Weise die Zurücziehung der Klage zu er­­wirken. Die Angelegenheit gelangte heute vor­ den Ge­­richtshof und nahm eine überaus unerwartete Wen­­dung. Die Mutter des geschändeten Mädchens, nunmehr Frau Candean, zog nämlich die Klage gegen ihren Gatten zurück. Auch die Tochter erklärte, mit Candean in keinem Ver­­hältnis gestanden zu haben. Der Verteidiger des Angeklagten Demetrius Bottez verlangte hierauf vom Gerichtshof die Einstellung des Verfahrens, da von keiner Seite eine Beschuldi­­gung vorliege. Hierauf erhob sich Staatsanwalt Nicolau und sagte: „Die Aussagen der Mutter und der Tochter, machen mich stumm.“ Wenn eine Mutter ihre Tochter nicht in Ehren erziehen will und sie an ihren Geliebten verkauft, um dadurch sich selbst die Liebe und Heirat zu sichern,­­ so habe ich nichts mehr zu sagen, wünsche nur, daß sie diesen Weg, der abwärts führt, nicht mehr weiter gehen möge. es Der Verteidiger Bote 3 erklärte, die Worte des­ Staatsanwaltes seien zwar tief empfunden und rüh­­rend, doch das Gesetz spreche kategorisch aus, daß man in diesem Falle das Verfahren einstellen müsse. Das Gericht schloß hierauf die Alten ab und stellte das Verfahren ein. ; j

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