Bukarester Gemeindeblatt, 1930 (Jahrgang 22, nr. 1-52)

1930-01-05 / nr. 1

3ahrgang XXII. Sonntag, den 5. Uanuar 1S30 Do. 1 Buharester Gemeindeblatt Schriftleitung: R. Honigberger Ş Geschäftsstelle: Gemeindekanzlei, Str. Lutherana 12 Zum neuen Jahre. Weihnachten ist vorüber, wir sind ins neue Jahr eingetreten, der Kreislauf hat von neuem be­gonnen. Wieder wird, wie alljährlich, manche Hoffnung im Alltag verkümmern, mancher Wunsch sich nicht erfüllen, den die Hochstimmung der Festwoche am Jahresschluss und der Eintritt ins neue Jahr aufgeregt hat. „Wolltest Herrliches gewinnen, aber es gelang dir nicht. Wem gelingt es ?“ „Doch ist mir um die Welt nicht leid.1' Das Leben geht trotz aller Enttäuschungen eben weiter. Und bringt dafür — und das vergessen wir so oft — auch Freuden, die wir nicht vorausgesehen, nicht gewünscht hatten Unser evangelischer Glaube erleichtert es uns, in Leid und Freude das Gleich­gewicht zu bewahren. Wenigstens sollte er es tun. Unsere Gemeinde ist ins neue Jahr ebenfalls mit Hoffnungen und Wünschen eingetreten. Die Angleichung an die allgemeine Ordnung der ge­samten Landeskirche ist im alten vollzogen wor­den, die Gewährung des Oeffentlichkeitsrechtes an die Schulanstalten hat wieder Aussichten geschaf­fen. Aber die wirtschaftliche Lage lastet nach wie vor auch auf uns, nicht nur auf dem einzelnen. Unser Glaube aber ist, dass uns auch um unsere Gemeinde nicht leid zu sein braucht. Auch sie wird dauern mit dem Leben, das dauert, mit den einzelnen, die dauern, wie sie auch wechseln. Möge unser Blatt die Freude haben, im Laufe des neuen Jahres recht viel Gutes einem wachsen­den Leserkreis berichten zu können, dem gleichfalls in jedem einzelnen seiner Getreuen recht viel Gutes beschieden sei! Die Schriftleitung. Dobrudschaerinnerungen, — Von E. Darsow. — (Fortsetzung.) Es näherte sich uns etwas. Etwas Erschrecken* des stand in der Nähe und blickte uns an. Wir Sa* hen es nicht, aber wir fühlten seinen Blick. Wir sahen uns an, wir waren machtlos. Das Unbekannte kam mit Naturnotwendigkeit. Eine Ahnung' trieb uns das Blut aus dem Herzen. Eine dunkle Angst kam über uns. Sie sprach zuerst davon: „Ich habe s'cHon Ian* ge das Gefühl gehabt, dass ich Deutschland nicht Wiedersehen werde!” Da vernahm ich diesen Ge* danken zum ersten Male. Er wrar mir ganz unver* stündlich und unglaublich, und idh suchte ihn ihr auszureden. Aber ich merkte, wie sie ihn im Innern mit sich herumtrug. Es kamen Träume und Vorgänge, die wie Zeichen empfunden wurden. Sie war eines Morgens unter Tranen wach und erzählte von einem entsetz* liehen Traume. Ich habe ihn ganz vergessen. Am Abend sassen wir bei der Lampe, da sprang mit heftigem Knall der Zylinder, dass die Stücke durch die Stube flogen. Ich hatte selbst einen Traum, der mich mit einem Schi eqkensruf erwachen Hess. Ich ging über die winterliche, verschneite Erde und stürzte in einen tieten, schneerfiillten Schacht. Der Schnee verzehrte sien schnell, so das's ich hilflos versank. Die Wände des Schachtes glänzten dun* kel, von seiner Oeftnung schimmerte noch ein schwaches Tageslicht. Dort oben bewegten sich Gestalten und blickten nieder. — Einmal erwachten wir von dem Knacken springenden Glases. Das Bassin der Lampe, die sie stelbst gewählt hatte, war am oberen Rande gleichmässig geplatzt und in den Metallfuss hinabgetallen, ohne dass ein Tropfen Oel vergossen wurde. Und noch ein Traum, der war milde und verklärend. Sie befand sich in ei* nem fernen, glücklichen Lande. Auf einer Wieste blühten fremde Blumen in niegeSehener Pracht. Ringsum standen Bäume, so hoch, dass ihre Kro* nen an den Himmel stiessen. Aber an ihrem Fuss lag ein kleines Haus. Eine freundliche, alte Frau trat heraus. Sie führte Kinder an der Hand. Plötzlich erkannten wir, dass wir uns seit län* gerer Zeit in einer Strömung befanden, die unSer Schiff widerstandslos davonriss. Sie entstand bei der Geburt der Kinder — oder war sie vielleicht schon früher da? Eine Krankheit war ausgebrochen, gegen die Menschenkunst vergeblich ist. Wir schauten zu Gott empor. Er stand in un* endlicher Ferne. Sein Anblick war iso majestätisch, dass uns nur eins blieb — zu nehmen, was er ge* ben würde. — Als es um uns klar wurde, hätten wirf sofort fahren müssen! Warum haben wir es nicht getan, warum warteten wir noch vier Tage! — Ich armer Narr glaubte, ich hätte auch jetzt nodb Pflichten in den Gemeinden, müsse kommen, als sie wegen -------O-------­ TiT

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