Bukarester Gemeindeblatt, 1921 (Jahrgang 13, nr. 1-40)

1921-05-08 / nr. 7

No. 7 Jahrgang XIII. Sonntag, 8. Mai 1921 Bukarester Gemeindeblatt Schriftleitung: R. Honigberger. Oeschâftsstslle: Gemeindekanzlei, Str. Lutherana 10 Aus Tagen des Leidens. VIII. Vater unser. Im Vaterunser beten wir zu einem, dem wir gehören, Teile seines Ganzen; die Stäubchen, die im Sonnenlichte tanzen, sind Sonnen auch und fühlen sich’s in Kleinem. So bin auch ich ein Wollender in Meinem und froh, in eigner Welt mich zu verschanzen, abhold auch heut noch kirehenfrommen Schranzen; als ihrem Gotte dient’ ich lieber keinem. Doch hat der Krieg mir tief das Herz erschlossen, ich fühle Gott lebendig in ihm wirken, den Feind beseelend wie die Volksgenossen. Auch Tod ist Leben: wer will Gott bezirken? Im Frühling tötet Frost die jungen Sprossen, im Frühling steigt Jer Saft in schlanken Birken. K. R. 1521 - 18. April - 1921. (Fortsetzung). Ebenso stellten auch die Fürsten, durch deren Gebiet Luther reisen musste, Geleitsbriefe aus. Da die Berufung Luthers vor dem Reichstag dem päpst­lichen Nuntius höchst peinlich und vom Kaiser nur aus politischen Rücksichten zugestanden war, so wollte Karl an seiner gut katholischen Gesinnung keinen Zweifel lassen und ordnete, diesmal ohne Befragung der Stände, an, dass alle Bücher Luthers der Obrig­keit auszuliefern und weiterhin nicht mehr zu drucken seien. Damit hoffte man zu erreichen, dass er sich von der Reise nach Worms abschrecken lasse. Während auf dem Reichstag hundertfältige In­trigen sich kreuzten, und der Gesandte des Papstes in tausendfältiger Geschäftigkeit sich aufrieb, lebte der, auf den sich aller Lärm bezog, in Frieden in seiner Klosterzelle und ging ganz in seinem Lehramt wie in schriftstellerischer Arbeit auf. Besonders be­schäftigte ihn das Verhalten seines alten Lehrers und u. Freundes Johannes von Staupitz, dessen kräftiger Zu­spruch ihm selbst einst wie ein Licht in das Dunkel seiner Anfechtung geleuchtet hatte. Er lebte seit dem Sommer 1520 am Hofe des Erzbischofs von Salzburg, eines vertrauten Freundes Aleanders und erbitterten Gegners Luthers. Man hatte auch von Staupitz eine Verwerfung der in der Bannbulle verbannten Artikel Luthers gefordert. Auf die Kunde von seinem Schwan­ken und seiner Gewissensnot versuchte Luther ihn aufzurichten, indem er ihn an das Wort erinnerte, welches er ihm einst in Augsburg zugerufen, er mö­ge dessen eingedenk sein, dass er die Sache im Namen Jesu angefangen habe und dass alles in Gottes Hand stehe. Und als Staupitz den Papst später als seinen dichter anerkannt hatte, schrieb er ihm: „Jetzt wo unser Herr Jesus Christus verurteilt, beraubt und verlästert wird, ist keine Zeit sich zu fürchten, son­dern laut zu rufen. Wie du mich zur Demut er­mahnst, so ermahne ich dich zu stolzem Selbstbe­wusstsein. Bei dir ist zu viel Demut, bei mir ist zu viel Stolz. Aber die Sache ist ernst. Jezt gilt das Wort: Wer mich bekennet vor den Menschen etc.“ Am 26. März, Dienstag in der Karwoche, über­brachte der kaiserliche Herold Kaspar Sturm die Vor­ladung für den Reichstag. Er war dem Wittenberger Mönche treu ergeben und deshalb war Aleander über seine Wahl zum Geleitsmann Luthers sehr aufgebracht. Am Gründonnerstag bestieg Luther noch einmal die Kanzel, ohne jedoch in der Predigt auf die eigene Lage Bezug zu nehmen. „Solche Geister hat Gott lieb, und sind ihm willkommen, die also von ihren Sünden und Gebrechen gejagt werden wie Psalm 42 sagt: Wie ein gejagter Hirsch begierig ist nach einem frischen Brunn Wasser, so (verlangt auch meine Seele nach Gott.“ Das waren die Gedanken, die ihn zuletzt in Wittenberg beschäftigten und denen er in der Abschiedsstunde von seiner Gemeinde Ausdruck gab. Am Dienstag nach Ostern, den 2. April 1521, trat Luther die Reise nach Worms an. Die Stadtver­waltung von Wittenberg machte ihm ein Ehrengeschenk, ln den Abrechnungen über das Jahr 1521, die uns er­halten geblieben sind, findet sich darüber der Ausgabe­posten : „3 Schock, 30 Groschen Doktor Martino vore­­retth als er gegenn Worms uffen Reichstag getzogen. Dinstags in Osternn.“ Auch die Fuhre stellte die Stadt. Der Rat beauftragte Lukas Kranach, den be­kannten Maler, dem wir so manches Bild von Luther verdanken, den Wagen zu besorgen. Dieser wandte sich an seinen Nachbar, den Goldschmied Christianus Döring, der einen Wagen mit drei Pferden stellte. Die Stadtrechnung für 1522 enthält darüber folgen­den Vermerk: „6 Schock Christianus Goldschmidt für die rhure ghein Worms sieben Wochen vor dreyen Pferden je ein Tag 2 V* groschen unnd so ein nuwer Wagen yme zerbrochen, seindt yem zwen alte Schock gegeben.“ Als Reisebegleiter musste Luther nach der Regel seines Mönchsordens einen Klosterbruder mit­nehmen, Johann Petzensteiner aus Nürnberg. Ausser­dem begleitete ihn Peter Swawen, ein junger Edel­mann aus Pommern, der mit ihm und Melanchthon befreundet war. Als vierter reiste Luthers Kollege Amsdorf mit. „Vor dem wagen sein geritten der geschickt kaiserliche Ehrenholdt mit sampt seinem Diener und hat sein Klayder mit dem Adler am Arm gefurt.“ Durch die Begleitung des kaiserlichen He­rolds nahm die Reise einen öffentlichen Charakter an,

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