Bukarester Gemeindeblatt - Beilage zum Nachbar, 1904-1905 (Jahrgang 1, nr. 2-54)
1905-12-04 / nr. 52
Bukarester Gemeindeblatt Beilage zum Machbar. Schriftleitung : Pfarrer E. H E I F T. Geschäftsstelle: Gemeindekanzlei Strada Luterana 10. Jahrgang I. Sonntag 4./17 Dezember 1905. No. 52 Von Jassy nach Bukarest. Aus Neumeister's Erinerungen eines Diasporageislichen.1) Die Mitternachtsstunde hat geschlagen, der Postknecht mit seinen 4 Pferden und dem Marterkasten, in den ich einsteigen sollte, wartet bereits vor der Haustüre. Was? Marterkasten? Ja, ja, ■— der Ausdruck passt. Ein kaum ein Meter hoher und höchstens ein und ein halb Meter langer, ohne Nagel, nur aus Holz zusammengefügter Leiterwagen auf mitunter rechteckigen Rädern, weil sie nur sehr selten eiserne Reifen hatten, ein Bündel Heu zum sitzen, — das war alles, was zu seiner Bequemlichkeit der Reisende, wenn er nicht mit eigenem Wagen fuhr, wozu er auch mehr Pferde erhielt, damals von der Postverwaltung in den Donaufürstentümern zu fordern das Recht hatte. Das zu jener Zeit oft gehörte Wort jedoch: «Mit der Post fliegt man» war nicht ganz unrichtig. Die Stränge zwar, mit denen die Pferde angekoppelt waren, rissen sicherlich einmal in Bezugnehmend auf den in der vorigen Nummer erschienenen Artikel über Neumeister’s Erinnerungen veröffentlichen wir aus dem Werke einen Abschnitt. Der Verfasser erzählt darin, wie er vor Anbruche des Krimkrieges im Jahre 1853 von Jassy nach Bukarest gereist ist, und entwirft ein anschauliches Bild von der Annehmlichkeit des Reisens in Rumänien vor 50 Jahren. Zwischenräumen von durchschnittlich zwanzig Minuten und mit dem Binden und Knotenschlingen verging allerdings Zeit, aber der Postillon wusste sie einzubringen. Wenn er fuhr, trieb er, fort und fort mit der Peitsche knallend und manchmal einen langgezogenen Schrei ausstossend, die Pferde fast ununterbrochen zum Galopp an. Berge und Thäler, Gruben und Abhänge,—danach fragte er nicht. Die Bauern aber, die ihm mit ihrem Fuhrwerk entgegenkamen, wichen gesetzmässig von weitem schon vor der Post aus. Nur einmal kümmerte sich so ein Rosselenker um die Person, die er marterte, nämlich, wenn er an einem Wirtshaus anhielt, um seinen Pferden etwas Rast zu gönnen zum Verschnaufen. Weh aber nun einem der rumänischen Sprache unkundigen Reisenden, dem etwa ein Landsmann den Schabernack gespielt, dass er ihm auf die Frage was «langsamer» heisse, die Antwort gegeben : «mai curând», das heisst nämlich «schneller»! Er hätte sicherlich die Erfahrung gemacht, dass die rumänische Post ihr hurtiges Fahren auch zu einem Dahinrasen steigern konnte, und je öfter er geschrien hatte : «mai curand» desto unvergesslicher, aber auch grauenerregender wäre sie ihm geworden. Dies hat alles sich freilich nunmehr, wo die