Bukarester Gemeindeblatt, 1911 (Jahrgang 7, nr. 1-52)

1911-01-02 / nr. 1

reifer Zum nenen Jahre! Wachet, stehet im Glauben, seid männ­­li­ und seid stark. I. Kor. 16, 13. Wieder ist ein Jahr über uns hinweggerauscht, wieder stehen wir an einem Marksteine des Lebens und wieder drängt sich uns die Frage auf: Was wird die Zukunft bringen ? Wer wollte es wagen, hierauf eine Antwort zu geben? Ungewiß ist es ja, wie sich im nächsten Jahre das Völkerleben gestalten wird, ungewiß, wie sich unsere Gemeinde fortentwickeln wird, ungewiß endlich, was jedes einzelnen unter uns harrt. Wahrlich, man versteht es wohl, wenn manches Herz beim Gedanken an das, was kommen wird, bange klopft. Aber gerade über diese ungewisse, bange Stimmung will uns Paulus mit feiner Mahnung hinweghelfen und wir meinen, bessere Begleiter können wir fürs neue Jahr nicht finden, als Wachsamkeit, Gottesfurcht und Mann­­haftigkeit. „Wach­et!" So kurz und knapp dies Wort, so be­­deutungsvoll sein Gehalt. Der Apostel weiß aus eigenster Erfahrung, daß das Menschenleben von mannigfachen Gefahren umgeben ist. Nicht nur Gefahren des Leibes begegnen uns auf allen Wegen, mehr noch Fährnisse aller Art für unser Seelenleben. Auch im kommenden Jahre werden uns Stunden der Versuchung schlagen. Mancher, der sehr seine Pflicht treu erfüllt, kann vielleicht am Jahresschlusse von den Wegen Gottes weit abgewichen sein. Die Lockungen der Freude, des äußern Glücks, des persönlichen Vorteils üben auf jeden ihre Versuchung aus. Da gilt es denn wachsam zu sein! Es gilt dem Einzelnen wie auch den menschlichen Gemeinschaften und möbesondere unsern Gemeinden. Wohl dürfen wir jetzt mit Freude und Dankbarkeit auf das vergangene Jahr zurückblicken, in welchem wir wieder manches Werk erhebender Opfer­­­­willigkeit erlebt haben. In vielen Fällen hat schon ein leiser Hinweis auf einen Notstand genügt und hilfreiche Hände boten sich sofort mit gütigen Gaben an. Aber bei aller Dankbarkeit hierfür müssen wir doch immer wieder darauf hinweisen, daß noch viel, unendlich viel zu tun ist. Zu immer neuer D Opferwilligkeit­­ müssen wir mahnen. Noch sind wir lange nicht an der Grenze uns­­erer Leistungsfähigkeit angelangt. Darum wacht, daß der wohltätige Simn in unserer Gemeinde nicht stille, stehe! Stillstand wäre Rückschritt! . Von noch größerer Wichtigkeit für unser Gemeindeleben ist ein anderer Punkt, auf den hinzuweisen und an dessen Besserung zu arbeiten wir nicht müde werden dürfen. Man wagt es kaum zu berechnen, welch weite Kreise der Abfall von Volkstum und­ Kirche in unsern Gemeinden zieht. Wie viele Kinder evangelischer Eltern empfangen die heilige Taufe gar nicht oder nicht in unserer Ge­­meinde, wie viele Erwachsene werden ihrem evangelischen Glauben untreu! Der einzelne ist dieser Erscheinung gegenüber oft machtlos. Nun denn, versuchen wirs durch gemeinsame Arbeit, hier Abhilfe zu schaffen.­­Es ist immer ein­ Zeichen sittlicher Schwäche, wenn jemand um äußerer Vorteile willen Religion und Volkstum vorangibt und darum ist auch häufig die religiöse und nationale Gleich­­gültigkeit der Beginn völliger sittlicher Haltlosigkeit, die dann in ihrem Gefolge auch den wirtschaftlichen Ruin mit sich bringt. Um unserer Glaubensgenossen willen mahnen wir darum mit dem Apostel Paulus: „Wachet! Und stehet im Glauben!” Nie noch Hat ein Mensch großes durchgeführt ohne Gottvertrauen. Durch den­ Glau­­ben dagegen haben auch geringe und machtlose Menschen große Siege errungen. Arme, ungebildete Fischer haben durch ihren Glauben die Welt- und Lebensanschauung des heidnischen Altertums überwunden und das Christen­­tum zum Siege geführt! Ein einfacher, unscheinbarer Mönch, Dr. M. Luther, hat­­ getrieben von seinem wuchtigen, mächtig emporflammenden Glaubensleben -- der größten Macht der Welt Trotz zu bieten gewagt und ist Sieger geblieben! — Kein Hindernis ist zu groß, sein Unglüc zu schwer, sein Mißerfolg zu drückend für wen“ wahrhaft Gläubigen. Mit festem, zuversichtlichem Tritt geht er seinen Weg, nichts kann ihm­ den Glauben an den Sieg des Guten rauben , und so erlebt er*s denn schließlich, daß dem Gläubigen nichts unmöglich ist! Schon hieraus geht deutlich hervor, daß Frömmigkeit­ mit weichem Sinn, mit Sorgen und Kopfhängerei nichts Droan des Synodalverbandes der deutschen evangelischen Gemeinden an der unteren Donau . De­r Schriftleitung : Pfarrer R. Honigberger.­ blatt W 9 ° Geschäftsstelle : Gemeindekanzlei, Str. Luterana 10.

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