Deutsche Tageszeitung, Oktober 1935 (Jahrgang 2, nr. 296-322)
1935-10-01 / nr. 296
Onor. Asociatiunea pentru Culturä „Astra Sibiu Je uffche Jüpe 2. Jahrgang Schriftleitung: Rosmaringasie 1; Fernsprecher 299 Bezugspreise monatlich: ohne je 60 Lei Berwetung: Metropoliegasie 15 ; Fernsprecher 298 mit Zustellung 70 Lei Dienstag Sibiu-Hermannstadt Postfach 97 — Wortichedronto 62181 wolge 296 1. Oktober 1935 = Anzeigenpreise: Die 65 mm breite Millimeterzeile im Anzeigenteil bei 3 °— Die Schande von Memel! Ungeheuerliche Vorgänge bei Den Wahlen im Memelland — Appell Italiens an England — Aberlinien wird allen Angriffen Widerstand leisten — Scharfe Abwehr der Nede Tataresens Durch Vehassungsfront Bestätigung der deutschen Befürchtungen : Terror und blutige Zwischenfälle ! Ungeheuer schleppender Gang der Wahlhandlung Memel, 30. September. Der Verlauf der gefirigen, von der lifauiischen Regierung für den Memelländischen Landtag ausgeschriebenen Wahlen rechtfertigte leider in vollem Maße die Befürchtungen, die von deutlicher Seite eindringlich geltend gemacht worden waren. Schon am Vorabend der Wahl begannen die Ungeheuerlichkeiten. Der Stadtmagistrat von Litauen hatte die Verteilung von Stimmscheinen an einige Litauer, die verspätet angeluht hatten und daher nicht in die Wählerlisten eingetragen waren, selbstverständlich abgelehnt. Sonnabendnachmittag erschien das litauische Mitglied des Direktoriums, Dr. Anisis, mit anderen Beamten und einem Aufgebot der Staatspolizei im Landtag. Die Beamten wurden gezwungen, widerrechtlich den Litauern Stimmscheine auszufolgen. Der litauische Kriegskommissar des Memelgebietes wies Sonnabend die Stadtverwaltung an, die memelländische Bolizei am Wahltag zurückzuziehen (!) und den gesamten Ordnungsdienst der [11 a wie fden Schuhpolizei zu überlassen. Dadurch gingen sämtliche Wählerlisten in die alleinige Verfügungsgewalt der lefautischen Staatspolizei über. Diese Maßnahme steht im schärfsten Widerspruch zum Memelstatut. Bereits am Sonnabend kam es zu blutigen Swithenfällen. Der Memelländer Nonak aus Heydekrug wurde durch Meflerfihe Ihbwer verlegt. Während er Flugblätter für die deutsche Einheitstifte verteilte, wurde er von mehreren Litauern, die in einem Poffeauto vorbeifuhren, überfallen und niedergestochen. Später kam es zu einer Schlägerei, bei der 20 Litauer mehrere Memelländer verlegten. Der Wahltag selbst war gegenüber allen Schikanen ein bereiiches Bekenntnis des Memeldeutschtums zu Volk und Heimatland. Schon lange vor 7 Uhr früh standen in der größten Kälte hunderte von Memelländern vor den Türen der Wahlräume Schlange. Obwohl am Vormittag ein leichter Regen niederging, barrten die Deutschen stundenlang aus, da der Wahlgang sich infolge des völlig unbrauchbaren Wahlsystems endlos hinschleppte. Schon bald nach Wahlbeginn war das von deutlicher Seite seit langem Befürchtete eingetreten: Es war klar, daß das umständliche Wahlenverfahren so zeitraubend war, daß nur ein Bruchteil der Wähler abstimmen konnte. Mittag 12 Uhr hatten z. B. in einem Wahlraum von über 1000 Wahlberechtigten erst 160 abgestimmt. In den meist überraschend kleinen Wahlräumen konnten sich die etwa 60 ausländischen Berichterstatter von der Unzulänglichkeit des Wahlvorganges überzeugen. So mußten alte Leute Stunde um Stunde vor den Wahlräumen stehen, auch wenn sie pünktli um 8 Uhr zum Wahlbeginn gekommen waren. Es war rührend zu sehen, wie Greife und Kranke, Rahme und Blinde und Gelähmte auf Tragbahren herangeführt wurden, um Stimme für ihr Deutschtum abzugeben. Hervisches Bekenntnis zur Heimat Hilferuf an die ausländischen Pressevertreter : „Befreien Sie uns, sonst sind wir verloren!“ Mit einigem Staunen stellten die Pressevertreter der Westmächte fest, daß es anscheinend nur Wähler der Einheitsliste gab. Außerdem waren die Pressevertreter erstaunt, Raum ein litauisches Wort zu hören. Die Pressevertreffer werden von den Bewohnern mit Klagen bestürmt. Bezeichnend ist eine Mitteilung amerikanischer Leitungsleute, denen die Menge in einem Orte zurief: „DBe freien Sie uns, sonst sind wir verloren !“ Aus der Stadt Memel wird gemeldet, daß dort das Zubringen der Kranken und Gebrechlichen mit dem Kraftwagen den Verfretern der Einheitsliste untersagt wurde. Solide Kraftwagen wurden angehalten und ihre Nummer aufgeschrieben. Eine Frau, die ein Kind erwartete, wurde vont den Polizeibeamten gestoßen und geschlagen, fodaß sie umkehren mußte. Derertrauensmann Schmidt wurde von Bolizisten im Wahlraum mit Pistolen bedroht. Zwei alten Damen wurde zur Wahl eine Frifft von einer Bierzelttunde gestellt, doch erklärte man ihnen dies erst drei Minuten vor Ende der Frist, sodaß sie natürlic nicht fertig werden konnten. In einem anderen Wahlraum hatten nachmittag von über 2000 Wahlberechnigten nur 450 abgestimmt, während 400 vor dem Wahlraum warteten. Angesichts der Unmöglichkeit, unter den Augen der zahlreichen ausländischen Beobachter den größten Teil der Wähler nicht vorzulassen, trat das litauische Karbinett gesfern nachmittag zusammen und sah sich genötigt, eine Abänderung des Wahlgesäßes dahin vorzunehmen, daß die Wahl heute, Montag, von 8:18 Uhr fortgelegt wird. Am Sonntag wurden die Wahlurnen versiegelt und in den Wahlräumen bewacht. Auf die zahlreichen Proteste der Einheitstite hin wurde beschlossen, den Wahlvorständen mitzuteilen, daß am Montag die sonntägigen Behinderungen aufhören sollten. — Während desWahlvorgangs mußte also das Wahlgefet abgeändert werden. Das bedeutet die Furchtbarife Blamage, die man je in der Wahlpolitik erlebt hat. Auch in anderen Punkten hat Kiesfallen im leßten Augenblick seine Hal fung abändern müssen. Der Spißenkandidat der memeldeutschen Einheitsliste wurde in fetter Stunde zum Mitglied des Wahlkreiskommitees ernannt, in dem die 5 litauischen Abgeordneten dur 3, die 24 deutschen Abgeordneten dagegen nur durch 2 Mitglieder vertreten waren. Die Wahl vom 29. September 1935 ist zu einem Weltskandal geworden. Es heißt, daß die Zählung der Stimme zeitel mindestens eine Woche dauern werde. Niemand kann diese Wahl anerkennen. Sie muß für null und nichtig erklärt werden. Es ist höchsite Seit, dab dies Seidnermählte des Memelstatuts endlich dem litauischen Räuber[piel ein Ende machen ! C- Ausgabe (Cibinium) Wir rennen das Ziel und willen den Weg! (AB. ©.) Mit dem heutigen Tage tritt unser Blatt in das zweite Jahr seines Bestehens. Das Ziel, wofür wir vom ersten Tage an bis seht unbeirrt geskämpft haben, steht heute ebenso klar vor uns, wie vor einem Jahre. Wir wollen auch mit unserer Tages-Prese mitbauen an der Volksgemeinschaft aller Deutschen in Rumänien. Nun wird man uns entgegen halten, daß dieses ja auch die anderen deutschen Tagesblätter, sofern sie wirklich deutsch sind und nicht nur deutsch geschrieben werden, ebenso wollen. Gewiß, auch sie wollen diese Volksgemeinschaft. Aber es weiß doch ein jeder unter uns, dab es bisher kein Tageblatt gab, das außerhalb des Siedlungsegebietes, indem es erschien als in anderen deutschen G Siedlungsgebieten gelesen worden wäre. Wir hatten Banater, Siebenbürger, Bukoswiner und Bukarester Zeitungen, aber keine deutscche Tageszeitung, die in gleicher Weise von den in diesen Gebieten wohnenden Volksgenossen als ihr Blatt angesehen wurde. Und hier liegt die eine unserer Aufgaben, die wir zu erfüllen haben. Wir müssen mit jedem Tage einen der vielen Steine, die auf dem Wege liegen, der zur einzgen deutschen Volksgemeinschaft führt, forträumen. Daraus ergibt sich zum Beispiel auch die Stellungnahme unseres Blattes in konfessionellen Fragen, die eine andere sein muß, als die der Targeblätter, die unter dem Gesichtswinkel ihres konfessionell geschlosfenen Siedlungsgebietes an die Fragen herangehen. Für uns steht nicht nur das Amt des katholischen deutschen Bischofs in Temescburg ebenso body wie das des evangelischen deutschen Bischofs in Hermannstadt, als unssere ganze Haltung gegenüber den beiden Kirchen kann immer nur die gleiche sein. Wenn wir in diesen Fragen irgendeine Kritik üben, so kann sich diese niemals gegen eines der beiden Glaubensbekenntnisse, die wir gleich achten und schäßen, richten, sondern immer nur gegen Personen oder Organisiationsformen, die wir als deutsche Menschen ablehnen und bekämpfen, wenn sie unserem Deutschtum schädlich sind. Weil wir aber willen, daß beiden Kirchen bei uns auch wichtige völkische Belange anvertraut sind — denken wir nur an unsere Konfession neuen Schulen — su wollen und werden wir unsere Mitarbeit der katholischhen Kirche und der evangelischen Kirche niemals verjagen, wenn es gilt, unsere Kinder zu deutschen Menschen zu erziehen. In reinen Glaubensfragen achten wir die ehrliche Ueberzeugung jedes Volks genossen in gleicher Weise. So sehr wir also in der Stellung zu den beiden Kirchen eine vermittelnde Haltung einnehmen, fojharf und