Der Nachbar, 1912 (Jahrgang 64, nr. 1-52)

1912-01-14 / nr. 2

­ . . Zum zweiten Sonntag nach Epiphanias. Röm. 12, 12. Geld fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet an am Gebet. In allen Sprüchen der heiligen Schrift ist dieser einer der bekanntesten und am meisten ges brauchten. Vielleicht, wahrscheinlich ist manch ein Ehepaar unter den Lesern, das er an seinen Trautag erinnert, da er ihm als Losung fürs Leben zuge­­­rufen ward.Oder etwa auch der oder jener,der ihne 1111 Konfirmationstage als Weihespruch für den Kampf ums ewige Kleinod mitbekommen hat, denkt an die Stunde zurück, wo er ihm, ein Stern vom Himmel, ins bewegte Herz leuchtete. Nur, daß es mit soviel gebrauchten und weitbekannten Sprüchen ein eigen Ding ist. Ohne daß man es immer merkt, verändern sie ihren Sinn, werden falsch gedeutet und mißverstanden, und zuleßt scheinen sie deshalb unrichtig, erfüllen sich nicht mehr und verlieren ihre Kraft. Darum ist’s gut, wenn man sie einmal nüchtern und unbefangen ins Auge faßt und zusieht, was sie eigentlich sagen wollen. Von Hoffnung redet der Apostel. Aber: Lieben Freunde, wenn St. Paulus von Hoffnung redet, so meint er nie irdische Hoffnung. Nicht die, welche so viele Menschen als die einzige und tröstliche ansehen, daß sich die Gestalt der Verhältnisse, in denen sie leben,“auch wieder bessern wird, m wenn’s auch augenblicklich schlimm aussieht. Die ist doch sehr trügerisch. Gemiß, Regen und Sonnenschein wechseln in jedem Jahre und jedem Leben, aber niemand bürgt dafür, wann und wie. Und auch nicht die, welche, wie das so oft der Fall ist, auf irgend einen besonderen Glücksfall rechnen, der wer weiß was für ungeahnten Segen in den Schoß schütten sol. Die sind ja sehr gewöhnlich in der Welt, solche Hoffnungen. Die meisten Menschen denken an sie, wenn von Hoffen die Rede ist. Aber ihr einen Sprichwort sagt: Hoffen und Harren macht manchen zum Narren. Sie machen auch nicht fröhlich, wenn, dann nur auf sehr kurze Zeit. Eher richten sie Unruhe an. Nein, wenn Paulus von Hoffnung redet, dann denkt er an die zukünftige Welt. Daran, daß uns zugesagt ist, daß einmal nach ausge­­kämpftem Streit Friede und Freude die Herzen der Erlöseten erfüllen sol. Daß als das Ziel unserer Pilgerfahrt der Heiland uns den Himmel mit seinen ewigen und heiligen Wohnungen erworben hat und bereit hält. In dieser Hoffnung sollen wir fröhlich und getroffen Mutes sein. Ein Schrist ist ein fröh­­licher Mensch,­­weil er einen Heiland hat, der ihn selig macht. Das macht seine Freude aus, daß er sich unter feiner Hut und in feiner Gemeinschaft weiß. Wie sollte er traurig sein, wenn der ihn schüßt, der in des Vaters Schoße ist, wie mutlos, wenn er den hat, der mächtig ist in seiner Schwachheit, wie verzagt, wenn er weiß, daß er nach diesen Tagen heimgetragen wird in des guten Hirten Schoß. Mögen die Klagen und trauern, die keinen Heiland neben sich und keinen Himmel über sich missen; sie haben alle Ursache dazu — wir wollen fröhlich sein, daß wir von Weihnachten kommen und uns von neuem die Gnade zu­­gesichert ward, daß, der uns selig macht, da ist. Die Freude am Herrn wird unsere Stärke sein, seid fröhlich in Hoffnung. Und deshalb geduldig in Trübsal. Das heißt auch auch nicht, klaglos und tränenlos sein. Es gibt Leute, die das für den echten Eimweis starken Glaubens halten, wenn einer die Trübsal stumm und ohne tiefes Wet) erträgt. Butareiter Gemeindeblatt. A .

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