Bukarester Gemeindeblatt, 1929 (Jahrgang 21, nr. 1-52)

1929-01-06 / nr. 1

Jahrgang XX / Sonntag, den 6. Januar 19329 Bukarester GemeindebTatt Schriftleitung: R. Honigberger Geschäftsstelle: Gemeindekanzlei, Str. Lutherana 12 Do. 1 Aus der Vergangenheit unserer Gemeinde. Unter diesem Titel gedenke ich in zwangloser Folge allerlei kleine Beiträge zur Geschichte unserer Gemeinde zu veröffentlichen. Der Zentralvorstand des Gustav-Adolf-Vereins in Leipzig hat mir vor einigen Wochen in äusserst entgegenkommender Weise zwei starke Aktenhefte zur Einsichtnahme übersandt, die die Angelegenheiten unserer Gemeinde in den Jahren 1847—1867 betreffen. Es handelt sich um die zwei Jahrzehnte, in denen Pfarrer Neumeister hier amtierte; und diese beiden Aktenhefte enthalten nicht nur eine Reihe von amtlichen Berichten, son­dern auch zahlreiche an den damaligen Sekretär des Gustav-Adolf-Vereins Dr. Stephani (später Oberbür­germeister von Leipzig) gerichtete Privatbriefe, in denen allerlei aus dem Leben der Bukarester Ge­meinde zur Sprache kommt. Der nachstehend abgedruckte Abschnitt ent­stammt einem am 7. Juni 1854 geschriebenen Briefe und beschreibt das einst in den Kreisen unserer Ge­meinde so beliebt gewesene Zuckerfest. H. P. Wir feierten hier in der letzten Zeit herrliche Feste, und davon muss ich Ihnen schreiben. Vor 6 Jahren, am 1/13. Mai starb hier ein Mann, Dr. Zucker, Präsident unseres Kirchenvorstandes, 80 Jahre alt, der sich durch sein Testament für un­sere Schule, der er ein Haus, das jährlich 76 Duka­ten trägt, vermachte, hochverdient gemacht hat. Seit dem Jahre 49 feierte ich daher mit meiner Schulju­gend den Todestag ihres Wohltäters in der Weise, dass ich mit derselben am 1. Mai einen Ausflug ins Freie machte. Dort spielten sie, und abwechselnd hielten Kinder und Lehrer Reden. Das lockte die Eltern an, und immer in der Abenddämmerung kehr­ten wir heim und trennten uns an Zuckers Grab, wo ich noch eine kleine Rede hielt und ein Vater Unser betete. Das Fest erhielt den Namen Zucker­fest, ein echter Name für die Kinder. Im Jahre 51 gründeten wir einen Sterbekassenverein, und ich rich­tete die Sache so ein, dass der Stiftungstag mit dem 1. Mai zusammenfiel. Folgedessen schliesst sich jetzt der ganze Sterbekassenverein dem Zuckerfeste an und der Tag, der 1-te Mai, an sich ein Volksfesttag, bei uns der Tag des Zuckerfestes und der Stiftung des Sterbekassenvereins, der an 150 Familien zu Mitgliedern zählt und schon ein Vermögen von 6.500 Piastern besitzt, hat dadurch eine deutsch-volkstüm­liche und volksfestliche Bedeutung gewonnen. In diesem Jahre wohnten dem Feste schon über tausend Deutsche Bukarests bei, und ich war glücklich ob der Reden meiner Schulkinder, ob der Freude und Eintracht bei jung und alt, zwischen Kleinen und Grossen. — O Stephanie — Sie hätten unsern Zug in der Abenddämmerung, als wir durch eine weite Vorstadt zu unserer schönen Kirche heimkehrten, begegnen sollen! Ich schritt mit den Schullehrern und einigen Kirchenvorstehern voran, hinter uns der Primus der Schule, der die zur Grundsteinlegung unserer Kirche gestiftete fahne trug — dem etwa hundert Schulkinder, denn die Konfirmanden von diesem Jahr (30), an die sich auch viele aus dem vorgehenden Jahre mit kindlichem Sinne anschlossen, und hinterdrein die Väter und die Mütter, die Gross­väter und Grossmütter, und freilich auch mancher traurige Witwer und manche betrübte Witwe, denn vor einem Jahre war der, war d i e, denen das heutige Fest als Erinnerungstest mit galt, auch noch da. Die Kinder sagten das Gedicht von G. W. Fink (der es auch komponierte) „Abendläuten". ,,Aus dem Dörflein da drüben, vom Turme herab, da läuten die Menschen den Tag zu Grab. Sie läuten, sie läuten, und ich und du, wir hören so gerne dem Läuten zu“. Dazu läuteten wirklich hie und da, fern und nah in dem weiten Bukarest, die Abendglocken, der Mond ging auf — wären Sie uns doch begegnet! Am Grab Zuckers trennten wir uns, und keiner schied ungerührt. Um das Grab, das auf unserm wunderschönen Friedhof ein grosser Marmorstein deckt, blühen die Rosen und werden blühen, solange ich nicht selbst in Bukarest vergessen werde. Aus der Gemeinde. Die 5. Sitzung des Presbyteriums fand am 22. Dezember 1928 unter dem Vorsitze Herrn Dr. A. Franks statt und galt nach, Erledigung kleine­rer laufender Angelegenheiten im wesentlichen der Besprechung über die Anwendung der Wahlbestim­mungen der Landeskirche auf die Bukarester Kirchen­gemeinde. Da die Genehmigung der dem Landes­konsistorium eingereichten, für die Bukarester Kir­chengemeinde gewünschten Sonderbestirr mungen noch nicht eingetroffen ist, konnten endgültige Be­schlüsse nicht gefasst werden, doch wurde die Auf­legung der Wahllisten in der Gemeindekasse für die Zeit vom 8.—15. Januar 1929 beschlossen und fest­gestellt, dass in der Gemeindevertretung der Buka­rester evang. Kirchengemeinde 120 Mitglieder da­runter 10 Frauen, dazu 12 Ersatzmitglieder, darunter 4 Frauen, und in das Presbyterium zu den 7 von Amtswegen darin befindlichen Mitgliedern nach der Geschäftsordnung der Gemeinde 20 Mitglieder, da­runter 2 Frauen, zu wählen sind.

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