Bukarester Gemeindeblatt, 1907 (Jahrgang 3, nr. 14-52)

1907-06-10 / nr. 23

i >3**/ St BuHarîster Jahrg. IU! Sonntag IO./23. Juni 1907. No. 23 Die'christiichen Konfessionen Rumäniens in ihrem wechselseitigen Verhältnis. (Fortsetzung). Diest; religiöse Toleranz muss von den deut­schen evangelischen Gemeinden in Rumänien unbedingt dankbar anerkannt werden. Unge­hindert haben sie sich überall Grund und Bo­den zur Errichtung ihrer Kirche oder ihres Betsaales, der Pfarr-und Schulhäuser erwerben dürfen ; ja, oft genug ward ihnen derselbe vom Staate sogar geschenkt. Unangefochten konnten sie sich allenthalben entwickeln. Und doch, unleugbar sind ihnen auch ge­wisse Nachteile daraus erwachsen, die unter ungünstigeren Verhältnissen vielleicht weniger spürbar geworden wären. Die Toleranz der rumänischen Staatskirche hat zur Gleichgiltig­keit gegenüber den konfessionellen Unterschie­den überhaupt geführt, nicht so in den ge­bildeten Schichten unserer Gemeinde, wie ge­rade in den unteren und ungebildeten. Man vergegenwärtige sich die Wohnungsnot dieser Leute: Ein nie verschlossenes Tor führt auf einen wohl hundert Und auch mehr Meter lan­gen Hof; rechts und links stehen baufällige Lehmbaracken. Betäubender Dunst strömt einem namentlich im Winter aus ihnen entgegen, ein Gemisch von Rauch, Speisedämpfen und ver­brauchter Luft; aber die Insassen sind daran gewöhnt. Sie öffnen weder Fenster noch Türen aus Furcht vor der Kälte. In zwei winzigen Löchern hausen eine sechzigjährige Frau, ihre Tochter, deren drei Kinder (Knaben.und Mäd­chen) und ihr Sohn zusammen. Sie sind evan­gelisch, während die 10 bis 15 Familien der Nachbarbaracken dein orthodoxen Glauben an­gehören. Die Verbindung mit der evangelischen Gemeinde ist, wenn überhaupt vorhanden, eine äusserst lose. Wohl wird der Geistliche höflich aufgenommen, der sie besucht, zu dem, was er sagt, hört er ein beifälliges Ja und Amen, aber aus Mangel an Zeit und passenden Klei­dern unterbleibt der «Gegenbesuch» im sonn­täglichen Gottesdienst. Um so stärker dagegen ist ihre Verbindung mit den anderen Hofbe­wohnern, die keinerlei Anstoss am evangeli­schen Glauben nehmen. Mit ihnen reden sie rumänisch, das durch den jahrelangen Ge­brauch viel leichter ihnen vom Munde geht, als das selten geübte Deutsch; und dann ist die Art der Lebensführung bei beiden die gleiche. Die Teilnahme an den Sitten der orthodoxen Religion bleibt ohne jeden Einfluss auf das sittliche Leben des Rumänen. Ein rein äusser­­liches Band, das merken die evangelischen Be­Schriftleitung j Pfarrer E. HEI FT. Aíefauertac, £ Â?0&r indeM Geschäftsstelle: Gemeindekanzlei Strada Luterana 10.

Next