Bukarester Gemeindeblatt, 1934 (Jahrgang 26, nr. 1-51)
1934-07-22 / nr. 29
lahrgang XXVI. Sonntag, den 22. Juli 1934. Nr. 29 Bukarester Gemeindeblatt Schriftleitung: R. Honigberger |j Geschäftsstelle: Gemeindekanzlei. Str. Lutheraia 12 Brief aus der Tschechoslowakei. Von Dr. F. Z i 1 k a, Professor an der evangelischen Hus-Fakultät, Prag. Bereits seit mehreren Jahren bestehen Verhandlungen zwischen der Regierung der tschechoslowakischen Republik und der römischen Kurie über eine Art Uebereinkommen und die erwünschte Regelung gewisser Fragen, besonders betreffs der neuen Abgrenzung und Dotierung der Diözesen in der Slowakei. Man hat dabei einen neuen Ausdruck eingeführt: man spricht nicht von „Konkordat“, sondern von „Modus vivendi“. Alles schien günstig zu verlaufen. mit der Abberufung des Prager Nunzius Ciriaci (im Jahre 1933) kamen die Verhandlungen jedoch zum Stillstand. Die starke, gleich nach dem Krieg einsetzende religiöse Uebertritts und Austrittsbewegung, die zur* Bildung einer neuen Nationalkirche („Tschechoslowakische Kirche“) führte, ist im Ganzen zu Ende. Verschiebungen konfessioneller Art geschehen jetzt nur auf normalem Wege individueller Uebertritte. Von der finanziell schwierigen Lage der Gegenwart werden die nichtrömischen Kirchen empfindlich betroffen. Sie sind nämlich fast alle mit einem Teil ihres Budgets auf einen Staatsbeitrag angewiesen, besonders was die Personal- Zulagen zum Pfarrergehalt und die Kosten der kirchlichen Zentralbehörden betrifft. Diese Unterstützungen sind gegenwärtig herabgesetzt worden, und es besteht kaum eine Hoffnung, dass der Staat in absehbarer Zeit im Stande sein wird, sie auf die vor Jahren vereinbarte Höhe zu bringen. Da eine bedeutendere Erhöhung der meistens freiwilligen persönlichen Beiträge dér Kirchenmitglieder und der Kirchensteuer bei der weitverbreiteten Arbeitslosigkeit und dem Notstand des Bauernstandes schwer möglich ist, mussten die Pfarrergehälter durchschnittlich um 10 Prozent verringert werden; die Lage ist dadurch bedeutend erschwert. Im Jahre 1931 hat die Evangelische Kirche der böhmischen Brüder anlässlich des 150. Jahrestages des Toleranzpatentes von Kaiser Joseph II. unter ihren Mitgliedern die Sammlung eines „Dankarkeitsfonäes“ angeregt. Dieser Impuls hat einen freudigen Widerhall gefunden. Es ist die Summe von etwa anderthalb Millionen Kranen zusammengekommen. Der ganze Betrag wurde als zinsfreie Anleihe in grösseren Partien an diejenigen Gemeinden ausgeliehen, welche in der jüngsten Zeit Kirchenbauten unternommen hatten oder solche vor sich haben. Der Fond vergrössert sich immer noch (wenn auch natürlich nicht so stark wie im Anfang) durch nachträgliche Spenden und wird durch Zirkulation des Geldes allmählich und ständig auch neuen Gemeinden zugutekommen. Der Erfolg dieser Sammlung ist ein erfreuliches Zeichen des nicht absterbenden Interesses für den Ausbau der kirchlichen Arbeit. Unter der Herabsetzung der Staatsunterstützung leidet natürlich auch die Deutsche evangelische Kirche in Böhmen, Mähren und Schlesien, sowie die augsburgische und reformierte Kirche in der Slowakei und Karpatliorussland. Ebenso ist die Tschechoslowakische Kirche, dadurch in ihrer Entwicklung gehindert, da sie neben den erwähnten Zulagen zum Pfarrergehalt noch mit ihren Bauten auf die Staatshil fe angewiesen war. * Für das innere Leben der nicht-katholischen Kuchen ist eine der wichtigsten Fragen das Problem des theologischen Studiums. Eben jetzt nähert sie sich einer befriedigenden Lösung. Gleich nach dem Kriege hat die Republik durch ihr Parlament eine eigene staatliche, der Universität zwar nicht eingegliederte theologische Fakultät („Hus-Fakultät“ in Prag) errichtet. Daneben unterhielt die evangelische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in der Slowakei eine kirchliche theologische Hochschule in Bratislava (Pressburg). Sie wollte damals keine staatliche Fakultät; es schien ihr, dass eine kirchliche Anstalt ihren Eigentümlichkeiten besser entsprechen werde. Die neue Tschechoslowakische Kirche begnügte sich anfangs mit einem Lehrstuhl an der Hus-Fakultät; da aber dadurch ihre Bedürfnisse nicht genügend befriedigt waren, entschloss sie sich 1932, ein eigenes kirchliches Seminar zu eröffnen, wahrscheinlich als Vorstufe für die erwünschte staatliche Fakultät-Anfang 1934 traten zwei entscheidende Veränderungen ein: das Parlament beschloss, die kirchliche Hochschule in Pressburg gesetzlich in eine staatliche Fakultät umzugestalten, und die Tschechoslowakische Kirche erneuerte ihr ursprüngliches Programm, ihr theologisches Studium wieder an die Hus-Fakultät anzuschliessen, vorläufig mit einigen Parallelkathedern, später vielleich als eine autonome Sektion. Dadurch wären die dringendsten Schwierigkeiten beseitigt. Als Ideal der Zukunft schmäh al