Bukarester Gemeindeblatt, 1928 (Jahrgang 20, nr. 1-53)

1928-11-25 / nr. 48

Jahrgang XX Sonntag, den 25. Douember 1928 Do. 48 Buharester Gemeindeblatt Schriftleitung: R. Honigberger Geschäftsstelle: Gemeindekanzlei, Str. Lutherana 12 Martins Tod *) — von Otto von Leixner. — So lebt ich gleichsam auff einer Insul in der grossen Still, die nur jezuweilen das wilde Geheul des Wintersturmes! durchführe, gantz alleine für mein sieches Kind, das da gleich einem Helden duldete. Es mocht um die Christzeit des Jahres 1647 sein. Die Ta eg hatten sich mir etwas verwir­ret, so dass ich die Zahl nit genau wusst. Jeglichen Abend läge Martinus mit roten Bäcklein bis in die späte Nacht. Ich wusst wohl, das waren Todtes­­röslein, denn am Morgen war er gleichsam als ein Todter anzuschauen und läge schwer athmende da. Aber einmal schiene es, als» steye er wieder in etwas zur Krafft kommen, redete gar lieblich vom Paradeiss und der Mutter und Schwester. Letzlich bate er flehentlich, ich sollt ihn am heiligen Christ in die Kirch bringen. Ich stellt ihm vor, dass es in ihr jetzo kalt seye, wie in eim Keller. Da ward er unruhig und so traurig, dass ich ihms verspräche. Am nächsten Morgen ginge ich1 in die Kirch. Auff1 die Leuchter am Altar und wo ich sonsten sie anbringen könnt, steckt ich 1 ange Kienspäne auff. Sodann entnahm ich der Truhen die Deck, so ehe­­bevor mein Weib mit gar feinem Zierwerk aussge­­putzet, legte sie sorglich auff den Tisch1 des Herrn und warff mich nieder vor dem Gekreutzigten und Sprache ein Gebet, dieweil mein Hertzle schwer war um meines Martini willen. Alls nun der Tag sich zu síneken begänne, rüstete ich, was noththat. Erstlich ginge ich in die Kirch, schlug Feuer und Zündete die Kienspän an. Dann lieff ich zurück. Aus! der Brauttrülien meines todten Weibes nahm ich die Pelzschauben. In die hab ich1 den Martinum Sorglich eingehüllet, zu ihm in Scherz sprechende, er seye nun ein kleiner Knecht Rupprecbt. Er lächelte, aber So müd, dass mein Herz noch schwerer klopfte, denn bevor. Die Dämmerfrau spann schon ihr Geweb und die ersteh Stern funkelten, als ich die paar Schritt mein Kindlein zur Kirch trüge. Ware mir, als1 schliche der Tod an meiner Seit. Als ich durch die Thür in die Kirch tratte, sähe Martinus die vielen Lichter. Da machten sich steine Augen weit auff und gläntZeten, aber das1 ware nit mehr ein irdisch Leuchten. Mich überkame die Ge­wissheit, du tragest einen, so hinüber will. Sänff­­tigllich bettete ich das Knäblein in das Pfarrge­stühl, das dicht bey dem Altar sjtande, strich ihm über die güldenen Haar und stiege dann die Stu­fen hinauf!'. Mit stockender Stimm sang ich1 ein Ge­­siätz von dem Festlied, läse das1 Evangelium von der Geburt des Herrn. Meine Augen hafteten an dem blassen Gesichtlein und an den Äugeln, die in die Lichter schauten. Sodann aber spräche ich. Nit wie zu einer Gemeind, nein, meine Seele redté nur zu der letzten Seel, die meines Kindleins Seel war, zu einer Seel, die schon sich höbe zum Flie­gen von diester Erd und mit leisem Fingerlein pochete an das Thor des Paradeis’ses. Ich nähme Ab­schied von ihr; ich gedachte, wie dieses1 Kindlein, gleichsam ein Bot des Herrn mich hatt gerettet, als ich nalt war, hinabzustörtzen in den tiefen Abgrund der Wirrnuss. Und ich gedachte, dass diese reine Seel nun bald eintretten werde in das Licht und nichts wird das Aug des ewigen Vaters an ihr finden, was er nit mit Freude schauen kann. Das! war nit mehr mein Kind, des schwachen Meüscheti, es war gäntzlich Gottes. Ehrfürchtig spräche ich zu der Seel, die hinüberginge. Da sähe ich, dass sich die Augen des Martinus schlossen. Ich sprang hinunter; ich umhalsete ihn und riefte laut seinen Namen. Da öffnete er nochmalen seine Lider, schauete mich an, leise lächelnde, sagte: „Vater, Mutter!” Sonsten nichts, dann machte er einen langen Athemzug und strackte sich in meinen' Ar­men. Ich legete das Ohr an seine Brust, das Hertze hatt den letzten Schlag gethan. Ich aber hab nit geweint, nur gedanket, dass mein Martinus nun des Leides ’edig war. Ich legte die Leichte am Altar nie­der, küsste ihr Stirn und Mund. Meinen Schmerz hab ich zu Füssen des Herren Christ gebettet, der so viel Schmertzen getragen, dieweil er alle Men­schen igeliebet. Dann löschte ich die Lichter aus1, so noch brannten, damit kein Ulnheyl entstehe, nähme das letzte und gienge durch die Nacht in die Pfarr. Dort ergriffe ich das Kirchten-Buch und schrieb naclr der Todtanzeig der Schafferin: „Am 23. oder 24. Dec. desselbigen Jahres 1647 ist im noch nit igän'zlüich vollbrachten sechsten Lebensjahr in seinen Herrn Jesum hinübergestor­ben an der Auszehrung das Söhnlein Martinus! des P. J. C. Masii. Ist die letzte Seel der Gemeind ge­west. Der Herr nehm diclr an sein Gottes-Hertz!” *) Entnommen der Geschichte: Die letzte Seele, Auf­zeichnungen aus dem 17. Jahrhundert, herausgegeben von Otto von Leixner Mk 2.50. Chr. Kaiser Verlag. München. Gleichstellungsprüfung und Oeffent­­lichkeitsrecht. In der vergangenen Woche haben die Gleich­­stellungsprüfungen an unseren höheren Schulen

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