Deutsche Tagespost, September 1920 (Jahrgang 13, nr. 191-216)
1920-09-16 / nr. 204
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Bon Dr. Fig Wertheimer-Gtutigert. es sind auch politische Kreise, die so argumentieren und es sind auch, was viel schlimmer ist, breite Kreise des einfachen Volkes, Die von diesem Wahne befallen sind und denen der Haß gegen alles Französische so den Blick getrübt hat, daß sie nur von russisch-deutsch-bolschewistischen Regimentern träumen, die siegreich Den Rhein überschreiten und nicht das Elend sehen, das zuvor" die Deutschen Gauen grauenvoll überkommen würde. Wie sieht es in Sowjetruß« land aus.Nie war die Frage für Deutschland wichtige,denn jetzt heiemnm mit positiven Aufklängen könnte man Schwärmerin begegnxei, denen alle Wirtschaft mich alles wirtschaftlichs Leben gent, weil es ja in Rußland auch ohne biese Dinge zu eben Scheint. der 8 fehlt an Aufklärungsmaterial. An Enklavem, überzeugenden Material, Die so gestaltet und gegliedert wäre, hab an Die ein« sechsien Gemüter e3 verständen. Es gibt wohl eine Liga gegen den Bollgewiemns, verschieden: Seselschaften sogar, aber was sie bringen, ist sicherlich zum Teil tendenziel3 aufgemagt und dringt nicht im die Waffen. Es gibt wohl zurüdgelehrte Seiendgefangene, aber was sie erlebten, erzählen siz nicht gerne Eifestiih und sur Diejenigen machen den Mund meit auf, Die drüben Kolschemwistisch verfenst wurden und nun das Lob des somjetüitiischen Regimes singen. Es gibt wohl eine Fülle an sich guten und überall auftauchenden Materiale, aber er ver«pafft, weil er wichtiystematisch im Ball gepreßt und rednerisch vorbereitet wird. Und weil der Deutsche immer ein Ilusions-Politiker war und während des ganzen Krieges auf das Wunder wartete, das von irgendwoher zu seiner Rettung kommen sollte, so starcen auch . ..tIH,MM Reich flüchten Loffen. An die drastlichen Erzählungen dieses jungen Mädchens wirde ich erinnert, ald ich fest ein Buch Tas, das der Aus- Hörung über Ausland gewidme ist. Dr. Alfons Goldschmidt, der Herausgeber der deutschen „Rötezeitung,“ hat er geschieden, es heißt „Nockau 1920“ Dieses Buch ist in einem Stile geschrieben, der widerlich it. D.8 ist no ein glimpfliches Wort. Wenn man diesz hopfen aufgeblasenen Whrafendreichereien durchliest, Diese Knalliger, dummen Einbildangs« Runstiickhen, biefe expressiosistisch-willkürlichen Stilblüten, so möchte man wünschen, Daß dem H ren Berfasler eine Lektion, ob dieser Beriandelung unserer Deutschen Sprache erteilt wärd:. Wenn das neuer bolschewistiicher Stil ist, bewahre der Himmel unser deutliches ag rer vor dem Boljgewiemus. Da er von einer Fram redet, die „Sileroden spiht“. Die eine „felsige Duldung“, ein „lächelnder Fels“, eine „Quaderne Sprengerin“ ist, ob ihm irgendein Genoffe eine Aufklärung „flagerzeigte“, 05 er von dem Beariffäfchürfer, Lapiterlähler, Sprachzeiger, Spitemibenker, Gradbeichreiter, Lächler, Strafer Lenin erzihlt, immer ist er verschieden, ec-ihaft. Aber das wäre zu verzeihen, wenn Dies Buch die heißerischate Aufklärung brächte Es sol nicht das endgiltige Urteil des BVerfassers sein. Er will noch ein wissenschaftliches Werk schreiben, bietet hier Toll nur ein Wolagern von Tagebuch- Notizen sein, kein „Schwigbuch“. Wber ein Schwachbuch ist es gela ben. Der Autor ist begeistert von allem was er sieht. Er kann zwar kein roffiich und war and bor Dem SKriege nie in Auplanch. er hat zwar, das spürt man, nicht viel Aheang von der Mentalität der Rusfen, aber ex Lobt, preift, Himmelt ] scan, er ist entzlich, begeistert, trunfen vor Be jest weite Kreise wie gebannt auf das vor aeisterung über dieseg Dorado d:3 Tomjetilifchen Rußland, Nur wann man zwischen den B:ten nid wenn man Diebie oft zurückehmen, was ganze Seiten eben noch lobhudelnd preisen, erfährt man die Wahrheit, oder Doch ein Teilchen von ihe, fieht man in Dieses glückche Land, in dem die Arbeiter mehr hungern als in Deutschland, und die Pfaffer ebenso gut leben wie in Traufreich, Denn der Schleichhandel blüht und wer ihn nicht hereich!, kann verhungern. Das nicht mehr veihungern kommt nur daher, weil so viele ihn verstehen. Die Dolmetscherinnen des Herrn Goldschmidt machen sie Binsen aus einem alten Salafarzıg von ihm, die Frauen WRoslans führen Die neue Mode ein, Strümpfe nur bis über Die Schuhe zu tragen, weil sie nicht mehr Stoff haben und weil dann die Schuhe verdehlen, aus wieviel Stüden diese Strümpfe zusammengeflicht sind. Es gibt Bettler auf den Boulevards, auf denen Kuchen und iS verkauft wird, «8 gibt Fabriken, die voll mit Arbeitern beseßt sind und in denen die Maschinen parat und geht, die Schuhperrichtungen mundlijh da hergerichtet sind, bis aber nur nicht gehen, weil es an Rohsisften und an Kohlen mangelt. Es gibt elegante Savaliere und auch noch elegante Damen und es gibt noch eine Prostinntion. Es ist zugestandenermaßen nur 600.000 eingeschriebene Kommunisten, die die 150 Millionen Einwohner terrorisieren. Die Sowjets wollen gar nicht mehr Mitglieder, sie fieben geh: für die sich Meldenden, weil sie natürlich Angst haben, sich ihre Gegner in den eigenen Reihen groß zu sieben. Es gibt sicherlich fähige, tüchtige, denfinde und auch in Weltteilen und Sabıs zehnten Denfende Führer, aber auch die alte russische Urpünfiliäkeit, der Sihlendrian, Die Gleichgiltigkeit, die Bummel troß all der „Leistungebefäbisten" und „verwaltungsqualiftierten Arbeiter“, von denen der Autor erzählt. E83 wird unerblich viel gesprochen in Mostan, aber die fommunistische Arbeit ist noch Feine „Seifinnasarbeit. Man weht viel in die Kirchen, und mehr in die Meeting“. „Früher duldeten die Därohänge die Schieber, und Spekulanten das Proletariat, jst Duldet das Proltariat die Schieber, die Spekulanten und Die Oyrgehänge*. Man kann es wohl nicht besser umschreiben, daReinerlich alles beim Alten geblieben ist und nur die Firma gewickselt hat. Wenn man nach Diesem eigentlich unverdächtigen Zeugen urteilen sollte, ist die innere Fäulnis dieses Sowjetstaates ungeheuer und man neigt Dazu, denen recht zu geben, die da jagen, ohne die äußeren Feinde, die Die Entente immer wieder gegen die Somjet-Regierung aufhebte, ohne die Denikin, Rolifchaf, Judenitsch, Wrangel und Schließlich ohne Polen wäre das Sowjet- Regime längst innerlich zusammengebrochen und auch von innen heraus gestürzt worden. Nur der Drud von außen her sittet zusammen, was im Inneen längst zerbrochen ist und nicht halten kann. Das Buch von Goldschmidt will nicht als ernsthafte wissenschaftliche Arbeit gewertet sein, aber gerade die flizzenhaften Bliglichten, Die er Über das Moslau von heute ! ! Die Wahrheit ist immer schwer zu erfunden ‘und sie tut uns kaum in einem Punkterbitterer not, als in dem der Erkenntnis über den Osten. ‚Dat doch der rasche Sieg der Bolschewisten Aber das Polenheer die Welt aufhorchen lassen und gerade in Deutschland Stimmungen gestärft, Die auf die Dauer gefährlich sind. Daß der „National-Bolschewismus“, wie man das Gefüge dieser Stimmungen und Allusionen nennt, an Anhängern gewinnen kann, ist nicht schwer verständlich. Zum ersten Male findet das allgewaltige England einen Gegner, der ihm an Die Gurgel greift, der mit der Gewalt seiner Ideen, unter gesehiter Benugung gleichartiger Gene zwischen Islam und Somjet Achte. Über Bersien weg an das indische Tor pocht und den tragenden Pfeiler von Englands Weltstellung zu unterwühlen droht. Lloyd George entdeckt in Lenin einen Gegenspieler, wie ihn der Weltkrieg keinen noch entgegenführte. Die Franzosen erkennen zwar den aus der Krim vor« brechenden General Weangel an. Doch stürzt ihr künftlich errichtetes Vohnhaus wie ein Rarten-luftbau zusammen, da nun der wufftige Ostwind bläst. Das ganze Gefüge der Entente kommt leicht und Wanfen und der Mittelpunkt der Politif hat sich vom Westen über Deutsch. Sand weg nach dem Osten verschoben. Die menefte Phone Des Weltkrieges ist zu einem Kampf zwischen Entente und Sowjetrußland geworden, das offen erklärt, Die Umwaltverträge Des Entente- Kapitalismus nicht anzuerkennen, das kein Polen bestehen lassen will, wie es Frankreich träumte; ein waffenstarrendes, Deutschland von Diten her abschuärendes und in Schach) haltendes, sondern aur ein Polen, wie es eben Rußland braucht: ein zwar autonomes, aber wilitärisch auch nach Diten Hin mngefährliche, das wirtschaftlich eng Rußland verbunden bleibt und dad den Waren und Güteraustausch mit Deutschland nicht zu stören vermag. Dieses Sowjetrußland erklärt die ehemalsdeutschen Zeile de jehigen Polenreiches Deutschland zus zäcgeben zu wollen. Dieses Rußland erklärt, endlich die wahre Selbstbestimmung den Völkern geben zu wollen, die die Entente nur im Munde führte. Diesed Nurland, das man vergebens Dur Ruffengenerale, durch Denilin und Juden aufch, durch Bermordt und Koltichak bekämpfen offen wollte, steht Heute größer da als zuvor und wächst sie zu einem Ententegegner aus, vor dem die französischen und englischen Macht» Hoter zu zittern beginnen, weil Die eigenen Arbeitermasten der Ententestaaten nun den Krieg endlich satt, haben und immer heftiger und drohender gegen den militärischen, oder auch nur gegen den Biodadekrieg gegen die Brüder in Rußland fürchten, bekämpfen und zu sabotieren beginnen. Schon als Deutschland sich unter dem Griff der Gegner wand und bog, schon als «3 Frieden schliehen mußte, gab es ein Häuflein national Sefiniter, das so argumentiertes Biel gefährlicher als der Bolschewismus ist uns Die Herrenfanft Frankreichs und Englands, Lieber seßt bolschewistlich werden, das Lift in uns aufnehmen und es mach Weiten zu weiter verpflangen, als Sklaven der Entente werben. Wir werben schon raich dank unserer eingeborenen Tüchtigkeitund wieder freimachen bom bitlichen Infektionsstoff, aber die Nomanen werden ihn Dann umso länger behalten. Und dann werden wir innerhalb ‚der bolschewistere Wert wieder aus der Asche des Zusammenbruchs leuchtend emder steigen, das Saargebiet und Scleswig, Bojen und Oberschlesien wird unser fein und her gerieden, von Bersailles wird der Geschichte angehören. Man muß offen zugeben, es waren nicht die Schlechtesten, die so dachten und argumentierten und sie Haben sehr mächtigen Zuzug bekommen, da auch der Bolschewismus in Rußland neue Nahrung aus dem dortigen nationalistischen Lager zog. Der Krieg gegen Polen ist in Naßland populär, wie nur 4 Bolisfrieg sein kann. Man haft die Polen und der Bolichewismus bewegt geishicht die expansionistischen Intetinkte der zuffischen Bylfseele, um anläßlich de von den Bolen vom Zaune gebrochenen Präventivfrieges nun die im besten verlorenen a dem Auffenreiche wieder anzugliedern. Lenin ist so alleinstisch und imperialistisch wie nur je ein Brief war. Er denkt vielleicht an ein anderes Rakland als Die Romanows, an ein fbrderatives Gebile sonftern Staaten, aber sicherlich an ein ARupand, dem nach der Berichmettern dens auch das en DE SE Eh aan bon selbst wieder sich zuwenden würden und bessen Stoßfenst sich dann wuchtig auch wieder gegen Sibirien wenden könnte Dafür gewann die Sowjetregierung auch Reeife, die je bisher jeim eigenen Rolle gegenüberstanden. 08 der Begeisterung siegreicher Heere und repansionistisch oder immperialistisch begeisterter Massen erhoffen auch die Buifilom und Benoflen sich manches. Der polnische Krieg wurde bollStäslich in A Rußland und die Sowjetregierung faun nit Stolz fanen, Daß sie einen nationalen Krieg filtet. Dieses Beispiel steht an. Auch deutsche national gesinnte Kreise beginnen unter Berufung auf dieses russische Beispiel allerhand vom Bolschewismus zu erhoffen. Sie sehen zunächst nur Das Aufbauende, das Nationale. Das Defrenttive hoffen sie in Deutschland mit dem deutschen Bolfe, dem industrialisierten Staate, tausend Mal rascher zu überwinden, als er im agraren Rußland möglich war. Der Bolschhewismus ist ihnen nur Hoffnung, nicht Schreckgespenst. Alle Blutströme, das Hinmorden der Itelligenz, das Einreißen der russischen Bolfswirtschaft, all das ist rasch vergessen, das Nationalistisch-Gegenwärtige nur wird geglaubt. Es sind militärische, dringende Ruffenheer und jubeln mit, wenn die von den Polen erlösten Bürger Soldaus Dar einziehende Ruffenheer jubelnd begrüßen und haben Rührungstränen in den Augen, wenn sie lesen — all in konservativen Blättern lesen! —, daß der russische Kommandant versprochen habe, nicht eher zu ruhen, als bis der polnische Korridor wieder deutsch geworden sei. . Züngst’kam ein junges Dienstmädchen aus Moskau zur, Tochter eines eigenier reichsbdeutschen Vorarbeiters, der nach Sowjet-Rußland verschlagen worden war. hatte sie in Moskau nicht mehr gehalten, obgleich der 22 jährige fehmwärmerische Bruder ein Sowjetgewaltiger war, ein Kommandant und Kommissar in der Gegend von Yıkutli, der mit dem Ertrazug nach Moskau zur Berichterstattung fuhr und dabei seiner Mutter einen Schinken, ein paar Pfund. Butter und Braten wie Brot mitbracht, Smäß, im Werte von ungezähiten tausenden von Aubein. Die ganze Hohlheit Des jomiettikischen Wegiements war Diesen einfachen Mädchen nicht mehr erträglich erschienen. Dos alles so war wie früher, Schiebung und Laderleben, Befig und Wohlben, wie Elend und Armut, daß aber alles nur so tausendfach verlotterter und verelendeter war, das hatte sir wggetrieben und sie ins wirft, fudungen jagen mehr, als und Darlegungen ernste Untervon Wirtschaftstheorien, wie die Dinge sich auf dem Papier ausnehmen und in den Köpfen der Sowjet gewaltigen spiegeln. Denn hier schildert er Wirken dort wird er papierenes Wollen daregen. Von den Delegationen und Studienreisen, die nach Rnplaxx d gehen,die Wahrheit Erfahrma« zu wollen,wäre vermessen.Sie werden ja,wie Gotdschmidt erzählt,»Louig behandelt«,zu deutsch, eingereift. z Für sie läßt man Fabriken Taufen, deren Maschinen man aus einem Dugud anderer nur für Dielen einen Besichtigungstag zur Sammenstahl, für sie beleuchtet man zum Spaß und einmal abends einen ganzen Stadtteil von Moskau, für sie werden Meetings veranstaltet und Neden gehalten. Die Wahrheit wird aus dem Raffexvolke selbst kommen müssen. Und sie wird erst fommen, wenn das Bolschewistenregiment zusammengebrochen sein wird. Vielleicht wird es erst zusammenbrechen, wenn es vor England und Frankreich anerkannt ist, weil es 10 lange sich hält, als es im Kampf mit dem Weitmäzen steht. Virleicht wird der Broge auch schneller gehen und die Weltmächte haben doch den größeren Wem. Auf jeden Fall ist das Problem Nurland Heute für Deutschland mehr Denn je ein Problem des eigenen Beistandes und eine Frage, die nicht nur unter dem Gesichtswinkel politischer Illusionen und Bhantasien betrachtet werden darf: einen Weltenfähe benchtel, | iS Weukiih Onkels, *H taufend Rund um Berlin, Bon Gustan Erenpi. (Sluf.) Etwas Unsicheres hat sich des Berliner Öffentlichen Lebens bemächtigt. Bordem wurde seit Darauf Loßgegründet — heute scheint man zu probieren. Auf allen Gebieten gilt es, si von Krise su Reife durchzuminden. Durch kleinere oder größere Nachgiebigkeit im Prinzipiellen — wenn möglich, und auch durch gänzliches Umschwenfen — wenn es sein muß. Niemals sah man hier so viele Bufallöunternehmungen, Belange für jeden Artikel, Vereicherungsgesellschaften im Speziellen, Vermittlungsbureaug für alle Fächer, politische und literarische Blättchen, die von KRlutieh und Nellamemaden leben. Groß der morhentlich wachsenden Papierpreise ist die Zahl der bestehenden Beitschriften größer als in dem Kriege. Rur erscheinen Die großen Revuen in mehr aktuellem und minder literarischem Gewande, während Sensationsblätter der Enthüllungen und seinen Rodelstiche sich oft unter Haffiichemn Titel anbieten, als wenn sie den Auftrag direkt von einer der Musen erhalten hätten. Um Widersinniges zu rechtfertigen, müssen End Gerlegenheitsprobleme herhalten. Nirgends verficht man das Alltagsleben mit feinen sonst so durchsichtigen Mitteln und Tüden so sehr in eine zermnorrene Problemaiit zu ballen wie im Dieser Stadt einst vielgepriesener Gablinigkeit. Boran steht das Kinoproblem, das täglich sherbergezerrt wird, weil die großen Filmunternehmer sig auf diese Weise den Zustrom des «freilich immer wieder vertwegenen Heiteren Bablitums“ sichern wollen. Jede Woche wird im der Kritik irgendeiner Zeitschrift der erste „Literarische Film“ angekündigt, diesmal „unwiderruflich“ der erste. Man spricht von einer Reform des Gottesdienstes durch Mitwirkung des Lichtspiels, über das Kino im Freien, über Filmarchitektenit, und trägt mit jedem neu aufgeworfenen Problem paktisch zur weiteren Veränderlichung von Kunst und Leben bei. Freilich kommt diese Problemsucht den extremsten Neuzrern der Kunst, den Kubisten und Dadaisten, zugute. Auch die Pädagogik ist von einem solchen Geiste des „problematischen Hofruhre“ erfüllt. Sie will die Jugend bald befreien, bald wieder sozialisieren, bietet ihr neueste Kunst und neueste Literatur. Die Ergebnisse, soweit sie an der arg bedrohten Straßenjugend zu beobachten sind, verblüffen, anstatt zu Überzeugen. Ueberall ein Taften und Haften zugleich — und was neulich ein Wibhblatt als neuesten Haffischen Ballichmufft zum besten gab, könnte als Beitfrage füglich an alle gerichtet werden:st Das Unzulängliche auch bei Söhnen schon zum Ereignis geworden?" Eine naturgetreue Berliner Entdeckungsreife endet stets außerhalb Berlins. Wer Berlin richtig einschägen will, der muß sonntäglichermitgepilgert sein in das spärliche Grün, das in Treptow und Grunewald an da Stadtbild anlehnt. In diesem Bereiche hat sich Berlin während des Krieges am allerwenigsten geändert. Freilich wurden Forst und Hain arg gelichtet und das alte Lied über Die Holyauktion im Grunewald gewinnt erhöhte Aktualität. Im übrigen aber Das gewohnte Bild: unter fahlen Kieferstämmen im spärlichen Rasen lagernde Gruppen. Dicht gefüllte Wardscheinen in denen Familien gegen bescheidene Gebühr selbst Kaffee kochen und auch der alte Aufwand an Liebespäcken, die sie hier und genierter gebärden, al irgend anderswo auf Gottes Erden. Sie scheinen doch das aufdringlich zur Schau gestellte „Recht auf Liebe“ alle Heimlichkeiten der herkömmlichen Liebes» tomantik zu tilgen. Die Liebenden Berlins leben sich so handgreiflich vor der Oeffentlichkeit aus, daß für Die Stunden des Tetentete wenig übrig bleibt. Der Berliner Ausflügler ist sein Tourist und die Landschaft um Berlin gewiß nicht hinreißend. Der Wiener, der in den Wäldern seiner Umgebung die Alpenwelt über Semmering und Geläufe mit allen Tannen und Zyklamendüften zu sich hinabsteigen sieht, hat für die sandverwehte, mit Naturzutaten arme selig ausgerüstete Marl wenig Verständnis übrig. Man muß sein Auge erst einzustellen lernen auf Diese trifte, ins Nördliche hinübergleitende Ansicht, in der eine helle Birke, ein Thilfumrahmter See nur bisweilen von der Dede der Kiefern erlöst, um dann zu begreifen, daß auch Diesem herben Einerlei ein eigener Zauber innewohnt. Berlins unwollender, stroßender Genius, der immer nur formt und nimmer rastet und darum seinen Stil, sondern nur Uebergänge zeugt, hat sich aus Dieser bangen, duldsamen Kieferlandschaft Dan Mald und Wafser um Berlin sind Grund und Duelle seines Werdens. Und so verhält sich Berlin zu Wien wie der Grunewald zum Wienerwald. »N«Fi-Pr-« , weilen fi - Kr Ists-VII — Die Konferenz in Air les - Bains, Paris,14 Sept. Sonntag trafen der scan. il. Ministerpräsident Millerand a bee. taliesische Premierminister Giolitti in Ag . ·. N · .,. Ministerpräsidenden niemand Bei. Sonntagnachmittag trafen ih die Minister unter Beziehung Der französischen Gesandten in Romarrere und de S italienischen Gesandten im Paris Bonis Longar sowie der Generäle Berthelst und Alliotti zu neuer Beratung. Giolitti wird Dienstag fürhaus Agles Bains abreisen. Millerand wird einen Tag rufen, Mittwoch früh nach Genf abreisen und Donnerstag früh 8 Uhr in Paris eintreffen. Tale Ionercn konferiert mit Giolitti. "Baris, 15. September. Der rumänische Außenminister Tale Ionsctu hatte vorgestern eine em&führliche Besprechung politischer Angelegenheiten mit Giolitti. (D. T) leg Der Charakter der Großindustriellen Stinnes. Scheidemann hat Ludendoff einen Hasardspieler genannt. Deutschland hat einen neuen Hasardspieler von ebensaldder Kraft und gleicher Leidenschaftlichkeit: Stinnes, so schreibt der Berliner Korrespondent de „Nieuwe Notterdamsche Courant* in einer interessanten Studie über Stinze. Dieser Großindustrielle ist eine Macht für sich duch seinen fanatischen Willen, seinen phantastisschen Reichtum und pn ftaat von achtzig, zum Teil großen Blättern. Die bdeutsche Regierung steht auf schwachen Tüben und wird aufs neue erschlittert durch start anmachlende Unzufriedenheit in der Deutschen Bolfspartei. Wenn der Niefe Stinns mit leisen achtzig Zeitungen gegen sie loezieht, dann ist sie verloren. Daher stammt die fatale Dlacht dieses Mannes. IH habe Die dumme Bihauptung gehört, Simons spiele mit ihm unter einer Dede. In Wirklichkeit ist Simons sein einziger starker Gegner. Stinnes leite einen imposanten Anbild. In der Kleidung und in leiser Gestalt, auch dem Gesicht nach gleicht er einem Handwerfer, der zu Wohlstand gefonımen ist, aber so viel guten Geschmack bef ist, nicht Den grogenen herberzuzehren. Es ist merkwürdig dunkel, ein Typus, wie man ihn in Holland nur unter portugesischen Suden findet. Müßte ich ihn, ohne zu wissen, wer es sei, Kaififizieren, dann würde ich etwa auf einen portugiesisch-jüdischen Synagogendiener roten. Stinnes hat aber sein jüdisches Blut in feinen Fern. Er stellt den Typus des militanten ®lankenseifererd dar. Dan kennt sie bei uns in Holland die Dunklen unerbittlichen Fanatiter. Der faratiische Glaube des Stinnes, für den er mit voll« fouimener Selbstaufopferung fämpft, lebt in der Halbreitung seiner Urternchmungen. Er hat das Temperament und das Genie eines industriellen Napoleon. Dabei ist er wahrscheinli auch noch ein fanatischer Patriot. Diese zwei Momente bestimmen sein Beben, daß erstere natürlich noch mehr als das lettere. Dafür Irgt. ww alles aufs Spiel, für ihr Hißt «8: alle“ -