Bukarester Gemeindeblatt, 1924 (Jahrgang 16, nr. 1-52)
1924-04-20 / nr. 16
Jahrgang XVI Sonntag, den 20. April 1924 Do. 16 Buharesfer Gemeindeblatt % Schriftleitung: R. Honigberger Geschäftsstelle: Gemeindekanzlei, Str. Lutherana 10 Bis Jesus Don seiner Mutter ging. Als Jesus von seiner Maller ging und die grosse, heilige Woche anfing, da hafte Maria viel Herzeleid, sie fragte den Sohn mit Traurigkeit: Ach, Sohn, du liebster Jesu mein, was wirst du am heiligen Sonntag sein?' »Am Sonntag werde ich ein König sein, da wird man mir Kleider und Palmen streun.« Ach, SoJm, du liebster Jesu mein, was wirst du am heiligen Montag sein ? »Montag bin ich ein Wandersmann, der nirgends ein Obdach finden kann.« Ach, Sohn, du liebster Jesu mein, was wirst du am heiligen Dienstag sein? »Am Dienstag hin ich der Welt ein Prophet, verkünde, wie Himmel und Erde vergeht.« Ach, Sohn, du liebster Jesu mein, was wirst du am heiligen Mittwoch sein? »Am Mittwoch bin ich gar arm und gering, verkauft um dreissig Silberling.« Ach, Sohn, du liebster Jesu mein, was wirst du am heiligen Donnerstag sein? »Am Donnerstag bin ich im Speisesaal das Opferlamm beim Abendmahl.« Ach, Sohn, du liebster Jesu mein, was wirst du am heiligen Freitag sein? »Ach Mutter, ach liebste Mutter mein, könnt’ dir der Freitag verborgen sein! Am Freilag, liebste Mutter mein, dann werd’ ich ans Kreuz genagelt sein. Drei Nägel, die gehn mir durch Hand und Füss; verzage nicht,. Mutter, das End ist süss«. Ach, Sohn, du liebster Jesu mein, was wirst du am heiligen Samstag sein ? »Am Samstag bin ich ein Weizenkorn, das in der Erde wird neu geborn. Und am Sonntag freue dich, o Mutter mein, dann werde ich vom Tode erstanden sein: [Hand, dann trage ich das Kreuz mit der Fahn in der dann siehst du mich wieder im Gloriestand.« Altes deutsches Volkslied. Todesjahr und Todestag Jesu. Die noch heute gültige Zeitrechnung, nach der wir im Jahre 1924 leben, ist ist im sechsten nachchristlichen Jahrhundert von einem Abt Dionysius Exiguus aufgestellt worden. Zur Festsetzung des Jahres 1 stützte er sich auf die beiden Angaben im I,ukasevangelium, nach denen Jesus im Alter von »ungefähr 30 Jahren« die Taufe empfing (Lukas 3, 23) und Johannes der Täufer »im 15. Jahre des Kaisers Tiberius« öffentlich aufgetreten ist (Lukas 3, 1). Um diese letztere Zeitangabe genau zu bestimmen, müssen wir uns an die bei den Römern übliche Jahresberechnung kurz erinnern, die sich nach dem Gründungsjahr der Stadt Rom richtete. Ihr zufolge ist Tiberius im Jahre 767 auf den Thron gekommen, und das 15. Jahr seiner Regierung fällt dann in das Jahr 783. Damals ist also Jesus ungefähr 30 Jahre alt gewesen; somit fällt das Jahr 1 der neuen Zeitrechnung auf da§ Jahr 753 nach der Erbauung Roms. ' Allein, so klar die von den Evangelisten gemachten Angaben zu sein scheinen, so unterliegen sie doch einigen Bedenken. Denn einmal ist die Mitteilung, »ungefähr 30 Jahre alt« ziemlich unbestimmt, darunter kann man ein Alter von 29 Jahren sowohl wie von 32 Jahren verstehen. Es ergibt sich also ein Spielraum von möglicherweise drei Jahren. Ausserdem kann unter dem 15 Jahre des Kaisers Tiberius sowohl dessen Anfang wie dessen Ende verstanden werden, und zudem ist nicht klar, ob damit die Zeit der Alleinherrschaft dieses Kaisers Tiber.us gemeint ist, der schon 2 Jahre vorher Mitregent des Augustus geworden war. Letzteres geschah 765 nach römischer oder, nach unserer Berechnung, 12 nach Christi Geburt, während Augustus im August 767 resp. 14 starb und Tiberius einziger Regent wurde. Im ersten Falle kämen A ir mit der Ansetzung des 15. Regierungsjahres auf die Zeit vom August des Jahres 27 bis August 28, im zweiten auf August 29 bis August 30. Daher sind jene beiden Zeitbestimmungen des Lukascvangeiiums doch nicht genügend geeignet, um mit Sicherheit das Geburtjahr Jesu anzugeben und damit auch sein Todesjahr zu berechnen. Dagegen lässt sich von dem Datum des Todes des Herodes ein besserer Rückschluss ziehen. Dieser fällt in das Jahr 750 nach Erbauung Roms, und da Jesus noch während der Regierungszeit dieses Königs geboren ist und bei