Deutsche Tagespost, Dezember 1919 (Jahrgang 12, nr. 252-274)

1919-12-04 / nr. 253

. rifttetung: Herm­anstalt in Sie­benbürgen, Bintergasse Bezugspreise: Für Hermannstadt ohne Zuffelung : Ganzj. K 112 °—, Baibj. K 56 °—, viertelj. K 28 °—, monatl. Ar. 9, Bernfrieder: Hi. 253 Hermannstadt, Donnerstag den 4. Dezember 1919. Ar. 319. — Verwaltung: Großer Ring Ar. 18. K 10 °—, mit Zustellung oder Postversand: Ganzl. K 150 °, halbj. K 76 ° —, viertelj. K 38 ° —, monatl. K 14 °—, Einzelnummer für Sermanufadt 80h, auswärts 1K, Xi. Jahrgang. Demografie­nd Wie wenig Das Wort in seiner augenblicklichen Geftalt und Bedeutung ohne weiteres Bild Des Begriffes schlechtweg ist, den es auszuwirk­en scheint, erkennt auch der Base in sprachgeschicht­­lichen Dingen auf Schritt und Tritt. Bei „Edalt* — um ein Beispiel herauszugreifen, das jedem Schulfinde geläufig ist — war ur­­sprünglich der Knecht, zu erkernen noch im „Marschall“ und späteren „Marschall“, dem die Obhut der „Mähren“, der Pferde anvertraut war ; nachher wurde daraus der gewisse Hofbeamte, dann auch der Heerführer — die erste Bedeutung verblaßt zusehends, bis sie gang erlischt und endlich ein völlig neuner Begriff an deren Stelle tritt. Be Luthers Bibelüberlegung ist der Schalt noch der Knecht im Abeln Sins, der­ Mann mit Kuec­tesseele. Der „Schalt“ von heute ist ein unschuldiges Kind Dagegen. Wehnlich geht «# dem Schelm. Mund umgekehrt ist Die Gniwi­lung des Begriffsbildes miled­“ ; aus ihm, dem „Schlichten“, dem Einfachen im guten Sinn, ist das wmoeraliisch Verdorbene geworden, in im begriffstragender Zusammenlegung wie „Schlecht und recht“, „schlechtweg“ ist die alte Berentung sch sümmerlich gerettet. Der häufige Gebrauch der Worte und die Betonung des Nebensächlichen in einem Begriffsinhalt oder die Hervorkehrung einer besonderen Nebenbeziehung verfehren «3 oft schließlich in sein gerades Gegenteil. Wer sieht , denn ohne Kenntnis der lateinischen Ableitung der „Perion“ von Beute an, dah es erst. die nMaste* war, die das lebendige wahre Ge ftcht verdrehte und ihren Namen vom „Durchklingen“ — perionare — der menschlichen Stimme dur­ den Bremdkörper, die Maste, erhielt? Diese Maske gab, dem griechischen Schauspieker aber das arakteristische der Darstellenden Theater- „Berson“, und so wurde im Deutschen die „Persönlichkeit“ das eigenste Wesen eines besonders ausgeprägten Menschen, bezeichnet also jei gerade das Ach­teste, bleibenden ethlichen Wert Verkörpernde an einem Bollmenschen. Nichts ist ihr, der Persönlichkeit, fremder als die Maske, die persona, die Den an­­geborenen Charakter kunstgerecht verhüllen sol.­­ Mit einer­ Maske in anderm Sinn haben wir es auch zu tun, wenn wir und mit Der „Demokratie“ befofjer, wie sie Heute gemeiniglich verstanden wird, und daraus ergibt ss, daß unser Thema „Demokratie und Persönlichkeit“ nach dem landläufigsten­­ Begriffsinhalt der beiden Worte eine scharfe, Antithese bedeutet. Halten wir und zunächst an die Grundbedeutung der „Demokratie“, Dd. 5. „Volksherrschaft“, „Herrschaft de Volles“, so stehen wir sofort vor der Frage nach dem Objekt dieser Herrschaft. 63 ist identisch mit dem Subjet. Demnach sol das Volt ji selbst beherrschen. In An­­wendung auf das Einzelwesen wird anerkannt und jedermann erfährt es täglich und stündlich an fi, daß die Selbstbeherrschung die schwerste, man darf jagen, Die Kunst des Lebens Berjünliggfeit.”) ff. Wie unendlich viel schwerer muß nun Diese Skunft zu üben sein von einem so vielköpfigen Individuum wie es „das Bolf“ ist, denn die ungeheure Schwierigkeit bes­pinnt hier schon Damit, daß wir die verwirrende Vielheit, das Vort, als „Individuum“, also, wörtlich genau überlegt, als eine „Unteilbarleit“ ung vorstellen. So viel Köpfe das Volk im allgemeinsten Sinn besigt, so viel­e W­annig­­faltigkeit weit­er auf in feinen Neigungen, in feinen Gedankenrichtungen, in feinen Bildungs­­stufen und -Vien. Die Demokratie in ihrer legten logischen Skonsequenz führt ur, also unzweigerung zu einer sontradietio in adiecto, zu einer glatten Aufhebung des abstrakten Begriffes in der Wirklichkeit. Aus dieser ganz einfachen und ungesuckten Deduktion erklärt sich schon an sich die erbarmungsmürdige Konfusion, die sogar der harmlosere Gebrauch des Wortes „Demokratie“ folgerichtig selbst bei logisch ge­­schulten Dienschen zeitigen muß. Der zielbew­ußte Mißbrauch des begrifflich nach Belieben Dehn­­baren Schlagworte „Demokratie” wurde Daher zu allen Zeiten von jenen politischen Parteien gepflegt, denen an der Irreführung der Moffen gelegen war. Denn je freier es dem Einzelnen steht, unter dem Schlagwort sich das vorzustellen, was ihm gerade persönlich paßt, desto stärkeren Zulauf wird: die Partei finden, die dem Urteilstoren eine so bequeme Legiti­­mation für seine W Partei zugehört,keit an Die Hand gibt. Daß gerade während des Weltkrieges, wo über enorme Massenwirkungen jeder Tag und jede Stunde berichtete, das demokratische Schlag­­wort als wirksamste Waffe für die politische Mafienwirkung so ausgiebig gebraucht und ausge­­ndhnzt mache, Forntengs nicht mundhern, NM besten. Lichsten war da in preußen zu Beobachten. Während das ganze Sinnen des Bottes — Die Sozialdemokraten aller Schattierungen einges­chloffen — darauf gerichtet sein mußte und anfänglich auch darauf gerichtet war, den Krieg zu gewinnen, lenkte ein großer Teil der links­­stehenden Parteien — am deutlichsten wahr­­nehmbar zu Ende des zweiten und zu Beginn des dritten Kriegsjahres — Die Anm­erkssamkeit des Bublikums auf die Frage der Ausdehnung des Mahlrechtes. Die „demokratische“ Bojung verfing und das allgemeine Wahlrecht, über dessen Bwrefnishigkeit man sich im ruhigen Zeiten mit Gründen der Vernunft hätte aus­­einanderlegen können, wurde unter dem Druck der Äußeren Verhältnisse Förmlich erpreßt. Die preußische Dreiffaffenwahlordnung war schlecht, was auch von konservativer und rechts-natio­­nalliberaler Seite zugestanden wurde. Über Die erfolgreiche Ausrügung der äußeren Bedrängnis, in der sich das Neid­ befand, wirkte politisch demoralfierend. Die Tatsache allein, unabhängig von Der Trage der Notwendigkeit einer Reform de8 MWahlreschied, daß Durch das Demokratische Schlagwort in der großen Not des Vaterlandes, die eine Stongentrierung aller seelischen Kräfte auf das eine Bier gebieterlich forderte, eine Er­ Ochlofvatie­preffung ausgeübt werden konnte, diese Tat­­tache allein, eröffnete der politischen Berafe unermeßliche Perspektiven. Die Demagogie bekam freie Bahn, sie bereitete den Boden für die und für den Einbruch des im Spartafismus deutlich fristerten Bolscherwismus. it deutsicher Gründlichkeit wurden Die esten Folgerungen aus Der unber­­standenen Demokratie gezogen. Allerdings mit solcher Gründlichkeit, daß bald auch die politisch Naivsten darü­ber aufgeklärt wurden, woyin man auf Dieser Bahn treibe. Wer die ersten Wochen der Revolution, die Deutschland in einem Nu um den ganzen militärischen Erfolg brachte, dort miterlebte, hatte den Gindrud, al ob die Hirne der Meentchheit von einer Weit ergriffen seien. Der Geist der Unbotmäßigkeit gegen alles, was Autorität auch im besten Sinne des Wortes heißt, riß alle Schranfen der Ordnung wieder, und das in einem Staate, der wie kaum ein zweiter gerade dem straffesten System der Ord­­nung und der Zucht seinen gewaltigen Anfdau verdankt hat. Aber gerade die radikale Bersend­un der Gesellsshaft durch den Krankheitsstoff false­­verstandener Demokratie begünstigte die Gesun­­dung, denn schon jeht wendet ji ein sehr er­­heblicher Teil des deutschen Boll von dem gefährlichen Phrasenihwal ab und wird mit Entiegen gemacht, wie rasch Die schillernden De­­mokaten aller Schwitlerungen das Reich in die Gefahr innerer Selbstauflösung gestürzt haben. Dabei darf nicht verschwiegen werden, daß der Sturm gegen die bestehende Ordnung auch ausgesprochen Schlechtes wegfegen wollte und wegfegte. Wir wollen uns im gegebenen Rahmen dieser Erditerung auf das spezifiie politische bescgränzen. Belastet war das preußische Klassen­­wahlrecht mit seiner vorwiegend plutokratischen Berufung, und­­­ieser Umstand erleichterte den Demagogen ihren Kampf gegen Die ganze Staatsordnung. Uiederständig war auch die Diplomatie. CS fehlte hier an frischem Blut. Während sonst in Preußen bei jedem Beamten­­beruf auf die Tuchkenntnis mit peinlichster Sorgfalt geachtet wird, beschränkte sie die Aus­­wahl der für das Diplomatengeschäft geeignet er­­sceinenden Männer mit ganz wenigen Ausnahmen auf den guten Strang des Yamıend. Weder die Unzu­­länglichkeit der deutschen Diplomaten mit großem und allergrößtem Xsinfungsfreis ist die Welt ausreichend unterrichtet, aber alle unter Den Veferenten für gewisse Einzelgeviete gab e# Beate, die sie Durch eine erschredende Unkenntnis der einschlägigen Materie auszeichneten. Es machte vieljary den Gindrud, an ob man an gewissen Stellen die Verwendung von Haczleuten mit peinlicher Sorgfalt‘ vermeiden wollte, weil daran der die synary fundierte Autorität der über­­geordneten Stelle allzu jene gelitten Hätte und festen Endes gar an alierhögpfter Stelle HBweifel an der zweimäßigen Verwendung dieser Autorität aufgestiegen wären. (Soriregung folgt:) Bon Bu Korodi,. ”) gehalten am, 19. Novem­ber I. %. im Rahmen der Wintervorlesungen der Modernen Bücherei in Hermannstadt, Das durch die Gorwijets gebildete und spontan im ganz Rußland EunsERNe­is he Insten Hat nunmehr Festigkeit gewonnen. 68 stellt nicht eine bloß papierne Berfassung dar, nicht die Erfindung von ein paar Theoretikern. 83 bestand nie ein zum voraus festgelegter Plan,­­ es wurde nicht­ in Gestalt von Geiegen schrift­­lich niedergelegt. Das System ist nicht einheit­­li­­ch hat eine Menge Lügen, Schwierigkeiten, Regellosigkeiten, und in der Ausmündung seiner Entwielung ist es nicht demokratisch. Ich habe nie eine autom­atischere Regierung gesegen als die jegige rufliche. Lenin, das Haupt der Somjetregierung, steht dem Wolfe ferner, als es der Bar oder irgend­ein anderes Staatsoberhaupt des heutigen Europas je war. Das Personal einer Werkstätte oder einer Fabrik bildete einen Somjet. Diese kleinen Somw­­jets wählen einen lokalen Somwjet, der seinerseits wieder Delegierte zum Gobjet der Stadt oder der Landgemeinde bestimmt. D­iese ernennen Die Abgeordneten für die Somjet3 der Gouverne­­mente (Provinzen), und Die Zeptern schließlich die Mitglieder des Somjets von ganz Rußland, dem dann die Wahl des SKommissäre zufäht. Diese entsprechen den Ministern in den Sabi­­netten Europas, und sie wählen Lenin, der also durch eine Abstufung von 5 oder 6 Wahlen vom Volke getrennt ist. Wenn man sie eine Vorstellung von Lenins Unabhängigkeit, von seiner Wachtbefugnis und der Fertigkeit seiner Stellung machen will, so muß man bedeuten, welche Operationen notwendig sind, dass das Volk ihn von der Macht entfernen und ihm einen Nachfolger geben will. Man müsse eine Majorität in allen Sowjets von ganz Rußland zusammenbringen, ihren Bestand ändern oder ihre Ansichten umformen und sie dazu veran­­lassen, einen neuen Bosiswillen in sich aufzu­­nehmen und ihm Augdrud zu verschaffen. Niemand, der die Negierungsformen fun­­diert hat, kann das System der Sowjets billi­­­gen, so wie er sich herausgebildet hat. Auch werden sollte. Aber die Sowjets bestanden von Lenin selber billigt er nicht; er nennt es eine Diktatur und hat es anfänglich bekämpft. Als ich zur­zeit Miljulows und Sevensk­s in Nuß­­land war, forderten Lenin und die Bolschewik­ eine konstituierende Versammlung, die mittelst des allgemeinen, Direkten Wahlrechts gewählt damals, und sie besaßen die Macht; ich Jah, wie­ fremde Gesandte unschlüssig waren ; alsdann erlebte die Welt den Sturz Miljulows und Se­­vensk­s, weil sie die Natur der Sowjets nicht hatten begreifen wollen und fönnen. Lenin brachte es Schließlich so weit, trog seinen Theorien, daß er Anschluß an die Bewegung erhielt ; er wurde das Sprachrohr der im Volle ze­roneigung gegen­ die konstituierende­ersammlung, trat auf die Seite der Sowjets über, die die widflige Macht in Rußland ver­­traten, und arbeitete wit iuen. Die vom Volle gewählte Konstituante vertrat die obern Klaffen und das alte System. Die Sowjets Hingegen waren so viel wie die breiten Wolfsklaffen. Ganz Rußland hat sich um die Arbeit des Wiederaufbaues gemacht, «3 begreift dem bei den Zukunftsplänen vorschwebenden Gedanken und interessiert sich für ihn — wenigstens mit feiner Phantasie. Es besteht ein enger Bund Ein amerikanischer Bericht über Sowjetrußland. Wir veröffentlichen heute an dieser Stelle ein sehr mehrmarbiges und interessantes Doku­­ment, den Auszug eines Berichtes über das bolichemistische Publi­k: „Den der amerikanische |­ „Foreign P­rep Service" verbreitet und den wir der „Baseler Rationalzeitung“ entnehmen. Der Bericht stammt­ von dem bekannten Bolk­wirt­­schafter Lincoln Steffens, der im vergangenen Frühjahr in amtlichen Aufträge Wilsons und Lloyd Georges die Sommerhauptstadt Moskau berichte. So instrustiv der Bericht ist, so wenig wird der­­ Leser verkennen, daß der idealistisch gesinnte Amerikaner, der dazu ein angesehener Gast der Näteregierung war, sich gehörig hat einreifen lassen. Es ist nun ein halbes Jahr her, daß er sich einreden ließ, im Sowjetrußland sei nun ein „Bustand 0,8 Gleichgewichtes“ er­­reicht. Der „niederreißende Abschnitt“ Der russse ‘schen Revolution sei zu Ende, die „Arbeit ds Wiederaufbaucs“ beginne usw. Seither geht «& aber frafjer zu ald je und d­ is unglückliche Rußland it noch schlimmer daran als zuvor. Wir glauben jedoch unseren Lesern einen Dienst zu erweisen, wenn wir den Bericht als Gegen­­stück zu den besonders von der SHelfingsorfer Telegraphenagentur verbreiteten Nachrichten im Auszuge wiedergeben. Lincoln Steffens schreibt: „Im Innern ist Rußland, wenigstens im Augenblick, zu einem Zustand des Gleichgewichts gelangt: die Revolution hat ihren Weg vollendet.­­Zweifellos werden noch Veränderungen eintreten, dieheicht Sportschritte, sicher auch ‚Reaktionen , politischen und wirtschaftlichen Charaster haben, diese werden, wie ich glaube, mit gejeglichen Mitteln ins Werk gelegt werden, und sie werden jedoch mit parlamentarischen Methoden zustande kon­men. Wie es scheint, dürfte man ein neues Gravitationszentrum gefunden­ haben. Sicher ist, daß der niederreiende Abschnitt der russischen Revolution sein Ende erreicht hat. Die Arbeit des Wiederaufbaus ‚Hat begonnen. Alles, was wir gesehen haben, beweist ed. GE Herricht Ordnung, und trog all unsern Nachforschungen haben wir nichts von Unruhen gehört. Das Verbot des Alkoholverlaufs ist allgemein und volständig durchgeführt. Im Petersburg sind die Diebstähle weniger zahlreich, als wie man sie gewöhnlich in den großen Städten zu ver­­zeichnen hat. Bei unserer Abreise hatte man uns darauf aufmerks­am gem­acht, daß unser Be­­ginnen einigermaßen gefährlich sei, sobald wir an Ort und Stelle waren, Hatten wir Das Ge­­fühl der Sicherheit. Prostitution und Prosti­­tuierte sind verschwunden, verjagt von dem Gefäß: „Reine Arbeit, keine Nahrung“, das der Wunsch der Allgemeinheit und das Sortenjyiten lebend­­kräftig gemacht haben. Die Arbeiter lungern während der Arbeitszeit nicht mehr herum, und die Sabotage von oben, von Seiten der Direk­­toren, Verwalter, Sachverständigen und Ange­­stellten ist beseitigt. Rußland hat sich wieder an die Arbeit gemacht, z­­­­u. nme nm men men ne mar Heiteres und Grau­es aus meinem Evldatendienst im russischen Heer. M. N­aus %., Zessarabien. 1. 2er Stiefbruder. Eon am Vorabend wurde uns Durch unsere Gefreiten bekannt gemacht, daß morgen unsere Kon­pagnie bejtiffelt werden sollt. — Bis heute ging noch jeder in seiner eigenen Fußbekleidung und Die war recht mannigfaltig. — Des war eine Stendel sahen doch einige unserer Kame­­raden selbst, wie zwei große uhren funtelnagel­­neuer Stiefel in unserem Heughaus heute abge­laden wurden. „Wenn sie nur auch groß genug sein werden, die Stiefel“, meinte ein f £liner, dieser Moldauer, der Kleinste in der Kompagnie. Für manchen von uns war wohl Diese Nacht die längste, obwohl wir erst Ende Kos vember hatten. Muß er selbt geftegen, trug dem man sein Kleiner Kichbub mehr oft, man war doch ganz angenehm aufgeregt bei dem Gedanken, morgen zum ersten Mal in des Skaifers neuen Stiefeln auf dem Gogerzierplog erscheinen ku­nnen.­­Nebenbei sei vemerkt, wir hatten damals no einen Skaifer in Naßland. Heute würde man dort von Lenins, Troglis, Deniking, Petlim­as, Kol­rcgats und — wer der Himmel von was für Stiefeln sprechen, träumen. „Wenn sie nur nicht so sehr stinfen würden­­“ Das war meine Befürchtung. Es ist mal so mit den suffischen Soldatenstiefeln, so ange sie neu und gut sind, stinken sie entjeglich, oder, solange sie stinfen, find sie new und gut. Das ist der Unterschied zwischen dem Limburger Käse und dem uffiligen G Solvatenstiefel, daß jener durch ® Alter sü­nfiger und besser wird und Dieser durch ® Alter den Gestanf und die Güte verliert) Die Nacht verging. Der ereignisvolle Tag brach an. Der dejanvierende Unteroffzie bes­ti­tet: „Das Eperzieren fällt heute aus­ l Die Mannschaft bleibt in der Kasernel Um 10 Uhr Musterung der Mannschaften durch den Bataillons­­kommandeur | — Himmel, was wird Das werben | Zum ersten Mal hörte ich das Wort Bataillons­­kommandeur; d­er amt Gesichteausbruch des Unteroffiziers merkte ich den Ernst der ganzen Sache, wenn vom Bataillonskommandeur die Rede ist. Um Halb 10 Uhr Schon steht die Mannschaft in Reih und Glied, nacdem sie wenigstens schon viermal abgezählt war: vom Bugführer, vom Feldwebel, vom jüngsten und älteren Offizier. Wer nicht abzählen ließ, war der Herr Bataillons­­komm­­ndeur, aber nicht weil s ich, überflüssig vorsam, nein, nur, weil er Überhaupt nicht er­­schienen w­ar. Nach ungefähr 2 Stunden langen Wartens wurden wir entlassen. Nach dem Mittagsmahl — heute gab­ Borschifch und Kajcha (Kohlsuppe mit Grüße) — kam es endlich zum Verteilen unserer Stiefel, ohne Bataillonskommandeur. Je,­den Hätte man auch nicht nötig gehabt zu den Stiefeln! In einer Ede des Zeughauses lagen im größten Durcheinander, wie am ersten Schöpfungstage, gegen tausend paar gewesener Stiefel; gestunten Hot feiner mehr; auch, waren sie alle groß genug. Himmel, welche Enttäuschung ! Der reinste Hohn für eine ehrliche Soldatenseeler Seder mußte sich in größter Gile ein passendes Paar aussuchen. Wären sie wenigstens paarweise da­­gelegen, wie die „Nandt-Strümpfel“ Immer 10 Mann durften gleichzeitig ihr Heil im Aus» suchen probieren. Der geneigte Leser möge sich jenes Bild einmal vorstellen. Jever von uns wollte sich doch das beste Baar aussuchen. Da Habe ich endlich einen Stiefel, der wäre wirklich nicht gerade­zu schlecht, aber, wo ist sein Paar? Der ganze Haufe wird nochmals um« gedreht, es Hilft nichts, der Bruder fehlt und fehlt. Der Herz­geldwebel erlaubt nur noch einige Sekunden zu arbeiten. Nochmals fliegen die Stiefel erbarmungslos nach allen Seiten. Endlich habe ich wirklich den Bruder gefunden, aber in welchem Zustand! Von mehreren Seiten hätte man in ihn Hineinfahren können. So, und was das Ärgste noch war, ich hatte dich doch betrogen: es war nur ein Stiefbruder zu meinen andern Stiefel. Das merkte ich erst zu Hause. 2. Wie ich ihn Doch endlich gefunden habe, den roten Bruder. Ich weiß nicht, war es Zufall, aber hatte er einen logischen Zusammenhang, daß in Wirk­­lichkeit zwei mächtige Adler über unsern Ererzier­plag umherkreiften, solange wir unsere ersten neu­­bestiefelten Uebungen machten. Gott sei Dank, eine Keine Baufe! Einer sucht seinen Abfall; der andere bringt freude: steahlend seinen Süßlappen, der ihm z­wischen Sohle und Mederleder herausgerutscht war. Das größte Glück hatte ich. Nann, was denn? Io machte meinen Hintermann Darauf auf­merksam, daß er mir bei dem Marschieren einige Mal in die Hah­n getreten sei, und dabei fielen meine Nugen auf seine­ Stiefel. Welche Freude! Ich spürte, wie mir das Blut ins Gesicht flioß Ja, ja, er ists. Kein Zweifel mehr. Und gut erhalten. „Antreten!" erscholl das Kommando. Seder rennt auf seinen Plab. Die Uebungen nehmen ihren gewöhnlichen Ber­­lauf. Wenn ich meistens nie so recht bei der Sache war, aber diesmal hatte ich es mit viel, viel höhern Dingen zu tun, ‘als auf das Kom­­mando Sr. Wohlgeboren zu lauschen. Daß es der Richtige ist,, Das stand bombenfest. Nur, wie werde ich ihn fliegen? „Rechts nach Ko­­lonnen absehnenden!" dröhnt das Kommando, Me warten auf den zweiten Befehl „Marjeh !" Nein, Kommando und überhörte es auch ganz und gar. Im Gefühl der Gtlücheligkeit des baldigen Wiedersehens mit dem leiblichen Bruder schreite ich geradeaus, den Kopf überlegen hochhaltend, während Die Kameraden rechts abschwenkten. Das war eine peinliche Lage, oder vielmehr ein peinlicher Gang. Sr. Wohlgeboren schickt einen Unteroff­zier mir nach mit den Worten: „ag ihn!" Und so wurde ich einige Male im Laufschritt über den Meinungspfab gejagt. Bald gab­ allgemeine P­ause. Während der Pause erzählte ich meinem­­ Reiniger, dem Unteroffizier, weshalb ich das Kommando überhört hatte. Der, ein alter Praktitus, fühlte ein „menschliches Rühren“ im Gaumen, nämlich, und sagte zu mir: „Für ein Quart Wein verschaff ich dir den Stiefel." So ward auf. Mein Hinter­­mann brachte mir nach dem Mittagsmahl — heute gabs Borjewiu­h und Kafka — seinen besten Stiefel und nahm meinen zerrissenen in Empfang. Der arme Kerl tat mir wirklich leid und ich schenkte ihm einen Rubel. Damals konnte man noch für einen Rubel 3 Duart Wein trinken. Nach ein paar Stunden hieß es auch in der Kaserne, der lange Johann sei dudeldich bem­acht. Und ich hatte zwei rechte Früder an den Füßen, gestunden haben sie nicht mehr, aber groß genug waren sie. 3. Eine N­acht im Michailowischen Bolizeirevier. Auch in der Kaserne merkt man es, wenn die Sonne am Horizont höher steigt. Die Vor­­gesesten sind freundlicher und zugänglicher, oder ist man am Ende mehr selbst so gut ge­­stimmt, daß man die Unannehmlichkeiten und Widerwärtigkeiten des Dienstes leichter ertragen kann, als an den garstigen Winkltagen, Ja, nicht alle. Ich wartete auf sein zweites das bleibt sich schließlich gleich, ob eine ange­nehme Selbsttäuschung ist oder eine wirkliche Veränderung zum Guten. Tatsache wars, daß man in den Frühlingstagen des Jahrs 1916 viel vergnügte G­eicchter im unserer Kaserne zu sehen befam. Man erhielt leichter und auf län­­gere Tage Urlaub. Das gab immer ein großes­­ Hallo. Nächstens sollte ich beurlaubt werden. Aber, man sagt nicht umsonst: Wers Unglück sol haben, der stolpert im Grafe, fällt auf­ den Rüden und­ bricht sich Die Nase. Ich sollte das Unglüc haben, daß gerade, als ich an Die Reihe kam, der Urlaub auf unabsehbare Zeit verboten wurde. Das war ein herber Nachtfrost in den ersten Frühlingstagen des Jahres 1916. Den nächsten Tag erfuhren wir auch, warum Der Urlaub aufgehoben war, a schmückte sich zu den Kaisertagen. Nik­laus II, fest könnte man jagen „Nikolaus der Leite“, beschloß einge Tage mit seiner ganzen Familie in der Metropole des Südens zu verweilen. So fams aud­. Unser Bataillon hatte den Wachedienst in der Stadt zu versehen. In diesen Tagen wur­­den Die Patrouillen ums’ Doppelte verstärkt und somit gab es für uns eine recht anstren­­gende Arbeit. Mit Hilfe der Polizei wurden an verschiedenen Ehen und Enden der Stadt Hausdurchsuchungen vorgenommen. Berüchtigte Seehäuser wurden plößlich befeßt und die Gäste gebeten, ihre Pfäffe vorzuzeigen. Ganz furiose Szenen spielten sich dabei ab, wenn da auf einmal ein ganzes Rudel Soldaten mit aufge­­pflanztem Bajonett alle Türen und Fenster belegt hielt. Einem blieb — ich sehe ihn noch heute — der Tee tatsächlich im Halse stecken, so daß er uns mit offenem Munde und her­­vorgequollenen Mugen verständnislos anstarzte. Eine andere, jedenfalls eine ländliche Unschuld, die vieleicht zum ersten Male mit ihrem Mann, 2 rn

Next